Impf mal wieder

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Einfach. Erklärt.
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Seit kurzem gibt es bei mir auf der Arbeit wieder die Grippeschutzimpfung. Ich habe sie mir gestern schon geholt. Warum? Weil ich absoluter Impfgegner-gegner bin. Denn ich weiß ziemlich genau, was da passiert und halte es für die beste Art mich vor Krankheiten zu schützen und meinen Körper gegen Erreger zu wappnen. Glaubt mir, wir haben nichts Besseres und es gibt keinen Grund nicht zu impfen. Warum? Um das zu verstehen muss man wissen wie ein Impfstoff funktioniert und wie er hergestellt wird.

Ein Impfstoff besteht aus der abgeschwächten oder komplett inaktivierten Form eines Krankheitserregers, meistens eines Virus‘. Ihr erinnert euch ja, dass ein Virus (oder auch ein Bakterium) eine Hülle hat. Darauf sind bestimmte Strukturen, Oberflächenproteine. Die Zellen unseres Immunsystems haben gelernt, dass alle Oberflächenstrukturen, die nicht ganz normal in unserem Körper vorkommen, böse sind und wenn sie diese erkennen, greifen sie diese an. Doch der Prozess dauert eine Weile. Wir haben nämlich ein zweigeteiltes Immunsystem. Das angeborene Immunsystem besteht aus den Streifenpolizisten. Sie wandern durch den Körper und erkennen Gefahren. Dann schreiten sie sofort ein. Zu Ihnen gehören die Macrophagen (große Fresszellen), aber auch die Natürlichen Killerzellen und die Granulozyten. Ist nun ein Virus in den Körper eingedrungen wird es sofort attackiert. Granulozyten enthalten kleine Bällchen (Vesikel) mit Giften die sie ausschütten um das Virus zu attackieren. Die großen Fresszellen fackeln nicht lange und fressen die Krankheitserreger einfach auf. Ist doch eine Zelle von dem Virus infiziert worden, signalisiert diese Zelle das den natürlichen Killerzellen durch ein Oberflächenprotein. Es hisst quasi eine Flagge, an die die Killerzelle bindet und die infizierte Zelle dazu bringt, sich selbst zu töten. So kann sich das Virus nicht weiter multiplizieren. Das reicht für den Alltag und wir kriegen davon normalerweise nichts mit.

Aber es könnte ja sein, dass das Virus noch einmal kommt – oder es kommt in so hoher Zahl dass das angeborene Immunsystem nicht mehr hinterher kommt. Hier spielt unser angeborenes Immunsystem in das erworbene Immunsystem mit hinein. Die Macrophage frisst nicht nur das Virus auf, sie verdaut es, so dass es sich in seine einzelnen Bestandteile auflöst. Diese Bestandteile präsentiert sie dann auf ihrer Oberfläche. Stellt euch vor, es würde die Beschreibung der Erkennungszeichen einer Bande abgeben: „Grüne Hose, Gelbes Hemd, rote Mütze“ gibt sie zu Protokoll. Und leitet das ganze weiter an die Spezialeinheit: Unsere B- Zellen. Es gibt auch noch T-Zellen, die hier eigentlich auch wichtig sind, aber ich lasse sie der Einfachheit halber hier erstmal weg. B-Zellen entstammen unserem Knochenmark (B steht für Bone Marrow) und T–Zellen im Thymus. Die B-Zellen besitzen einen Rezeptor, der zwei sehr spezifische aber auch sehr diverse Bindungsstellen hat (jede Zelle hat einen, der etwas anders ist). Das kann man sich wie ein sehr, sehr gutes Schloss vorstellen. Dort passt nur ein Schlüssel hinein. Und man hat per Zufall sehr, sehr viele verschiedene dieser Schlösser gemacht, ohne dass man den Schlüssel kennt. Während ihrer Entwicklung werden die B-Zellen auf eine sehr martialische Weise darauf getrimmt, den eigenen Körper nicht zu erkennen. Passt ein Oberflächenprotein einer Körperzelle in das Schloss der B-Zelle bevor sie ausgereift ist, stirbt diese. Die anderen reifen weiter. Die Macrophagen rufen diese Zellen zu sich und sie probieren aus, ob die Oberflächenproteine des Virus‘ vielleicht in ihr Schloss passen. Ist dem der Fall wird die B-Zelle aktiviert, teilt sich sehr schnell und produziert Antikörper. Von Antikörpern habt ihr vielleicht schon einmal gehört. Antikörper sehen im Prinzip genauso aus wie das „Schloss“ auf den B-T-Zellen, nur dass sie frei umherschwimmen. Sie können an freie Viruspartikel binden. Das ist sehr spezifisch, nur das Oberflächenprotein dieses Virus passt wie ein Schlüssel ins Schloss. Strukturen die von Antikörpern erkannt werden können nennt man übrigens „Antigene“, was aber nichts mit Genen zu tun hat sondern kurz für „Antikörper generierend“ ist. Die Antikörper können durch das Binden an die Viruspartikel diese entweder in ihrer Funktion einschränken (wenn sie zum Beispiel ein Protein auf dem Virus blockieren, welches zur Bindung an eine Körperzelle benötigt wird) oder aber sie rufen die Fresszellen zurück auf den Plan. Außerdem rufen sie weitere Proteine die die Membran (so vorhanden) angreifen können.

Aber nicht alle B-Zellen bilden Antikörper. Einige von ihnen bleiben als Gedächtniszellen zurück, sie merken sich: „Bei dem Angreifer mit dem Antigen AB hat der Antikörper XY gepasst“. Kommt der gleiche Erreger noch einmal vorbei, sind sie sehr viel schneller zur Stelle. Und diese sind für das Impfen sehr wichtig. Um Gedächtniszellen zu bilden braucht der Körper keine ausgewachsene Krankheit. Es reicht, wenn das Immunsystem stimuliert wird. Die Antigene die sich auf den Oberflächen der Viren (oder der anderen Krankheitserreger) befinden werden isoliert und gespritzt. Manchmal wird auch der gesamte Erreger produziert, inaktiviert, und gespritzt. Das reicht vollkommen aus um eine Immunantwort zu erzielen, auf dem gleichen Weg wie bei einer Infektion nur ohne die unschönen Nebeneffekte wie Fieber, Schmerzen und so weiter.

Wie ihr euch vielleicht erinnert, vermehrt sich ein Virus nicht von alleine sondern braucht eine Wirtszelle. Um das Virus für den Impfstoff herzustellen brauchen wir irgendwelche Zellen die die Viren für uns bauen. Hier nimmt man sehr gerne spezielle, hochreine, bebrütete Hühnereier denen man verschiedene Virusstämme spritzt. In den Eiern reift dann das Virus heran und wird nach einigen Tagen geerntet und so behandelt, dass es nicht mehr krank machen kann.

Alternativ kann man das Virus auch in der Zellkultur herstellen. Das funktioniert ähnlich wie in den Eiern, nur dass man eine Petrischale voll mit Nierenzellen von grünen Meerkatzen verwendet. Außerdem nimmt man nicht das ganze Virus sondern lässt die Zellen spezifisch Antigene nachbauen, die auf dem Virus sitzen. Fragt mich nicht wieso man gerade diese Zellen verwendet, bauen sie die Antigene gut nach. Dies ist auf jeden Fall die tierfreundlichere Methode. Für diese Zelllinie starb vor langer Zeit einmal ein grünes Meerkätzchen, es werden nicht Millionen Hühnerembryos dafür getötet.

Ich benutze zum Bauen von Viren übrigens menschliche, embryonale Nierenzellen.

Im Gegensatz zu den meisten Impfungen muss man die saisonale Grippe jedes Jahr neu impfen. Das hat nichts mit Geldmacherei zu tun. Das Virus wandelt sich sehr stark, es sieht jedes Jahr etwas anders aus. Stellt euch vor, die Bande die unser Immunsystem oben gejagt hat legt sich neue Erkennungsmerkmale zu, da sie ja langsam auf den Trichter kam, dass man sie so erkennt. Jedes Jahr gibt die WHO eine neue Beschreibung heraus, wie das Virus wahrscheinlich aussehen wird. Nach dieser Beschreibung wird dann der Impfstoff auf eine der beiden oben stehenden Weisen hergestellt.

Manche werden jetzt sagen: „Eine Grippe ist doch nicht so schlimm. Da bleibt man mal eine Woche zu Hause und dann ist es wieder gut.“ Naja, für mich als gesunder, junger Mensch ist eine Grippe vielleicht nicht so schlimm. Ja, es ist ätzend, aber nur in seltenen Fällen verläuft eine Grippe sehr schlimm. Aber habt ihr mal an all die Kinder, Senioren, Schwangeren und Immungeschwächten (HIV-Patienten, Transplantationspatienten, Autoimmunerkrankten) gedacht, denen ihr so täglich begegnet? Bei denen verläuft eine Grippe viel schlimmer, manchmal sterben sie daran. Wenn ihr euch impfen lasst, könnt ihr das Grippevirus nicht (oder nur sehr geringfügig) weiter verbreiten. Besonders sinnvoll ist es natürlich, wenn man viel Kontakt mit solchen Menschen hat, aber auch sich selbst kann man damit die Unannehmlichkeiten einer Krankheit ersparen und gleichzeitig Gedächtniszellen für viele neue Antigene bilden. Das kommt uns vielleicht irgendwann einmal zu Gute: Je mehr Erreger unser Körper schon kennt, desto besser ist das.

Da die Immunantwort eine Weile dauert, dauert es auch eine Weile bis der Schutz von der Impfung besteht, man sagt etwa 1-2 Wochen. Daher kann es sein, dass ihr direkt nach der Impfung eine Grippe bekommen könnt. Die Impfung bekommt man ja normalerweise beim Arzt und da sitzen in der Grippezeit auch häufig Grippepatienten. Daher ergibt es Sinn, sich frühzeitig impfen zu lassen. Außerdem kann die Impfung nicht vor allen Erregern schützen, denn die Zusammensetzung ist ja nur eine Vorhersage der WHO welche Viren relevant sein werden. Man verringert also nur die Wahrscheinlichkeit zu erkranken und kann es nicht komplett ausschließen. Und dann kann es natürlich sein, dass einige unvorsichtig werden nach dem Motto „Bin doch eh geimpft“. Regelmäßiges Händewaschen also nicht vernachlässigen.

Eine Grippe ist übrigens nicht zu verwechseln mit einer normalen Erkältung. Während die Grippe von Influenza-Viren ausgelöst wird und vor allem Fieber, Kopf und Gliederschmerzen auslöst beschränkt sich eine Erkältung auf Schleim- und Schnoddersymptome die durch den Rhinovirus verursacht werden.

Meine Meinung zu Impfen? Es ist die natürlichste Art, Krankheiten vorzubeugen. Kein Trinkjoghurt, kein Echinacea und kein Vitamin* kann euer Immunsystem auf ein Virus vorbereiten, eine Impfung schon. Sie geht schnell, tut nicht weh, ist gut verträglich und schützt euch und andere.

 

*Ja, Vitamine sind nicht unwichtig für unser Immunsystem, aber eben nicht so gut wie eine Impfung.

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Mein Name ist Anna Müllner, ich bin Biologin und habe in der Krebsforschung promoviert. Ich wohne im schönen Hessen und bin als PR-Beraterin für Gesundheitskommunikation tätig. Nach meinem Abitur beschloss ich Biologie zu studieren. Das tat ich zunächst an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die weder in Bonn ist, noch am Rhein. Aber einer der drei Campusse liegt wirklich an der Sieg. Das letzte Jahr dieses Studiums verbrachte ich in Schottland, an der Robert-Gordon University of Aberdeen wo ich ein bisschen in die Biomedizin und die Forensik schnuppern durfte. Danach entschied ich mich für ein Masterstudium an der Universität Heidelberg in Molekularer Biotechnologie was ich mit der Promotion fortsetzte. Weitere Informationen und Möglichkeiten zu unterstützen finden Sie hier: https://linktr.ee/_adora_belle_

7 Kommentare

  1. „Jedes Jahr gibt die WHO eine neue Beschreibung heraus, wie das Virus wahrscheinlich aussehen wird. Nach dieser Beschreibung wird dann der Impfstoff auf eine der beiden oben stehenden Weisen hergestellt.”

    Oh ein Wahrscheinlichkeitsimpfstoff. Also quasi ein vorhergesehener Impfstoff. Impfung nach Glaskugel?

    „Im Gegensatz zu den meisten Impfungen muss man die saisonale Grippe jedes Jahr neu impfen. Das hat nichts mit Geldmacherei zu tun. ”

    Doch, was die Aufforderung zur jährlichen Impfung betrifft, auf alle Fälle und zwar ausschließlich.

    „Das Virus wandelt sich sehr stark, es sieht jedes Jahr etwas anders aus.”

    Genau und deswegen kann man im Impfjahr gegen den eigentlich aktiven Virus im voraus überhaupt nicht geimpft werden – und trägt somit gar keinen Impfschutz für die jeweilige Impfwelle und der in ihr aktiven Subtypen. Der tatsächliche Effekt von Impfungen ist umstritten. Ansonsten zum Thema jährliche Impfungen:: siehe einfach Tierimpfungen. Genauso eine Geldtreiberei.

    „Aber habt ihr mal an all die Kinder, Senioren, Schwangeren und Immungeschwächten (HIV-Patienten, Transplantationspatienten, Autoimmunerkrankten) gedacht, denen ihr so täglich begegnet? Bei denen verläuft eine Grippe viel schlimmer, manchmal sterben sie daran. Wenn ihr euch impfen lasst, könnt ihr das Grippevirus nicht (oder nur sehr geringfügig) weiter verbreiten.

    Da die Immunantwort eine Weile dauert, dauert es auch eine Weile bis der Schutz von der Impfung besteht, man sagt etwa 1-2 Wochen. Daher kann es sein, dass ihr direkt nach der Impfung eine Grippe bekommen könnt. Die Impfung bekommt man ja normalerweise beim Arzt und da sitzen in der Grippezeit auch häufig Grippepatienten.

    Diesen Absatz kurz inhaltlich in seinem Sinn zusammengefasst. Geht zum Arzt, lasst Euch impfen, damit Ihr Euch dort im Wartezimmer erst mit dem aktuellen Grippevirus ansteckt, um dann Risikogruppen anzustecken.

    Echt? Das ist Deine Empfehlung?

    >i>„[…]Schleim- und Schnoddersymptome”

    Wie bitte?

    Hör mal, Dein Artikel ist sicherlich nett gemeint, aber inhaltlich doch echt schwer zu verdauen.

  2. Hallo creezy,
    ich weiß nicht was du von einer Impfung erwartest, aber ein 70%iger Schutz ist schon ziemlich gut. Wundermittel sind das nicht.

    Bzgl des schnöden Mammons: http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJM199510053331401#t=articleResults Das Gesundheitssystem spart durch die Impfung sogar Geld und der Staat verliert weniger BIP, der Arbeitgeber weniger Arbeitskraft. Natürlich verdient die Impfstoff herstellende Firma daran, die beschäftigen ja auch Menschen und verbrauchen Material. Dafür zahlt man weniger für Hustensaft, Aspirin und Kamillentee und was man sonst alles kaufen würde.

    Wie man die Zusammensetzung des Impfstoffs vorhersagen kann, ist sehr viel schwieriger zu erklären. Es gibt Mechanismen die sich Antigen-Drift nennen und mit denen man Rechnen kann. Das ist ähnlich der Wettervorhersage. Man weiß halt wie das Wetter sich so entwickelt.

    Du hast natürlich recht: Zwischen Impfung und Ansteckung im Wartezimmer zur Impfung gibt es eine Diskrepanz, da hätte ich noch deutlicher drauf hinweisen sollen. Aber zum Einen muss das ja nicht passieren (zum Beispiel wenn man danach auf Desinfektion achtet) zum anderen gibt es ja auch andere Gründe zum Arzt zu gehen und auch andere Wege sich mit der Grippe zu infizieren. Mir ging es darum zu sagen wieso man nach der Impfung trotzdem noch die Grippe bekommen kann.

    „[…]Schleim- und Schnoddersymptome”

    Wie bitte?

    Ich versuche immer etwas erheiternder, lockerer zu schreiben – oder leicht zynisch. Vor Allem am Schluss wenn ich meine Meinung sage. Schade dass dir das nicht gefällt. Wissenschaft von hinten bis vorne bierernst zu sehen macht mir keinen Spaß.

    Danke für dein Feedback,
    Anna

  3. Die böse, gierige Pharmaindustrie würde viel mehr daran verdienen, wenn die Leute wochenlang krank wären oder sogar bleibende Schäden z.B. am Herzen davontragen, das steht mal fest. Schon alleine deshalb läuft dieses “Argument” völlig ins Leere.

    • Ne würde sie nicht, weil die Zahl der Grippefälle auch ohne Impfung nicht größer wäre. Die verschwindent kleine Zahl von Fällen mit bleibenden Schäden kann da vernachlässigt werden.

      Impfen ist gut, aber bitte sinnvoll, gnerelle Impfung gegen Grippe ist schwachsinn.

  4. Der Artikel erinnert mich gerade daran, dass ich eigentlich schon seit längerem mal wieder mit meinem Impfpass zu meinem Hausarzt latschen wollte um herauszufinden, was ich mal wieder auffrischen sollte.

  5. Dann war da noch diese Grippewelle, die vor allem junge, kräftige Menschen dahinraffte.

    Kleiner Tipp an die Impfgegner: Der Unterschied zwischen der Ansteckung mit vielen, voll im Saft stehenden Viren ist zwar auch eine Impfung – aber eben eine mit voll im Saft stehenden, ganz, ganz vielen Vieren. Während die mit der Kanüle beim Arzt schlicht harmlos ist. Kann man sich vorstellen wie mit Wasser, ein Glas davon über ihren Kopf geschüttet macht Sie etwas nass. Mehrere Millionen Liter in einem Tsunami über ihren Kopf geschüttet …

    Aber wenn Sie selbst sich schon egal sind – was ich gut nachvollziehen kann -, denken Sie doch auch mal an jene, die aus sehr spezifischen Gründen [noch] nicht geimpft werden können. Kleinstkinder z.B. Aber vielleicht finden Sie es auch völlig i.O., wenn die an einer Grippe verrecken.

    PS: Grippe ≠ grippaler Infekt [vulgo: Erkältung].

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