Die Macht der Vulkane: Hoffen auf Katla

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Jetzt hat uns der Alltag wieder fest im Griff. In den letzten Tagen hat sich der europäische Luftraum nach und nach erneut mit Flugzeugen gefüllt. Vorbei sind diese fast schon mystischen Momente, in denen selbst über den Großstädten nichts als blauer Himmel zu sehen war. Ein Leben ohne Fluglärm – was für eine himmlische Stille! Kein einziges Flugzeug, das seine langen weißen Streifen über die Dächer spinnen konnte – eine wohl einmalige Situation in unserer heutigen Zeit.

Dabei waren die Flugverbote wohl letztendlich sogar reichlich übertrieben und Folge eines jahrelangen Streites zwischen Behörden und Industrie. Noch bevor sich der Vulkanstaub verzogen hat, wie bereits in den Blogbeiträgen von Stefan Oldenburg  und Michael Khan berichtet, wurde der Luftraum wieder freigegeben. Denn in einem Eilverfahren wurde jetzt erstmals ein Grenzwert für Aschekonzentrationen in der Luft festgelegt, nach dem die rund fünftägige Sperrung fast des gesamten europäischen Luftraums offenbar ein riesiger Irrtum war. Hat uns das geschadet? 

Es gab keine Toten, nur Verluste in Höhe von Milliarden Euro. Für ein paar Tage wurden etliche Tonnen weniger CO2 in die Atmosphäre gepustet. Das, was bislang kein Weltklimagipfel geschafft hat, wurde plötzlich von einer Minute auf die andere möglich.

Die meisten Menschen kamen mit einem leichten Schrecken davon: Wie komme ich nach Hause? Wo übernachte ich? Reichen meine Medikamente noch für die nächsten Tage? Für einige gab es ein paar unbequeme Nächte. Andere hatten endlich Zeit, ein lang ersehntes Buch zu lesen, auch ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Schließlich blieb allen doch nur eines übrig: Gelassenheit. Endlich konnten zumindest die aufgrund des Flugverbotes Gestrandeten sich wieder in der Kunst des Nichtstuns üben.

Jetzt sind alle wieder in ihre Heimatorte zurückgekehrt, auch wenn manche dafür mehr oder weniger große Strapazen in Kauf genommen haben. Die auf den Flughäfen der Balearen leidenden Urlauber haben wieder Einzug gehalten in ihre deutschen Reihenhäuser oder Zweiraumwohnungen, sind zurückgekehrt zu Heim und Hund, ihren Kollegen und dem Chef im Büro. Sie haben das Abenteuer des Nichtfliegen-Könnens gegen den wunderbar vorhersehbaren Tagesablauf ihres Alltagslebens eingetauscht.

Geschäftig können wir jetzt wieder ohne Zeitverzug von einer Metropole in die andere eilen. Die leckeren Erdbeeren kommen frisch mit dem Flieger aus Israel und auch auf die schönen Rosen aus Indien müssen wir nicht länger verzichten. Alles läuft wie gewohnt, unser Leben hat sich wieder normalisiert. Nur die Umweltschützer, Autovermieter, Spediteure, Busunternehmer und Bahnmanager dürften noch ein wenig melancholisch gestimmt sein: Für sie müssen die Tage des Flugverbots im Rau(s)ch verflogen sein.

Vorbei ist diese kurze Zeit, in denen ein kleiner isländischer Vulkan uns unsere Abhängigkeit von der Natur und unsere Banalität so einfach und wirkungsvoll demonstrierte. Doch wir haben es ihm gezeigt! Dank unserer neuesten Messungen läuft unser globalisierter und voll mobiler Planet wieder nach unseren Vorstellungen rund. Wir haben die Erde erneut unter unsere Kontrolle gebracht.
 
Wenn wir in Zukunft mehr Geld in die Forschung investieren, können wir vielleicht sogar irgendwann einmal den Kontinentaldrift bremsen. Dann können uns Eyjafjallajökull und seine Kollegen vielleicht auch nicht mehr unsere kostbare Luft mit ihrer Asche verpesten. Bis wir dazu in der Lage sind, sollten wir jedoch möglichst wirkungsvolle Gesetze verabschieden, dass uns auch jetzt schon in Zukunft kein Vulkan mehr bei unserem Tun behindern kann. 

Doch komischerweise hege ich insgeheim einen Wunsch, den ich kaum wage, hier hinzuschreiben: Möge Katla, der große Bruder von Eyjafjallajökull, bald erwachen!

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Dr. Karin Schumacher bloggte zunächst als Trota von Berlin seit 2010 bei den SciLogs. Nach dem Studium der Humanmedizin in Deutschland und Spanien promovierte sie neurowissenschaftlich und forschte immunologisch in einigen bekannten Forschungsinstituten, bevor sie in Europas größter Universitätsfrauenklinik eine Facharztausbildung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe abschloss. Hierbei wuchs das Interesse an neuen Wegen in der Medizin zu Prävention und Heilung von Krankheiten durch eine gesunde Lebensweise dank mehr Achtsamkeit für sich und seine Umwelt, Respekt und Selbstverantwortung. Die Kosmopolitin ist leidenschaftliche Bergsportlerin und Violinistin und wenn sie nicht gerade fotografiert, schreibt oder liest, dann lernt sie eine neue Sprache. Auf Twitter ist sie übrigens als @med_and_more unterwegs.

5 Kommentare

  1. Entschleunigung tut not

    Ich bin selbst nur um ein Haar nicht Opfer des Flugverbotes geworden, als ich am vorvergangenen Freitag um 19:45 Uhr aus Turin kam, mit einer der letzten Maschinen, die noch in München landen konnten (und auch das nur, weil ich mit großem Glück noch auf einen früheren Flug umbuchen konnte, meine normale Ankunftszeit wäre deutlich nach dem Schließungszeitpunkt von 20:00 Uhr gewesen).

    Die Ruhe am Flughafen war gespenstisch, ich selbst habe noch nie soviele Flugzeuge auf dem Vorfeld parken gesehen, wie an diesem Freitagabend. Für die Anwohner des Flughafens dürften es paradiesische Stunden und Tage gewesen sein und ich selber habe den komplett kondensstreifenfreien Himmel am Wochenende fast mit Befremden aber auch mit einem gewissen Glücksgefühl wahrgenommen.

    Mir persönlich hätte es auch nicht viel ausgemacht, eine weitere Übernachtung im schönen Turin auf Kosten meiner Firma zu haben, und anderntags mit der Bahn heim zu fahren.

    Ganz anders sah es natürlich im Flughafen selbst aus. So ruhig es draußen war, so unruhig war es drinnen. Da gab es viele zehntausend Menschen, die unterwegs gestrandet waren, und die sicher alles andere als Glücksgefühle empfunden haben dürften. Für viele, insgesamt gesehen sicher sehr viele, dürfte die Situation gesundheitlich extrem belastend gewesen sein. Ich bin überzeugt, dass das Flugverbot eine ganze Reihe von Opfern gefordert haben wird. Menschen, die sich – zu Recht oder zu Unrecht – aufgeregt haben (und dann vielleicht Infarkte, Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfälle erlitten haben), die mit dem Auto gefahren sind (und sich dem erheblich höheren Risiko des Autofahrens ausgesetzt haben), die nicht rechtzeitig an ihre notwendigen Medikamente kamen und was der Möglichkeiten mehr sind. Es wäre sicher interessant, das einmal wissenschaftlich aufzuarbeiten.

    Ich bin überzeugt, dass hier wieder einmal, wie immer öfter in unseren überregulierten und risikoaversen Zeiten völlig überzogen gehandelt wurde. Schweinegrippe lässt grüßen. Handlungsmuster dieser Art sind ab einer bestimmten Größenordnung kontraproduktiv. Sie erzeugen nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Gefahr.

    Ich hätte hier der Fluggesellschaft meiner Wahl ohne weiteres vertraut, dass sie ihre Passagiere und ihre Besatzungen schon aus wirtschaftlichem Interesse keinen unkalkulierbaren Gefahren aussetzt.
    Aber: Die ruhigen Tage waren super und wir sollten alle mal drüber nachdenken, ob die Kirche mit ihrem Sonntag nicht doch recht hat. An einer Initiative für „Entschleunigungstage“ würde ich mich sofort beteiligen.

  2. Bumm

    “Möge Katla, der große Bruder von Eyjafjallajökull, bald erwachen!”

    ..warum nicht gleich Yellowstone? Ist, wenn ich es recht entsinne, sowieso fällig – so alle dreiviertelmillion Jahre. Und der letzte Ausbruch ist eben gerade etwa so lange her.

    750.000 Jahre – Homo erectus. Die haben damals das Feuer und die Steinwerkzeuge erfunden und sich über die ganze alte Welt verbreitet. Ganz ohne Flieger, per pedes.

    Machen wir nach dem nächsten Ausbruch vom Yellowstone auch wieder. Ganz ohne Flieger. Per pedes. Wahrscheinlicher aber: auf allen Vieren. Noch wahrscheinlicher: Gar nicht.

    Welch ein Friede wird herrschen!

  3. Asche

    @ Eugen: Na, dann hast Du aber auch Glück gehabt… allerdings hätte ich mich eindeutig für Turin entschieden ;-)…

    Ja, es ist beeindruckend, wie sensibel die Leute einerseits sind, wenn es um oberflächliche öffentliche Panikverbreitung geht und wie resistent auf der anderen Seite, wenn es sich um viel nachhaltigere Dinge handelt – wie zum Beispiel die Zerstörung unserer Natur durch einen zu starken Flugverkehr etc. etc. etc..

    Die Schweinegrippe ist da natürlich ein hervorragendes Beispiel. Ist doch prima, wenn man sich mit vielen kleinen mehr oder weniger unwichtigen Problemen beschäftigen kann. Man hat was zu tun, kann sich wichtig machen, als Forscher bekommt man mit einer solchen Strategie die meisten Forschungsmittel bewilligt, Ruhm und Ehre winken und vielleicht wird man auch ein großer Boss. Und das Beste: Man muss so wenigstens nicht die wirklich großen Probleme angehen. Das erleben wir mittlerweile alle jeden Tag überall.

    Was die Entschleunigungstage betrifft, wäre ich sofort dabei. Am besten montags bis freitags ganztägig, jede Woche. Über Samstage und Sonntage würde ich allerdings noch verhandeln wollen…

    Am schlimmsten war das plötzliche Flugverbot für die Leute, die irgendwo auf dem Weg einfach abgesetzt wurden und dann nicht mal die Flughäfen verlassen durften, da sie ja eigentlich ganz woanders hinwollten und beispielsweise keine Visa etc. hatten. Unter denen haben sicher einige gelitten, obwohl die Flughäfen auch hier ihr Möglichstes getan haben einschl. der Bereitstellung ärztlicher Hilfe. Aber einfach war das sicher nicht, wenn z.B. die chinesische Oma auf der Durchreise in Frankfurt/ Main mit 20 verschiedenen Pillen plötzlich neue Medikamente brauchte und nicht mehr genau wusste, was sie denn immer so schluckt oder sich auch einfach bloß nicht verständlich machen konnte… Da wollte ich weder Oma noch Arzt sein…

    “Es wäre sicher interessant, das einmal wissenschaftlich aufzuarbeiten.”
    Wie soll man das tun? Am besten wäre eine prospektive, randomisierte, kontrollierte Studie und Helmut Wicht gibt ja auch schon das Ereignis vor: den nächsten Yellowstone-Ausbruch. Vielleicht würden sich sogar fliegende Fische  als Versuchsteilnehmer eignen. Bleibt noch das Problem der Nachkontrolle. Der geplante Versuchsablauf sollte daher vorher in einem kleinen Raumschiff vielleicht auf dem Mond oder besser noch ein wenig weiter weg deponiert werden. Nur so zur Sicherheit, falls sich nach dem Yellowstone-Ausbruch dann doch noch irgendein (Extra)terrestrischer für das Studiendesign interessieren sollte…

    @ Helmut: Genau! S.o. – und wer sich visuell schon mal ein wenig einstimmen will, dem hilft vielleicht der Film  Supervulkan dabei.

    Eigentlich kann es uns doch egal sein, welche Kreatur nach Tyrannosaurus rex und Homo sapiens in ein paar Millionen Jahren diesen Planeten dominieren wird.

  4. schön…

    wunderbar wenn katla erwacht!
    Vor allem für alle Mitarbeiter von Fluglienen und Flughäfen. Sind allein in Frankfurt ca. 90 Tausend Menschen!

    Schön, wenn die alle entlassen werden und deren Familien vor dem Nichts stehen! Aber die können ja dann einen Garten bewirtschaften, Jogi Tee trinken und sich bei esotherischer Musik und dem fehlenden Fluglärm entspannen!

    Ich weiss nicht wo sie arbeiten, lieber Trota, oder ob sie Familie haben, aber denken sie demnächst etwas nach, bevor sie reden/schreiben!

  5. @ Rumpelstielzchen

    Vielen Dank für den wichtigen Beitrag. Ich kann Sie gut verstehen – es ist schon sehr viel, was da in den letzten Wochen zusammengekommen ist. Ob sinnlos sprudelndes Öl im Golf von Mexiko, griechische Milliardenlöcher, die kaum zu stopfen sind oder dieser komische isländische Vulkan mit seiner Asche. Dazu kommen noch steigende Ölpreise, denn eines Tages wird das Öl sogar ganz aufgebraucht sein. Ach ja, ein Kerosin-Ersatz ist auch noch nicht in Sicht. Hier können sich pfiffige Forscher sicher noch einige Zeit gut beschäftigen und Geld verdienen.
    Die Piloten, die im August in Madrid mit einer Maschine der Spanair verunglückten, sagten mit erschreckend knapper Kühle: „Heb ab! Los, heb ab! Scheiße.“ Das waren ihre letzten Worte.

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