Feiern auf dem simulierten Mars
Die Weihnachtsfeiertage sind vorbei, der Jahreswechsel ist vollzogen, und ich bin geradezu froh, dass die Woche voller Feierlichkeiten endlich vorbei ist. Bester Anlass für einen Post darüber, wie und was wir auf dem simulierten Mars eigentlich so feiern.
Die ersten Feiertage, an die man denkt, sind neben Geburtstagen natürlich Weihnachten und Neujahr.* Hier auf dem simulierten Mars haben wir sie jedenfalls gefeiert, auch wenn anfangs keine so richtige Weihnachtsstimmung aufkommen wollte. Es gab selbstgemachte Geschenke, die wir nach amerikanischer und französischer Tradition am Morgen des 25. ausgetauscht haben. Den Heiligabend verbrachten wir mit Essen und Brettspielen; am Nachmittag versuchten wir uns an (mehr oder weniger) kuppelförmigen Lebkuchenhabitaten. Irgendwo aus unserem Lager hatten wir sogar einen Miniaturweihnachtsbaum aufgetrieben, den wir mit selbstgebastelten Sternen und Schokoladenstückchen schmückten.
Links wird an Plätzchen gearbeitet, rechts am Lebkuchenteig.
Aber nicht für jeden von uns war Weihnachten der traditionelle Höhepunkt des Jahres: Zwei Wochen zuvor feierten wir den Beginn des Hanukka-Festes mit einem Dreidel und jüdischen Knabbereien. Dazu feierten wir – dank amerikanischer Mehrheit im Team – Ende November Thanksgiving. Auf ein Feiern des französischen elften November dagegen verzichtete Cyprien mir zuliebe (Ende des ersten Weltkriegs); den dritten Oktober habe ich schlicht verpasst.
Neben den Feiertagen, die sich in irdischen Kalendern wiederfinden, feiern wir auch unsere Missionsmeilensteine – zumindest manchmal: Den ersten Monat im Habitat beendeten wir noch mit einem Computerverbot nach 16 Uhr und einem geselligen Abend, an das zweite Monatsfest kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern, und der dritte und vierte Monat gingen mehr oder weniger unter, weil sie auf wenige Tage nach Thanksgiving bzw. Weihnachten fielen:Wir machten ein Gruppenfoto, davor und danach ging jeder seiner Wege. Dabei war gerade das Viermonatige ein wichtiger Meilenstein, denn so lange dauerte die erste der drei Missionen innerhalb der Studienreihe. Unser nächster großer Meilenstein wird unser Achtmonatiges sein, wenn wir unsere unmittelbaren Vorgänger eingeholt haben werden und zur längsten Simulation dieser Art auf amerikanischem Boden werden. Das wird Ende April sein und damit (hoffentlich) weit entfernt von anderen großen Feiertagen.
Der Polarforscher Shackleton, der als einer der Wenigen seine komplette Mannschaft lebend und gutgelaunt aus dem antarktischen Winter heimbrachte, legte übrigens großen Wert auf gemeinsame Feiern. Geburtstage, Feiertage, besondere Ereignisse – alles bot Anlass zu gutem Essen und gemeinsamen Aktivitäten. Wir dagegen essen zwar festlich an traditionellen Feiertagen wie Weihnachten oder Thanksgiving, den großen Rest des Tages aber verbringen wir unter anderem damit, unseren Angehörigen Videonachrichten aufzunehmen – jeder in der Abgeschiedenheit seines Zimmers natürlich.
Das finde ich auf der einen Seite schade, auf der anderen überrascht es mich nicht. Wir haben eine sehr starke, stabile Aufteilung in drei Paare, die wenig persönliche (das heißt nicht direkt missionsbezogene) Interaktion zwischen den Gruppen zulässt. Dazu kommt, dass wenn wir länger als einige Stunden Funkstille halten, Mission Support dazu neigt, in Panik auszubrechen. Und nicht zuletzt, wir feiern dort, wo wir uns ohnehin jeden Tag aufhalten, mit Menschen die wir ohnehin jeden Tag sehen, und mit den gleichen Fragebögen, die wir ohnehin jeden Tag ausfüllen. Da ist es schwer, eine Atmosphäre des Besonderen zu kreieren. Es gibt durchaus bei einigen den Wunsch, eine persönlichere Atmosphäre zu schaffen, aber ohne die aktive Mithilfe des Rests versanden Versuche in der Richtung sehr schnell.
Silvester war in der Hinsicht typisch: Wir spielten Brettspiele, von denen sich Carmel und Tristan gegen um 9 ins Bett verabschiedeten. Da es an dem Abend ziemlich kühl war, gingen Shey und Andrzej gegen halb 11 nach oben – allerdings nicht ins Bett, sondern um in Sheys Zimmer, wo es warm war, ein paar Computerspiele zu spielen. Nur Cyprien blieb mit mir bis Mitternacht im Gemeinschaftsraum und leistete mir vor unserem „Porthole“, unserem Fenster, Gesellschaft. Wir sahen die Milchstraße an, und hatten mangels Uhr keine Ahnung, wann Mitternacht eigentlich genau war. Zum Abschluss hatten wir noch das Glück eines marsgetreuen Feuerwerks – einer unglaublich langen und hellen Sternschnuppe am Nordhimmel.
Unser nächster Feiertag wird übrigens der „Grand Jour de la Tomate“ sein, der Tag, an dem wir unsere ersten, von Cyprien gesäten, winzigen Tomaten verspeisen werden. Es wird wie gewöhnlich ein Festmahl geben, aber während dieses Festmahls darf nichts Rotes außer den Tomaten anwesend sein. Der Rest des Tages dagegen wird ablaufen wie jeder andere Festtag zuvor: wie jeder andere Tag auf dem simulierten Mars.
* Könnte man diese irdischen Feiertage auch auf dem Mars feiern? Dieser auf den ersten Blick einfachen Frage liegt ein planetenmechanisches Problem zu Grunde: Marstage sind knapp 40 Minuten länger als Erdtage, und Marsjahre sind etwa 1,88 Erdjahre lang – auf dem Mars könnte man (fast) jedes irdische Fest zweimal im (Mars-)Jahr feiern. Das heißt aber auch, dass zum Beispiel Weihnachten jedes (Mars-)Jahr auf ein bzw. zwei andere Daten fallen würde. Umgekehrt fiele das Marsdatum der ersten Landung jedes (zweite) Erdjahr auf ein anderes Datum – man müsste sich entscheiden, ob man das Erddatum oder das Marsdatum der ersten Landung feiern möchte – oder gleich ganz auf einen Kalender umstellen, der auf Erde und Mars gleichermaßen gilt. Solange sich der “Mars” jedoch auf Hawaii befindet, haben wir diese Kalenderprobleme glücklicherweise (noch) nicht.
Dann wünsche ich nachträglich noch ein frohes, neues Erdenjahr aus dem endlich vereisten Norddeutschland.
Happy New Year,
auf die Sternschnuppen bin ich jetzt aber schon neidisch.
Keep the spirit up!
Jedi
Tolles Blog! Lese ich immer wieder gerne. War übrigens auch auf der TU Ilmenau und bin mächtig stolz auf dich!
Happy New Year Christiane!
Habs heut erst gesehen.