Pandemie-Prävention zwischen Kuhweiden: Besuch im Schweizer Hochsicherheitslabor IVI

Grüne Hügel, grasende Kühe – Idylle wie aus dem Bilderbuch. Doch was wie ein Bauernhof wirkt, ist in Wahrheit ein Hochsicherheitslabor der Stufe 4. Das Institut für Virologie und Immunologie (IVI) in Mittelhäusern erforscht die gefährlichsten Erreger der Welt – in enger Zusammenarbeit mit dem Multidisciplinary Center for Infectious Diseases (MCID) der Universität Bern, das 2021 als Reaktion auf die Corona-Pandemie gegründet wurde. Ein Blick hinter die Kulissen.

Im Mai reiste eine achtköpfige Delegation der Wissenschaftspressekonferenz (WPK) e.V. nach Bern auf Einladung des Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus (SKWJ). Förderpartnerin des Frühjahrstreffens: die Gebert Rüf Stiftung (GRS).
Nach einem Workshop zu “Science & Social Media” (siehe mein Beitrag zu TikTok) folgte der Besuch beim IVI. [1] Zum Abschluss ging es noch ins Mobiliar Lab für Naturrisiken in Bern – mehr dazu hier in Teil drei…
One-Health – eine Gesundheit für die Erde
“Nach der Pandemie ist vor der Pandemie”,
bringt es Volker Thiel, Leiter der Virologie am IVI, auf den Punkt. Das Institut will künftige Pandemien frühzeitig erkennen – mit interdisziplinärer Forschung, internationalen Kooperationen und dem One-Health-Ansatz, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt als untrennbar miteinander verbunden versteht. [2]

Tierimpfstoffe – der blinde Fleck in der Pandemie-Prävention
Tierseuchen verursachen immense wirtschaftliche Schäden. Trotzdem lohnen sich neue Impfstoffe für Tiere finanziell kaum, denn die Gewinnmargen sind in der Humanmedizin deutlich höher. Diese Herausforderung wird laut Institutsleiterin Barbara Wieland in der Pandemieprävention häufig übersehen.
“Viele Tiere werden mit veralteten, inaktivierten Impfstoffen behandelt. Das wirft auch ethische Fragen auf”,
sagt Wieland. Denn schlechter Schutz für Tiere kann auch den Menschen gefährden – etwa wenn sich ein Virus verändert und auf den Menschen überspringt. Dies kann zur nächsten Pandemie führen.

BEready – Bern, get ready!
BEready ist ein Frühwarnsystem für die nächste Pandemie. Seit 2021 baut ein Team um Studienleiterin Nicola Low (Epidemiologie) und Projektleiterin Eva-Maria Hodel (Sozialwissenschaften) eine Langzeitkohorte auf: Bis zu 1.500 Haushalte im Kanton Bern sollen über Jahre begleitet werden. Die Teilnahme ist freiwillig. [3]
Stand Mai 2025: Über 800 Menschen und mehr als 110 Haustiere sind bereits dabei – gern dürfen es noch mehr werden.

Mensch, Tier – und Virus X?
Das Ziel: Proben und Daten so systematisch sammeln, dass im Ernstfall – etwa bei Grippe, Corona oder einem neuen Virus “X” – schnell reagiert werden kann. Selbstproben, digitale Meldesysteme, Haustierdaten: alles läuft sicher, datengestützt und koordiniert.
Dabei bleibt die One-Health-Perspektive zentral: Auch Tiere im Haushalt werden erfasst. Denn eine Katze, die mit uns auf dem Sofa schläft, könnte zuvor einen kranken Wildvogel oder eine kranke (Fleder)-Maus gefressen haben. Wildtiere dienen Viren als natürliche Reservoirs und können so auch auf Haustiere und den Menschen übergehen. Diese Übertragungswege, bekannt als Spillover, sind potenziell gefährlich – und bislang zu wenig erforscht. [4]

Beispiel H5N1: Früherkennung rettet Leben
Warum das wichtig ist, zeigt ein Beispiel: 2024 infizierte das Vogelgrippevirus H5N1 erstmals Milchkühe in den USA. [5] Das Risiko eines Überspringens (Spillover) auf den Menschen und damit auch die Gefahr einer Pandemie steigen. BEready will und kann genau solche Entwicklungen früher erkennen.
“Wir können die Bevölkerung nicht schützen, wenn wir nichts über Haustiere wissen”,
sagt Projektleiterin Eva-Maria Hodel.
Weitere Infos und Teilnahmemöglichkeit (nur für Bewohner:innen des Kantons Bern) gibt es auf der Webseite der Studie: www.beready.unibe.ch

Einblick in die Forschung im Hochsicherheitslabor
Claudia Bachofen, Leiterin der Abteilung Diagnostik und Entwicklung, führt uns über das Gelände. Die Frühlingssonne wärmt die Wiesen, Schafe grasen hinter dem Seminargebäude, eine junge Kuh beobachtet neugierig die Besuchergruppe. Schweine dösen in ihren Boxen, ein Mitarbeiter reinigt den Stall. Szenen wie von einem Bauernhof – wären da nicht die Sicherheitsschleusen, die Labore und die strengen Protokolle.

Kurz darauf stehen wir vor der Eingangsschleuse zum Hochsicherheitslabor der Stufe 4. Hier begann am 6. Februar 2020 die Schweizer Corona-Forschung: Ein Paket mit Virusisolaten aus München – aus den Speichelproben der ersten COVID-19-Patienten – passierte diese Schleuse. Zutritt nur unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen.

Im Inneren entwickelte das Team um Volker Thiel eine Methode zur schnelleren Herstellung synthetischer Virusklone – ein entscheidender Beitrag zur Impfstoffentwicklung. Warum ausgerechnet hier? Das IVI war schneller einsatzbereit als vergleichbare Institute – und konnte sofort loslegen.[6]
Fazit: Vorsorge zahlt sich aus
Der Besuch endet mit einem Blick ins abgeschirmte Laborgebäude – inklusive Schleusen, und Notstromversorgung. Stromausfall? Undenkbar.
Im IVI zeigt sich eindrucksvoll, wie wichtig es ist, bereits heute die Grundlagen für den Schutz vor künftigen Pandemien zu legen. Ein starkes Frühwarnsystem, kontinuierliche Forschung und der interdisziplinäre Ansatz des One-Health-Modells sind der Schlüssel, um auf neue Gefahren schnell reagieren zu können.
Eins ist jedenfalls sicher: Vorsorge ist günstiger als Nachsehen und zahlt sich aus. Doch auch abseits des Hochsicherheitslabors kann jeder einzelne dazu beitragen – durch Achtsamkeit und Verständnis.
Was in Mittelhäusern erforscht wird, könnte morgen Leben retten – vielleicht auch deins.

Quellen / weiterführende Literatur
[1] Institut für Virologie und Immunologie (IVI). Webseite, abgerufen am 18.06.2025, von https://www.ivi.ch
[2] Atlas, R. M., & Maloy, S. (Eds.). (2014). One Health: People, Animals, and the Environment (1. Aufl.). ASM Press. https://doi.org/10.1128/9781555818425
[3] BEready – Bern, get ready. Webseite, abgerufen am 18.06.2025, von https://www.beready.unibe.ch
[4] Rojas, P. O., Mena, I., Ochoa, M. L., et al. (2022). Spillover risk of zoonotic diseases from wildlife to humans. Nature, 603, 321-330. https://doi.org/10.1038/s41586-022-05506-2
[5] Deng, X., Chen, M., Li, Z., et al. (2024). The spread of H5N1 avian influenza to mammals and its implications for future pandemic risks. The Lancet Regional Health – Americas, 5, 100112. https://doi.org/10.1016/j.lana.2024.100112
[6] Krammer, F., Saitoh, S., & Thiel, V. (2020). Rapid generation of synthetic clones of SARS-CoV-2 for the development of diagnostic tools and vaccine candidates. Nature, 586, 125-128. https://doi.org/10.1038/s41586-020-2294-9
Ja, zum Teil kennt man heute ja die Viren, die von Tieren auf den Menschen überspringen können. Etwa weil es in kleinem Massstab schon einmal passiert ist. Nur die Ausbreitung von Mensch zu Mensch fehlt noch. Aber die kann sich plötzlich entwickeln. Es gibt also Viren, deren potenzielle Gefährlichkeit man kennt. Und für die könnte man quasi präventiv im Voraus einmal Impfstoffe entwickeln, so dass man die Produktion im Ernstfall nur noch hochfahren müsste.
Überhaupt sind Impfstoffe wohl eine der grössten und wichtigsten Erfindungen der Menschheit und Impfgegner sind so gesehen Wegbereiter für die schlimmen Krankheiten/Geiseln der Menschheit.
Vor kurzem wurde sogar entdeckt, dass gegen Gürtelrose Geimpfte weniger häufig Alzheimer entwickeln, etwas, was durchaus plausibel ist, denn das entsprechende Virus versteckt sich ja im Nervengewebe und Alzheimer entwickelt sich ebenfalls dort.
Was hier am besuchten Institut gemacht wird, ist es quasi die Viren kennenzulernen, die vom Tier auf den Menschen oder auch vom Menschen auf das Tier überspringen können. Denn einige dieser Viren kennt man schon, aber wohl noch lange nicht alle.