Delphine und Robben in Diensten der Seestreitkräfte

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Diesen Beitrag schrieb ich 2022 anläßlich der Behauptung der Hamas, dass ein israelischer „Killer Delphin“ einen Taucher der Hamas getötet haben soll.
Die Hamas hatte die Israelis schon 2015 beschuldigt, Meeressäuger gegen Hamas-Taucher eingesetzt zu haben. Der Delphin habe angeblich eine Vorrichtung mit einem Messer auf dem Schnabel getragen. Die Hamas zeigt in ihrem Anklage-Video diesen Ausrüstungsgegenstand.

Das Hamas-Video ist hier zu finden.

Ich kann den Wahrheitsgehalt nicht verifizieren, finde die Hamas-Show allerdings nicht sehr vertrauenserweckend. Genauso wenig wie die Vorgeschichte der angeblich von Israel eingesetzten „zionistischen Tiere“. Da verschiedene Medien es aufgegriffen haben, wollte ich die Story aber hier vorstellen.
Ob die israelische Marine wirklich Delphine einsetzt, ist also nicht zweifelsfrei bekannt.

Welche Seestreitkräfte setzen Meeressäuger ein?

Bekannt ist, dass die USA und Russland Meeressäuger zur Unterstützung ihrer Seestreitkräfte einsetzen, möglicherweise auch Nord-Korea, so der U-Boot-Experte HI Sutton, der als freier Autor und Illustrator dieser Geschichte nachgegangen ist und z. B. auf Twitter dazu berichtet.

In dieser Graphik hatte 2022 H I Sutton auf einem Tweet einen Überblick gegeben, welche Seestreitkräfte Meeressäuger einsetzen:

— H I Sutton (@CovertShores) January 13, 2022

Seit den 1960-er Jahren trainiert die US-Marine Große Tümmler (Tursiops truncatus) und Kalifornische Seelöwen (Zalophus californianus).
Die wendigen und intelligenten Meeressäuger sind schneller und können tiefer tauchen als Menschen, außerdem sind ihre an das Meer angepaßten Sinne ein klarer strategischer Vorteil. Das macht sie zu idealen Partnern der Seestreitkräfte etwa zur Bewachung von Schiffen in feindlichen Häfen und der Abwehr von Unterwasserangriffen.

Trainiert wurden und werden die Meeressäuger des MMP (Marine Mammal Program) in den warmen kalifornischen Gewässern von San Diego, sowohl Tümmler als auch Kalifornische Seelöwen fühlen sich bei diesen Temperaturen am wohlsten. Zu den Waffen dieser echten Navy Seals gehört etwa das Shallow Water Intruder Detection System: Ein Seelöwe schwimmt von hinten an einen feindlichen Taucher heran, und befestigt eine D-Clamp (Klemme) an ihm. An der Klemme ist eine Leine befestigt, damit kann der Feind dann vom Sicherheitsteam eingeholt werden wie ein gefangener Fisch. Idealerweise bekommt er den Seelöwen dabei gar nicht zu Gesicht.
Beim Mark 6 Mod 1 MMS (Marine Mammal System) wird ein Delphin ausgebildet, feindliche Schwimmer zu finden und zu markieren. Hat der Tümmler einen Eindringling ausgemacht, kehrt er zum Boot seines „Hundeführers“ zurück und läutet eine Glocke. Der Trainer platziert dann eine konische Markierungsboje über der Schnauze des Delphins, mit der der Meeressäuger den Schwimmer „markieren“ soll: Die Boje schwimmt an die Oberfläche und blinkt, damit ist der Taucher  für das Sicherheitsteam zu markiert.

Außerdem sollen die Delphine auch zum Aufspüren von Seeminen und die Seelöwen zum Räumen von Explosivstoffen eingesetzt worden sein. Die US Navy erklärt immer wieder, dass ihre Delphine niemals zum Angriff auf Menschen eingesetzt worden seien, sondern vielmehr als „Wachhunde der Meere“ (“patrol dogs of the sea”). Einige pensionierte Delphin-Trainer berichten immer mal wieder, Delphine seien sehr wohl auch mit speziellen Anti-Taucher-Waffen geschult worden, die Navy verneint das regelmäßig. Die Verifikation solcher Aussagen dürfte kaum möglich sein.

Auch die russische Marine betriebt seit Langem ein Meeressäuger-Programm. Wegen der vielen Häfen in kühleren Gewässern haben sie allerdings neben den Großen Tümmlern auch arktische Weißwale (Belugas) und Seehunde ausgebildet.
Nach meiner Kenntnis sind die Großen Tümmler, die im Schwarzen Meer im Krim-Hafen Sewastopol als Teil der Schwarzmeerflotte stationiert waren, nach dem Zerfall der Sowjetunion in den Besitz der Ukraine übergegangen. Mit der Annektion der Krim sind sie jetzt wieder in russischem Besitz. Die Eigentumsrechte dürften nach der völkerrechtswidrigen Annektion der Krim weiterhin bei der Ukraine liegen. Ohne Zweifel ist die Situation genauso verworren wie die gesamte politische Krim-Situation.

H I Sutton hatte in Forbes über den Einsatz russischer Marine-Delphine vor der syrischen Küste berichtet, vom September bis Dezember 2018. Als Nachweis führte er Satellitenaufnahmen an, die die Netzkäfige der Delphine zeigen.

Die Behauptung einer russischen Zeitung, die US-Marine würde Große Tümmler in dem baltischen Hafen Riga stationieren wollen, halte ich für völligen Blödsinn. Die Ostsee ist so weit östlich so ausgesüßt, dass Delphine – gerade so große Tiere wie Tümmler – wegen des zu geringen Auftriebs erhebliche Probleme beim Schwimmen hätten. Außerdem dürfte zu salzarmes Wasser ihnen physiologisch und dermatologisch so schaden, dass sie kaum in der Lage sein dürften, dort Dienst zu leisten. Weiterhin sind die aus Florida stammenden und recht kleinen US-Delphine nicht an die kühlen Temperaturen der Ostsee angepaßt.

Durch ihre Aktivitäten in arktischen Meeren geraten russische Marine und Forschung allerdings auch regelmäßig mit ungezähmten Meeressäugern aneinander, so hatte 2019 eine wütende Walroßmutter ein Marine-Beiboot fast versenkt.
Bei der Arbeit mit Meeressäugern sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass sie Top-Prädatoren mit vielen Zähnen sind. Auch ein gut trainierter Meeressäuger kann an einem schlechten Tag ungemütlich reagieren, schon bei einer Rangelei mit einem Seehund dürften die meisten Menschen im Wasser den kürzeren Strohhalm (oder Seegrashalm?) ziehen.

Angebliche zionistische “Killer-Tiere”

Israel wurde in der Vergangenheit immer wieder beschuldigt, Delphine und andere Tiere für militarisierte Zwecke einzusetzen. So behauptete 2010 Mohamed Abdel Fadil Shousha, der damalige Gouverneur des Süd-Sinai in Ägypten, dass tödliche Haiangriffe in Sharm el-Sheikh Teil einer Mossad-Operation waren, um dem ägyptischen Tourismus zu schaden. Als Biologin möchte ich darauf hinweisen, dass (auch) dieser Vorwurf hanebüchen ist. 2011 setzten die saudi-arabischen Behörden einen Geier unter dem Verdacht fest, dass er für Israel spioniere, nachdem es ein Missverständnis über den Zweck des von ihm getragenen Ortungsgeräts gegeben hatte. Der große Gänsegeier trug zwar wirklich einen GPS-Sender in den Schwanzfedern, allerdings hatte der Vogel keine Verbindungen zum Militär. Er gehörte vielmehr zu einem Naturschutzprojekt zur Wiedereinführung von Greifvögeln im Nahen Osten. Der Vogel mit der Flügelspannweite von 1,90 Metern trug einen Sender der Universität Tel Aviv und war aus dem Gamla-Naturreservat in den von Israel besetzten Golanhöhen entfleucht. Durch die Intervention von Friedenstruppen wurde er dann schließlich wieder an das israelische Projekt zurückgegeben. Auch die türkischen Behörden nahmen 2013 einen mutmaßlichen israelischen Spionagevogel fest. Erst nachdem Röntgenaufnahme gezeigt hatten, dass der Vogel nicht „verwanzt“ war, ließen sie das Tier wieder fliegen.
Darum haben die meisten Medien verständlicherweise die letzte Delphin-Aufregung eher mit Spott aufgenommen und sie als Verschwörungserzählung der Hamas eingeordnet.

Warnung:
Dieser Meertext-Beitrag entspricht nicht der üblichen journalistischen Sorgfalt und dem wissenschaftlichen Anspruch auf diesem Science-Blog.
Die meisten Informationen stammen aus Zeitungsartikeln und einer Recherche des U Boot-Experten HI Sutton, dem ich auf Twitter folge. Ich halte die Story und seine Ergebnisse für einigermaßen plausibel. Den Realitätsgehalt der Aussagen der Hamas kann ich nicht einschätzen.
Genauso wenig kann ich einschätzen, wie sorgfältig HI Sutton recherchiert. Da in seinem Artikel “Navy Marine Mammal Programs“ auf seinem Blog HISutton der Weißwal Hvaldimir als von der russischen Marine trainiert bezeichnet wird, scheint seine Recherche aber nicht so richtig tiefgründig zu sein.
Hvaldimir hatte sich ja innerhalb kurzer Zeit als aus einem Freizeitpark entschwommener kinderfreundlicher Wal namens Semion herausgestellt, wie ich auf Meertext in einer ganzen Artikelreihe berichtet hatte: „Weißwal Hvaldimir, Walknast und Marine-Wale zwischen Fakten und Verschwörung“.

Und dass Israel natürlich immer wieder das Ziel vieler Verschwörungsmythen ist, kann man gerade wieder in Echtzeit beobachten, wenn Antisemiten und Antizionisten hinter der Covid 19-Impfung eine von Juden gesteuerte Weltverschwörung zusammenfabulieren. Ich muss wohl kaum betonen, wie verabscheuungswürdig ich so etwas finde.

Delphine sind ein emotionsbelandenes Thema, darum werden echte oder behauptete Marine-Delphine hemmungslos zu Propagandazwecken ausgeschlachtet.

Bettina Wurche in Portsmouth

Veröffentlicht von

https://meertext.eu/

Auf dem Science-Blog „Meertext“ schreibe ich über meine Lieblingsthemen: Biologie, Zoologie, Paläontologie und das Meer. Wale, Fische und andere Meeresgetüme. Tot oder lebendig. Fossile Meere, heutige Meere und Meere der Zukunft. Die Erforschung, nachhaltige Nutzung und den Schutz der Ozeane. Auf der Erde und anderen Welten. Ich berichte regelmäßig über Forschung und Wissenschaft, hinterfrage Publikationen und Statements und publiziere eigene Erlebnisse und Ergebnisse. Außerdem schreibe ich über ausgewählte Ausstellungen, Vorträge, Bücher, Filme und Events zu den Themen. Mehr über meine Arbeit als Biologin und Journalistin gibt´s auf meiner Homepage “Meertext”.

6 Kommentare

  1. Da die militärische “Nutzung” der Tiere im Allgemeinen nicht öffentlich gemacht wird, ist es schwierig, da irgendwelche verlässlichen Informationen zu bekommen. Insbesondere weil das Militär weiß, dass es dafür heutzutage böse angegangen wird, hütet es sich tunlichst, irgendwas zuzugeben.

  2. In meiner Kindheit und Jugend hatte ich das Buch “Welt unter Wasser” von Hans Hass von 1973. Neben vielen anderen Dingen schreibt er darin auch über die Verwendung von Meeressäugern durch das Militär, und er spricht sich strikt dagegen aus. An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, aber jedenfalls war das vor mehr als 50 Jahren auch schon ein Thema.

    • @Manfred Polak: Ja, das war von Anfang an umstritten. Und andere Tiere wie Pferde, Hunde und Brieftauben werden ja noch viel länger auch militärisch ausgenutzt. Darüber spricht bloß kaum jemand.

  3. Da fällt mir ein alter DDR-SF-Roman ein, den ich vor kurzem wieder gelesen habe: “Krakentang” von Carlos Rasch von 1968. Da gehts um die (militärische) Züchtung und Nutzung von Kraken.

    • @Sascha: Den kenne ich gar nicht – hört sich spannend an!
      Es gibt ja gerade große Proteste gegen die Einrichtung einer Kraken-Massentierhaltung auf dn kanarischen Inseln.
      Kraken haben offenbar eine bessere Lobby als Schweine, Kühe oder Hühner.

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