Das Eis, das Meer und der Weltklimarat
Die Ozeane „können nicht mithalten“ mit den Mengen an Treibhausgasen, die die Menschheit produziert. „Die Konsequenzen für Natur und Menschheit sind weitreichend und schwerwiegend“. So die Aussage von Ko Barrett, Co-Vorsitzende des Weltklimarats, bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Sonderberichts über Ozeane und Eis in einem sich ändernden Klima am 25.09.2019 in Monaco.
Deutlicher als früher
Der Sonderbericht warnt mit deutlichen Worten vor schmelzenden Gletschern, schmelzendem Polareis, steigendem Meeresspiegel, verstärkten tropischen Stürmen und zerstörten Ökosystemen. Er stellt dar, was bereits jetzt beobachtet wird und was in Zukunft zu erwarten ist. Außerdem beschäftigt er sich mit Möglichkeiten für Anpassung bzw. Abmilderung (Mitigation) von Auswirkungen der Klimakrise und Möglichkeiten nachhaltiger Entwicklung.
In diesem neuen Sonderbericht fallen einige Zahlen höher aus als in den bisherigen Berichten des Weltklimarats, z.B. der für das zu erwartende Ausmaß des Meeresspiegelanstiegs. Allerdings dürften nach wie vor etliche Werte, selbst die für Worst-Case-Szenarien, niedriger sein als die real zu erwartenden. Das liegt an der Arbeitsweise des Weltklimarats und seiner Einbettung in politische Strukturen. Denn als Zusammenfassung wissenschaftlicher Daten für Politiker*innen und Entscheidungsträger*nnen ist er an die Zustimmung aller unterschreibenden Staaten gebunden. Somit ist es ein Bericht der kleinsten gemeinsamen Nenner, da auch der klimakrisenskeptischste UN-Staat jeder Formulierung des Berichts zustimmen muss.
Obwohl aus wissenschaftlicher Sicht wenig Neues enthalten ist, ist dieser Bericht wichtig, nicht zuletzt wegen der deutlichen Aufforderung jetzt zu handeln. Daher möchte ich einige Punkte und Aussagen des Berichts hier vorstellen. Die Zahlen, die ich nenne, stammen alle aus diesem Sonderbericht und dürften damit eher im konservativen Bereich liegen.
1,4 Milliarden Menschen bedroht
Schmelzende Gletscher bedrohen vor allen Dingen die rund 670 Millionen Menschen in den Hochgebirgen. Der steigende Meeresspiegel die 680 Millionen Menschen, die weltweit an flachen Küsten leben, 65 Millionen in kleinen Insel-Entwicklungsstaaten und 4 Millionen in der Arktis. Somit sind gute 1,4 Milliarden Menschen massiv von den teils dramatischen Veränderungen der Kryosphäre (Gesamtheit des Eises auf dem Planeten) und der Ozeane betroffen. Das macht der Sonderbericht unmissverständlich klar.
Er sagt deutlich, dass diesen Menschen schwindende Trink- und Nutzwasserreserven, Überschwemmungen, Dürren und verstärkte Sturmaktivität drohen, egal wie es weitergeht mit dem Treibhausgasausstoß. „Falls wir die Emissionen stark reduzieren, werden die Konsequenzen für Menschen und ihre Lebensgrundlage noch immer herausfordernd sein, aber potenziell besser handhabbar […]“ sagte Hoesung Lee, Co-Vorsitzender des Weltklimarats.
Die Gletscher (ver)schwinden
Kleine Gletscher, wie sie in Europa, Ostafrika, den tropischen Anden und Indonesien zu finden sind, werden bis zum Ende des Jahrhunderts voraussichtlich mehr als 80 % ihrer momentanen Eismasse verlieren. Zumindest, wenn wir weiter relativ viel Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben. Die Menschen im Hochgebirge, aber auch flussabwärts, sind von diesem Gletscherwasser abhängig. Was passiert, wenn die Gletscher kein Wasser mehr liefern? Ich gebe zu, dass das eher eine rhetorische Frage ist.
Wärmere Meere sind ärmere Meere
Nicht rhetorisch ist die Frage, was im Ozean passiert, wenn er weiter so viel Wärmeenergie aus der Atmosphäre aufnimmt. Bisher hat er ungefähr 90 % der überschüssigen Wärme des Klimasystems geschluckt, bis 2100 wird er zwei- bis viermal so viel Hitze aufnehmen wie in den vergangenen 50 Jahren. Selbst dann, wenn wir die globale Erwärmung auf unter 2 °C beschränken können. Können wir das nicht, wird er fünf- bis siebenmal mehr Wärmeenergie aufnehmen. Er wird also verdammt viel wärmer.
In einem wärmeren Ozean mischen sich die verschiedenen Wasserschichten nicht mehr so gut. Die Vermischung ist aber für die Verteilung von Sauerstoff und Nährstoffen wichtig und damit lebensnotwendig für marine Organismen. Ein wärmeren Ozean ist also ein ärmerer. Bereits jetzt kann bis auf 1000 m Tiefe eine Abnahme der Sauerstoffkonzentration beobachtet werden.
Hitzewellen im Meer
Die Erwärmung des Wassers findet nicht gleichmäßig statt, auch wenn die Ozeane generell wärmer werden. Vor allem aber nehmen die Zahl, Intensität, Dauer und räumliche Ausdehnung mariner Hitzewellen zu. Seit 1982 hat sich die Frequenz marine Hitzewellen verdoppelt und sie werden immer stärker. Bei 2 °C globaler Temperaturerhöhung werden sie 20-mal häufiger vorkommen als zu vor-industriellen Zeiten. Bei noch höherer Erderwärmung könnten es auf 50-mal häufiger hinauslaufen. Zu solchen marinen Hitzewellen gehören beispielsweise die El-Niño Phänomene oder der “Blob” 2013-15 vor der kalifornischen Küste. Der letzte große El-Niño 2015-16 mit seinem Korallenmassensterben im Zentralpazifik und auch im australischen Great Barrier Reef ist dem einen oder der anderen vielleicht noch in Erinnerung.
Außerdem sind die Ozeane an ihrer Oberfläche durch die Aufnahme von CO2 saurer geworden. Denn Kohlendioxid in Wasser gelöst gibt Kohlensäure, die unter anderem die Kalkschalen vieler Meeresorganismen angreift. Zu diesem gehören natürlich auch die von der Hitze bereits gebeutelten Korallen.
Es war einmal… das ewige Eis
Das wärmere Wasser sorgt nicht nur in den Tropen für Probleme, sondern beschleunigt auch das Schmelzen der polaren Eismassen. Bisher haben wir an den Polen vom „ewigen Eis“ geredet, das eine riesige Rolle im Kontext der Klimakrise spielt. Am Freitag vor Veröffentlichung des Sonderberichts ist die Polarstern des Alfred-Wegener-Instituts im Rahmen der MOSAiC-Expedition gen Norden ins ewige Eis, das Meereis, gestartet. Gut zwei Wochen später hat sie die Eisschollen erreicht, in denen sie sich einfrieren und ein Jahr langmittragen lässt. Ziel ist die Rolle der Arktis, vor allem des arktischen Winters, im Rahmen der Klimakrise besser zu verstehen.
Bis vor wenigen Jahren war der Großteil des Meereises in der Arktis mehrere Jahre alt. Heute ist zum Zeitpunkt der größten Meereisausdehnung der überwiegende Teil einjährig. Fakt ist: das Meereis wird immer dünner und das bedeckte Gebiet wird immer kleiner. Schaffen wir eine Stabilisierung der Erderwärmung auf 1,5 °C über vor-industriellem Niveau, würde es eine eisfreie Arktis wahrscheinlich etwa einmal alle 100 Jahre geben. Verursachen wir dagegen ein halbes Grad Celsius mehr an Erwärmung, also 2 °C, wird diese Eisfreiheit im Durchschnitt jedes dritte Jahr vorkommen – im September, dem Monat mit der geringsten Meereisausdehnung in der Arktis.
Permafrost adé
Doch nicht nur das Eis von Gletschern und Polkappen schmilzt, sondern auch der Permafrostboden. Selbst wenn die Erderwärmung deutlich unter 2 °C liegen wird, schmilzt bis 2100 etwa ein Viertel des Permafrosts bis in eine Tiefe von 3-4 m. In wärmeren Szenarien können es auch um die 70 % werden – bis Ende des Jahrhunderts. Die arktischen und borealen Permafrostböden speichern riesige Mengen organischen Kohlenstoffs. Schmilzt der Boden, können diese in Form von Treibhausgasen in die Atmosphäre gelangen. Noch ist es unklar, ob es bereits jetzt zu einer Nettofreisetzung von Kohlendioxid und/oder Methan aus arktischen und borealen Permafrostböden gibt.
Tundra und Taiga, also auch die Region der Permafrostböden, setzen außerdem aufgrund verheerender Flächenbrände große Mengen an Kohlendioxid frei. Gleiches passiert in Gebirgen. Die Zahl und Ausdehnung der Flächenbrände, wie dieses Jahr z.B. in der Arktis, wird weiter signifikant zunehmen.
Ökosysteme brechen zusammen
Generell und im Detail stellt der Bericht fest, dass sich saisonale Aktivität, Vielfalt und Verteilung von Pflanzen- und Tierarten ändern, die ökologisch, kulturell und wirtschaftlich wichtig sind. Bisher stabile Ökosysteme werden massiv gestört und Ökosystemfunktionen ausgehebelt. Betont werden immer wieder die kaskadieren Auswirkungen auf Ökosystemstrukturen und -funktionen. Also, dass eine Veränderung viele andere Veränderungen nach sich zieht oder zumindest ziehen kann.
Somit ist von den meisten Veränderungen nicht nur ein Ökosystem betroffen, sondern viele und nicht nur eine Art, sondern viele. Auch das Zusammenspiel mit anderen negativen Effekten menschlicher Aktivität wird erwähnt, beispielsweise die gleichzeitige Beeinflussung der Meere durch Klimakrise und Überfischung.
Ein Ökosystem, das sich in seiner Struktur und Funktion verändert, kann natürlich auch den Menschen in den meisten Fällen nicht mehr die gleichen Dienste leisten wie das ursprüngliche. Das Schrumpfen der Kryosphäre seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich überwiegend negativ auf Lebensmittelsicherheit, Wasserversorgung, Wasserqualität, Lebensgrundlage, Gesundheit und Wohlbefinden, Infrastruktur, Transport, Tourismus und Erholung sowie Kultur vor allem indigener Völker ausgewirkt. Kosten und Nutzen sind ungleich verteilt zwischen Bevölkerungsgruppen und Regionen. Der Bericht betont, dass Anpassungsbemühungen nicht aufoktroyiert sein dürfen, sondern von der Einbindung indigenen und lokalen Wissens profitieren.
Höher, schneller, weiter …
Im Laufe des 21. Jahrhunderts werden die Ozeane Bedingungen annehmen, wie es sie zur Zeit der Menschheit noch nie gegeben hat. Dies bezieht sich auf erhöhte Temperaturen, stärkere Schichtungen mit weniger Durchmischung in den oberen Meeresschichten, weitere Versauerung, Sauerstoffabnahme und eine veränderte – verringerte – Netto-Primärproduktion. Marine Hitzewellen und extreme El Niño- und La Niña-Ereignisse werden häufiger werden, die atlantische meridionale Zirkulation (AMOC), zu der der Golfstrom gehört, wird sich abschwächen, egal wie wir jetzt handeln. Aber wenn wir es schaffen die Treibhausgasemissionen weltweit massiv zu reduzieren, werden Geschwindigkeit und Ausmaß dieser Veränderung geringer ausfallen.
Durch diese Veränderungen wird die globale Biomasse mariner Tiergesellschaften kleiner werden und damit auch die Menge zu fischender Meerestiere. Unter allen Emissionsszenarien wird sich die Artenzusammensetzung in Meeresökosystemen von der Oberfläche bis zum tiefen Meeresboden verschieben, über das gesamte 21. Jahrhundert und darüber hinaus. Ökosystemfunktionen gehen dadurch ebenso verloren, wie der Lebensraum verschiedener Arten und die Artenvielfalt generell. Geschwindigkeit und Ausmaß des Verlusts werden in den Tropen am größten, aber auch in den Polarregionen nicht unbeachtlich sein.
Empfindliche Ökosysteme wie Seegraswiesen und Kelpwälder sind bereits bei einer globalen Erwärmung von 2 °C über vor-industriellem Niveau vom Zusammenbruch bedroht. Noch düsterer sieht es für tropische, oberflächennahe Korallenriffe aus. Warmwasserkorallen sind bereits heute stark bedroht und werden selbst dann nicht so wie bisher weiter existieren, wenn wir die globale Erwärmung auf 1,5 °C limitieren. Je höher die globalen Temperaturen steigen, umso geringer die Chance, dass sich Organismen und Ökosysteme an die neuen Gegebenheiten anpassen können. Die Bedenklichkeit der Situation nimmt mit steigender Treibhausgaskonzentration zu.
Jahrhundertereignisse werden Routine
Gleiches gilt für den Meeresspiegel: er wird weiter mit zunehmender Geschwindigkeit steigen. Durch den Meeresspiegel verursachte Extremereignisse, die historisch selten waren (einmal pro Jahrhundert in der jüngeren Vergangenheit) werden vielerorts ab 2050 unter allen Emissionsszenarien häufiger vorkommen (mindestens einmal pro Jahr), vor allem in den Tropen.
In allen Szenarien wird der Meeresspiegelanstieg nach 2100 weitergehen. Diese Erwähnung ist auch eine Neuheit in einem Bericht des Weltklimarates, in dem bisher immer nur die Entwicklung bis 2100 Erwähnung fand. Wenn man bedenkt, dass Kinder, die heute geboren werden, das Jahr 2100 mit größter Sicherheit erleben werden, ist das ein bedenklich kurzfristiger Betrachtungshorizont. Der neue Sonderbericht erwähnt immerhin Veränderungen bis 2300.
Für ein Hochemissionsszenario (RCP8.5) wird die Zunahme des Meeresspiegels bis 2100 größer sein, als im letzten umfänglichen Bericht des Weltklimarats (AR5) angegeben. Begründet wird dieses mit der größeren Beteiligung des antarktischen Eisschilds. Von bis zu 1,1 m Anstieg bis 2100 ist die Rede, bis 2300 von möglicherweise mehreren Metern, mit einigen Zentimetern Anstieg pro Jahr. Unter RCP2.6 dagegen, dem Szenario mit der geringsten Treibhausgaskonzentration in der Erdatmosphäre, wird der Meeresspiegelanstieg möglicherweise bei nur etwa 1 m in 2300 liegen.
Durch die höhere Intensität tropischer Zyklone und Regenfälle werden sich Extremereignisse und Gefährdungen an Küsten weiter verstärken. Auch das wieder in jedem Szenario, natürlich mit massiveren Auswirkungen bei höheren Treibhausgaskonzentrationen.
Bedrohte Ökosysteme=bedrohte Menschen
Für Menschen und die von ihnen genutzten Ökosystemdienstleistungen bedeuten die zu erwartenden Veränderungen des Landeises, dass Wasserressourcen bedroht sind. D. h., dass nicht nur die Verfügbarkeit guten Trinkwassers verringert sein wird, sondern auch die Nutzung für Wasserkraft und als Bewässerung in der Landwirtschaft, sowohl im Hochgebirge als auch darunter. Es wird häufiger zu Überschwemmungen, Lawinen, Landrutschen und der Destabilisierung des Untergrunds kommen, woraus sich erhöhte Risiken für Infrastruktur, Kultur und Tourismus ergeben.
Die Abnahme der Netto-Primärproduktion und die Verschiebung der Artenzusammensetzung bedeuten auch eine Verschiebung der Fischverteilungen, die Abnahme des Fischreichtums und damit des Fischfangpotenzials in vielen Regionen. Das bedroht die Lebensgrundlage und Lebensmittelsicherheit solcher Gemeinschaften, die von marinen Ressourcen abhängen. Erhöhte mittlere und extreme Meeresspiegel, zusammen mit der Erwärmung der Meere und ihrer Versauerung, erhöhen die Risiken für menschliche Gemeinschaften entlang niedriger Küsten.
Besonders betroffen sind arktische Gemeinschaften und städtische Atoll, selbst unter dem niedrigsten Emissionsszenario des Weltklimarats (RCP2.6). Machen wir in Bezug auf Treibhausgasemissionen so weiter wie bisher, werden bis 2050 mit den momentan verfügbaren Anpassungen auch weltweit Deltaregionen und ressourcenreiche Küstenstädte bedroht sein. Der langfristige Verlust und die Zerstörung mariner Ökosysteme bedeuten aber nicht nur die akute Bedrohung, sondern kompromittieren auch den kulturell-sozialen sowie den intrinsischen Wert der Meere für die menschliche Identität und das Wohlbefinden.
Aufforderung zu dringendem Handeln
Die Widerstandskraft gegenüber Klimaveränderung hängt kritisch von dringenden und ambitionierten Emissionsreduktionen ab, heißt es wiederholt im Sonderbericht. Nur zusammen mit koordinierten, nachhaltigen und zunehmend ambitionierten Anpassungsmaßnahmen kann sie erhöht werden.
Der Sonderbericht betont im letzten Teil, dass die Schlüssel für die Implementierung effektiver Antworten auf klimaabhängige Veränderungen der Ozeane und Kryosphäre eine immer intensivere Kooperationen und Koordination zwischen steuernden Autoritäten über Raum und Planungshorizonte hinweg beinhaltet. Ebenso essenziell seien allgemeine Bildung und Klimakenntnisse im Besonderen, Beobachtung und Vorhersage, Nutzung aller zur Verfügung stehenden Wissensquellen, das Teilen von Daten, Informationen und Wissen, Finanzen, das Ansprechen sozialer Verletzlichkeit und Gerechtigkeit sowie institutionelle Unterstützung. Die Fähigkeit abzuwägen, welche Maßnahmen gleichzeitig kurzfristig Risiken reduzieren und langfristig die Widerstandskraft und Nachhaltigkeit erhöhen, muss massiv gefördert werden.
Ozean- und Kryosphäre-abhängige Ökosysteme können und sollten durch klimaunabhängigen Schutz, Restaurierung, vorausschauendes ökosystembasiertes Management erneuerbarer Ressourcen und der Verringerung von Verschmutzung und anderer Stressoren zusätzlich unterstützt und gefördert werden. Allerdings existieren ökologische, finanzielle, institutionelle und andere Beschränkungen solcher Anpassung. Außerdem wird eine ökosystembasierte Anpassung vielerorts nur dann effektiv möglich sein, wenn wir es mit einer nur geringen Temperaturerhöhung zu tun haben.
Massiv und ambitioniert müssen wir handeln
Nur die massive Reduktion des Treibhausgasausstoßes und ambitionierte Anpassungsmaßnahmen werden die Risiken reduzieren, die aus den schmelzenden Gletschern, schmelzenden Polkappen, tauenden Permafrostböden, steigenden Meeresspiegeln, erhöhten Wassertemperaturen und veränderten geobiochemischen Bedingungen in den Ozean hervorgehen.
Zusammenfassend sagte Debra Roberts, Co-Vorsitzende des Weltklimarats, auf der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des Sonderberichts: „Wir werden nur dann in der Lage sein, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C über vor-industriellem Niveau zu halten, wenn wir eine nie dagewesene Veränderung in allen Aspekten der Gesellschaft bewirken, inklusive Energie, Land- und Ökosysteme, städtische und Infrastrukturen ebenso wie Industrie. Die ambitionierte Klimapolitik und Emissionsreduktion, die notwendig sind, um das Pariser Abkommen zu erreichen, werden auch die Ozeane und Kryosphäre schützen – und ultimativ alles Leben auf der Erde erhalten.“
Um mal physikalisch zu werden. Wenn man 1 kg Eis mit 0 Grad Celsius auftaut auf 1 Grad Celsius, dann braucht man genausoviel Wärmeenergie , als wenn man 1 l Meerwasser von 0 Grad Celsius auf 80 Grad Celsius erwärmt.
Umgekehrt gesagt, wenn das Eis einmal weg ist, dann ist die Auswirkung der Sonneneinstrahlung 80 mal größer als mit Eis.
@luckycornflaki
Diese Behauptung sollten Sie nochmal gründlich überprüfen! Die spezifische Wärmekapazität von Wasser ist doppelt so hoch wie von Eis. Das heißt, man braucht für Wasser doppelt so viel Energie wie für Eis. Umgekehrt allerdings sorgt die Albedo von Eis (0,8) dafür, dass für die Eisschmelze deutlich mehr Sonnenenergie benötigt wird als für die Erwärmung von Wasser (Albedo 0,1)!
Dem Weltklimarat fehlt in meinen Augen die klimapolitische Kompetenz. Die wiederholten Aufforderungen die Emissionen schnell zu reduzieren oder etwa die Aufforderung an die Mitgliedsländer ambitioniertere Emissionsreduktionspläne vorzulegen werden jedenfalls kaum etwas ändern, denn sie berücksichtigen zuwenig die Trägheit des Energiesektors wozu die bereits getätigten Investitionen in Kohle-, Öl- und Erdgasinfrastruktur gehören.
Wenn Deutschland seine letzten Kohlekraftwerke 2038 vom Netz nehmen will wird deutlich, was uns blüht: Nicht nur Deutschland auch China wird seine Kohlekraftwerke erst kurz vor deren „natürlicher“ Laufzeit vom Netz nehmen. Und da fast alle Kohlekraftwerke Chinas erst nach dem Jahr 2000 gebaut wurden heisst das, dass im Jahre 2050 noch ein Grossteil dieser Kohlekraftwerke in Betrieb sein werden. Schlimmer noch ist, dass Indien oder Vietnam erst gerade vor der Inbetriebnahme neuer Kohlekraftwerke stehen oder dass China im Rahmen seiner Seidenstrasseninitiative in den beteiligten Ländern neue Kohlekraftwerke plant.
Auch die Aufforderungen des Weltklimarats an die Mitgliedsländer verstärkt in erneuerbare Energien zu investieren ist ungenügend, denn selbst wenn im Jahre 2050 die Hälfte des erzeugten Weltstroms oder gar der erzeugten Weltenergie aus erneuerbaren Energien stammt, wird sich bis dann auch die verbrauchte Energiemenge fast verdoppelt haben, wächst doch der Strom- und Energieverbrauch vor allem in den Entwicklungsländern und weltweit gibt es mehr Menschen in Entwicklungsländern als in bereits entwickelten Ländern. Entwicklungsländer aber brauchen jedes Jahr mehr Energie im Gleichklang mit ihrem Wirtschaftswachstum und fast jedes Entwicklungsland plant in diesem Zusammenhang auch fossile Kraftwerke. Nicht nur Vietnam, auch Bangladesh baut Kohlekraftwerke und in Afrika sind dutzende in Planung. Dass zusätzlich auch Windräder und Photovoltaikpanel hingestellt werden ändert wenig daran, dass die Grundenergie weiterhin von fossilen Kraftwerken stammt.
Vielmehr müsste der Weltklimarat – wenn er sich denn klimapolitisch äussert – Massnahmen vorschlagen wie Länder auf Kohlekraftwerke verzichten können und wie die Welt auch von Erdöl und Erdgas wegkommt. Denn nichts deutet darauf hin, dass das geschieht. Weltweit ist gerade ein Umschwenken von Kohle auf Erdgas festzustellen. Auch die Europäische Union plant den verstärkten Einsatz von Erdgas. Die damit verbundenen Investitionen und Infrastrukturen bedeuten aber, dass Erdgas auch nach 2050 eine wichtige Rolle spielen wird.
Fazit: es gibt kaum ein Land das den Ausstieg aus den fossilen Energien plant. Viel häufiger wird ein Umstieg von Kohle auf Erdgas geplant und Europa sieht seine nahe energiepolitische Zukunft in einer Kombination von Erneuerbaren und Erdgas. Alles spricht dagegen, dass unter diesen Umständen das 2 Grad-Ziel erreicht wird.
Hallo Herr Reutlinger,
mir ging es um die Schmelzwärme von Eis. Die beträgt 333 kJoule pro Kg. Im gegensatz dazu braucht man nur 4,2 kJoule Wärme um 1 l Wasser um 1 Grad zu erhöhen.
Wenn man also 1kg Eis von 0 Grad Celsius auf 1 Grad Celsius erwärmen will , braucht man 333 kJoule.
Wenn man die gleiche Menge Eiswasser (getautes Eis) dieser Wärmemenge aussetzt, dann erhöht sich die Temperatur auf 80 Grad Celsius. Ihre argumente stimmen natürlich auch.
Angesichts der 80 fachen Wärmeenergie, die zum Schmelzen notwendig ist , sind die anderen Faktoren zweitrangig.
Eis ist also ein sehr guter Wärmepuffer. Wenn der mal weg ist, dann geht es viel schneller mit der Erwärmung des Wassers. (an den Polen)
Der Ozean, die grosse Unbekannte
Der Ozean taucht zwar im IPCC-Synthesebericht 2014 (AR5) ( https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/02/IPCC-AR5_SYR_barrierefrei.pdf ) an vielen Stellen auf, aber fast immer nur mit sehr allgemeinen Aussagen die die Wärmebilanz betreffen (90% der zwischen 1971 und 2010 akkumulierten Energie landet dort), die Versauerung (pH-Wert hat seit Industrialisierung um 0.1 abgenommen), den Rückgang der Sommereisbedeckung in der Arktis oder den Anstieg des Meeresspiegels. Sobald es aber um konkreteres geht wie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Meeresströmungen geht der Bericht ins Unbestimmte (Zitat: Beobachtungen von Veränderungen des Salzgehalts an der Meeresoberfläche liefern zusätzlich indirekte Belege für Veränderungen im globalen Wasserkreislauf über dem Ozean (mittleres Vertrauen).)
Auch was in diesem Beitrag von Gabriele Kerber angegeben wird wie Hitzewellen im Meer, stärkere Schichtung mit weniger Durchmischung sind vorwiegend qualitative Aussagen. Wie sich das konkret auf die Fische und Pflanzen im Ozean auswirkt und inwieweit Fischerei und Fischfarmen betroffen sind, das bleibt weitgehend offen. Im schlimmsten Fall könnte sich allein schon Veränderungen der Weltmeere katastrophal auswirken und etwa Fischfang und Fischertrag aus Fischfarmen deutlich reduzieren. Falls das passiert werden die Nationen und ihre Bürger möglicherweise plötzlich zu weit grösseren Klimaschutzmassnahmen bereit sein. Nur ist es dann schon zu spät.
Wie geht ambitionierter Klimaschutz?
Ich behaupte: Ganz einfach. Es gilt möglichst schnell aus Kohle, Öl und Erdgas auszusteigen. Es kann, muss aber nichts so grosses sein wie es Debra Roberts formuliert (Zitat): [Es geht nur], wenn wir eine nie dagewesene Veränderung in allen Aspekten der Gesellschaft bewirken, inklusive Energie, Land- und Ökosysteme, städtische und Infrastrukturen ebenso wie Industrie.
Konkret bedeutet der Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Erdgas
1) Keine neuen Kohle- und Erdgaskraftwerke
2) Bestehende Kohlekraftwerke möglichst bald und nicht erst 2038 stillegen
3) Autos, Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge werden CO2-neutral betrieben – mit Batterien, synthetischem Treibstoff oder Wasserstoff.
4) Industrielle Hochtemperaturprozesse sollen nicht mehr Kohle sondern CO2-freien Strom verwenden.
Klar sind solche Kohle-/Öl- und Ergasprozesse überall zu finden. Deshalb müssen sie überall vermieden werden. Dazu muss das Verbrennen von Kohle-/Öl und Erdgas einfach einen Preis bekommen. Es muss richtig teuer werden, CO2 auszustossen. Das hilft dann, Alternativen zu finden.
Wenn Debra Roberts auch noch Land- und Ökosysteme erwähnt, die es auf andere Weise zu managen gilt, so hat sie wohl recht. Die höchste Priorität aber muss der Verzicht auf Kohle, Öl und Erdgas haben, denn die Verbrennung dieser Stoffe erhöht das wichtigste Treibhausgas in der Atmosphäre, das CO2. CO2 aber hat eine Verweildauer von hunderten von Jahren hat. Von jeder Tonne CO2 die wir ausstossen bleibt auch in 1000 Jahren noch ein grosser Teil in der Atmosphäre.
@luckycornflaki
Damit haben Sie allerdings recht. Der Rückkopplungseffekt infolge der Eisschmelze ist enorm. Das trifft natürlich nicht nur auf das Meereis zu. Die globale Erwärmung kann dadurch einen Sprung nach oben machen.
In dieser Einschätzung vermisse ich den gesellschaftlichen Aspekt der sich aus dieser vorgezeichneten “Apokalypse” ergeben wird. Bei über einer Milliarde Flüchtlingen(Wirtschafts-u. Klimaflüchtlingen) werden staatliche Strukturen, so wie wir sie heute kennen, aufhören zu existieren, weil
es zu gnadenlosen Verteilungskämpfen um Nahrung, Wohnung bzw. Arbeit kommen wird. Soziale Konflikte werden sich verschärfen, der Kampf um die letzten Bodenschätze dieser Erde bzw. um trinkbares Wasser etc. wird zu Kriegen führen .Ethische -und moralische Grundsätze werden dem Selbsterhaltungstrieb geopfert.
@Querdenker
Denkbar sind auch DDR-ähnliche Grenzen, an denen Völkerwanderungen durch tödliche Gewalt aufgehalten werden. Im Prinzip schützt sich die EU ja teils heute bereits so, es sind bereits inklusive Dunkelziffer viele 10 000 ertrunken. Allein die Zahl offiziell registrierter Flüchtlingstote im Mittelmeer ist über 18 000 im Zeitraum 2014 bis Sommer 2019, dazu kommt eine Dunkelziffer. Also viel mehr Tote als über ein halbes Jahrhundert zusammengezählt an der DDR-Grenze starben (das waren knapp 800).
Ja, Wizzy schreibt zurecht, dass Europa heute schon für die Zeit der Klimaflucht übt indem es sich als Festung präsentiert in deren Burggräben die Flüchtlinge ertrinken oder die sie nicht überwinden können weil (gekaufte) Verbündete Europas die Flüchtlinge abhalten. Wenn in Zukunft anstatt Tausende Hunderttausende vor den Toren Europas stehen, muss die EU gar nicht so viel ändern. Sie muss nur den Grenzschutz intensivieren.
Die Folgen des Klimawandels werden nicht wenige Menschen direkt treffen. Direkt getroffen werden Küstenbewohner, Bewohner von Landstrichen denen lange Phasen von Trockenheit und Dürre bevorstehen oder kurze Phasen extremer Hitze verbunden mit hoher Luftfeuchtigkeit. Indirekt werden aber auch Menschen in Gegenden mit neu milderen Wintern, längerer Vegetationsperiode und mehr Niederschlägen nicht nur positives erleben. Denn in einer globalisierten Welt können sie den Rest nicht einfach aussperren ohne dass das auch für sie Folgen hätte.
Carbon Brief berichtet im Artikel In-depth Q&A: The IPCC’s special report on the ocean and cryosphere ( https://www.carbonbrief.org/in-depth-qa-the-ipccs-special-report-on-the-ocean-and-cryosphere ) über den jüngsten Ozean&Kryosphären-Bericht des IPCC. Zitat:
Meeressäuger könnten in diesem Jahrhundert um 15% und die Fischerei um ein Viertel zurückgehen, wenn die Emissionen sehr hoch sind, während “fast alle Korallenriffe abnehmen”, selbst wenn die Emissionen gering sind.
Ein um 1/4 geringerer Fischerertrag wäre schlimm, denn allgemein geht man in Übereinklang mit einer wachsenden und wohlhabenderen Bevölkerung von einem höheren Fischbedarf gegen Ende des 21.Jahrhunderts aus.
Das verblüffende für mich ist, dass es trotz solche negativer Scenarios nur wenige Staaten und Staatengruppen überzeugende Fahrpläne hin zu einer CO2-neutralen Welt vorgelegt haben. Wenn tatsächlich vor allem Erneuerbare eine CO2-neutrale Welt ermöglichen sollen, dann müsste die EU beispielsweise einen Plan für den weiträumigen Ausgleich von Strom-Produktion und Stromnachfrage über ein EU-weites Supergrid vorlegen. Tut sie aber nicht.
Man lässt sich Zeit. Dabei gibt es gar nicht ein so grosses Zeitfenster in dem man das 2 Grad-Ziel noch erreichen könnte.
Dass viele immer noch vom schon lange nicht mehr erreichbaren 1.5 Grad-Ziel sprechen zeigt mir, dass es einen Realitätsverlust bei vielen Teilnehmern des “Klimarennens” gegeben hat.
Dieser Realitätsverlust zeigt sich auch darin, dass die deutsche Regierung eben ein Klimapaket verabschiedet hat, welches nicht einmal in der Lage ist das selbstgesteckte Ziel von 55% weniger CO2-Emissionen im Jahr 2030 gegenüber 1990 zu erreichen.
Zu Wizzy:
Bei dem zu erwartenden Klimaanstieg kann zum Bsp. das Ganges bzw. Nildelta dauerhaft überschwemmt werden. Hier leben allein heute bereits beinah 1 Milliarden Menschen. Die Ausbreitung der Sahara wird in Afrika, wo ein weiterer rasanter Bevölkerungsanstieg zu erwarten ist, weiter Kulturland vernichten und Hunger produzieren. Europa setzt dagegen einen dekandenten Lebenstil, der die Probleme dieser Erde noch zuspitzt. Dieser Überfluss an materiellen Gütern, Lebensmitteln
kann dann nicht mehr beispielgebend für eine Welt sein, die zum Überleben Bescheidenheit üben muss, oder untergehen muss. Dieser kranke Konsumrausch dieser “kranken” europäischen Gesellschaften ,dieses rein materielle Denken, wird die Probleme noch verschärfen.
@Reichtum und Flugzeugträger / Konsum
Die klassische Art, Krisenzeiten zu überstehen, ist anscheinend immer noch, eben möglichst reich zu sein. Das verschärft natürlich das Klimaproblem für die Welt als Ganzes, ist aber für den, der reich ist, eine wirksame Maßnahme. Wer genug Geld hat, hat auch immer so viel Fisch, wie er essen möchte. Die USA setzen noch eins drauf, und investieren in Flugzeugträger, Autonome Waffen und neue Atomraketen.
Soweit wie ich die Fakten verstanden habe, ist es noch ziemlich ungewiss, wie viel wärmer es wirklich wird. Bei der CO2-Sensitivität liegen die wahrscheinlichen Werte zwischen 1 und 3 Grad. Das hieße, dass wir auch bei einer Verdopplung der bis heute emmitierten CO2-Menge noch bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten landen könnten, wenn wir ganz viel Glück haben. Im anderen Fall mit ganz viel Pech aber auch bei 4 Grad landen können. Das ist ein weites Feld.
Wir können jetzt noch nicht wissen, wie schlimm es wirklich kommt. Aber wir können nicht mehr weiter darauf warten, genauere Zahlen zu haben. Wir müssen dringend schon mal anfangen, und falls es ungünstig kommt, haben wir dann die Basis, dass Problem noch in den Griff zu bekommen. Wenn es doch günstiger kommt, können wir immer noch langsamer machen. Zumal es auch immer teurer werden kann, noch einzusparen, wenn wir die letzten Reste der Emmissionen vermeiden wollen.
Also als erstes Baugenehmigungen für neue Windräder im Hinterland ermöglichen, dass ist im Moment das Kosteneffektivste. Und sonst bleibt ja auch noch, etwas am Konsum zu reduzieren. Statt eines 2-Tonnen-SUVs kann man zu den selben Kosten einen 1-Tonnen-Elektro-Stadtflitzer anschaffen und betreiben. Mit 30% weniger Wohnfläche kann man auch im Niedrigenergiehaus wohnen bzw. mit Synthesegas aus Windstromüberschüssen heizen, und so zur selben Warmmiete wohnen. Und wenn man statt 2 mal Gran Canaria im Jahr nur ein mal da hin fliegt und eben gleich 6 Wochen Urlaub am Stück macht, dann ist das auch nicht mehr teurer, wenn man mit Synthesesprit aus Windstromüberschüssen fliegt.
Also wo ist eigentlich das Problem? Wir leben in Freiheit in einer Demokratie, wir dürfen wählen gehen und selbst entscheiden, wofür wir unser Geld ausgeben.
@Tobias Jeckenburger: 1.5°-4.5° ist die Klimasensitivität gemäss AR5 IPCC und nicht (Zitat) “zwischen 1 und 3 Grad”
Zudem: Schon jetzt ist die Welt 1.1 Grad Celsius wärmer als 1850 – und sie wird um das Jahr 2050 mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit 1.5 +/-0.2 Grad wärmer sein.
Sie schreiben noch: Wir können jetzt noch nicht wissen, wie schlimm es wirklich kommt. Das stimmt in der Tat, denn es ist nicht so, dass 2.5 Grad Erwärmung sehr viel schlimmer sein müssen als 2 Grad Erwärmung. Es kann aber so sein. Die Klimawissenschaftler wissen einfach noch zuwenig über den zu erwartenden Unterschied.
Auch mit folgendem haben sie recht: Zumal es auch immer teurer werden kann, noch einzusparen, wenn wir die letzten Reste der Emmissionen vermeiden wollen.
Was mit Sicherheit stimmt: Jede jetzt vermiedene Tonne Emission an CO2 lohnt sich “hundertfach” – mindestens dann, wenn man viele Jahrzehnte in die Zukunft schaut. Denn CO2 verweilt sehr lange und macht damit auch unseren Kindern und Kindeskindern noch Probleme.
Womit sie aber falsch haben ist folgendes (Zitat9): Also als erstes Baugenehmigungen für neue Windräder im Hinterland ermöglichen, dass ist im Moment das Kosteneffektivste.
Warum soll das das Kosteneffektivste sein? Einfach ein paar Windräder draulosbauen muss nicht das beste sein. Ein ähnlicher Einwand gilt für ihre Aversion gegen SUVS und ihr Eintreten für kleinere Wohnungen.
Was ist dann am Effizientesten? Ganz klar: Möglichst schnell alle grossen CO2-Emissionsquellen für immer schliessen.
Für Deutschland heisst das: Braunkohlekraftwerke möglichst schnell vom Netz nehmen.
Ich weiss: tönt brutal für alle “sozial” denkenden, die sich um das Schicksal der letzten Kohlearbeiter kümmern. Ist aber absolut richtig, wenn man ans Klima denkt.
@Martin Holzherr 09.10. 19:09
Sie haben Recht, meine Angabe von 1 bis 3 Grad für die Klimasensitivität stimmt so nicht. Bei Wikipedia unter dem Suchbegriff Klimasensitivität habe ich auch 1,5 – 4,5 Grad für die Klimasensitivität gefunden. Wobei dort noch mehr Interessantes zum Thema steht:
„Seit Beginn der industriellen Revolution ist nicht nur die Konzentration von CO2 angestiegen; rechnet man den Konzentrationsanstieg der übrigen Treibhausgase über ihr Treibhauspotential in CO2-Äquivalente um, ergibt sich für das Jahr 2016 ein Gesamt-Strahlungsantrieb, der einer CO2-Konzentration von 489 ppm entspräche.“
Der Bezugswert für eine Verdopplung von 280 auf 560ppm wäre also bereits früher erreicht, wenn man die anderen Treibhausgase mitrechnet.
Soweit wie ich jetzt die Fakten verstanden habe, ist es immer noch ziemlich ungewiss, wie viel wärmer es wirklich wird. Jedenfalls kämen wir bei der Verdopplung mit viel Glück auf 1,5 Grad Erwärmung, und mit viel Pech auf 4,5 Grad. 1,1 Grad davon haben wir bereits erreicht.
Ich meine nicht, ein paar Windräder dazuzubauen, sondern richtig viele. Und klar, Braunkohlekraftwerke kann man auch ganz schnell vom Netz nehmen, dann lieber vorübergehend bestehende Gaskraftwerke mehr laufen lassen, als Schnellmaßnahme, bis mehr Windräder aufgebaut sind. Photovoltaik ist auch nicht verkehrt, aber noch ist die Windenergie an Land in unseren Breiten deutlich kostengünstiger. Sollte die Photovoltaik in vielleicht 30 Jahren doch günstiger als die Windkraft werden, kann man ja anfangen, Windräder, die ihre Betriebszeit erreicht haben, nicht wieder durch Neue zu ersetzen. Dann stören sie auch das Landschaftsbild nicht mehr.
Als nächste Maßnahme sind die Erweiterungen des Stromnetzes und neue variable Stromzähler sinnvoll. Erst wenn dann genug Regenerativer Strom bereit steht, macht es Sinn in die Elektromobilität voll einzusteigen.
Ich bin kein Freund von Atomkraft, und unabhängig vom Klimaschutz auch kein Freund von SUVs. Ich bin viel als Radfahrer im Stadtverkehr unterwegs, und diese SUVs sind einfach ein Stück breiter. Sowohl fahrend als auch im ruhenden Verkehr schränken sie meinen Platz auf der Straße deutlich ein. Zumindest bei dem mangelhaftem Zustand des Radverkehrskonzeptes hier in Dortmund. Und das hat indirekt sehr viel mit Klimaschutz zu tun. Die meisten Leute, die ich kenne, trauen sich nicht mit dem Fahrrad in den hiesigen Stadtverkehr, weil ihnen das zu gefährlich ist.
Noch wichtiger als deutliche Emissionsreduktionen in Deutschland wäre, dass ein Land oder eine Grossmacht (wie die EU oder China) vormacht wie man kosteneffizient aus den fossilen Energien Kohle, Erdöl und Erdgas aussteigt. Denn wem das gelingt, der dient den anderen als Vorbild. Die Welt kann aber duesbezüglich nicht unbedingt von Deutschland lernen, denn relativ zu den Investitionen in den Klimaschutz sind die Ergebnisse dann doch nicht berauschend.
1,4 Milliarden Menschen bedroht
Anpassen an veränderte Verhältnisse müssen sich vielleicht sogar mehr als 1.4 Milliarden, denn (Zitat In-depth Q&A: The IPCC’s special report on the ocean and cryosphere (https://www.carbonbrief.org/in-depth-qa-the-ipccs-special-report-on-the-ocean-and-cryosphere ) ): 2010 lebten 28% der Weltbevölkerung (1,9 Milliarden Menschen) in Gebieten, die weniger als 100 km von der Küste und weniger als 100 m über dem Meeresspiegel liegen, darunter 17 Großstädte, in denen jeweils mehr als fünf Millionen Menschen leben.
Nicht alle 1.9 Milliarden küstennah Lebenden sind direkt betroffen, nicht alle müssen wegziehen. Doch indirekt sind auch Menschen, die 100 km von der Küste entfernt leben betroffen, wenn beispielsweise die nächstgelegene Grossstadt an der Küste liegt und sich diese Grossstadt anpassen muss. Denn da sie im Einflussgebiet der küsntennahen, vom gestiegenen Meeresspiegel bedrohten Stadt liegen, werden sie das über die Migration, den Steuersatz und vieles mehr spüren.
Anpassung an gestiegende Meeresspiegel muss natürlich nicht direkt eine Katastrophe bedeuten. Doch etwas ist sicher: Solche Anpassungen werden sehr viele Mittel binden. Viele Milliarden, weltweit wohl Billionen von Dollar werden allein in Anpassungsarbeiten fliessen. Geld, das dann nicht für Klimaschutz zur Verfügung steht. Ein sich immer stärker auswirkender Klimawandel könnte also bewirken, dass viele Länder immer mehr in Anpassungsarbeiten investieren müssen und das Geld andernorts fehlt.
Ozean- und Kryosphäre-abhängige Ökosysteme können und sollten durch klimaunabhängigen Schutz, Restaurierung, vorausschauendes ökosystembasiertes Management erneuerbarer Ressourcen und der Verringerung von Verschmutzung und anderer Stressoren zusätzlich unterstützt und gefördert werden. – volle Zustimmung!!