Wer ist für unsere Gesundheit zuständig?

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“Gesundheit ist das höchste Gut.” Dieser alten Volksweisheit stimmt auch heute noch die Mehrzahl der Deutschen zu. Doch wie viel Eigenverantwortung wollen wir dafür übernehmen?

Mit der Verantwortung ist es ja so eine Sache. Wenigstens in der Politik ist klar: Politische und die tatsächliche Verantwortung haben nichts miteinander zu tun. Im Zweifelsfall ist niemand zuständig. Und der kleine Bürger ändert daran auch nichts. Er beklagt sich daher lieber weiter an seinem Stammtisch oder im Büro über die Missstände anstatt selbst Initiative zu ergreifen, frei nach dem Motto: “Was kann ich schon dagegen tun? Schließlich haben die da oben Schuld!”

Diese generelle Verantwortungslosigkeit unserer ziemlich egomanischen Konsumgesellschaft betrifft aber offenbar auch einen Bereich, den die meisten Deutschen als ihr wichtigstes Gut bezeichnen: die Gesundheit.

Patientenverantwortung
Jeder zweite Mann überlässt lieber anderen die Verantwortung für seine Gesundheit. (Foto/Quelle: Techniker Krankenkasse)

Nach einer repräsentativen Studie zur Patientenzufriedenheit des “Wissenschaftlichen Institutes der Techniker Krankenkasse (TK) für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen” (WINEG) sieht jeder dritte Erwachsene in Deutschland die Verantwortung für seine Gesundheit bei anderen und nicht bei sich selbst. Bei Männern ist es sogar jeder Zweite, der lieber auf die Hilfe und Ratschläge anderer baut, bei Frauen dagegen nur jede Vierte.

Besonders beunruhigend ist auch, dass vor allem die Jüngeren (18 bis 30 Jahre) eher auf andere vertrauen, anstatt Eigenverantwortung für die Gesundheit zu übernehmen. Dafür schreibt mehr als jeder Vierte (28 Prozent) es dem Schicksal zu, ob er im Krankheitsfall wieder gesund wird.

Die Ärzte sollen dabei Fortuna gnädig stimmen: Fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) gab an, innerhalb der letzten vier Wochen beim Arzt gewesen zu sein. Im letzten halben Jahr vor der Befragung waren sogar fast alle gesetzlich Versicherten (neun von zehn) in einer Arztpraxis. Fast jeder Zweite bezeichnete sich dabei als chronisch krank – von den über 60-Jährigen sogar mehr als zwei Drittel.

Fast jeder Zweite glaubt - Kranksein ist Schicksal
Gesundheit – reine Glückssache? (Grafik/Quelle: Techniker Krankenkasse)

Dabei sind fast alle Patienten (95 Prozent) mit ihrem Arzt unter dem Strich zufrieden. Allerdings wünschen sie sich mehr Information von ihrem Arzt und möchten stärker in Entscheidungen einbezogen werden. Nur zwei von drei Patienten haben die Gelegenheit, mit ihrem Arzt die Vor- und Nachteile verschiedener Behandlungsalternativen zu diskutieren. Die Mehrheit (sechs von zehn) der Befragten glaubt, dass informierte Patienten seltener zum Arzt gehen.

“Wenn sich fast die Hälfte eines Volkes als chronisch krank bezeichnet, muss uns das zu denken geben. Und es lässt auch Rückschlüsse auf die Erwartungshaltung der Menschen gegenüber unserem Gesundheitswesen zu”, so Professor Dr. Norbert Klusen, Vorsitzender des TK-Vorstandes. Der TK-Chef schließt daraus: “Wir müssen die Menschen dazu bewegen, ihre Gesundheit stärker selbst in die Hand zu nehmen.”

Ein Arzt kann zwar einen Therapieplan aufstellen und Medikamente verordnen, es liegt dann jedoch auch am Patienten, was er daraus macht. Das Gesundheitssystem lebt von seinen Kranken. Es gibt also gute Gründe, frühzeitig Eigeninitiative zu ergreifen und sich zu informieren. Schließlich ist es der Patient, der von seiner Genesung am meisten profitiert.

Mehr Infos zur Studie:

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Veröffentlicht von

Dr. Karin Schumacher bloggte zunächst als Trota von Berlin seit 2010 bei den SciLogs. Nach dem Studium der Humanmedizin in Deutschland und Spanien promovierte sie neurowissenschaftlich und forschte immunologisch in einigen bekannten Forschungsinstituten, bevor sie in Europas größter Universitätsfrauenklinik eine Facharztausbildung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe abschloss. Hierbei wuchs das Interesse an neuen Wegen in der Medizin zu Prävention und Heilung von Krankheiten durch eine gesunde Lebensweise dank mehr Achtsamkeit für sich und seine Umwelt, Respekt und Selbstverantwortung. Die Kosmopolitin ist leidenschaftliche Bergsportlerin und Violinistin und wenn sie nicht gerade fotografiert, schreibt oder liest, dann lernt sie eine neue Sprache. Auf Twitter ist sie übrigens als @med_and_more unterwegs.

13 Kommentare

  1. @Trota: voreilig

    “Nach einer repräsentativen Studie zur Patientenzufriedenheit des “Wissenschaftlichen Institutes der Techniker Krankenkasse (TK) für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen” (WINEG) sieht jeder dritte Erwachsene in Deutschland die Verantwortung für seine Gesundheit bei anderen und nicht bei sich selbst. Bei Männern ist es sogar jeder Zweite, der lieber auf die Hilfe und Ratschläge anderer baut, bei Frauen dagegen nur jede Vierte.”

    Finde ich irgendwie voreilig: Grade für junge Hengste in der Blüte ihrer Jahre ist das Thema Gesundheit einfach nicht präsent. Mann hat einfach keine Probleme und daher erwarte ich Gedankenlosigkeit und nicht das vorsätzliche Von-sich-Weisen von Verantwortung. War bei mir jedenfalls so. Man lernt erst nach und nach, was es eigentlich heißt, was es tatsächlich zu tun gibt, um Verantwortung für die eigene Gesundheit auch wirklich auszuüben. Wer immer nur fit wie Turnschuh durch die Gegend tobt, denkt nicht an worst-case-Szenarien – selbst, wenn das unvernünftig sein sollte.

    Würde ich stattdessen seit der Pubertät alle 3 Monate zum Urologen gehen, hätte ich da sicher eine andere Einstellung – und zwar ganz von seblbst.

    Irgendwie muß sich Gesundheitsbewußtsein daher anders messen lassen als über Patientenzufriedenheit.

  2. @Trota: noch eine Idee

    Es ist off topics, aber ich könnte mir vorstellen, daß sich hier

    “Er beklagt sich daher lieber weiter an seinem Stammtisch oder im Büro über die Missstände anstatt selbst Initiative zu ergreifen, frei nach dem Motto: Was kann ich schon dagegen tun? Schließlich haben die da oben Schuld!”

    ein anderes Mißverständnis verbirgt: Denn du scheinst das für die falsche Einstellung zu halten.

    Demokratie ist ein Staatsorganisationsprinzip der künstlichen Konflitbeendigung, daß allenfalls in eienr Gesellschaft von Rentner funktioniert, die so gut und so homogen leben, daß schon mit irgendeinem Ende jedes ihrer Probleme klarkommen: Die Einbindung des Einzelnen in kollektive, mehrheitsgebundene Entscheidungsprozesse hat zur Folge, daß er allein im Prinzip keine politischen Konsequenzen verursachen kann. Und dies ändert sich nicht dadurch, daß der Einzelne durch die künstliche Aggregation individueller Präferenzen zu einer kollektiven Entscheidung durch die formalen Organisationsprinzipien der Demokratie eine Entscheidung als Teil der Mehrheit herbeiführt, da der dadurch geleistete “politische Beitrag” nur existiert, wenn das Abstimmungsergebnis “entsprechend günstig” ausfällt. Ist der individuelle Beitrag aber abhängig vom Wahlergebnis, d.h. von Handlungen anderer, so charakterisiert er nicht das Tun des Einzelnen.

    Und wenn wir an den Faschismus denken, dann nehmen wir diese Konsequenz bedenkenlos hin. Niemand hat sich aber anscheinend Gedanken darüber gemacht, ob mit den Tyrannen nicht gleichzeitig die Untergrundkämpfer und Revolutionäre mitsamt ihrer ideologischen Unterstützung durch die Intellektuellen arbeitslos werden, weil deren Aktivitäten in diesem Fall ihre Reputation verlieren und wenn das so ist, ob dies nicht Konsequenzen hat, die wir alle sehr gern vermeiden möchten: Denn wer könnte nachweisen, daß das in gewissen bürgerlichen Kreisen schon salonfähige politische Phlegma und Desinteresse seine Quelle nicht in einem allgemeinem Ohnmachtsgefühl hat, daß sich daraus ergibt, daß nur Kabinettsmitglieder und politische Beamte selbst politische Konsequenzen verursachen können?

    Was du also dem Einzelnen vorzuwerfen scheinst, ist nach meiner Ansicht die Folge der dümmsten Staatsorganisation, die man sich ausdenken kann – der Demokratie.

  3. Wer ist verantwortlich?

    Ich kann den Beitrag nicht nachvollziehen. Im Internet ist heutzutage doch viel mehr Krankheitsinformation allgemein verfügbar als je zuvor und die Seiten erfreuen sich großer Beliebtheit.

    Worin besteht eigentlich die Verantwortlichkeit des (durchschnittlichen, gesetzlich versicherten) Patienten, wenn er nach fünf Minuten mit einer Packung Antibiotikum nachhause geschickt wird mit der Anweisung, wiederzukommen, wenn es nicht besser wird?

    Und dem Mythos von der Gesundheit als höchstem Gut möchte ich eine Empfehlung für das unterhaltsame Buch des Kölner Mediziners Manfred Lütz entgegensetzen: Lebenslust. Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult.

    Dass man den Deutschen, den Europameistern im Ärztekonsum, noch Verantwortungslosigkeit vorwirft, ist mir wirklich ein Rätsel. Vielleicht sollte man lieber mal aufhören, die Menschen krank zu reden.

  4. Fail!

    “Fast jeder Zweite bezeichnete sich dabei als chronisch krank – von den über 60-Jährigen sogar mehr als ein Drittel.”

    Durchgefallen!

  5. Politisch so gewollt

    “Fast jeder Zweite bezeichnete sich dabei als chronisch krank – von den über 60-Jährigen sogar mehr als ein Drittel.”

    Ich bezweifle, dass die Betroffenen diese Diagnose selbst gestellt haben. Vor einiger Zeit wurde doch von den Krankenkassen regelrecht Jagd auf “Chroniker” gemacht, da diese Patienten zusätzliches Geld in die Kasse der Kassen brachten. Sogar Ärzte wurden angewiesen, doch bitteschön, die richtige Diagnose zu stellen. Schuld war das von Ulla Schmidt ausgelobte Extrageld, das die Krankenkassen für 80 schwere und chronische Krankheiten aus dem Gesundheitsfonds erhielten. Siehe hier:
    http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23161FE44/Doc~EBE4AD4C15E7B49BBB67036F0BC355E84~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  6. Die Gesundenkasse!

    http://www.das-eule.de/EULE_2_-_2010_Krebs_Vorsorge.pdf

    Schöner Text zum Thema.

    Gesundheit hat man dann vollständig, wenn man sich keine Gedanken darüber macht.

    Wie sagte schon Salomo?
    (Sprüche 17:22) 22 Ein Herz, das freudig ist, tut Gutes als Heiler, aber ein Geist, der niedergeschlagen ist, vertrocknet das Gebein.

    Was macht es für einen Sinn in jedem Eckchen des Bewußtseins nach möglichen Krankheiten zu forschen, sich jeden zweiten Tag zu fragen: Wenn ich dies oder das nicht tue, werde ich dann krank?
    Wer einen Hypochonder betrachtet, der stellt fest, daß es diesen immer wieder darum geht, sich mit möglichen Krankheitsbildern zu befassen und sich daraus ableitend Vorstellungen zu entwickeln davon betroffen zu sein. Ein bischen Suggestibilität und psychosomatische Probleme entstehen.
    Vielleicht werden darauf dann Nebenswirkungsreiche Medikamente verschrieben, der Mensch in seiner bedrohlichen Situation fühlt sich dann als Aussätziger in einer Gesundheitsfetischisierten Gesellschaft.

    Welchen Sinn das alles macht? Die Kosten explodieren für Vorsorge, das Geld fehlt für die Kranken. Die haben es ja auch gar nicht verdient, weil die haben sich falsch ernährt, falsch oder zu wenig bewegt, die haben Fehler gemacht. Und selbst wenn der Übergewichtige dann klar ersichtlich Schilddrüsenprobleme hat und fast nichts mehr ißt, selbst dann wird er von verantwortungslosen geschäftemachenden Ärzten zur Magenop gedrängelt.
    Vorsorge wird den Gesunden aufgeschwätzt, Igel zum Überlebensno9twendigen Standart und die Kassen zum Buhmann, wenn sie all die teure und meist überflüssige Vorsorge nicht zahlt.

    Das ist eine Schande, das wir in dieser Gesellschaft den Maßstab verloren haben und diejenigen, die Hilfe brauchen Verurteilen, meistens sogar Vorverurteilen und alle Gesunden zum Arzt schicken.

    Gesundheit ist kein Gut das man erwerben kann. Es ist vorhanden, oder nicht. Einzig ein bischen Bewegung und eine grundsätzlich in der frühen Kindheit erworbene also nicht beeinflussbare Streßresistenz sowie der soziale Status und Arbeitsbelastungen entscheiden über die Gesundheit.

    Gesundheit ist also ein Glück, kein erwerbbares Gut und Krankheit ist ein Unglück. Für die Kranken sollten wir uns stark machen, nicht für Gesunde, die keine Behandlung brauchen sondern nur aus Gründen reiner Panikmache zum Arzt hetzen.

    MFG

  7. @ Elmar: Demokratische Hengste

    „Würde ich stattdessen seit der Pubertät alle 3 Monate zum Urologen gehen, hätte ich da sicher eine andere Einstellung – und zwar ganz von selbst.“

    … und hätte vermutlich auch schon mindestens eine chronische Erkrankung und diverse Therapien erlebt… 😉 (vgl. auch die anderen Kommentare).

    Und was die Demokratie betrifft, sag mir bitte ein besseres System für die bestehenden Voraussetzungen…

  8. @ Stephan: Selbstverantwortung

    Ich kann dich absolut verstehen, die Informationsflut ist heutzutage geradezu gigantisch. Aber genau da liegt auch ein Problem: Wie entscheiden wir das Wichtige vom Unwichtigen, das Gute vom Bösen etc.?

    Deswegen sollten wir weder in Fitness-, noch irgendwelchen Diätwahn verfallen und auch die zahlreichen „Vorsorge“-Angebote kritisch prüfen.

    Stattdessen sollten wir ab und an in unseren eigenen Körper hineinhorchen. Wer seinen Körper kennt merkt, was ihm schadet und was ihm gut tut. Somit können wir selbst einen wertvollen Beitrag zu einer echten Vorbeugung vor Krankheiten liefern. Natürlich wird das kaum ein Arzt seinen Patienten erzählen, denn schließlich muss / will er ja überleben.

    Wer also Genuss, Freude und positiven Umgang mit sich selbst pflegen kann und in der Lage ist, seinen eigenen Weg zu gehen, schützt sich damit nicht nur vor Krankheiten, sondern auch vor der „Gesundheitsindustrie“ mit ihren Mode-Gesundheitstrends oder „Vorsorge“-Verunsicherungen. Und im Krankheitsfall wird er nicht zum Opfer, sondern zum aktiven Partner der Behandelnden.

  9. @ Marc B.: Korrektur

    Danke für den Hinweis, es sind natürlich zwei Drittel der über 60-Jährigen, die sich als chronisch krank bezeichnen und es stimmt absolut, was Mona dazu anmerkt.

  10. @ Mona: Chroniker…

    … Das wusste auch schon Eugen Roth:
    “Was bringt die Ärzte um ihr Brot? a) die Gesundheit b) der Tod. Drum hält der Arzt, auf dass er lebe, uns zwischen beiden in der Schwebe.”

  11. @ Hannzi: Gesundenkasse+Krankheitssystem

    Danke für den ergänzenden Literaturhinweis.

    Es ist schon seltsam, dass unser Gesundheitssystem in Wirklichkeit ein Krankheitssystem ist und die Krankenkassen immer mehr zu Gesundenkassen mutieren.

    Ebenfalls traurige Wahrheit ist, dass die wirklich Kranken oft zu kurz kommen und ich fürchte auch, dass das in Zukunft nicht besser werden wird.

    Die zahlreichen „Vorsorge“-Programme helfen jedenfalls auch nicht, im Gegenteil: Dienen sie doch oft nicht einmal der Prävention, sondern vor allem der Akquisition neuer Patienten durch Früherkennung eventueller krankhafter Prozesse. Damit der „Gesundheitsmarkt“ weiter boomt.

  12. Eigenverantwortung

    Interessanter Beitrag! Er passt zum Thema des ersten Bürgerdialogs „Hightech-Medizin. Welche Gesundheit wollen wir?“ –initiiert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung: http://www.buergerdialog-bmbf.de/hightech-medizin. Das Ziel ist dabei, den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich über die neuesten Technologieentwicklungen zu informieren, eine eigene Meinung dazu zu bilden und zusammen Handlungsempfehlungen für Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zu erarbeiten.
    Jeder ist für unsere Zukunft mitverantwortlich. Umso wichtiger ist es, dass die Bürger ihre Meinung zur Hightech-Medizin äußern und die weitere Entwicklung mitbestimmen.
    Politikberatung durch die „Weisheit der Vielen“ – das ist die Idee des Bürgerdialogs.
    Machen Sie mit! Sagen Sie uns, wo die medizinische Entwicklung in Deutschland zukünftig hingehen sollte.

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