Wal-Furze lösen U-Boot-Alarm aus

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“The Hunt for rude October” titelte der US-Journalist Jerome Starkey vor einigen Tagen in der Tageszeitung “The Sun”. Ein furzender Wal hatte Alarm ausgelöst: Ein zweimal aufgenommenes unbekanntes Unterwassersignal erweckte den Anschein, russische Unterwasserdrohnen seien nur 100 Kilometer von den Atom-U-Booten – “doomsday subs” -der Royal Navy entfernt.

Im nicht sehr breiten und tiefen Kanal vor der Hebriden-Insel Raasay bewegte sich das Geräusch nach Norden in Richtung der offenen See. Die zweite Aufnahme einige Tage später wanderte nach Süden, wandte sich dann um und verließ den Hörradius des Überwachunssensors. Die Unterwasser-Akustik-Analysten nahmen zunächst an, das unbekannte Geräusch sei menschlicher Herkunft. Trotz der seit 55 Jahren andauernden akustischen Überwachung hatten die Sensoren solch ein Tuten nämlich noch nie erfasst.
Es löste auch Befürchtungen aus, dass Russlands Tiefseeforschungseinheit, bekannt als GUGI, versuchte, akustische Signaturen der britischen U-Boote aufzuzeichnen, um sie leichter verfolgen zu können. Die Standorte der Atom-U-Boote der Astute-Klasse sowie der Vanguard-Klasse mit ballistischen Raketen gehören zu den am besten gehüteten Militärgeheimnissen Großbritanniens.

Eine Quelle aus dem Umfeld der Navy sagte dazu dem Boulevardblatt Sun: „Wir nehmen die Sache sehr ernst. Wir müssen vom Schlimmsten ausgehen.“
Wenig überraschend, dass das Verteidigungsministerium angesichts der Nähe zu den englischen Atom-U-Booten und der geopolitischen Weltlage Russland als Urheber der Signale verdächtigte. Immerhin haben russische und chinesische Schiffe in den letzten Jahren vermehrt die Infrastruktur nordwesteuropäischer Staaten wie Unterwasserkabel schwer beschädigt oder gar zerstört.

Wal-Darmwinde blubbern im Meer

Glücklicherweise stellte sich das unbekannte Geräusch dann als Wal-Furz heraus. Wer und wie es letztendlich identifizierte, habe ich in den Quellen leider nicht gefunden.
Offenbar waren einige Bartenwale mit ausreichend Resonanzkörper in dem Seegebiet unterwegs gewesen. Um die Hebriden herum sind tatäschlich sehr viele Wal-Aktivitäten zu beobachten, die NGO Hebridean Whale and Dolphin Trust ist dort mit einer Kombination von Feldforschung und Whale Watching sehr erfolgreich. Neben den kleinen Schweinswalen (Phocoena phocoena) schwimmen dort vor allem die bis zu 10 Meter großen Zwergwale (Balaenoptera acutorostrata) umher, die kleinsten und häufigsten Bartenwale im Nord-Atlantik. Daneben kommen viele weitere Arten vor, auch Buckelwale und sogar Finnwale. Die Bartenwale sind auf der Suche nach Krill oder kleinen Schwarmfischen wie Heringen. Wie diese eigentlich nicht-blähende Nahrung im Walgedärm Flatulenzen auslöst, ist noch völlig ungeklärt.
Dass sich im Waldarm Gase entwickeln können und diese als Gasblasen im Wasser deutlich sichtbar sind, ist hingegen dokumentiert:

“Humpback Whale releasing flatulence on video which proves to my young curious guest Tim Yes Whales do fart! See the Blog to get the rest of the story!”
(Diese Aufnahmen stammen nicht von den Walen vor den Hebriden).

Bio-Akustik von Meeressäugern

Dass Meeressäuger (und auch Fische) mit ihren akustischen Äußerungen immer wieder U-Boot-Alarm auslösen, wird seit dem Aufbau des ersten Unterwasser-Überwachungssystems der USA nach dem 2. Weltkrieg im folgenden kalten Krieg. Darauf wurden Biologen wie der Walforscher Roger Payne aufmerksam und entwickelten die Bioakustik der Wale als eigenen Forschungszweig. Payne beschrieb zunächst die Gesänge der Buckelwale, die heute als Sprache eingeordnet werden. Einen langen Artikel zu ihm und seiner Forschung hatte ich anläßlich seines Todes im Dezember 2023 geschrieben – und auch, wie sich die Bioakustik und Sprachforschung der Wale weiterentwickelt hat. Heute werden mindestens vier Walarten – Buckel- und Pottwalen sowie Orcas und Großen Tümmlern – komplexe Sprachen zugestanden. Mittlerweile läuft die Forschung teilweise automatisiert und per KI-Unterstützung.

Ich meine mich zu erinnern, dass vor Jahrzehnten Seeotter an der schwedischen Küste U-Boot-Alarm auslösten. Leider finde ich dazu keine Quelle. Falls jemand dazu etwas weiß – gern im Kommentar verlinken!

Bettina Wurche in Portsmouth

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Auf dem Science-Blog „Meertext“ schreibe ich über meine Lieblingsthemen: Biologie, Zoologie, Paläontologie und das Meer. Wale, Fische und andere Meeresgetüme. Tot oder lebendig. Fossile Meere, heutige Meere und Meere der Zukunft. Die Erforschung, nachhaltige Nutzung und den Schutz der Ozeane. Auf der Erde und anderen Welten. Ich berichte regelmäßig über Forschung und Wissenschaft, hinterfrage Publikationen und Statements und publiziere eigene Erlebnisse und Ergebnisse. Außerdem schreibe ich über ausgewählte Ausstellungen, Vorträge, Bücher, Filme und Events zu den Themen. Mehr über meine Arbeit als Biologin und Journalistin gibt´s auf meiner Homepage “Meertext”.

8 Kommentare

  1. Was lernen wir daraus: Auf den nächsten Krieg ist gesch….
    Gase im Wal haben in Taiwan mal ein nettes Ereignis ausgelöst. Toter Wal am Strand, Sommer, starker Innendruck des Kadavers, dann die gute Idee, ihn tagsüber durch ein Wohngebiet zu transportieren, offen, einfach auf die Ladefläche gekippt.
    So schnell war wahrscheinlich noch nie eine ganze Häuserzeile gestrichen mit blutroter Farbe und irgendwas Ähnlichem….jedenfalls- Murphys Law- explodierte das Ding genau dort wo es die widerlichsten Folgen hatte und verteilte den Wal in die Umgebung bis in die oberen Stockwerke rauf…

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