Neues vom Tasmanischen Tiger

Die beiden Tiger-Experten Nagarjun Vijay und Buddhabhushan Girish Salve (Indian Institute of Science Education and Research Bhopal) haben im Rahmen ihrer Forschung am Genom des Bengalischen Tigers auch einen Blick auf die Gene des Tasmanischen Tigers (Beutelwolf) geworfen. Sie denken, dass bei den beiden so unterschiedlichen Top-Prädatoren der Verlust wichtiger Gene über Jahrmillionen hinweg beide anfällige fürs Aussterben macht.
Der Beutelwolf oder Tasmanische Tiger (Thylacinus cynocephalus) war der letzte Überlebende einer Familie der Thylacinidae, die einst in ganz Australien und Neuguinea lebten.
Bislang wurde seine Ausrottung allein mit der Bejagung durch Menschen und den von Menschen eingeführten Dingo erklärt. So war er auf dem australischen Festland bereits vor 2000 Jahren ausgestorben, nach der Ankunft der Europäer in Tasmanien wurden die Tiere von Bauern und durch eine Abschußprämie gnadenlos verfolgt.

Die genetische Studie fand jetzt heraus: Im Gegensatz zu fast allen anderen Beuteltieren, einschließlich der Tasmanischen Teufel, hatten Beutelwölfe mindestens vier wichtige Gene verloren: SAMD9L, HSD17B13, CUZD1 und VWA7. Die molekulare Uhr zeigt, dass der Verlust dieser Gene lange vor der Isolierung des tasmanischen Beutelwolf-Bestands vor etwa 10.000 Jahren durch den Anstieg des Meeresspiegels nach der letzten Eiszeit eintrat. Vielmehr verloren die Thylacine SAMD9L, CUZD1 und VWA7 vor mindestens 6 Millionen Jahren, ebenfalls in einer Zeit starker Klimaveränderungen. In dieser Zeit, so zeigen paläontologische Funde, nahm ihre Größe dramatisch zu und sie wurden zu Hyperkarnivoren wurde, ernährten sich also fast ausschließlich von Fleisch.
Der Verlust dieser Gene könnte aber auch negative Folgen gehabt haben – Vijay und Salve meinen, dass die verlorenen Gene die antivirale Abwehr, Stoffwechselprozesse, Laktation und eine höhere Anfälligkeit für Krebs und Bauchspeicheldrüsen-Entzündungen hervorgerufen haben könnten. Zwischen den Genen und diesen Erkrankungen bestehe ein Zusammenhang
Einige andere Forschende wie Timothy Churchill (University of New South Wales, Sydney) schätzen diese genetischen Aussagen vorsichtiger ein. Bis jetzt stehe nur fest, dass die klimatischen Veränderungen in Australien über Millionen von Jahren vor der Ankunft des Menschen zu einem dramatischen Verlust der genetischen Vielfalt der Beutelwölfe geführt haben. Danach war der Beutelwolf zwar perfekt an seine ökologische Nische angepaßt gewesen. Allerdings sei er dadurch auch in eine evolutive Sackgasse geraten, so dass er die Konkurrenz des Dingos und der Bejagung nicht überleben konnte.
Weder Wolf noch Tiger, sondern Beuteltier
Thylacinus cynocephalus war ein Beuteltier. Mit bis zu 130 Zentimetern Kopf-Rumpflänge plus bis zu 65 Zentimeter Schwanz und eine Schulterhöhe von rund 60 Zentimetern war er der Top-Prädator Tasmaniens. Wegen seiner Streifen erhielt er den Beinamen „Tasmanischer Tiger“ und wegen seines wolfsartigen Kopfes „Beutelwolf“. Auch sein wissenschaftlicher Artname weist auf diese Ähnlichkeit hin: cyno (griech. Hund) und cephalus (griech. Kopf).
Obwohl Beuteltiere und plazentale Säugetiere ihren letzten gemeinsamen Vorfahren vor sehr langer Zeit hatten, ähneln sich Wolf und Beutelwolf stark. Dies ist durch die Besetzung sehr ähnliche ökologischer Nischen zu erklären, so dass sich beide konvergent entwickeln. Allerdings konnten Beutelwölfe ihre Kiefer wohl weiter aufklappen, einige Quellen sprechen von bis zu 90 °. Auch die Ausbildung der Zähne ähnelte sich stark. Allerdings hatte der Beutelwolf, wie alle Beuteltiere pro Kieferquadranten 4 Schneidezähne, im Gegensatz zu den 3 Schneidezähnen der Wölfe.

Wikipedia: Beutelwolf (Fritz Geller-Grimm: Copy of a skull of Thylacinus cynocephalus and original skull of Canis lupus, Museum Wiesbaden Naturhistorische Landessammlung, Germany) CC-By-SA-2.5
Wie alle Beuteltiere werden auch diese Tiger-Wölfe in einem sehr frühen Stadium geboren und klettern dann in den Beutel der Mutter. Dort durchlaufen sie ihre weitere Entwicklung und werden dann schnell hundeähnlich, wie eine Forschungsstudie an Embryonen gezeigt hatte. Die Forscher hatten dafür in Museen aufbewahrte Embryonen 3 D-gescannt und die Entwicklung der Körpermerkmale und Proportionen analysiert.
Wann wurde der letzte Beutelwolf gesichtet?
Das letzte Exemplar starb 1936 im Hobart Zoo. Allerdings gibt es immer Berichte von angeblichen Sichtungen lebender Exemplare. Der quasimythologische Tasmanische Tiger ist also ein fester Bestandteil des Krytobiologie-Zoos.
Allerdings bezweifelt niemand, dass es diese Art tatsächlich einst gab.
2023 rekonstruierte eine Studie alle Thylacinus-Sichtungen nicht nur nach Zeit und Ort, sondern auch nach Zuverlässigkeit der Augenzeugen. Alle Meldungen werden in der International Thylacine Specimen Database erfaßt und mit einem Score versehen. Dabei wurden Meldungen von Personen, die namentlich bekannt und erfahren mit Wildtieren der jeweiligen Gegend waren, höher bewertet, als anonyme Meldungen oder angebliche Sichtungen durch Personen ohne Wissen der einheimischen Fauna.
So kommt das Forschungsteam zu dem Schluß, dass das ikonische tasmanische Raubtier noch bis in die 1980-er Jahre hinein überlebt haben könnte. Seitdem hat es allerdings keine zuverlässigen Sichtungen mehr gegeben.
Ich bin aber trotzdem ganz sicher, dass es weitere Meldungen geben wird – ist doch das Wunschdenken nach der Sichtung eines solchen Tieres manchmal größer als Sehkraft und Sachverstand.
Ein vergammelter Kopf und der Traum von De-Extiction
Der Traum von der De-Extinction geistert seit Jahren durch manche Forscher-Köpfe. Auf der Suche nach verwendbarem Genmaterial durchstöberte in Team um Andrew Pask, den Leiter des Labors für integrierte genetische Wiederherstellungsforschung (mit dem Akronym Tigrr) an der Universität von Melbourne Museumssammlungen. Auch dort, wo lange niemand nachgeschaut hatten. Dort wurden sie 2024 schließlich fündig: In einem Eimer, ganz hinten in einem Schrank des Melbourne Museums. Dort hatte jemand vor 110 Jahren den gehäuteten und nur grob abgefleischten Kopf eines Tasmanischen Tigers in Ethanol eingelegt. Und dann offenbar vergessen. Seitdem faulte das Stück vor sich.
Trotzdem konnten die Forschenden von diesem Exemplar erstmals viele lange RNA-Moleküle finden, die für die Rekonstruktion des Genoms eines ausgestorbenen Tieres entscheidend sind. Bei diesem Projekt ist natürlich auch die texanische Firma Colossal dabei, deren Geschäftsmodell das Zurückklonen ausgestorbener Tierarten ist.
Bereits 2017 hatten Pask und seine Kollegen Proben von einem konservierten jungen Beutelwolfwelpen und daraus eine vollständige genetische Karte des Beutelwolfs erstellt. Dabei hatten auch sie bereits die sehr geringe genetische Vielfalt des Beutelwolfs entdeckt und gemutmaßt, dass diese Art lange vor ihrer Ausrottung schon Schwierigkeiten hatte, sich an Umweltveränderungen und Krankheiten anzupassen. Die noch vorhandenen Lücken im Genom soll die mit dem Thylacinus verwandte Dickschwänzige Schmalfußbeutelmaus (Sminthopsis crassicaudata) liefern. Das modifizierte genetische Material wollen sie in Schmalfußbeutelmaus-Embryonen implantieren und ein Weibchen dieser Art als Leihmutter einsetzen.
Dass Colossal bei diesen angeblichen De-Extinction-Projekten auch aus der Wissenschafts-Community viel Gegenwind entgegenbläst und warum die angeblichen Fortschritte beim Zurückbringen ausgestorbener Arten nicht nur ethisch bedenklich, sondern auch sehr aufgeblasen sind, hatte ich anlässlich des Mammuts schon ausführlicher beschrieben.
Also war der Beutelwolf eine Art, für deren Aussterben der Mensch den letzten Schubser gegeben hat.
Diese genetischen Versuche, ausgestorbene Arten wiederzubeleben, sind wissenschaftlich durchaus interessant, aber meiner Ansicht nach ökologisch eher unsinnig. Die Umweltbedingungen passen ja nicht mehr.
@Sascha: Ja, darum halte ich diese Klon-Träume für vollkommen hirnverbrannt. Das hatte ich im Text zum Mammut bzw der Mammut-Maus ja auch ausführlich geschrieben. Beim Tasmanischen Tiger haben sich die Ökosysteme vielleicht nicht ganz so stark verändert, aber ein frei umherstreifendes Raubier würde mit der menschlichen Landnutzung noch stärker kollidieren. Wenn ich mir bei uns die “Diskussion” um Ansiedlung von Wölfen und Luchsen absehe, schätze ich auch einen potenziell geklonten Thylacinus als Problem-Beutelwolf ein. Die Klimakrise verschärft diese Probleme noch einmal
Es ist schon ein gelungener Scherz der Natur, dass sie als pozenzielle Leihmutter f ür den Tasman Tiger ausgerechnet die Dickschwänzige Schmalfuß- Beutelmaus hat überleben lassen
🐀🐅
@Claus: Ich musste auch schmunzeln. Dabei ist anzumerken, dass die Bezeichnungen für Beuteltiere nach äußerlichen Ähnlichkeiten und ökologischen Nischen vergeben werden – ein Beutelwolf ist taxonomisch alles andere als ein Wolf und die Beutelmaus weit entfernt von Mäusen.
Grundsätzlich ist ein Thema, ausgestorbener Tiere wieder zu beleben, sehr interessant, aber ein weiteres Leben, eine Fortpflanzung, die eine Sensation wäre, macht es in dieser Welt unmöglich. Auf der einen Seite versucht ein Mensch, den ein anderer dies zu Nichte macht. Ist sehr schade, aber könnte denn ein ausgestorbenes Tier auch ohne Menschen die diese nur auslöschen wollen, überleben?
@Doreen: Bei großen Tieren, die ja Relikte der pleistozänen Megafauna sind, wird immer wieder diskutiert, wieweit Menschen an ihrem Aussterben beteiligt waren. Zumindest haben Menschen die Ausrottung vieler arten erheblich beschleunigt. Wie ja auch beim Tasmanischen Tiger. Ob sie ohne Menschen überlebt hätten, ist eine Frage, die wohl kaum zu beantworten ist
Warum schreiben fast immer nur Kritiker gegen das Wiederherstellen ausgestorbenen Tierarten. Ich finde es großartig, wenn dies gelänge, zudem auch noch ein sehr großer wissenschaftlicher Fortschritt. Man braucht überhaupt keine Bedenken haben, wenn ausgestorbene Tierarten wieder zum Leben erweckt werden können. Warum nur immer die Fragen der geeigneten Lebensräume oder die ethischen Fragen. Diese Tiere hat der Mensch ausgerottet, von daher leitet sich eher eine Pflicht sie wiederherzustellen ab. Diese Tiere hatten genauso wie wir Menschen ein Existenzrecht. Lebensraum für diese Tiere ist genug da, außerdem braucht ja keine Massenvermehrung stattfinden, es wäre auch schon sehr schön diese Tiere in ihrer Echtheit bestaunen zu können
@Zollner W.: Das Warum ist in diesem Artikel kurz angerissen und in dem hier ausführlich erklärt:
https://scilogs.spektrum.de/meertext/maus-im-mammut-pelz-kommt-nun-das-klon-mammut/
Darum hatte ich den ja auch verlinkt.
In den Projekten werden eben nicht ausgestorbene Tiere wieder zum Leben erweckt, sondern Kunstgestalten.
Und ich fände schon, dass man auch nach deren Schaffung als Kreator eine gewisse Verantwortung für ihr Wohl hätte.
Allein schon die Frage der Leihmutterschaft ist ethisch bedenklich, gerade bei Säugetieren.
Zudem würde man ihren nicht nur Lebensraum sondern auch Sozialverhalten vorenthalten, was für mich fast noch schlimmer wäre.
Alternativ gibt es Exemplare und ihre Rekonstruktionen statisch und animiert in genügend Museen und Parks, um sie dort zu bewundern, ohne dass lebende Kreaturen dafür leiden müssen.
@Zollner W.
Alleine in Ihrem ersten Satz steckt schon ein Denkfehler. Es werden eben keine ausgestorbenen Tiere wiederhergestellt.
Die Tiere, die Colossal Biosciences, zum Leben erwecken will, sind Chimären, Hybride, Mischlinge: Es entsteht ein Elefant-Mammut, Beutelwolf-Schmalfußbeutelmaus, Wolf-Direwolf oder eben Dodo-Kragentaube. Keines dieses genetisch erzeugten Tiere ist ein “echtes” Mammut, Beutelwolf, Direwolf oder Dodo.
Colossal Biosciences bewegt sich näher an Heinz und Lutz Heck (Schöpfer der Heckrinder, einem äußerlichen Abbild des Auerochsen) als an Michael Crichton.
https://de.wikipedia.org/wiki/Heckrind
@RPGNo1: Ja, die angebliche Rückzüchtung der sogenannten Heck-Rinder als Pseudo-Auerochsen fiel mir dazu auch ein.
Denen sind wir auf Weiden schon begegnet und die wirkten, abgesehen von den enormen Hörnern der Bullen, ansonsten ganz schön domestiziert. Worüber wir sehr glücklich waren – ein Hochwasser hatte deren Weidezaun zerstört. Und wir erfuhren erst am Ende der Wanderung, dass einige Auerochsen sich offenbar dort noch frei herumtrieben. Keine Ahnung, ob die gemütlich und scheu geblieben wären, wenn wir uns berraschend auf einem Weg gegenübergestanden hätten.
Sie stehen jetzt häufiger auf Grünflächen, weil sie mit ihrem Körpergewicht besonders gute Biotoppflege machen
Natürlich sollten sich Forscher, die durch solche Methoden Tiere in die Welt setzen, den Fragen nach der Ökologie stellen.
ln weit größerem Maße sollten sich Leute diesen Ftagen stellen, die kaum lebensfähig Hunde züchten (nackt statt Fell, Atemnot….).
Das dürften wohl tausende mehr sein als die Zahl der Genforscher.
@Claus: Ja, das geht mir bei dieser Form von Zuchten, ob genetisch manipuliert oder nicht, auch durch den Kopf. Ich bin nicht grundsätzlich gegen Gentechnologie, sondern denke nur, dass man dabei gut über die Folgen nachdenken sollte.
Wenn ein Weizen per Crispr kürzere Halme bekommt und dadurch besser Extremwettern trotzen kann oder ein Maus resistenter gegen zunehmende Dürren wird, halte ich das für absolut sinnvoll (Vielleicht bin ich als Zoologin gegenüber Pflanzen zu wenig empathisch). Aber bei diesen Projekten für Qualzuchten (z B nutzlose kleine Hunde ohne ausreichenden NAsenraum für die Atmung) oder eben den Colossal Projekten ist für mich eine nicht nur ethische rote Linie überschritten.
Und ich halte Ethik im Umgang mit unseren Mit-Kreaturen für nicht entbehrlich.
ich glaube ihn 1994 im Nordwesten gesehen zu haben.
@Harald Metzger-Hug: Faszinierend. Wie würden Sie Ihre Sichtung bewerten, nach den in dieser Publikation (s. u.) vorgeschlagenen Ranking-Parametern?
“The TTSRD is presented in a flat-file format (.xlsx or .csv), with one observation per row, and column data for a unique ID, sighting location (with notes), date (year/month [or season]), geo-reference (latitude/longitude and a precision class), sighting type (kill, capture, expert or non-expert visual observation, secondary evidence) and quality-rating (a score between 1 [lowest] to 5 [highest], based on a subjective composite of information regarding the observer’s credentials and experience (e.g., whether the person had previously trapped Thylacines, or had worked in the Tasmanian bush and was familiar with the local wildlife, or was a transient visitor from elsewhere, etc., along with the number of human observers and detail of the description supplied).”
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969723014948