Wissenswerte 2018: Die neuen Wege des Wissenschaftsjournalismus

Auf der 15. Fachtagung für Wissenschaftsjournalismus der Wissenschaftspressekonferenz (wpk) ging es vor allem darum, wie Wissenschaft alle Bereiche unserer Gesellschaft erreichen kann und welche neuen Pfade der Wissenschaftsjournalismus hierfür beschreitet. Ein vorweihnachtlicher Sneak Preview der Highlights der Wissenswerte 2018 mit Blick auf einige vielversprechende, erste Wege.

Ein langes Leben, wer wünscht sich das nicht? Im Rahmen des zehnjährigen SciLogs-Jubiläums diskutierten wir dies im vergangenen Jahr ausgiebig bei ZeitOnline und hier in den Blogs als eine der großen Fragen an die Wissenschaft. Die australisch-US-amerikanische Molekularbiologin Dr. Elizabeth Blackburn erforscht seit Jahrzehnten den Prozess des Alterns. 2009 erhielt sie für die Entschlüsselung des Unsterblichkeitsenzyms Telomerase den Medizin-Nobelpreis. 2018 reiste sie als eine von 42 Nobelpreisträgerinnen an den Bodensee, um sich beim 68. Lindauer Nobelpreisträgertagung mit jungen Nachwuchswissenschaftlern aus der ganzen Welt auszutauschen.

Wertvolles kommunizieren

Warum? Für Elizabeth Blackburn ist Wissenskommunikation etwas sehr Wertvolles. Der Wert der Wahrheit sei es, der den Menschen im Allgemeinen wertvoll mache, so die Nobelpreisträgerin. In einem #LINO18 – Interview verrät sie:

“Ich denke, dass die Wissenschaft eindeutig bewiesen hat, dass sie für die Menschheit von großem Nutzen ist. Und es ist sehr wichtig, dies den Menschen auf eine Weise zu vermitteln, die ihnen klar macht, dass der Wert der Wahrheit den Menschen im Allgemeinen Wert gibt. Denn das ist es, worauf Wissenschaft basiert. Die Vermittlung dieser Erkenntnis durch diejenigen, die dieses Wissen am besten in Geschichten kommunizieren können, ist Teil des Weges, um das Verständnis wiederherzustellen, dass Wissenschaft wirklich förderlich für der Menschheit ist. Wissenschaft kann sinnvolle Maßnahmen bereitstellen, die sich beispielsweise auf die menschliche Gesundheit auswirken. Wir sollten daher immer auch die Wissenschaft als Argument einbringen, um zu entscheiden, welche Politik wir als Gesellschaft annehmen wollen. Wobei natürlich immer mehrere Komponenten bestehen, die nicht nur wissenschaftlich sind. Aber wenn man sich auf das feste Fundament der Wissenschaft stützt und über die [aktuelle] Wahrheit der Situation diskutiert, wird diese zwingend sein.“

Live Journalism = “Real-life”-Journalism

“Ich weiß nicht, ob Wissenschaftler Lösungen finden. Ich weiß gar nicht, was die arbeiten.” (Okan, 15 Jahre, Gesamtschüler in Köln-Chorweiler).

Chorweiler. Hinter diesem schönen Namen verbirgt sich ein Hochhaus-Ghetto im Kölner Norden. Von hier kam bislang noch kein Nobelpreisträger. In Chorweiler ist die Selbstmordrate hoch und die Bildung gering. Alleinerziehende, Ausländer, Alkoholiker. Das ist Chorweiler. Hier herrschen Hoffnungslosigkeit, Misstrauen und Unverständnis. Fernsehen ist, wenn überhaupt, die wichtigste Bildungsquelle. Ins Lokal geht man hier zum Saufen, nicht zum Wählen (für die Politik).

Die diesjährige Masterclass “Wissenschaftsjournalismus” der Robert-Bosch-Stiftung will das ändern, indem sie Konzeptentwicklungen für Community-Building im Wissenschaftsjournalismus fördert. Einige dieser vielversprechenden Projekte wurden auf der Wissenswerte vorgestellt.

Vorstellung des Projektes “DIREKT Wissenschaft><Gesellschaft” aus der Masterclass Wissenschaftsjournalismus auf der Wissenswerte 2018: Okan (15 Jahre, Gesamtschüler aus Köln-Chorweiler) hat keine Idee, was Wissenschaftler tun. (Credit: Dr. Karin Schumacher)

“DIREKT Wissenschaft >< Gesellschaft”

Eines davon ist das Projekt “DIREKT Wissenschaft >< Gesellschaft”. Hierfür gehen die Wissenschaftsjournalistinnen Christine Werner und Ann-Christin Hornberger mit WissenschaftlerInnen in die Gesamtschule, den Sporttreff, die Frauengruppe in der Moschee, um mit Menschen wie Okan und seiner Familie ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam wird Neues geschaffen, darunter auch Neugier und Verständnis. Die JournalistInnen sind die ArchitektInnen der Wissensbrücke, die von allen gemeinsam gebaut wird.

MedWatch: Community-Journalismus für die Gesundheit

Misstrauen und Unverständnis herrschen leider auch allzu oft in der Medizin. Fake-Therapien oder irreführende Werbung im Gesundheitsbereich sorgen bei vielen Menschen für Verunsicherung.  Mithilfe von Crowdfunding bauen Hinnerk Feldwisch-Drentrup (@hfeldwisch) und Nicola Kuhrt (@nicolakuhrt) nun mit MedWatch ein wirksames Mittel dagegen auf: ein gemeinsames Netzwerk für einen radikal nutzerorientierten Journalismus.

Die im Rahmen der Masterclass durchgeführte Online-Umfrage zeigte, dass viele Unterstützer auch Experten sind – auf den verschiedensten Gebieten. Dies will MedWatch in Zukunft so stark wie möglich nutzen – durch weitere Vernetzung und den Aufbau von Stammtischen in verschiedenen Städten Deutschlands. Ein ausrangierter Krankenwagen soll umgebaut werden, um mit MedWatch-Expertise gefüllt durchs Land zu reisen. Das vielversprechende Projekt erhielt den #Netzwende-Award 2018 für nachhaltige Innovation im Journalismus.

RiffReporter: Korallen für den Wissenschaftsjournalismus

Leiter der Masterclass ist Christian Schwägerl, wpk-Wissenschaftsjournalist und zusammen mit Tanja Krämer Mitgründer von Riffreporter eG, der Genossenschaft für freien Journalismus. Die Firma wurde während der Wissenswerte 2015 in Bremen in das Handelsregister eingetragen. Auf der diesjährigen Wissenswerte berichteten die beiden Gründer über den aktuellen Stand des mittlerweile mehrfach ausgezeichneten Projektes (#Netzwende-Award 2017, Grimme Online Award 2018).

Die beiden Gründer der RiffReporter, Christian Schwägerl (@chrschwaegerl) und Tanja Krämer (@Tanja_Kraemer) im Werkstattgespräch auf der Wissenswerte 2018. (Credit: Dr. Karin Schumacher)

Den RiffReportern gelingt es, das Beste aus zwei Welten zu verbinden: die Qualität des bewährten Journalismus mit digitaler Skalierung und Plattformlogik.

“Gründerplattformen wie die RiffReporter haben das Zeug zu den neuen Verlagen des 21. Jahrhunderts zu werden.” (Dr. Christopher Buschow)

Christopher Buschow untersucht mittlerweile als Juniorprofessor für “Organisation und vernetzte Medien” am Fachbereich Medienmanagement an der Bauhaus-Universität Weimar Start-ups im Journalismus. Die Neugründungen seien innovativer und könnten zukunftsorientierter arbeiten als Presseverlage und ihre Redaktionen.

Und auch hier sind die LeserInnen gefragt: Wer noch auf der Suche nach einem sinnvollen Weihnachtsgeschenk ist, kann auch hier Gutes tun und seine Lieben beispielsweise mit einem Abonnement seiner Lieblingskoralle(n) beschenken.

Wissenswerte – Perspektiven und Ausblicke für 2019

Bis zur nächsten Wissenswerte gibt es einige Hausaufgaben. Stichwort konstruktiver Journalismus. Für Prof. Dr. Klaus Meier von der KU Eichstätt ist das kein “Wellness-Journalismus”, sondern ein wichtiger Weg aus der vielfach bejammerten Krise des Journalismus.

Konstruktiver Journalismus

“Das Reden über Problem schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen.” (Prof. Dr. Klaus Meier, Studiengang Journalistik, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt)

Wie und dass es geht, zeigen bereits heute Formate wie Perspective Daily. Konstruktiver Medizinjournalismus darf nicht einfach nur die neuesten Supertherapieansätze verkünden und sich damit als weiteres Werbeinstrument für Forschende (und) Pharmaunternehmen verkaufen.

#Heisszeit

Heiße Debatten über Themen wie Klimawandel oder Impfungen zeigen, dass selbst wissenschaftliche Diskussionen immer auch eine emotionelle Komponente haben. Gerade hier ist der Wissenschaftsjournalismus wichtiger denn je – als Übersetzer und möglichst unabhängiger, neutraler Vermittler der wissenschaftlichen Fakten. So dürfen Berichte über den Klimawandel nicht mehr vor allem Schuldgefühle hervorrufen. Stattdessen müssen Handlungsmöglichkeiten kommuniziert werden, die motivieren, selbst kleinste Schritte in die richtige Richtung zu gehen.

Auch hier spielt der Wissenschaftsjournalismus eine Schlüsselrolle. Unserem Planeten ist es letztendlich egal, ob wir es schaffen, auf ihm zu überleben oder nicht. Es liegt an uns, das rechtzeitig zu begreifen und dementsprechend zu handeln.

#KI und #Nachwuchs

Vielleicht schafft sich der Mensch inzwischen einfach selbst ab? Die Diskussionen über Künstliche Intelligenz und unsere Zukunft im Zeitalter der Digitalisierung waren sicher nicht die Letzten. Wie sollen wir mit der zunehmenden Datenflut, auch in der Medizin, umgehen? Die diesjährige Unterhausdebatte beschäftigte sich mit Geldern, Gremien und den dort noch viel zu oft dominierenden Silberrücken, auch im Wissenschaftssystem. Vielleicht wird KI dieses Problem in Zukunft lösen? Wie Journalisten schon heute künstliche Intelligenz sinnvoll für ihre Arbeit nutzen können, wurde am zweiten Tag der Veranstaltung diskutiert. Moderatorin war niemand geringeres als Eva Wolfangel (@evawolfangel), europäische Wissenschaftsjournalistin des Jahres und vielgefragte KI-Expertin.

Trotz jahrelanger Erfahrung zählt Eva immer noch zu den Jüngeren im Wissenschaftsjournalismus. Doch hierüber wundert sie sich mehr als dass sie sich freut. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass sich das ändert. Doch wie? Eine coolere Location? Freier / günstigerer Eintritt für Studierende? Peter Saueressig, passionierter Musiker und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am HITS in Heidelberg, findet ebenfalls:

“Die Wissenswerte lebt, braucht aber Nachwuchskräfte.”

Hier sind Ideen und Kreativität gefragt und willkommen. Momentan ist der Wissenschaftsjournalismus in Deutschland eine große Baustelle. Auch die Phase der Pubertät ist noch nicht überstanden (vgl. hierzu die Diskussion über die Wissenswerte 2018 im meta-magazin, dem Magazin der wpk, sowie meine beiden Berichte zur letzten Jahrestagung: “Wissenschaftsjournalismus in der Pubertät” und “Die 9 Highlights der Wissenswerte (#ww17)”).

Alles verändert sich ständig. Was bleibt, ist der Wandel. Doch einige neue Wege und Brücken sind bereits sehr vielversprechend. Wer hat Lust, daran mitzubauen? Es war noch nie so einfach und so spannend. Packen wir es gemeinsam an.

Der SWR3-Elch wünscht allen viel Glück aus Bremen!
Der SWR3-Elch wünscht allen viel Glück aus Bremen! (Denkmal “Schweinehirt und seine Herde” in der Bremer Sögestraße, Credit: Dr. Karin Schumacher)

In diesem Sinne wünsche ich allen frohe Weihnachten und ein gutes und gesundes Jahr 2019!

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Dr. Karin Schumacher bloggte zunächst als Trota von Berlin seit 2010 bei den SciLogs. Nach dem Studium der Humanmedizin in Deutschland und Spanien promovierte sie neurowissenschaftlich und forschte immunologisch in einigen bekannten Forschungsinstituten, bevor sie in Europas größter Universitätsfrauenklinik eine Facharztausbildung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe abschloss. Hierbei wuchs das Interesse an neuen Wegen in der Medizin zu Prävention und Heilung von Krankheiten durch eine gesunde Lebensweise dank mehr Achtsamkeit für sich und seine Umwelt, Respekt und Selbstverantwortung. Die Kosmopolitin ist leidenschaftliche Bergsportlerin und Violinistin und wenn sie nicht gerade fotografiert, schreibt oder liest, dann lernt sie eine neue Sprache. Auf Twitter ist sie übrigens als @med_and_more unterwegs.

5 Kommentare

  1. Wissenschaft in alle Bereiche der Gesellschaft? Echt jetzt? Also auch Liebesbeziehungen? Und Familienweihnachtsfeiern?

    Danke jedenfalls fürs Teilen deiner Eindrücke und fröhliche Feiertage!

    • Vielen Dank für deinen Kommentar, Stephan. Ich sehe das ähnlich wie du. Auch ein Grund übrigens, warum ich (noch) nicht auf die Session mit David Sieveking eingegangen bin – einem autobiographisch arbeitenden “Dokumentarfilmer”, wie er sich selbst beschreibt. Wenn der ein gutes Thema sieht, sagt er zu seiner Freundin: “Pause, ich ruf mal das Team!” Ich weiß nicht, ob es besser gewesen wäre, wenn er seinen Film nun über die Entstehung seiner Tochter gedreht hätte, anstatt über ihren Impfpass

      Was die wissenschaftliche Analyse von Familien((weihnachts))feiern) betrifft, verweise ich auf eine meiner Lieblings-Wissenschaftlerinnen, Anne Ancelin Schützenberger. Vor einiger Zeit habe ich schon einmal über ihre Arbeit geschrieben, beispielsweise dass die oft unsichtbare familiäre Loyalität zu den Ahnen durchaus erkannt und aufgelöst werden kann.
      Leider ist die Grande Dame der Psychogenealogie im März kurz vor ihrem 99. Geburtstag gestorben. Das ist vielleicht ein guter Anlass, sich nochmals etwas intensiver mit dem Thema zu beschäftigen, zumal einer meiner besten Freunde, nicht einmal halb so alt, seine Therapiestunden erstes Weihnachten nun mit ihr zusammen verbringen kann…

      Dir auch frohe Feiertage und einen schönen Start in ein gutes Jahr 2019!

  2. Die zwei Welten, die C.P.Snow thematisisert hat, die gibt es tatsächlich in unserer Gesellschaft. Bei einigen Geisteswissenschaftlern (die jede Übergriffigkeit der Naturwissenschaftler abwehren) noch viel stärker als bei Naturwissenschaftlern. Doch die Welt ist nicht zweigeteilt in eine Welt des Humanen, Geistigen (Zuständigkeitsbereich der Geisteswissenschaftler und Künstler) und eine Welt der Dinge, die von den Naturwissenschaftlern unter dem Mikroskop untersucht wird.

    Es stimmt allerdings, dass Menschen sowohl in andere Menschen als auch in Fakten nur dann vertrauen, wenn sie zuerst einmal ein gewisses Grundvertrauen aufgebaut haben und gewissermassen an sie glauben. Doch glauben kann man auch an falsche Dinge, an Dinge, die der Gesellschaft oder auch dem Glaubenden selbst schaden. So schaden Impfgegner mit ihrem Glauben der Gesellschaft/Gemeinschaft (in der die Impfgegener selbst auch leben), denn sie lassen Krankheiten wie etwa Masern weiterexistieren obwohl diese gar nicht so ungefährlichen Krankheiten schon heute ausgerottet sein könnten wenn nur konsequent geimpft würde.

    Es gibt natürlich einen sehr grossen Graubereich zwischen Wissen und Glauben und auch affektiv besetzten Überzeugungen. Gerade auch Wissenschaftsjournalisten sollten sich dessen bewusst sein, dass es nur wenig stark gesichertes Wissen gibt und sehr viel mehr Wissen über bestimmte Zusammenhangswahrscheinlichkeiten. Ein gutes Beispiel für diesen Graubereich findet man auch in diesem Beitrag, wo man liest: Unserem Planeten ist es letztendlich egal, ob wir es schaffen, auf ihm zu überleben oder nicht. Es liegt an uns, das rechtzeitig zu begreifen und dementsprechend zu handeln.
    Implizit findet sich hier die Aussage, der menschengemachte Klimawandel bedrohe die menschliche Existenz auf diesem Planeten. Doch das stimmt nicht: Mit mehr als 99%-iger Wahrscheinlichkeit wird die Menschheit auch in einer “Heisszeit” weiterexistieren können – und es ist nicht einmal gesagt , dass eine Übergang in eine “Heisszeit” hunderten von Millionen von Menschen das Leben kosten wird. Ein Übergang in eine “Heisszeit” könnte in einer viel wohlhabenderen Welt beispielsweise mit einer Kombination von Wohn- und Stadtraumklimatisierung, mit Migration in höhere Breitengrade und Migration weg von den zurückweichenden Küstenlinien begegnet werden. Mit anderen Worten: Wer von einer Apokalypse redet, der hat die Zone des Wissens schon längst verlassen und ist in die Zone der Ängste und des absoluten Unheils eingetreten, eine Zone, die früher und auch heute noch von der Religion bewirtschaftet wird. Allerdings sind im Zusammenhang mit dem Klimawandel Emotionen schon zugelassen. Nur halte ich gar nichts von dem Rückgriff auf apokalyptische Erzählungen – auch nicht um die Weihnachts- und Neujahrzeit herum. Kühler und wahrer betrachtet bedeutet eine mögliche zukünftige Heisszeit einfach, dass die Menscheit die gesamte Erde dermassen radikal umgestaltet, dass er damit sehr viel wertvolles zu verlieren droht. Wertvolles wie etwa Arten, die verschwinden, Städte mit Jahrhunderte an Geschichte, die in den Fluten versinken. Der Mensch verliert durch einen Übergang in eine Heisszeit sehr viel Wertvolles ohne dabei irgend etwas zu gewinnen. Das wäre wohl näher an einer neutraleren Beschreibung als wenn man apokalyptische Visionen heraufbeschwört.

  3. Wahrheit und ein Leben in der Wahrheit ist das, was gemäss vielen Religionen anzustreben ist und ja, sogar Zeitungsleser suchen in der Zeitung nach etwas so Simplen, aber wichtigem, wie Wahrheit.

    Die Wahrheit, die ich hier meine, kann von keiner Religion und keiner politischen Partei, für sich in Anspruch genommen werden. Wenn eine kanadische Klimaforscherin am Schluss ihres Vortrags über den Klimawandel von US-Schülern gefragt wird ob sie Demokratin sei und sie antwortet, nein sie sei Kanadierin, so meint sie damit eben auch, dass die US-republikanische Partei nicht einfach selbst bestimmen kann was wahr und was falsch ist. Weder Putin noch Trump können den Klimawandel durch ihre eigene Wahrheit ungeschehen machen. Die Wahrheit der Naturwissenschaften ist eine Wahrheit für alle Menschen. Sich dem zu verschliessen, was die Naturwissenschaften erkannt haben, ist sogar weit schlimmer und tragischer als sich dem zu verschliessen, was der Pfarrer auf der Kanzel sagt, denn die Wahrheit der Naturwissenschaften gilt für alle Gläubigen (Reformierte und Katholiken, Muslime oder Jesiden) und auch für alle Ungläubigen. Für alle Menschen also gilt das, was Naturwissenschaftler erkannt haben.

  4. Wissenschaftsjournalismus und Wissensvermittlung sollte meiner Meinung nach gerade bei Hypethemen (KI,Digitalisierung,CRISPR,Blockchain,Dekarbonisierung), die als gesellschaftlich relevant betrachtet werden, sich wieder stärker mit den dahinter stehenden Wissenschaftlern und ihrer Sicht beschäftigen anstatt – wie es so oft geschieht – mit den Hype-Doktoren. Mit Hype-Doktoren meine ich die Akademiker und Schlaumeier, die gar nicht zu den Primärforschenden gehören, sondern die beispielsweise als Philosophen, Journalisten, Geisteswissenschaftler ihr eigenes Hype-Süppchen kochen – ein Hype-Süppchen das nicht mit dem konkreten Wissen um die Wissenschaft/Technologie gewürzt wird sondern mit den gesellschaftlich/sozialen Ängsten und daraus resultierenden Forderungen.

    Bei der aktuellen Forschung zur Künstlichen Intelligenz etwa, hört man heute in den Gazetten und selbst auf Wissenschaftsseiten nicht etwa die Stimmen der KI-Forscher, die etwa die aktuellste Entwicklung (das Deep Learning mit der Option des End-To-End Learnings) vorantreiben, sondern statt dessen Stimmen von Elon Musk oder von Julian Nida-Rümelin (dem Philosophen), von denen der eine vor der Machtübernahme durch KI warnt und der andere KI weder das Potenzial zu starker noch zu schwacher künstlicher Intelligenz zugesteht. Daneben gibt es einen Rattenschwanz von weiteren Figuren, die etwa die moralisch/ethischen Fragen rund um KI in den Vordergrund stellen und moralischen Maschinen fordern ohne zu wissen wie beschränkt die Fähigkeiten heutiger Deep Learning Systeme sind. Dabei haben auch die KI-Forscher wie Joshua Bengio, Geoff Hinton, Yann Le Cun, welche Deep Learning entwickelt haben, allgemein verständlich über ihre Forschung berichtet. Nur werden sie kaum zitiert, weil es so unspektakulär ist, was sie sagen. Schlimm finde ich, dass zu den Hype-Geiern nun auch gestandene Geisteswissenschafler und Philosophen gehören, die um eine Deutungsoberhoheit kämpfen in der gesellschaftlichen Diskussion kämpfen, wobei sie um Dinge diskutieren, die mit der aktuellen Forschung sehr wenig zu tun haben. Deshalb betrachte ich Zeitschriften wie das Spektrum der Wissenschaft in ihrer Anlage als sehr wichtig, denn sie bringen nicht selten Artikel von Primärforschenden, womit sie der gesellschaftlichen Diskussion eine verlässlichere Grundlage geben.

    Zurück zu den Wurzeln also, zurück zu den Forschern und ihrer Sicht selbst.

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