Pornografie – so schlecht wie ihr Ruf? Teil 1

Pornografie hat einen schlechten Ruf: Sie mache süchtig, verderbe unsere Jugend, vermittle ein falsches Bild von Sexualität, befeuere sexualisierte Gewalt, reproduziere patriarchale Strukturen und zeige überwiegend die Erniedrigung von Frauen. Einer Online-Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos von 2019 zufolge hielten lediglich 38% der befragten Deutschen es für moralisch vertretbar, pornografische Inhalte in Maßen zu konsumieren. 28% lehnten diese Aussage ab und 34% entschieden sich für weder noch (Ipsos, 2019). Gleichzeitig sind pornografische Inhalte fast omnipräsent: Sagenhafte 35% des gesamten Datenverkehrs im Internet sollen pornografischen Ursprungs sein und 25% der weltweiten Suchanfragen drehen sich um Pornografie (Röttgerkamp, 2018). Bei der Bandbreite wundert es fast schon auch nicht mehr, dass der·die Erstkonsument·in, ob gewollt oder ungewollt, durchschnittlich erst 11 Jahre alt ist (Röttgerkamp, 2018). Neueren Schätzungen zufolge wird unter fünf Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren eine Person ungewollt online pornografischen Inhalten ausgesetzt und eine Person von neun wird ungewollt online sexuell umworben (Madigan et al., 2018).

Rote Hand mit weißem XXX-Schriftzug
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Worum es in diesem Artikel geht

In diesem Artikel-Duo soll es darum gehen, inwieweit der schlechte Ruf der Pornografie gerechtfertigt ist. Dabei klären wir zunächst, was unter dem Begriff Pornografie überhaupt zu verstehen ist und wie die Rechtslage ist. Anschließend wird es darum gehen, wer überhaupt Pornos schaut und welche empirischen Befunde zu Auswirkungen von Pornokonsum auf Jugendliche es gibt. Teil 2 widmet sich den Fragen ob es Pornosucht gibt und wie sich Pornokonsum auf Erwachsene und romantische Partnerschaften auswirkt.

Mit diesen beiden Artikeln möchte ich der häufig sehr emotional, polemisch und eindimensional geführten öffentlichen Debatte um Pornografie einen evidenzbasierten und nüchternen Beitrag entgegensetzen. Schauen wir uns also einmal an, was die Wissenschaft zum Thema Porno so zu sagen hat.

Begriffsklärung Pornografie

Mit Pornografie sind üblicherweise jegliche sexuell expliziten Materialien gemeint, die die Absicht haben, bei denjenigen die sie konsumieren sexuelle Erregung hervorzurufen. Dabei werden zumindest im englischen Sprachraum häufig pornografische Materialien von so genannten Erotika unterschieden, die zusätzlich zur explizit sexuellen Darstellung auch noch eine gewisse emotionale Komponente haben (Lehmiller, 2017).

Nach Döring (2011) ist eine eindeutige und universelle Definition des Begriffs Pornografie jedoch nach wie vor schwierig. Vier Definitionsansätze gelten aber inzwischen als etabliert:

  1. Juristische Definitionen orientieren sich an der Gesetzgebung (siehe auch unten).
  2. Alltags-Definitionen sind vorsichtig zu sehen, da sie häufig auch Softcorefilme, die sexuelle Interaktionen angedeutet in einem größeren Handlungskontext zeigen, der Pornografie zuordnen, obwohl sie zumindest juristisch nicht als Pornografie zu betrachten sind.
  3. Wertende Definitionen wollen eine prinzipielle ethisch-moralische Ablehnung von Pornografie, im Gegensatz zu akzeptablen Erotika, zum Ausdruck bringen. Die Grenze dazwischen ist meist von der individuellen Sexualmoral abhängig und damit nicht mehrheitsfähig.
  4. Inhaltlich-funktionale Definitionen sind neutral und wertfrei. Die von Lehmiller vorgestellte Definition fällt in diese Gruppe und soll uns hier als Arbeitsdefinition gelten. Vertreter·innen dieser Definition sprechen häufig auch von sexuell explizitem Material statt von Pornografie oder Erotika, was den Begriff aus juristischer Sicht aber wiederum zu unscharf macht. Ich halte es wie Nicola Döring und verwende im folgenden Text Pornografie und sexuell explizites Material weitestgehend synonym.

Juristische Einordnung

Der Bundesgerichtshof (BGH) definiert eine pornografische Schrift, wobei Schriften alles von analogen bis digitalen Bild- und Tonträgern sein können, wie folgt:

„wenn sie unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt und in ihrer Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf das lüsterne Interesse des Betrachters an sexuellen Dingen abzielt.“
(BGHSt 37, 55)

Dabei unterscheidet der Gesetzgeber zwischen einfacher (Sex, geöffnete Vulvalippen und erigierte Penisse werden gezeigt; Trivium: übrigens gilt ein Penis ab 45° Winkel als erigiert (Quarks & Co, 2017); geregelt in §184 Strafgesetzbuch (StGB) – Verbreitung pornografischer Schriften) und harter Pornografie (zeigt Gewalt-, Kinder- und Jugend- sowie Tierpornografie, wobei Ersteres nicht genau definiert ist; geregelt in §184a–e StGB). Sind Beteiligte unter 14 Jahre alt, spricht man von Kinderpornografie. Sind Beteiligte hingegen zwischen 14 und 18 Jahre alt wird von Jugendpornografie gesprochen. Der Besitz, die Produktion und Verbreitung kinder- und jugendpornografischer sowie tier- und gewaltpornografischer Inhalte ist in Deutschland verboten.

Seit 1975 ist der Besitz und die Verbreitung einfacher Pornografie in Deutschland straffrei; Voraussetzung dabei ist allerdings, dass der·die Rezipient·in mindestens 18 Jahre alt ist und sich pornografische Inhalte freiwillig ansieht.

Arten der Pornografie

Neben einfacher und harter (illegaler) Pornografie gemäß StGB lassen sich auch Erotika bzw. Softcore-Darstellungen im weitesten Sinne in den Bereich der Pornografie einsortieren. Hierbei handelt es sich um Darstellungen sexueller Interaktionen die jedoch (1) nur angedeutet sind und (2) in einen größeren Handlungskontext eingebettet sind (Döring, 2011). Der Konsum von Softcore ist auch für Minderjährige erlaubt. Das erklärt, warum 70er-Filmreihen, wie Emmanuelle und Schulmädchenreport früher nachts auf Vox liefen.

Bei der Mainstream-Pornografie handelt es sich meist um professionelle Produktionen (Video oder Magazine) etablierter Unternehmen die sich an ein heterosexuelles cis-männliches Publikum richten. Heteronormative Praktiken überwiegen, wenn auch lesbische Szenen oder Dreier in der Konstellation FFM ebenfalls sehr häufig vorkommen. Schwule Szenen finden sich im Mainstream-Porno wenig bis selten. Der Orgasmus des Mannes wird meist besonders in Szene gesetzt, z.B. mit „Cumshot“ auf Körper oder Gesicht der Frau respektive „Creampie“ (McKee, Albury & Lumpy, 2008). Im Gegensatz dazu sind bei der Non-Mainstream-Pornografie drei, nicht eindeutig voneinander abgrenzbare, große Strömungen zu unterscheiden (Demny & Richling, 2010): Feministische (Frauen-)Pornografie, Queere Pornografie sowie Authentische (Amateur-)Pornografie. Feministische Pornografie stellt die Lust der (heterosexuellen) Frau in den Vordergrund und konzentriert sich auf sexuelle Praktiken, die besonders häufig zum Orgasmus führen. Auch ästhetisches Arrangement und Handlungsrahmen bekommen mehr Gewicht als im Mainstream-Porno. Bekannte Vertreterin dieses Genres ist die gleichnamige Produktionsfirma von Erika Lust. Queere Pornografie richtet sich an Personen mit sexuellem Begehren jenseits von binären Geschlechterkategorien und binären sexuellen Orientierungen. Toys spielen hier eine wichtige Rolle, die Besetzungen sind divers und Safer Sex wird besonders betont. Abgesehen von der auch auf kostenlosen Mainstream-Plattformen sehr stark vertretenenen Schwulen-Pornografie ist queere Pornografie häufig nur kostenpflichtig erhältlich (Döring, 2011). Amateurpornografie – auch als Realcore bezeichnet – setzt vor allem auf das Reizvolle am Nicht-Perfekten und betont Intimität. Häufig stehen echte Liebespaare im Mittelpunkt (Hardy, 2008). Wie Nicola Döring bemerkt, ist die Berücksichtigung der Diversität in der Pornografie besonders wichtig, weil sich Debatten zu Pornografie häufig auf Mythen (z.B. „Alle Pornos sind frauenverachtend und gewaltverherrlichend.“) statt auf empirisch abgesicherte inhaltliche Merkmale von pornografischen Materialien beziehen.

Wer schaut Pornos?

In welchem Land am häufigsten Pornos konsumiert werden

Dem Trendreport von Pornhub (2022) zufolge, der drittbeliebtesten Pornoplattform der Welt (Statistics & Data, 2022), lag Deutschland unter den Ländern die 2022 am meisten Traffic verursachten auf Platz 7. Der Weltmeistertitel geht um Längen an die USA. Es mutet scheinheilig an, dass in den USA so viele Pornos geschaut werden und gleichzeitig ungewollt Schwangeren der legale Zugang zu Abtreibungen durch das Kippen von Roe v. Wade in diesem Jahr schwer bis unmöglich gemacht wird.

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Pornokonsum nach Alter und Geschlecht

74% der deutschen User·innen von Pornhub waren 2022 männlich und 26% weiblich. Weltweit liegt der Anteil weiblicher Userinnen im Durchschnitt bei 36%, Tendenz steigend.

Das Durchschnittsalter der Pornhub-Besucher·innen lag 2022 weltweit bei 37 Jahren.  Gen Z und Millenials im Alter von 18 bis 34 Jahren verursachten dabei insgesamt 53% des Traffics. Die erste deutsche Studie mit bevölkerungs- repräsentativen Daten zum Pornografiekonsum von Erwachsenen (N = 1.155 im Alter von 18 bis 75 Jahren) in Deutschland berichtet, dass 96% der Männer und 79% der Frauen mindestens schon einmal in ihrem Leben Pornografie angesehen haben (Martyniuk & Dekker, 2018). Es gibt sowohl beim Alter während des Erstkontaktes als auch bei der Häufigkeit der Nutzung große Geschlechter- und Generationenunterschiede: Männer und jüngere Generationen waren bei Erstkontakt jünger und nutzen häufiger pornografische Materialien. Ein wichtiger Befund ist zudem, dass die Mehrheit der Befragten entweder keine (59%) oder nur positive (30%) Auswirkungen der Pornografienutzung auf ihr Sexualleben berichtet.

Auswirkungen von Pornokonsum auf Jugendliche

In einer groß angelegten qualitativen Interviewstudie mit 160 Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren männlichen und weiblichen Geschlechts untersuchten Matthiesen, Martyniuk und Dekker (2011) und Schmidt und Matthiesen (2011) in welchen sozialen Settings und zu welchem Zweck Jugendliche pornografische Inhalte konsumieren. Hier zeigte sich größtenteils Erwartetes: Mädchen zeigen wenig bis kein Interesse an Pornografie und der Kontakt mit Materialien erfolgt höchstens von außen und ungewollt, wird dann aber auch nicht als belastend empfunden. Jungen kennen sich in den Internet-Pornowelten deutlich besser aus und nutzen überwiegend konventionelle, heteronormative Inhalte aktiv allein zur Masturbation (dann nach eigener Aussage „normale, erregende“ Pornos) oder in der Gruppe (hier eher „perverse, abtörnende“ Pornos) zur Unterhaltung. Schmidt und Matthiesen (2011) schließen:

„Die Unaufgeregtheit, mit der Jugendliche über ihre Erfahrungen mit Pornografie sprechen, steht […] in einem auffälligen Kontrast zur Dramatik der öffentlichen Debatte.“ (S.353).

Qualitative Befunde scheinen also für einen entspannten Umgang der deutschen Jugend mit Pornografie zu sprechen. Um quantitativ-empirische Befunde zu potentiellen Auswirkungen des Pornografiekonsums bei Jugendlichen geht es jetzt.

Ist das adoleszente Gehirn sensitiver für Pornografie?

Vereinfachte Zeichnung eines Gehirns
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In ihrem kurzen narrativen Literaturreview stellen Brown und Wisco (2019) heraus, dass das Gehirn von Jugendlichen Besonderheiten (z.B. noch in Entwicklung befindlicher präfrontaler Cortex, erhöhte Neuroplastizität, überempfindliche limbische und striatale Kreise, überaktives dopaminerges System, ausgeprägte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, erhöhte Testosteron-Level) aufweist, die es möglicherweise sensitiver für sexuell explizites Material machen. Sie vermuten, dass dies im Erwachsenenalter potentiell negative Konsequenzen (z.B. eingeschränkte exekutive Funktionen, geschwächte kortikale und relativ dazu stärkere subkortikale Strukturen) haben könnte, die sich auf Verhaltensebene in einer höheren Impulsivität äußern könnten. Bislang existieren jedoch keine konkreten empirischen Arbeiten, die genau diese Fragestellung untersuchen, was unter anderem mit ethischen und forschungspraktischen Besonderheiten bei experimentellen Designs mit Adoleszenten zu tun hat.

Auswirkungen von Pornokonsum im Jugendalter auf Sexualität im Erwachsenenalter

Eine Niederländische Forschungsgruppe schloss aus ihren längsschnittlichen bezüglich Alter und Geschlecht für die Niederlande repräsentativen Daten von Jugendlichen (Peter & Valkenburg, 2009a, 2010), dass der Konsum von Internet-Pornorgrafie im Jugendalter Einfluss auf die Entwicklung der sexuellen Skripte haben kann (N = 959, 13–20 Jahre alt, 3 Messzeitpunkte im Abstand von jeweils 6 Monaten). Eine höhere Exposition mit Internet-Pornografie zum ersten Messzeitpunkt beeinflusste den wahrgenommenen sozialen Realismus von Sex im Internet sowie die eingeschätzte Nützlichkeit zum zweiten Messzeitpunkt. Das wiederum führte in Messzeitpunkt 3 zu stärkeren instrumentellen Einstellungen (z.B. „Durch das Ansehen von Sex im Internet, lerne ich etwas.“). Für die gegenläufige kausale Richtung konnte keine Evidenz gefunden werden. 

Eine, methodisch schwächere, retrospektiv-korrelative Studie aus Kroatien (N = 600, 18–25 Jahre alt, 66% weiblich) fand im Gegensatz zu den niederländischen Befunden keinerlei signifikanten Zusammenhang zwischen dem Level an Pornografiekonsum (dichotomisiert in hoch und niedrig) und drei Merkmalen von Sexualität im Erwachsenenalter: Intimität in festen Beziehungen, sexuelle Zufriedenheit sowie der Schnittmenge zwischen individuellen sexuellen Skripten vom besten Sex mit dem pornotypischen sexuellen Skript (Štulhofer, Schmidt & Landripet, 2009).

Weitere Effekte

Insgesamt kommen verschiedene narrative Überblicksarbeiten (Owens et al., 2012; Peter & Valkenburg, 2016; Koletić, 2017) zu dem Schluss, dass sich der Konsum sexuell expliziten Materials von Jugendlichen auf eine Vielzahl von Faktoren auswirken. Die Effektstärken sind überwiegend klein bis moderat. Exemplarisch sind einige Befunde aus längsschnittlichen Studien zusammengefasst.

Sexuelle Einstellungen und Normen

Häufiger Konsum scheint permissivere Einstellungen zu Sexualität zu fördern (Brown & L’Engle, 2009; Baams et al., 2014). Personen mit permissiveren sexuellen Einstellungen finden Sexualität mit einer Person, die man noch nicht so gut kennt bzw. für die man keine romantischen Gefühle hegt (casual sex) total in Ordnung, halten Sex außerhalb einer Ehe für unproblematisch und Masturbation für normal und gesund. Ein höherer Konsum im Jugendalter scheint bei Jungen zudem mit erhöhter Objektifizierung von Frauen als sexuelle Objekte einherzugehen (Peter & Valkenburg, 2009b) – dieser Zusammenhang war bidirektional: Frauen als Sexobjekte zu sehen führte also zu mehr Pornokonsum und umgekehrt.

Sexuelle Zufriedenheit und Unsicherheit im Umgang mit Sexualität

Die Studie von Peter und Valkenburg (2009a, 2010) zeigt, dass höherer Pornokonsum sexuelle Unsicherheit bei Jugendlichen erhöhte. Zudem fand sich ein wechselseitiger kausaler Zusammenhang zwischen sexueller Zufriedenheit und Pornokonsum: Höherer Konsum resultierte in geringerer Zufriedenheit zu einem späteren Messzeitpunkt und umgekehrt. Insgesamt waren die Effektstärken klein. Eine Erklärungsmöglichkeit für diesen Effekt ist m.E. ungenügende sexuelle Aufklärung: Jugendliche sehen sexuell explizites Material und wissen das ggf. gar nicht richtig einzuordnen, da sie weder von ihren Erziehungsberechtigten noch in der Schule eine ausreichende altersgerechte (!) sexuelle Bildung erhalten.

Sexuelles Verhalten

Jugendliche, die zur Baseline-Messung mit durchschnittlich 13.6 Jahren häufiger sexuell explizitem Material in Magazinen, Pornofilmen und Online-Pornos ausgesetzt waren, zeigten zwei Jahre später (mit durchschnittlich 15.6 Jahren) weniger progressive Geschlechterrollenbilder und berichteten etwas häufiger Oralverkehr und Geschlechtsverkehr (Brown & L’Engle, 2009). Jungen mit frühem Konsum berichteten zwei Jahre später zusätzlich etwas häufiger von sexuell belästigendem Verhalten, das sie gezeigt haben; für Mädchen wurde dieser Effekt nicht beobachtet. Die Verhaltensweisen, die die Autorinnen darunter verstanden waren allerdings so breit, dass ich besonders dieses Ergebnis mit Vorsicht betrachten würde (z.B. fielen auch negative Kommentare zum Gewicht, zur Kleidung oder Körper von Mitschüler·innen unter sexuelle Belästigung – ich halte das für Bodyshaming, nicht aber für sexuelle Belästigung). 

Eine Längsschnittstudie mit repräsentativen Daten (N = 1.159) aus den USA (Ybarra, Mitchell, Hamburger, Diener-West & Leaf, 2011) zeigte, dass Jugendliche, die aktiv gewalttätige pornografische Inhalte aufsuchten und konsumierten (4% der Stichprobe) ein 5.8-fach erhöhtes Risiko aufwiesen, zu einem späteren Messzeitpunkt selbst sexuell aggressives Verhalten gezeigt zu haben (5% der Stichprobe). Die Autor·innen betonen jedoch, dass sie auch mit ihrem Design die umgekehrte kausale Richtung – je größer das aggressive Potential, desto mehr gewaltvolle Pornografie wird konsumiert – nicht ausschließen können. Hier ist also weitere längsschnittliche Forschung vonnöten, um den genauen kausalen Zusammenhängen auf die Spur zu kommen und ggf. abzuleiten wann, wo und wie Interventionsbedarf besteht um sexuell übergriffigem Verhalten vorzubeugen. 

Zwischenfazit

Puzzleteil, das im Begriff ist, eingesetzt zu werden
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In den hier berichteten Befunden kann ich bislang nicht erkennen, dass der schlechte Ruf von Pornografie ausschließlich gerechtfertigt ist. In der bisherigen Literaturzusammenschau scheint es sowohl neutrale, positive als auch negative Effekte von Pornokonsum zu geben. Spoiler: Auch Teil 2 wird zu diesem Ergebnis kommen.

Klar ist aber auch, dass ein 11-jähriges Kind, das aktuell geschätzte durchschnittliche Alter bei Erstkonsum (Röttgerkamp, 2018), weder gewollt noch ungewollt pornografischen Inhalten im Internet oder sonstwo ausgesetzt sein sollte. Das ist schlicht indiskutabel. Wir brauchen also besseren Schutz von Kindern vor pornografischen Inhalten im Internet: Trotz Jugendschutzgesetz und Filtersoftware ist es für Minderjährige noch immer viel zu einfach an pornografische Inhalte zu kommen (Döring, 2011). Was wir zudem benötigen ist mehr und bessere Sexualpädagogik an Schulen. In der universitären Lehramtsausbildung wird dieses Thema seit Jahrzehnten sträflichst vernachlässigt (Urban, 2019) und externe sexualpädagogische Angebote (z.B. durch profamilia oder AIDS-Hilfen) zu selten eingeholt. Es gibt bereits sexualpädagogische Materialien, z.B. das “Let’s talk about Porno”-Modul von klicksafe (2018) mit Übungen für Jugendliche ab 12 bzw. 14, die das Sprechen über Pornografie im Schulkontext altersgerecht möglich machen. Ich bin zuversichtlich, dass mit solchen sexualpädagogischen Angeboten auch potentiell problematische Effekte wie die Objektifizierung von Frauen als Sexualobjekte, konservativere Geschlechterrollenbilder, sexuelle Unsicherheit und eine reduzierte sexuelle Zufriedenheit als Folge von Pornokonsum für Jugendliche gut in den Griff zu bekommen sind, wenn auch die Evaluation sexualpädagogischer Maßnahmen selbst aktuell noch zu selten Gegenstand von Forschung ist (Henningsen & Sielert, 2016).  

Literatur

Baams, L., Overbeek, G., Dubas, J. S., Doornwaard, S. M., Rommes, E., & van Aken, M. A. G. (2015). Perceived realism moderates the relation between sexualized media consumption and permissive sexual attitudes in Dutch adolescents. Archives of Sexual Behavior, 44(3), 743–754. https://doi.org/10.1007/s10508-014-0443-7

Brown, J. A. & Wisco, J. J. (2019). The components of the adolescent brain and its unique sensitivity to sexually explicit material. Journal of Adolescence, 72(1), 10–13. http://dx.doi.org/10.1016/j.adolescence.2019.01.006

Demny, O. & Richling, M. (Hrsg.). (2010). Sex und Subversion: Pornofilme jenseits des Mainstreams. Berlin, GER: Bertz + Fischer.

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Peter, J., & Valkenburg, P. M. (2009b). Adolescents’ exposure to sexually explicit internet material and notions of women as sex objects: Assessing causality and underlying processes. The Journal of Communication, 59(3), 407–433. https://doi.org/10.1111/j.1460-2466.2009.01422.x

Peter, J. & Valkenburg, P. M. (2010). Processes underlying the effects of adolescents’ use of sexually explicit internet material: The role of perceived realism. Communication Research, 37(3), 375–399.  http://dx.doi.org/10.1177/0093650210362464 

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Štulhofer, A., Schmidt, G. & Landripet, I. (2009). Pornografiekonsum in Pubertät und Adoleszenz: Gibt es Auswirkungen auf sexuelle Skripte, sexuelle Zufriedenheit und Intimität im jungen Erwachsenenalter? Zeitschrift für Sexualforschung, 22(1), 13–23. http://dx.doi.org/10.1055/s-0028-1098836

Urban, M. (2019). Sexuelle Bildung und sexualisierte Gewalt in Schulen: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Psychosozial-Verlag. https://doi.org/10.30820/9783837976380

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Dr. phil. Jane Hergert erwarb ihr Diplom in Psychologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Für die Promotion ging sie ins Ruhrgebiet an die FernUniversität in Hagen an den Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie. Heute ist sie an der Universität Rostock als Postdoc, ebenfalls in der A&O-Psychologie, tätig. Entgegen der Denomination dieses Lehrstuhls interessiert sie sich in ihrer Forschung aber vor allem für das was uns Menschen zusammenhält bzw. gern auch mal auseinander treibt: Die Liebe und alles was damit im engeren und weiteren Sinne zu tun hat. In ihrer Dissertation, die von der Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften der FernUniversität 2017 mit dem Dissertationspreis ausgezeichnet wurde, befasst sie sich beispielsweise mit den Ursachen sexueller Untreue.

19 Kommentare

  1. ALLES was unsere gleichermaßen unverarbeitete Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt, egozentriertem “Individualbewusstsein” und geistigem Stillstand visuell, verbal und/oder begreifbar anspricht, ist Bewusstseinsbetäubung im Sinne der wettbewerbsbedingten Konfusion und somit PORNO, der die definierten Werte, von Menschenrechte/Menschenwürde bis wirklich-wahrhaftiges Zusammenleben, in der stets zweifelhaften und heuchlerisch-verlogenen Absurdität/Illusion des Geschäfts-Sinns ausbeutbar und unterdrückerisch hält. Sogar/besonders die Emotion Liebe ist diesem Modell bedingter Vorstellungen unterworfen – Instinktiv-gepflegter PORNO, ist der Kommunikationsmüll menschlichen Glaubens und interessenbedingt-beschränkten Denkens im zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf seit …, gehört entsprechend unserer Vernunftbegabung verarbeitet und geistig-heilend organisiert, für das ganzheitlich-nachhaltige Wesen Mensch im Sinne …!

  2. Wie sind Nutzungszahlen von Pornhub, auf die Einwohnerzahl der Länder bezogen? Dass ein großes Land mehr Konsumenten hat, das lässt noch nicht viele Schlüsse zu.

  3. Die URSACHE, aller Probleme unseres symptomatischen “Zusammenlebens”, ist der, im zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf, nun “freiheitliche” WETTBEWERB – (bewusst) konfus-regierter Wettbewerb um die Deutungshoheit des imperialistisch-faschistischen Erbensystems, wo nur die wirklich-wahrhaftige Vernunft/Gemeinschaft, in globalem Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik, eine wirklich-wahrhaftige Demokratie und zweifelsfrei-eindeutiges Verantwortungsbewusstsein, OHNE parlamentarisch-lobbyistisches Marionettentheater, eine menschenwürdige Welt- und Werteordnung organisieren sollte/kann, dann klappt’s auch mit Sex ohne Porno. 👋🙂

  4. Pornografie ist ein Zeichen für eine “verklemmte” Kultur. Wer in einem FKK -Club ohne Kleidung herumläuft, braucht keine Pornografie mehr.

    In der Werbung hat man dazu gelernt. Die halbnackte Frau auf der Waschmaschine, die gibt es nicht mehr. Seltsam, dass bei der Genderdebatte die Pornografie fast nie als Beispiel genannt wird.

    • @fauv (Zitat) „Seltsam, dass bei der Genderdebatte die Pornografie fast nie als Beispiel genannt wird.“
      Pornographie nicht, dafür aber Prostitution. Im weiteren Zusammenhang mit der Genderdebatte gibt es Tendenzen zum Verbot der Prostitution. In Schweden seit 20 Jahren, seit kurzem auch in Frankreich und tendenziell auf immer mehr Länder übergreifend.

  5. Zu fauv
    “Verklemmte Kultur”
    Das scheint wohl eher verklemmte Moral bzw. Doppelmoral zu sein denn Pornographie scheint ein krisensicheres Geschäftsmodell zu sein da Menschen zuerst über den Sextrieb gesteuert und manipuliert werden. Angebot und Nachfrage bestimmen im Kapitalismus geschäftliche Überlegungen und Pornographie bringt satte Gewinne bzw. Milliardenumsätze . Pornographische Darstellungen gab es schon in der Steinzeit, späterhin bei den Hinduisten, dann im antiken Rom, im Feudalismus usw…. Reich ist man damit damals wahrscheinlich nicht geworden. In der DDR hatte man Pornos aus dem Westen heimlich eingeschmuggelt und für gute Bekannte vervielfältigt. Kostenlos versteht sich und selbst in den Kasernen der Volksarmee zur begehrten Ware erhoben die dann gegen Zigaretten oder Kaffee getauscht wurde. Pornographie scheint also ein Grundbedürfnis der Menschen zu bedienen was von Gesellschaftsform zu Gesellschaftsform unterschiedlich vermarktet wird.

  6. Pornografie und Prostitution sind verschiedene Dinge.
    Prostitution als Sexarbeit mit Rentenversicherung, das wird gesellschaftlich notwendig bleiben.Pornografie hat ein anderes Kaliber, weil die Frau öffentlich gemacht wird. Die Grenze zur Freikörperkultur ist gesetzlich festgelegt.

  7. In der bisherigen Literaturzusammenschau scheint es sowohl neutrale, positive als auch negative Effekte von Pornokonsum zu geben.

    Vielleicht habe ich es überlesen und bei manchen Effekten ist die Wertung nicht klar.

    Ich würde die Effekte als neutrale oder negative bewerten (und sie werden als schwach beschrieben. Um die Frage zu wiederholen: Welchen der genannten Effekte kann man als positiv einordnen?

    Ergänzung:
    Bei nochmaligem Lesen dieses Zitat gefunden, das eine Selbsteinschätzung wiedergibt, weswegen ich es eher als wenig zuverlässige Einschätzung bewerten würde:

    Ein wichtiger Befund ist zudem, dass die Mehrheit der Befragten entweder keine (59%) oder nur positive (30%) Auswirkungen der Pornografienutzung auf ihr Sexualleben berichtet.

  8. Fragmentarisch Ergänzendes zu den Artikelausführungen zur Kenntnisnahme und Selbstanalyse

    …[1] „Abgebildete explizite Erotik basiert idealisiert auf authentischen Gedanken und Verhalten darstellender Menschen. Im Bereich der „»anerkannten«“ Kunst und Literatur existiert unterschiedlichste explizite Erotik. Moralische Werte, konditionierte Meinungen kontra Erotik werden durch den nicht definierbaren künstlerischen Anspruch und Eindruck eliminiert. Ob beispielsweise Pedro Juan Gutierrez oder Reinaldo Arenas in ihren Büchern Tiere und Hohlräume in Bäumen von Kubanern ficken lassen, oder feministische Filmemacherinnen (Zum Beispiel im Film »Baise-moi«) erst Frauen vergewaltigen lassen, die dann wiederum erst gezielt Männer demütigen, foltern, töten, und später wahllos Frauen und Männer in sexualisierten Handlungen abschlachten, ist gleichgültig.

    Auch wenn diverse Schriftsteller in ihren Romanen zum Teil sehr detailliert Sex mit Kindern und Tieren beschreiben, Inzest »betreiben« und sadomasochistische Praktiken darstellen, die nicht im Konsens geschehen, ist im Einzelfall kein Problem. Zum Beispiel das in Deutschland frei verkäufliche Taschenbuch »Opus Pistorum« von Henry Miller des Rowohlt-Verlages aus dem Jahre 1992. Der besagte Roman beginnt gleich im ersten Kapitel (»Unter den Dächern von Paris«) mit expliziten Beschreibungen, in denen ein Vater mit seiner dreizehnjährigen Tochter, einer Prostituierten und dem Erzähler ausgiebig Sex hat. Detailliert werden die Menschen und ihr Sex beschrieben.

    Oder ohne Altersbeschränkung frei verkäuflich »Die Hundertzwanzig Tage von Sodom oder Die Schule der Ausschweifungen Werke 1«. Das »Kunstwerk« stammt im Original von Donatien-Alphonse-Francois de Sade, der im 18. Jahrhundert lebte. Es handelt sich um eine »Neuauflage« von 1995. Der Verlag wählte ein suggestives rotschwarzes Design und beschreibt wie nicht anders zu erwarten kaufmännisch zielgruppenbewußt auf dem Schutzumschlag, was Sache ist. Ich glaube kaum, dass der Verlag ein institutionelles Interesse an der Verbreitung von Kunst besitzt. Und wenn, dann steht es im krassen Gegensatz zu der (Doppel-)Moral von Jugendschutz und »normalen« Bürger.

    In der Neuauflage des de Sade-Buches wird Kinderpornografie am laufenden Band praktiziert. Da werden Kinder sexuell belästigt, gedemütigt, gefoltert und getötet. Dort werden die Kirche und deren Vertreter als immergeile, pädophile Sadisten in Szene gesetzt. Der deutsche Jugendschutz hat damit kein »Problem«. Ob die sexuellen Geschichten des Künstlers Fiktion sind oder wahre Begebenheiten abbilden, ist ebenfalls ohne Bedeutung. Sex und Gewalt, Sex mit Kindern – eigentlich jedes Tabu wird gebrochen.“…

    …“Explizite Erotik ist als Momentaufnahme immer auch pornografisch. Die Idee dass ein vermeintlicher Kontext und eine nicht näher definierte künstlerische Sprache, pornografische Fragmente zur erlaubten frei verfügbaren erotischen Kunst veredeln, ist abstrakt. Im amtlichen Mitteilungsblatt 3/2003 der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wird der »Begriff der Pornografie« thematisiert. Auf Seite 8 findet man dort unter »III. Pornografie und Kunst« Ausführungen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesgerichtshofs betreffend der pornografischen Romane »Josefine Mutzenbacher« und »Opus Pistorium« von Henry Miller. Demnach kann eine pornografische Schrift – dasselbe gilt für hartpornografische, gewaltdarstellende oder sonst schwer jugendgefährdende Schriften – Kunst im Sinne von Art.5 Abs.3 S.1 GG sein.

    Dabei gehen das Bundesverfassungsgericht und ihm folgend der BGH sowie die obergerichtliche Rechtsprechung von einem weiten, bloß »formalen« Kunstbegriff aus. Danach kann ein Kunstwerk bereits dann vorliegen, wenn die Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps der Kunst, zum Beispiel Gedicht, Erzählung, Roman, Gemälde oder Collage erfüllt sind.
    Es handelt sich also schon dann um Kunst, wenn sich jemand einer Mediensprache bedient, die den herkömmlichen Gestaltungsformen der Kunst entspricht, ohne dass der Kunstbegriff von einer staatlichen Stil-, Niveau- und Inhaltskontrolle oder von einer Beurteilung der Wirkung des Kunstwerkes abhängig gemacht werden darf.

    …„Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, an die Gerichte und Staatsanwaltschaft gebunden sind, kann es sich laut der Ausführungen in dem Mitteilungsblatt auch bei Darstellungen von Gewalt und Sexualität um Kunst handeln.“…

    (ein) Fazit

    …„Wenn sich die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nicht hier und da selbst aushebelt, der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht führen den deutschen Jugendschutz und die entsprechend angesiedelten Strafgesetze jederzeit willkürlich ad absurdum.“…

    [1] Quelle: Kleiner Auszug meiner (kritischen) Ansichten zur (gewerblichen) Pornografie, die ich u.a. unzensiert in dem Buch »Alles über Porno« (Seite 275 – 295) aus dem Schwarzkopf & Schwarzkopf-Verlag 2009 kundtun „durfte“. Hintergrund: Ich habe insbesondere zwischen 2000 und 2010 zahlreich explizite Fetischfilme international erfolgreich produziert und veröffentlicht…

  9. Danke für diese interessante Übersicht. Ich bin gespannt auf Teil 2.

    Das Problem, nicht zwischen Korrelation und Kausalität unterscheiden zu können, scheint mir aber doch auch für den Zusammenhang von Pornokonsum und sexueller Offenheit (bzw. Permissivität) zu bestehen: Wie will man unterscheiden, was hier Ursache ist und was Wirkung?

    Zur Objektivierung kam mir noch der Gedanke, ob man selbst in “herkömmlichen” Pornos von der Frau nicht viel mehr sieht als vom Mann, eben weil diese v.a. von Männern konsumiert werden, die Frauen attraktiv finden. Hat sich schon einmal jemand Gedanken darüber gemacht, was es für Männer bedeutet, in solchen Filmen auf ihr Glied (wieder ‘was gelernt: ab 45°) reduziert zu werden?

    • Das Problem ‘nicht zwischen Korrelation und Kausalität unterscheiden zu können’, ist sozusagen Kern der empiristischen Wissenschaftlichkeit.
      Dr. W, der konstruktiver Empirist ist, verweist gerne auch an dieser Stelle auf die sog. Humesche Metaphysik.
      Herr Dr. Stephan Schleim könnte so verstehen und folgen wollen.

    • Hat sich schon einmal jemand Gedanken darüber gemacht, was es für Männer bedeutet, in solchen Filmen auf ihr Glied (wieder ‘was gelernt: ab 45°) reduziert zu werden?

      Das Spektrum möglicher Antworten sprengt den Rahmen eines Kommentarfeldes.

      Bereits im vorliegenden Artikel ist auffällig, dass die Handlungsereignisse des Pornos nicht explizit benannt werden. Das ist – abstrakt formuliert – aus verhaltensbiologischer Sicht, dem Verständnis und der Bewertung nicht förderlich. Konkrete soziale Interaktionen sind evident, sonst machen wir den gleichen Fehler wie Platon, der die Realität aus den Begriffen ableitete, statt die Begriffe aus der Realität abzuleiten.

      Fragmentarisches zum Verständnis

      i) Im Film Agierende „besetzen“ stets eine Rolle. Sofern es sich um einen potenten Mann mit bemerkenswert großem Penis handelt, geht fast immer ein dominantes Verhalten einher, dass gilt sowohl für Hetero- als auch Schwulenpornos.
      Plakativ formuliert: Ihr „Schwanz“ ist ihr Kapital. Sie sind froh, dass es so ist. Sie dürfen nicht nur sondern sollen „Mann sein“. Sie „nehmen“ sich Frauen respektive Männer, wie es ihnen gefällt.

      Insbesondere in so genannten Cuckold-Szenarien wird der fremde »BigDick« von einer weiblichen Partnerin mit einem deutlich kleineren Penis des Partners verglichen. In diesem Sinne „hängen“ an den Penissen – mehr oder weniger – beliebige Männerkörper.

      Dieses Szenario wird in neuzeitlich amerikanischen Filmen noch mit den Attributen des „Schwarzen Mannes“ mit einem muskulösen, athletischen Körper verstärkt, der mit einem „Weißen Kleinschwanz“ mit Durchschnittskörper verglichen wird. Weiße Männer werden in diesen Rollenspielen verbal von ihren weiblichen Partnerinnen auf Grund ihrer – im Vergleich – „Mickerigkeit“ als minderwertig bezeichnet und im Ergebnis haben dann die Frauen nur mit den potenten „BigDicks“ Sex und die »Kleinschwänze“ müssen bzw. dürfen nur zuschauen und hier und da das Sperma vom Körper der Frau lecken.

      Eine öffentliche (Medien-)Diskussion über die Über-Präsenz und Dominanz der BBCs (BigBlackDicks) fand bzw. findet nicht statt. Interessant wäre zu erfahren, was in einer Rezeption der Massen-Medien passieren würde, wenn man diese Verhältnisse invertiert. „Weiße“, körperlich deutlich attraktivere, deutlich potentere dominieren „Schwarze“ in Gegenwart ihrer Partnerinnen. So, wie es jetzt ist, spricht man nicht einmal darüber. Und hier beginnt u.a. auch eine heimliche Gedankenreise, die aktuell in der öffentlichen Meinungsmache nicht stattfindet. Es gibt sie in großer Zahl, wenn es um Sex geht, Frauen mit „Heißhunger“ die „punktuell“ auf potente Macho-Typen stehen. Es gibt sie, Frauen, die hemmungslos Sex haben wollen. Mal so für Zwischendurch. Unverbindlich. Vertrautheit und Liebe spielen da kaum bis gar keine Rolle. Einzig und allein der Trieb („heat of the moment“) faszinieren (die Frau).

      ii) Der (eher devote) Mann ist im Film kaum von Bedeutung, auch wenn er penetriert wird. Auch dann sind es meist muskulöse Männer mit größeren Penissen die penetrieren, oder er wird mit (möglichst großen) Umschnalldildos von Frauen „behandelt“. Sofern das die Fantasie des Betrachters ist, erfreut er sich an der „Reduktion auf ein Glied“.
      Fakt ist, immer mehr Frauen schauen Pornos. Die meisten Frauen bevorzugen Filme, die für Männer gemacht sind. Inhaltlich wollen Männer und Frauen von einem Porno das Gleiche. Sie brauchen weder eine sinnige Story noch eine komplexe Handlung.

      Wie in meinem ersten Kommentar angedeutet, habe ich zahlreich explizite Fetischfilme produziert, gemäß einer externen Online-Gesamterfassung sind das 162 (director credits). In dem Zusammenhang hatte ich die Gelegenheit mit Darstellerinnen und Darstellern über ihre Eigenwahrnehmung und gesellschaftlichen Erfahrungen zu sprechen. Sowie zahlreich mit den Betrachter(inne)n der Filme, sofern sich die Gelegenheit bot (Messen, Partys, E-Briefe von Fans, …).

      Fazit: Aktive Männer in Porno-Filmen finden eine Reduktion auf ihr »Glied“ „normal“. Sie fühlen sich gut und begehrt. So wie Frauen, die davon leben, dass sie ihre Brüste oder ihre Hinterteile vermarkten. Eine gesellschaftlich aufgepfropfte emotionale Problematik, ist eher bei denen zu finden, die nicht über diese Körperlichkeiten verfügen. Viele Männer haben Angst, dass ihr Penis zu klein ist. Nun, Tatsache ist, plakativ formuliert, eine Frau, die „weiß was sie tut“, kann mit einem größeren Penis mehr anfangen, als mit einem kleineren, Ausnahmen bestätigen – wie immer – die Regel. Die „gern“ kommunizierte Unfähigkeit als Frau einen großen Penis aufnehmen zu können, gehört eher in die Kategorie der antrainierten konstruierten Probleme und Relativierungen, um es den Männern ohne diesen „gemütlich“ zu machen. Ich bin mir sicher, dass es viele Männer verstören würde, wenn das häufig Geäußerte: “Auf die Größe kommt es nicht an“, letztendlich nicht stimmt. Ein großer steifer Penis ist bereits ein optischer Genuss der Frauen und Männer erregt. Penetration ist nur ein Bestandteil komplexer Möglichkeiten, die dann auch kein Problem darstellt. Das ist letztendlich alles eine Frage des Willens und „technisch“ der Übung. Als „Anhaltspunkt“ kann auch das konstruierte Problem des Analverkehrs Heterosexueller „dienen“. Viele Frauen machen daraus ein Drama, wenn ihre Sexpartner dies wünschen. Offensichtlich kommt die Frage zwischen Männern gar nicht erst auf, hier ist nur Analverkehr möglich. Hier gilt konstruktiv: Wo deine Gedanken sind, gehen deine Energien hin.

    • @Schleim

      Wo nicht Bewusstsein für die wirkliche Wahrhaftigkeit, sondern die dem Instinkt / der systemrational-gepflegten Bewusstseinsschwäche entsprechende Bewusstseinsbetäubung und wettbewerbsbedingte Symptomatik vor- und überwiegend bestimmend sind, da ist vor allem Konfusion, die von Permissivität geregelt werden muss.👋🥴

    • @Schleim #”attraktiv finden”

      Da ist es doch wohl kein Wunder oder Phänomen, wenn viele Männer, besonders auf unkontrollierten “Datingformaten”, mit Bildern von ihrem Schwanz antworten!?👋🥴

  10. Um dies einmal klar heraus zu stellen, sofern erlaubt: Die Sexualität dient der Fortpflanzung; derartige Maßnahmen dürfen gerne auch privatim erfolgen und explizit nicht reproduktive Sexualität mag zwar den einen oder anderen erfreuen, muss aber, wie einige meinen, u.a. auch “Onanisten” und A-Effer meinend, nicht biologisch und in der Folge sozial auch besonders bearbeitet werden.

    Sicherlich ergeben sich so auch Tiefpunkte, bei wie gemeinter öffentlicher Erörterung, das biologisch feststellbare Geschlecht (inklusive Teil, IYKWiM) ist binär feststellbar, es gibt keine dritten Geschlechter und auch kein “Spektrum” zwischen A und B, das sog. Sex-Determination-System (sog. Chromosomenpaare meinend) ist beim Säugetier, aber auch bspw. bei Vögeln, klar (Der Film ‘Jurassic Park’ (Part One) ist biologisch sozusagen perfekt verhunzt).

    HTH (“Hope this helps”)
    Dr. Webbaer (der übrigens nichts gegen anderweitiges wie gemeintes Sich-Bespringen hat, hier nur nicht Zeuge und / oder Teilnehmer wird)

  11. Bonuskommentar hierzu :

    Sagenhafte 35% des gesamten Datenverkehrs im Internet sollen pornografischen Ursprungs sein und 25% der weltweiten Suchanfragen drehen sich um Pornografie (Röttgerkamp, 2018). Bei der Bandbreite wundert es fast schon auch nicht mehr, dass der·die Erstkonsument·in, ob gewollt oder ungewollt, durchschnittlich erst 11 Jahre alt ist (Röttgerkamp, 2018). [Artikeltext]

    Old Dr. W hat mal die Information erhalten, dass bis zu 80 % und durchschnittlich 50 % des Web-Traffics pornographische Inhalte zu transportieren sucht.

    Sog. Erstkonsumenten ergeben sich quasi zwingend durch Kontaktaufnahme zum sog. Web.

    Gemacht werden kann hier, im gegenrednerischen Sinne, nicht viel.
    Denn das Web stellt ein Wesen dar, das letztlich nicht gefiltert werden kann, sozusagen eine anarchistische Komponente bereit stellt.

    Abschaltmaßnahmen, wie sie in sog. autoritären Staaten versucht werden, bspw. in China und Russland, leiden, denn ein wie gemeintes kritisches Subjekt kann und wird sich Zugang zum Web verschaffen, idR und gut ausgestattet : un-verfolgt,

    Sicherlich ist derart korrekt eingeschätzte Situation unschön, wenn sich Perverse gesetzeswidrig verhalten.
    Die Alternative bestünde darin, dass der Staat sozusagen direkt im für das Web vorgesehenen Gerät sitzt, von Anfang an und mit den Herstellern abgesprochen.
    God bless!

    MFG
    WB

  12. Dr. W.
    “Gemacht werden kann hier, im gegenrednerischen Sinne, nicht viel.”

    so gehts ja nicht. Ein Gemeinwesen, dass seine Kinder nicht mehr schüzten kann, dass ist gefährdet.
    Es geht ja um die Kinder, es geht nicht um die Erwachsenen.

    Gewaltvideos können eine Kinderseele zerstören.

    • Dr. W.: “… wenn sich Perverse gesetzeswidrig verhalten.”

      Die leicht korrumpierbare Perversion ist ja auch schon Porno, wenn Waffen geliefert werden, obwohl die Moral sogar gesetzmäßig ist/war!? 👋🥸

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