Küken können rechnen? Hilfe!

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Notizen über alles und nichts, von Günter M. Ziegler
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Küken können rechnen – zumindest bis 5. Das hat eine italienische Wissenschaftlerin namens Rosa Rugano herausgefunden. Die Meldung geht um die Welt, teilweise auch mit dem expliziten Hinweis, es handle sich nicht um einen Aprilscherz – obwohl die Meldung genau am 1. April lanciert wurde. Die BBC veröffentlicht die Meldung auf ihrer Webseite mit ausgesprochen süßen Bildern, die dann doch eher meine Skepsis wecken.

BBC screenshot 2
(Screenshot BBC website) 

Angeblich erscheine die wissenschaftliche Publikation dazu in den renommierten Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, und in der Tat finde ich nach einigem googeln auch die Seite dazu – mit Online-Veröffentlichung am 1. April.  

Proc Royal Society B: Biological Sciences
  (Screenshot Proc. Royal Society B: Biological Sciences)

Schön: aber was soll ich da denken. Ich bin verwirrt. Können Sie mir helfen? Ist das nun ein Aprilscherz, oder nicht? Woran erkennt man das? Und ist das wichtig, oder doch nur so banal, dass eigentlich egal ist, ob das nun ein Scherz sein soll oder nicht? Ich bin ratlos. Frohe Ostern. 

Veröffentlicht von

Professor für Mathematik an der Freien Universität Berlin, Leiter des “Medienbüros” der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, Aktivist, Kommunikator, Sekttrinker, Gelegenheitsblogger, Kolumnist und Buch-Autor: "Darf ich Zahlen?" und "Mathematik - Das ist doch keine Kunst!".

7 Kommentare

  1. kein Scherz

    Selbstverständlich ist das kein Scherz, sondern nur ein weiteres Beispiel dafür wie sehr Hühner unterschätzt werden. Ich kenne mich mit diesem Thema aus. 😉

  2. Häschenschule

    Es ist wohl kein Aprilscherz, sondern eine jener modischen Laissez-fair-Aktionen, mit denen Jungwissenschaftler sich derzeit zum eigenen Karrierewohl so gern in Szene setzen. Der Trick hat System: 1) Ich habe ein veröffentlichungswürdiges, vielleicht aber bescheidenes Versuchsergebnis. 2) Ich formuliere mein Abstract so, dass der Verlag oder spätestens die Massenmedien daraus eine ambivalente Überschrift ziehen können. Die Ambivalenz muss möglichst in einer Doppeldeutigkeit oder begrifflichen Unschärfe liegen, die das Thema rein assoziativ in einen populären, sensationellen Zusammenhang bringt. 3) Ich warte ab, bis die Gazetten meinen Namen um die Welt geschickt haben. 4) Ich kehre bescheiden (wie mein Versuchsergebnis) an den Labortisch zurück, allerdings frisch mit dem Glanz und der Gloria eines Proto-Experten versehen, und hoffe, dass nun niemand mehr meinen Artikel kritisch liest. (siehe meinen Beitrag „Was wohl aus dem größten Diamanten der Galaxie geworden ist?“

    Im vorliegenden Fall hat die BBC zu Ostern die Überschrift „Baby chicks do basic arithmetic“ auf ihren Internet-Weg geschickt. Wem ginge da nicht das Herz auf! Ein Baby, ein Hühnchen und das kleine Einmaleins, da passt alles zusammen und die Häschenschule ist nicht weit.
    Dass im Abstract nebulös von „proto-arithmetic capacities“ bei Hühnchen die Rede ist, ist da schon fast vergessen. Tatsächlich gibt das Abstract keine Begründung dafür, dass es sich wirklich um Arithmetik handelt. Ich habe den vollen Artikel nicht gelesen, vermute aber, dass sich dort die Fehleinschätzung, was eine Zahl im abstrakten Sinn ist, fortsetzt.
    Dass neugeborene Hühnchen bei konkreten Mengen von „five identical objects“, z. B. bestehend aus 5 Geschwistern, erkennen können, wohin die Mehrheit rennt, glaube ich gern. Ebenso, dass ein Hühnchen nachguckt, wohin ein Objekt gegangen ist, das aus einem Versteck erschienen und in ein anderes Versteck verschwunden ist. Das geht ganz ohne Arithmetik. Wie wäre der Versuch wohl ausgegangen mit einer Menge von 7 unterschiedlichen Ojekten, aufgeteilt in zwei Untermengen mit 2 und 5 Objekten? Was hätte das Hühnchen gemacht, wenn ein sehr auffälliges Objekt aus der verdeckten größeren Menge in die verdeckte kleinere Menge gewechselt hätte. Hätte es gerechnet? Wäre es zu der verdeckten Menge mit nun 4 Objekten gegangen, weil die laut seiner Berechnung immer noch die größere ist? Oder wäre es zu der immer noch kleineren Menge mit jetzt 3 Objekten gegangen? Fragen über Fragen?

  3. Ansichtssache

    Der amerikanische Pfeil-Bogenjäger Howard Hill beschrieb in seinem Buch ´Hunting the Hard Way´, dass Krähen nur bis zwei zählen können.
    Sieht eine Krähe eine Gruppe von 3 oder 4 Jägern, so bleibt sie sitzen; wenn sie außer Reichweite ist – beobachtet die Gruppe aber. Wenn ein Jäger sich hintenrum davonschleicht um sie zu jagen, so bemerkt sie das (veränderte Personenzahl) nicht.
    Besteht die Gruppe aber nur aus 2 Personen, so verzieht sich die Krähe sofort, sobald einer davon verschwindet.

    Dieses Beispiel zeigt, dass es vermutlich Ansichtssache ist, ob eine Krähe zählen kann oder nur zwischen ein-/mehrteiligen Gruppen unterscheiden kann.

  4. Ansichtssache?

    Ich würde nicht sagen, dass das Ansichtssache ist, sondern eine Frage von genauem “Versuchsaufbau” und genauer Interpretation der Ergebnisse (Unterscheidung zwischen “Anzahl erkennen” und “Zählen” und “Rechnen”). Könnte natürlich auch sein, dass das ein Unterschied ist zwischen Küken und Krähen, oder dass bei erwachsenen Krähen da noch weitere Erfahrungen und Lernprozesse mitspielen.

  5. Eine off topic Frage:

    Eine, was Küken angeht, off topic Frage:

    Wenn man eine 1000 nm dicke Folie, die alles Licht abgeschirmt hat, in 1000 nm kleine Stücke zerteilt, und wenn sich diese Stücke dann im Raum frei bewegen können, aber nicht seitlich über die Grösse der Folie hinaus ausweichen können, dann kommt im Gegensatz zu vorher der folgende Anteil von Licht durch:

    e^-1 = 1/e = 0,367879 = 36,7879 %

    Verbleibende Abschirmung:

    1 – e^-1 = 0,632121 = 63,2121 %

    Das ist der selbe Effekt, wie wenn man 1.000.000 Euro-Münzen auf 1.000.000 Leute rein zufällig verteilt, denn dann gehen 36,7879 Prozent = e^-1 der Leute leer aus, weil eben einige Leute rein zufällig mehrmals einen Euro bekommen haben.

    Ich habe dieses Ergebnis nur durch eine numerische Simulation erhalten.

    Meine Frage ist nun, warum kommt gerade e^-1 heraus?

    Mit Dank für die Antwort im Voraus,
    und mit freundlichen Grüssen,
    Karl Bednarik.

    P. S.:
    Warum das Ganze?
    Staub-Torus als Strahlungs-Schild:
    http://members.chello.at/….bednarik/STAUBTOR.PNG

  6. Küken können rechnen

    Vielleicht ist der evolutionäre Vorteil einfach die Kenntnisnahme einer “Familiengröße” mit Wiedererkennungswert oder es ist der mathematische Horizont von Frau Rugano.
    Bin gerade bei der Lektüre Ihres überaus gelungenen Buches.
    Beste Grüße und schönes Osterfest
    Andreas Voigt

    p.s. bin schon mit der Eingabe des untigen Codes an meiner Grenze 😉

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