Raumfahrt für jedermann?

Bild: Zac Manchester, KickSat

Bei den meisten Raumfahrtprojekten sind wir leider nur wehmütig hibbelnde Zuschauer. Die großen Raumfahrtorganisationen haben sich in langen Jahren etwas ausgedacht und setzen das um, ohne dass der Otto-Normal-Verbraucher da großartig viel mitreden könnte. Mit etwas Glück gewinnt die eine oder andere Schulklasse ein Experiment auf der ISS, aber im großen und ganzen war’s das für uns “Normalos” meistens schon.

Bild: Zac Manchester, KickSat
Bild: Zac Manchester, KickSat
Das ändert sich allerdings so langsam. Vor gut zwei Jahren hatte ich bereits über “KickSat” gebloggt, ein Crowd-Sourcing-Projekt, das winzige Satelliten (“Sprites”) mit einer kurzen, personalisierten Funkbotschaft in den Orbit geschickt hat. Ein eigener Sprite mit eigener Botschaft kostete gerade mal 300 US-Dollar. KickSat war so erfolgreich, dass es inzwischen bereits in die zweite Runde geht. Die kleinen Satelliten sind dabei Teil der Payload bei NASAs “CubeSats Launch Intitiatve“.

Dem voraus gegangen war 2010 bereits der Versuch, kleine Satelliten aus Smartphones zu basteln. Meines Wissens gingen diese Minisatelliten jedoch bisher nur vereinzelt an den Start.

Spektrum der Wissenschaft schreibt dazu:

Aktuell befindet sich der Sektor in der besonders spannenden Übergangsphase von Forschung und Ausbildung hin zu kommerziellen Anwendungen. Denn die Bordelektronik wurde zuverlässiger; ebenso gelingt die Kontrolle von Lage und Umlaufbahn besser. Zusammen mit Standards für die Abmessungen und elektronischen Schnittstellen erreichen die Kleinstsatelliten so bereits einen beachtlichen industriellen Reifegrad.” (Quelle: http://www.spektrum.de/alias/kleinstsatelliten/winzlinge-im-orbit/1338238)

Inzwischen gibt es ein weiteres Projekt, das nicht nur den Orbit, sondern gar den Mond anvisiert: PocketSpacecraftwill be a Thin-Film Spacecraft / Lander / Rover ‘Scout’. These will be loaded by the thousand into an Interplanetary CubeSat Mothership which will fly to the body of interest, send out the Scouts to explore it, and relay their discoveries back to Earth and amongst each other.

Ohne näher auf die technischen Einzelheiten einzugehen, wird eines klar: Raumfahrt ist nicht mehr ausschließlich Sache der großen Raumfahrtorganisationen, sondern hat inzwischen – wenn auch in kleinem Maßstab – Schulen und Universitäten und nun sogar den einzelnen Bürger erreicht. Bisher sind die Missionen der Sprites und Taschenraumfahrzeuge noch relativ simpel, aber es ist absehbar, dass sich auch das ändern wird. Ich schätze, in ca. zehn bis fünfzehn Jahren können wir als Einzelpersonen schon weitgehend individualisierte Experimente konzipieren und ins All befördern. Webseiten wie DIY Space Exploration machen es selbst Laien leicht, da mit zu mischen. Aus der Perspektive von Wissenschaft und Bildung betrachtet ist das eine großartige Sache. Genau das macht es ein wenig schwer, den Aspekt anzusprechen, der mir bei aller Faszination doch immer öfter durch den Kopf spukt:

Ist das ökologisch? Ist das wirtschaftlich?

Für elektronische Bauteile (und nichts anderes sind diese Sprites etc.) werden seltene Erden benötigt. Deren Förderung ist in den allermeisten Fällen nicht gerade umweltschonend, und die Recyclingmöglichkeiten halten sich derzeit auch noch in Grenzen. Nun könnte man anführen, dass alleine für die Handyproduktion weltweit so viel kostbares Material vergeudet wird, dass es auf die paar Sprites auch nicht ankommt. Dennoch finde ich, dass man diesen Aspekt nicht ignorieren kann. “Tu quoque” ist ein denkbar schlechtes Argument, wenn wir uns ehrlich dem Umweltschutz verschreiben wollen.

Obendrein stellt sich die Frage nach dem Verbleib des Schrotts, der am Ende der Laufzeit auf dem Mond herumliegen wird. Ja, es mag merkwürdig klingen, aber unsere Raumfahrtaktivitäten bringen es mit sich, dass auch die Himmelskörper, die wir betreten, als Teil unserer Umwelt gelten müssen und wir die Pflicht haben, diese zu schützen. Ist es zu verantworten, dass wir unsere Raumfahrzeuge dort nun nicht nur vereinzelt, sondern in zunehmenden Mengen herumliegen lassen? Womöglich sogar kontaminiert? Faktisch ist das die gleiche Art von Umweltverschmutzung wie der alte Fernseher, der mal eben bei Nacht und Nebel neben der Autobahn entsorgt wird. Daran ändern auch die hehren wissenschaftlichen Ziele der Betreiber nichts, und auch nicht die Tatsache, dass Mond, Mars etc. unbewohnt sind.

Vor zwei Jahren schrieb ich noch “Die ersten 200 Sprites werden noch dieses Jahr im Rahmen einer NASA-Routinemission in den Orbit geschossen, und ich muss sagen: Ich wünschte, einer davon wäre meiner!” Inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher. Inzwischen glaube ich, ich würde als Individuum auf solche Einzelmissionen verzichten und mich bestenfalls größeren Gruppenprojekten anschließen. Aller Faszination zum Trotz.

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Ute Gerhardt hat nach dem Abitur einen B.A. in Wirtschaft, Sprachen und Politik an der Kingston University sowie eine Maîtrise in Industriewirtschaft an der Universiät Rennes abgeschlossen. Seit 1994 arbeitet sie in der Privatwirtschaft, derzeit im IT-Bereich. Ute hat zwei Kinder (*2005 und 2006) und interessiert sich neben Raumfahrt und Astronomie auch für Themen aus den Bereichen Medizin und Biologie.

7 Kommentare

  1. Das ist leider wie bei allem Anderen auch: solange es ein paar Leute machen und es dem Erkenntnisgewinn (und sei es nur die Erkenntnis, dass man so ein Projekt durchziehen kann) dient, ist alles OK. Wenn es aber zum Massenphänomen wird, muss man ganz andere Überlegungen mit einbeziehen (Rohstoffe, Ökologie etc.). Z.B. wenn es jemanden liebstes Hobby ist einen großen Pickup zu haben, er das Teil hegt und pflegt, soll er es gerne tun. Dafür macht er vielleicht andere Dinge nicht und so gleicht sich alles wieder aus. Wenn aber 20 von den Dingern die Einfahrt zur Schule verstopfen und Menschen an ihren Schreibtischen überfahren werden, sollte man über eine Regelung nachdenken.

    Das Problem ist nur, welche Kriterien setzt man für eine Regelung an?

    Das einfachste ist Geld: Man macht einfach eine Steuer oder Gebühr, in die man die negativen Auswirkungen (Weltraumschrott, Verschmutzung …) mit einpreist und setzt noch was obendrauf um die Anzahl der Menschen, die sich das leisten können zu begrenzen. Das ist natürlich auch maximal ungerecht, weil der reiche Schnösel, der seine Liebesbotschaft auf den Mond schicken will, es sich leisten kann, aber die kleine Studentengruppe, die vielleicht wirklich ein klasse Experiment hat, nicht weiß, wo sie das Geld herbekommen soll. Ausnahmeregelungen, die solche Fälle wieder auffangen, lassen dann ein bürokratisches Monster entstehen, das mehr Juristen beschäftigt, als es was nützt. (Außerdem fangen dann wieder alle an über die Grünen zu meckern, ob sie was damit zu tun haben oder nicht.)

    Oder man setzt eine Kommission ein, die jeden Fall bewertet und prüft. Innerhalb der Wissenschaft gibt es gute Erfahrungen (Etikkommission bei Tierversuchen und Humanexperimente). Aber für private Aktivitäten ist das schon schwieriger und man läuft Gefahr, wieder bürokratische Monster zu bauen, die Kreativität blockieren.

    An den gesunden Menschenverstand zu appellieren, funktioniert manchmal, aber kann schnell in die eine oder andere Richtung umschlagen (radikal aggressiv dagegen bis zu jetzt erst recht)

    Es ist, wie bei allem schwierig.

  2. Zu Kickstart und zum ganzen dahinterstehenden Konzept von “Femtosatelliten” habe ich auch mal etwas geschrieben, allerdings nicht unbedingt Positives. Dass das Kicksat-Projekt erfolgreich war, würde ich nicht unterschreiben. Nicht nur, weil der erste Versuch objektiv in die Hose ging. Wenn das Aussetzen der Sprites geklappt hätte, dann wäre wahrscheinlich viel mehr Leuten klar geworden, was für ein Hype um wie wenig technisches und wissenschaftliches Leistungsvermögen losgetreten worden ist. So aber hält sich noch ein gewisses positives Image einer vermeintlich guten Idee, die nur Opfer der widrigen Umstände wurde.

    Einer Idee, die heutzutage auf besondere Resonanz stößt, gilt doch alles, was klein und “billig” ist, per se und ungeprüft als gut und zukunftsträchtig. Besser als die alten, bösen “Großprojekte von gestern”. Oder so. Auch so eine Vorstellung, der ich nicht viel abgewinnen kann.

    Das Problem der Ressourcenverschwendung oder gar Umweltverschmutzung sehe ich jetzt nicht so. Alles muss objektiv zu rechtfertigen sein. Ein in die Landschaft geworfener Fernseher verschandelt nicht nur den Anblick und stört damit alle Anlieger. Er enthält auch scharfe Kanten und stellt ein Verletzungsrisiko für Mensch und Tier dar, und er enthält Schwermetalle, Kleber, Kunststoffe, die Organismen schädigen können.

    Auf dem Mond dagegen stellt sich keines der Probleme so dar. Erstens ist da niemand, der sich am Anblick stört. Und wenn dort eines Tages mehr Leute sein sollten, werden die alten Schrott als wertvollen Rohstoff sehen und sich darüber freuen. Zudem wird der Mond Tag für Tag von Tonnen Materials jeder Größe bombardiert, in dem im Prinzip auch sämtliche Elemente vorhanden sind, die in einer kaputten Raumsonde stecken. Eine Biosphäre ist dort nicht vorhanden, also kann auch keine geschädigt werden.

    (Nebenbei bemerkt: Dass sich nun wirklich jemand auf den Weg zum Mond macht und dort jede Menge Kleinstsonden hinterlässt, halte ich für die absehbare Zukunft für reichlich unwahrscheinlich.

    Femtosatelliten als Beipacknutzlast mit einerm Erdbeobachtungssatelliten in die niedrige Erdbahn zu schicken, ist eine Sache. Das lässt sich preiswert und ohre besonderes technisches Können machen. Aber zum Mond muss man erst einmal kommen. Das allein schafft nicht jeder, der eine Webseite aufmacht und ein Crowdfundingprojekt anleiert. Und wenn man im Mondorbit ist, muss man erst einmal landen. Das geht nicht so mal eben mit irgendwelchen Sprites in einem Cubesat. Dazu braucht man eine technisch leistungsfähige Landesonde.

    The Moon is a harsh mistress. Der kleinste Fehler wird gnadenlos abgestraft.

    Ein Himmelskörper wie Mars ist ein anderes Thema, das Hauptproblem dort ist die fahrlässige Einschleppung irdischer Mikroorganismen. Aber man darf deswegen auch keineswegs einfach mal so was zum Mars schicken, egal ob als institutioneller oder als privater Betreiber. Da gibt es immer einen Planetary Protection Plan, der sich nach dem bestehenden Regelwerk zu richten hat. Wer den nicht hat, oder wer nicht nachweisen kann, dass er die Regeln einhält, der darf auch sein Zeugs nicht starten.

  3. Danke für den ausführlichen Kommentar! 🙂 Stimmt, falls wir den Mond tatsächlich irgendwann besiedeln sollten (Wörner scheint in der Tat eine Mondbasis ins Auge zu fassen: http://www.space.com/29285-moon-base-european-space-agency.html), könnten diese Dinger natürlich als Rohstofflieferanten dienen, wenn passende Recyclingmöglichkeiten vorhanden sind. Das hatte ich nicht bedacht.

    Was die Landung auf dem Mond angeht, ist wohl eher eine Art Abwurf der Sprites geplant. PocketSpacecraft schreibt zu ihrem Projekt:

    “- We’ll then engage the motherships propulsion system and fly it and the Lunar Scouts on a Weak Stability Boundary (WSB) transfer (or similar) to an unstable Low Lunar Orbit (LLO). You’ll be able to track progress every step of the way (~6-12 months)
    – Once we arrive, we’ll release and photograph the Lunar Scouts and then they will land (at very high speed…) on the moon (~0-3 months)”
    (Quelle: http://pocketspacecraft.com/about/mission-to-the-moon/)

    Ich bin gespannt.

  4. Heutzutage schreibt jeder schnell mal hin: Man könnte mal dies oder man könnte mal das. Was am Ende wirklich umgesetzt wird, wird sich zeigen. Was im niedrigen Mondorbit ausgesetzt wird, schlägt ungebremst auf der Oberfläche auf, wenn die Bahn eine Exzentrizität aufgebaut hat. Die Impaktgeschwindigkeit ist dann über 1.7 km/s. Das sind über 6000 km/h. Wenn etwas aus der WSB ausgesetzt wird, schlägt es mit mehr als 2.3 km/s auf. Falls es aufschlägt, denn das Wesen einer WSB ist ja gerade, dass es nicht von vorneherein klar ist, wohin von dort aus die Reise geht.

    Wenn irgendwas mit 8500, 6000, oder auch nur 1000 Stukis oder deutlich weniger auf den Mond rumst, dann wird danach gar nichts mehr ausgesetzt.

    Auch das Funken über Entfernen von Tausenden von Kilometern mit niedrigen Frequenzen und Antennen mit Rundstrahlcharakteristik sollte man nicht einfach so als gegeben hinnehmen. Wirklich – auf der zitierten Webseite werden ein paar Buzzwords zusammengefasst und daraus einfach mal so ein Missionskonzept gewoben. Was soll’s. Die werden auch noch merken, dass das nicht gar so einfach ist.

    Jedenfalls denke ich, dass die Leute noch ziemlich weit davon entfernt sind, irgendwelchen Elektronikschrott im Sonnensystem zu deponieren. Viel weiter als die selbst meinen.

  5. “[…] dass die Leute noch ziemlich weit davon entfernt sind, irgendwelchen Elektronikschrott im Sonnensystem zu deponieren. […]” Herr Khan, da haben Sie echt was auf den Punkt gebracht.

  6. Zum Müllproblem: Es gibt ja bereits Müll im Raum. Allerdings meint man damit nicht Rückbleibsel der Raumfahrt auf dem Mond oder Mars, sondern die Müllwolke, die die Erde umkreist und damit Satelliten gefährdert. Schaut man sich die für das Pocket-Spacecraft vorgesehene Weak Stability Boundary (WSB) transfer – Bahn an, die in der Mond-Erde-Ebene (Ekliptik) liegt, die Mondbahn kreuzt und dann auf die Erde zusteuert, so könnte man sich vorstellen, dass die Wolke von Pocket-Spacecrafts den Mond verfehlt und dann als Wolke von Geschossen durch das Gebiet kreuzt, in dem heute hunderte von kommerziellen und Forschungssatelliten kreisen. Das ist zwar unwahrscheinlich, denn diese Wolke muss zuerst aus ihrem Mutterschiff freigesetzt werden. Man kann also den idealen Zeitpunkt für die Freisetzung wählen. Ganz ausgeschlossen ist dieses Szenario aber nicht.

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