Licht ins Dünkel bringen – Anfrage von @Abkueko

BLOG: 1ife5cience

Einfach. Erklärt.
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Ich bekam vorhin einen Tweet der mich auf einen Artikel hinwies. Nun bin ich eigentlich gar kein Fan dieses ehemaligen Nachrichtenmagazins aus Hamburg (wie ein bekannter Blogger es nennt) – aber bei dem netten Lob und dem spannenden dahintersteckenden Paper konnte ich nicht anders.

Also um was geht es in dem Artikel: Eigentlich erfährt man nur, das ein paar kluge Amerikaner an Mäusen mit Hirntumoren ein Mikroskopieverfahren angewandt haben welches zu einer besseren Bestimmung des Gewebes führt.

Zunächst einmal: Bei den „US-Medizinern“ handelt es sich um Chemiker, Physiker, Biologen und Mediziner der Harvard Universität, ihrer assoziierten Krankenhäuser, dem Dana Faber Krebsinstitut und der Universität Michigan. Wieso ich das sage? Über die Forscher, die daran gearbeitet haben – die sich mich Sicherheit Tage und Nächte um die Ohren geschlagen haben um dieses Paper zu publizieren –  wird kein Ton gesagt, während auf einen deutschen Schriftsteller hingewiesen wird, der zufällig den gleichen Tumor hatte wie der, an dem geforscht wurde. Erstautor des Papers ist Minbiao Ji, ein Physiker (und eben kein Mediziner – vielleicht ist er zumindest US-Amerikaner, aber sowas fragt man ja nicht) und wahrscheinlich um die 30 da er vor kurzem erst promoviert hat. Ihm gebührt namentliche Nennung. So. Genug.

Wir reden über Glioblastome, aggressive Hirntumore ohne Chance auf Heilung. Das Glioblastom heißt so, weil die Tumorzellen den Gliazellen ähneln, die ganz normal im Gehirn vorkommen aber keine Nervenzellen sind. Hier gibt es zwei große Probleme: Das Glioblastom ist nicht klar abgegrenzt. Es infiltriert das gesunde Gewebe sehr stark. Daher wird bei einer Operation oft viel Tumorgewebe zurückgelassen, das danach weiterwachsen kann. Gut, würde man dann sagen, nehmen wir eben Chemotherapie! Aber leider funktioniert auch das nicht. Unser Gehirn schützt sich durch die „Blut-Hirn-Schranke“ vor so gut wie allem was es nicht kennt. In meinem vorletzten Blogbeitrag habe ich ja schon mal erklärt was Kapillaren sehr durchlässig sind um Nährstoffe durchzulassen. Im Gehirn stimmt das nicht. Hier sind die Endothelzellen über „Tight Junctions“ sehr eng verbunden. Spezifische Transporter dienen als Türsteher und lassen niemanden durch der nicht auf der Liste steht.

Also doch lieber das Messer. Nur: Wann hat man genug geschnibbelt und wann zu wenig? Wir können Zellen zwar färben, aber sowas dauert sehr lange und ist in einem lebenden Gehirn nicht möglich. 1928 hat ein kluger Inder, Chandasekhara Raman, herausgefunden, dass Licht, was auf ein Molekül trifft eine molekül-spezifische Streuung erfährt (Ich bin keine Physikerin, ich war auch nie gut in Physik, ich hoffe ich kriege das einigermaßen hin). Wenn ein Photon auf ein Molekül trifft wird es reflektiert und so gestreut. Das sehen wir jeden Tag daran, dass der Himmel blau ist. Normalerweise findet hier kein Energieaustausch statt. Bei der Raman Streuung können die Photonen Energie aufnehmen oder abgeben, jenachdem auf welches Material sie treffen und so entstehen für verschiedene Moleküle verschiedene Muster.

Die Forscher fanden heraus, das Tumorgewebe eine andere Raman Streuung hat als gesundes Gewebe wenn man es mit einem bestimmten Licht stimuliert. Da die Messung der Raman Streuung sehr schnell geht und man keine Färbung verwenden muss eignet sich das für eine Anwendung während einer OP, die Messung wird im Computer in ein Bild umgesetzt. Da Proteine vom Computer blau gefärbt werden und Lipide grün erscheinend die proteinreichen Tumorzellen blau, das lipidreiche gesunde Gewebe grün.

Die Forscher verglichen konventionell gefärbte Gewebeschnitte mit den Bildern der Stimulierten Raman Streuung und man konnte nicht nur den Tumor vom gesunden Gewebe unterscheiden sondern sogar weitere diagnostische Merkmale erkennen. So kann sich ein Arzt während der OP mit einem SRS-Scanner wie mit einen Blindenstock den Tumor ertasten. So könnte man gesundes Gewebe verschonen und krankes effizienter entfernen. Die Forscher schlagen vor, man könnte scheibchenweise Gewebe entfernen und immer wieder mit einem handlichen Gerät scannen um den ganzen Tumor zu erwischen.

Ich finde das ganze sehr vielversprechend. Es gibt derzeit wenige weitere Therapieansätze: Man kann die Tumorzellen auch über eine Art Kontrastmittel färben und dann operieren, aber auch hier kommt es meist zu Rückfällen. Daher greift man oft zusätzlich zur Bestrahlung und zur Chemotherapie, letztere wird manchmal auch lokal verwendet, also ins Gehirn implantiert. In einem anderen Teil des Gebäudes in dem ich arbeite haben meine Kollegen an Viren, die vornehmlich Krebszellen infizieren und töten. Mittlerweile gibt es die ersten klinischen Studien. Man kann die Tumorzellen auch mit magnetischen Nanoteilchen anreichern und dann erhitzen.

Ihr seht: Die Ansätze für die Glioblastom-Therapie sind sehr vielfältig und unglaublich spannend. Ich hoffe ich konnte es erwartungsgemäß gut erklären und bin gespannt wie sich die Technologie weiterentwickelt.

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Mein Name ist Anna Müllner, ich bin Biologin und habe in der Krebsforschung promoviert. Ich wohne im schönen Hessen und bin als PR-Beraterin für Gesundheitskommunikation tätig. Nach meinem Abitur beschloss ich Biologie zu studieren. Das tat ich zunächst an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die weder in Bonn ist, noch am Rhein. Aber einer der drei Campusse liegt wirklich an der Sieg. Das letzte Jahr dieses Studiums verbrachte ich in Schottland, an der Robert-Gordon University of Aberdeen wo ich ein bisschen in die Biomedizin und die Forensik schnuppern durfte. Danach entschied ich mich für ein Masterstudium an der Universität Heidelberg in Molekularer Biotechnologie was ich mit der Promotion fortsetzte. Weitere Informationen und Möglichkeiten zu unterstützen finden Sie hier: https://linktr.ee/_adora_belle_

3 Kommentare

  1. Ich wollte auch nicht sagen dass es abwegig ist, nur muss ein solches Gerät natürlich noch entwickelt werden. Vielleicht machen sie das ja auch schon. 🙂

  2. Danke!
    Jetzt habe ich das verstanden. Und bin begeistert von den Fortschritten in der Wissenschaft. Bitte mehr dieser Artikel die ich auch verstehe und trotzdem lerne!

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