Forschung zu Naturrisiken in der Schweiz – Was können wir daraus lernen?

Die Schweiz ist aufgrund ihrer geografischen Lage regelmäßig von Naturgefahren betroffen – von Murgängen bis zu Felsstürzen, vom Hagel bis zum Hochwasser. Wie das Alpenland mit Risiken umgeht und welche Rolle Forschung, Versicherungen und Behörden dabei spielen, könnte auch für andere Länder ein Modell sein.
Frühwarnsystem sagt Bergsturz voraus
Am 28. Mai 2025 löste sich ein großer Teil des Birch-Gletschers im Wallis und verschüttete das Dorf Blatten fast vollständig. Der Bergsturz wurde durch das Schmelzen des Permafrosts, eine zunehmende Erwärmung und weitere destabilisierende Faktoren für den Gletscher ausgelöst. Dank eines ausgeklügelten Frühwarnsystems und präzisem Risikomanagement konnten rund 300 Einwohner und ihre Tiere bereits am 19. Mai evakuiert werden.
Allerdings zeigte sich im Nachhinein, dass die Sperrzone größer hätte sein müssen. Tragischerweise kam es dennoch zu einem Verlust: Ein Schäfer und seine Tiere wurden verschüttet, da sie sich zum Zeitpunkt des Unglücks in einem Stall etwa 300 Meter außerhalb des Sperrgebiets aufhielten. Suchtrupps fanden die sterblichen Überreste rund einen Monat später in den gigantischen Schuttbergen.
Etwa 90 % des Dorfes wurde zerstört, und der Wiederaufbau wird Jahre dauern – zudem kann er nicht mehr am ursprünglichen Standort erfolgen. Zukünftige Analysen müssen nun zuverlässig zeigen, wo ein sicheres „Neu-Blatten“ entstehen kann.
Wissenschaft im Mobiliar Lab
Kurz zuvor war eine achtköpfige Delegation der Wissenschaftspressekonferenz (WPK) e.V. auf Einladung des Schweizer Klubs für Wissenschaftsjournalismus (SKWJ) in Bern zu Gast. Förderpartnerin des Frühjahrstreffens war die Gebert Rüf Stiftung (GRS).
Nach einem Workshop zu Science & Social Media (siehe mein Beitrag zu TikTok), einer Stadtführung mit Klimaschwerpunkt durch Bern (siehe Reisebericht) und einem Besuch beim IVI (siehe mein Beitrag) stand zum Abschluss das Mobiliar Lab für Naturrisiken auf dem Programm.
Das Schweizer Modell des Risikokontrolle
Hochwasser, Murgänge, Lawinen oder Hagel sind in der Schweiz keine Ausnahmen, sondern bekannte Herausforderungen. Die Schweiz begegnet diesen Gefahren mit einem starken Zusammenspiel aus Forschung, Verwaltung und Versicherungswirtschaft. Ein zentrales Element dieses Netzwerks ist das Mobiliar Lab für Naturrisiken – ein gemeinsames Projekt der Universität Bern und der genossenschaftlich organisierten Mobiliar-Versicherung.
99 % der Gebäude in der Schweiz sind gegen Elementarschäden versichert, meist verpflichtend über kantonale Gebäudeversicherungen („graue Kantone“). In „grünen Kantonen“ wie Genf, Tessin oder Wallis besteht Wahlfreiheit. Auch in Blatten ist diese Versicherung also optional. Dennoch sind fast alle Hausbesitzer – auch in den „grünen Kantonen“ – gegen Elementarschäden versichert. Ein einheitliches Versicherungssystem auf nationaler Ebene ermöglicht es Versicherten in besonders gefährdeten Gebieten, sich zu tragbaren Bedingungen abzusichern. Das Risiko wird auf eine große Anzahl von Versicherten verteilt, was die Kosten für Einzelne niedrig hält.
Ein weiteres Merkmal des Systems ist die „doppelte Solidarität“ – sowohl unter Versicherten als auch unter den Versicherern selbst. Im Schadensfall greift ein gemeinsamer Pool mit einer Obergrenze von einer Milliarde Franken pro Ereignis. Für Blatten beispielsweise gehen erste Schätzungen von einem Schaden von mindestens 500 Millionen Schweizer Franken aus.
Lehren aus der Vergangenheit
Ein Wendepunkt war das Hochwasser im August 2005, das große Schäden verursachte und die Debatte über Prävention entfachte. Seither werden Schutzmaßnahmen ausgebaut, mobile Barrieren angeschafft und die Forschung intensiviert.
Heute verfolgt die Schweiz ein integrales Risikomanagement, das alle Naturgefahren und beteiligten Akteure gemeinsam betrachtet. Ein besonders innovativer Ansatz: So lassen sich Schäden an Autos durch Hagel als Datenquelle nutzen. Fahrzeuge dienen also als mobile Sensoren, ergänzt durch Bürgerbeteiligung über Apps wie MeteoSchweiz, die jährlich über 100.000 Extremwetter-Meldungen sammelt.
Versicherer als Forschungsakteure
Prof. Andreas Zischg, Leiter der Arbeitsgruppe Modellierung von Mensch-Umwelt-Systemen und Co-Leiter des Mobiliar Lab, und Dr. Matthias Röthlisberger, Co-Leiter Geoanalyse & Naturrisiken bei der Mobiliar-Versicherung, präsentierten ein beeindruckendes Bild der aktuellen Forschung. Besonders spannend: Die Versicherung selbst ist aktiv in die Forschung eingebunden. Als genossenschaftlich organisierter Versicherer hat die Mobiliar ein ureigenes Interesse daran – anders als z.B. als Aktiengesellschaften operierende Versicherer – Schäden durch Extremwetterereignisse zu minimieren.
Matthias Röthlisberger fungiert dabei als Brücke zwischen Wissenschaft und Versicherungswesen. Er geht davon aus, dass die Zahl extremer Wetterlagen und damit auch die Schäden in Zukunft zunehmen werden. Klar ist, dass die Temperaturen weiter steigen, mehr Bergrutsche auftreten und Hochwasserereignisse zu schwerwiegenden Überflutungen führen werden.

Frühzeitig erkennen, gezielter handeln
Daher setzt das Mobiliar Lab auf Präventionsforschung – Methoden, Risiken nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verstehen und rechtzeitig zu kommunizieren. Die Vision: Statt nur zu reagieren, sollen Schutzmaßnahmen vorausschauend geplant werden. Bei drohendem Hochwasser könnten beispielsweise Tiefgaragen rechtzeitig geschlossen werden – was bei der Flutkatastrophe im spanischen Valencia im Herbst 2024 viele Menschenleben hätte retten können.
Das „Gedächtnis“ der Flüsse
Prof. Zischg untersucht, wie man auf Basis historischer Hochwasserereignisse bessere Präventionsstrategien entwickeln kann. Dabei zeigt sich: Jeder Fluss reagiert anders – abhängig von seiner „Überschwemmungsgeschichte“, aber auch von baulichen Eingriffen und dem Klimawandel. Seine Forschungen belegen: Schon bei leicht steigenden Pegeln erhöht sich der Schaden exponentiell. Während große Flüsse wie die Aare bereits gut modelliert sind, fehlt es noch an zuverlässigen Daten für kleinere Riedbäche.
Von der Modellierung zur Einsatzhilfe
Mit Hilfe sogenannter Modellketten – von globalen bis zu lokalisierten Klimaszenarien – wird sichtbar, wie sich Naturrisiken in bestimmten Regionen konkret entwickeln könnten. Bottom-up-Analysen identifizieren lokale Schwachstellen wie problematisch Flussverläufe, Top-down-Modelle setzen Einzelereignisse in größere Zusammenhänge.
Dank dieser Forschung unterstützen digitale Anwendungen wie hochwasserrisiko.ch und hochwasserdynamik.ch heute schon Einsatzkräfte bei der Priorisierung von Schutzmaßnahmen. Laut Zischg ist die Vorhersage von Hochwassern inzwischen bis zu sechs Tage im Voraus möglich – wertvolle Zeit, um Personen und Sachwerte zu schützen.
Blick über die Grenze: Was kann Deutschland lernen?
Während in der Schweiz nahezu alle Gebäude versichert sind, bleibt die Elementarschadenversicherung in Deutschland freiwillig – mit entsprechend niedriger Abdeckung (etwa 50 %). Trotz steigender Extremwetterlagen fehlt dort bislang ein vergleichbar solidarisches, systematisches Modell.
In Deutschlang sind Versicherungsgesellschaften keine Genossenschaften, sondern häufig Aktiengesellschaften, die primär auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sind. Die Schadensregulierung wird häufig zu einem juristischen Tauziehen – mit ungewissem Ausgang für die eh oft schon genug vom Ereignis traumatisierten Betroffenen.
Fazit: Ein Modell mit Vorbildcharakter
Naturkatastrophen lassen sich nicht verhindern – aber ihre Folgen können gemildert werden. Die Schweiz zeigt, wie Forschung, Praxis und Solidarität effektiv ineinandergreifen können. Könnte das Schweizer Modell auch für Deutschland ein Vorbild sein?
Sicher ist: Resilienz beginnt nicht mit der Katastrophe – sondern lange davor. Und genau das fängt hier an.
Quellen / weiterführende Literatur:
- Uni Bern – Mobiliar Lab für Naturrisiken: Website (Forschungsprojekte, Veranstaltungen, Veröffentlichungen im Bereich Naturrisiken und Risikomanagement)
- Prof. Dr. Andreas Zischg (einschließlich Forschungsprofil und Publikationen)
- Dr. Matthias Röthlisberger (einschließlich Forschungsprofil und Publikationen)
Titelfoto (Credit: Dr. Karin Schumacher): Stürzende Felsen am le Portalet (3344m), Wallis, Schweiz (August 2017).
Die Bergregionen sind ziemlich sicher ein Klimaregulativ, weshalb wir sie besser als Naturschutzgebiete belassen sollten – Das ist aber höchstwahrscheinlich so nicht rückgängig zu machen, jedenfalls solange Mensch in wettbewerbsbedingt-konfuser Symptomatik “zusammenlebt”.
“Resilienz beginnt nicht mit der Katastrophe – sondern lange davor.”
Die gleichermaßen unverarbeitet-instinktive Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und egozentriert-gebildetem “Individualbewusstsein”, die es aus der zeitgeistlich-reformistischen Geschichte schon sehr lange gilt zweifelsfrei-eindeutig vernünftig und verantwortungsbewusst zu gestalten, ist aber in der Konfusion der wettbewerbsbedingt manipulativ-schwankenden “Werteordnung” dabei geradezu durchzudrehen, weil der “Kopf” dieser dafür entsprechend-entscheidenden Hierarchie auch nurnoch …!?
Resilienz befindet sich weiter im geistigen Stillstand (der “göttlichen Sicherung”) seit Mensch erstem und bisher einzigen GEISTIGEN Evolutionssprung ( dem “Sündenfall” / der “Vertreibung aus dem Paradies”) – Das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch, in wirklich-wahrhaftiger Kommunikation eines sozusagen geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstseins, bleibt …!?
Ergänzend zu den Elementarschadensversicherungen.
Die war bis 1994 in Baden Württemberg eine Pflichtversicherung.
Und die Baden Württemberger sind ihr treu geblieben, 94 % aller Wohngebäude in Baden Württemberg sind immer noch versichert. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 50 %.
Vielleicht liegt es auch an der Nähe zur Schweiz. Die Stadt Rottweil hatte sogar einmal den Antrag gestellt, der Eidgenossenschaft beizutreten. Das wurde damals von den Eidgnossen abgelehnt.
Und….. die Versicherungskosten sind vergleichsweise niedrig. Ganz natürlich bei so vielen Versicherungsnehmern.
“Könnte das Schweizer Modell auch für Deutschland ein Vorbild sein?”
Sicher nicht!
Die Schweiz wird nicht wie die skandinavischen Länder für ein Pseudo-Vorbild mit der Portokasse protegiert – Wenn Deutschland und somit Europa sich entschließen würden diese Welt- und “Werteordnung” für eine Globalisierung des Gemeinschaftseigentums OHNE wettbewerbsbedingt-konfuse Symptomatik menschenwürdig zu gestalten, dann wäre sehr schnell Feierabend für alle Bettwanzen im Bett des kreislaufend imperialistisch-faschistischen Erbensystems.
hto,
Schweiz als Vorbild ?
Lies doch das einmal
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_eidgen%C3%B6ssischen_Volksabstimmungen