Curiosity killed the… microbes?

Gestein auf dem Mars, NASA

Tantalos hätte seine helle Freude an dieser Meldung: Da hat man auf dem Mars Regionen entdeckt, die eventuell Spuren von Leben beherbergen könnten – und dann darf der Rover Curiosity nicht mal in deren Nähe.

Die Rede ist von den sogenannten Recurring Slope Lineae (RSL), zu Deutsch etwa “wiederkehrende Hanglinien”, die man seit ca. 5 Jahren auf dem Mars beobachtet. Das sind, wie der Name schon andeutet, dunkle Streifen an steilen Hängen auf dem Mars, welche periodisch verblassen und dann wiederkehren; zum Teil Hunderte von Metern lang und immerhin einige Meter breit. Die meisten dieser RSL wurden im Valles Marineris entdeckt. Insgesamt zählte man marsweit allerdings schon über 450. Die Forscher vermuten unter anderem, dass es sich dabei um Wasser handelt, welches bei Wärme taut und die Hänge hinab sickert, um bei Kälte wieder zu gefrieren. Es kommt eventuell aber auch Wasserdampf aus der Atmosphäre als Ursache für das Phänomen in Frage.

Sei es, dass man frühere Wasservorkommen nachweisen kann, sei es, dass sie aktuell noch vorhanden sind: Wasser in sämtlichen Aggregatzuständen ist bekanntlich ein entscheidendes Kriterium bei der Suche nach Leben oder dessen Überresten auf anderen Himmelskörpern. Alles prima, könnte man also denken. Wo ist denn bitte das Problem? Hier ein vielversprechendes Gebiet, dort ein Rover, der es analysieren könnte. Da kann man doch gleich mal graben gehen!

Ganz so einfach ist es aber leider nicht. Ähnlich wie bei Star Treks “Oberster Direktive” verbieten auch irdische Planetary-Protection Protocols, abgestuft nach Ziel und Art der Mission, Leben von der Erde auf anderen Himmelsköpern dauerhaft einzuführen, dortiges Leben zu verändern, zu stören oder gar zu vernichten. Genau das ist aber leider die Gefahr bei Curiosity: Er wurde seinerzeit nur teilweise sterilisiert. Vollständiges Sterilisieren hätte Strahlung erfordert, welche die Elektronik irreparabel beschädigt. Dass er nicht in die Nähe der Lineae darf, war natürlich von vornherein klar. Dass er sich aber, wie geschehen, unverhofft dennoch in der Nähe von ein paar Dutzend zumindest potenzieller RSL wiederfinden würde, ahnte bei den Vorbereitungen für die Mission niemand.

Ob die von Curiosity fotografierten Streaks nun tatsächlich RSL sind, muss sich erst noch herausstellen. Wenn dies jedoch der Fall sein und sich in den RSL auch nur Spuren von Leben befinden sollten, wäre es möglich, dass der kleine irdische Rover die Gegend unabsichtlich kontaminiert. Dafür müsste er nicht einmal direkt auf den RSL herumfahren, sondern es reicht eventuell schon aus, wenn er sich in der Nähe befindet und der Wind in die falsche Richtung bläst.

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass der Rover nach mittlerweile über vier Jahren auf dem Planeten überhaupt noch irdische Mikroben an sich hat? Wie wahrscheinlich wäre wiederum deren Übertragung durch zum Beispiel den Wind? Die Experten versuchen momentan, die Werte für diese Faktoren zu bestimmen und daraus die bestmögliche Strategie abzuleiten. Momentan erkundet Curiosity auf dem Weg zum Aeolis Mons die Murray formation, ca. 5 Kilometer von den nächsten potenziellen Streaks entfernt. Auf seinem bisher geplanten Kurs würde er ihnen allerdings bis auf zwei Kilometer nahe kommen. Möglicherweise also also zu nah für die Protection Protocols. Aus diesen Grund könnte es sein, dass der Rover demnächst zu einem Kurswechsel bzw. mehreren hundert Metern Umweg gezwungen ist. Diese Strecke klingt zunächst nach einem Klacks. Ein gesunder Mensch schafft das auch im Gebirge in relativ kurzer Zeit. Wenn man sich aber verdeutlich, dass Curiosity selbst auf topfebenen Strecken nur mit 0,14 km/h unterwegs ist und seit seiner Landung 2012 überhaupt erst ca. 14 Kilometer zurückgelegt hat, kann man sich vorstellen, dass die NASA alleine schon aus diesem Grund von einer Kursänderung nicht begeistert wäre.

Als sei das noch nicht genug, hat die Sache aber noch einen weiteren Haken: Nicht jeder Um- bzw. Ausweg kommt für den Rover in Frage. Leider kennt man derzeit nur eine wirklich gut befahrbare Strecke zu der Gruppe von Sulfatgesteinen, die er am Ende seiner Mission untersuchen soll. Denn mehr als 25% Steigung schafft Curiosity nicht, und seit einigen Jahren ist zudem eines seiner Räder beschädigt. Das stellt auf steinigen Pfaden ein weiteres Handicap dar.

Bei größtmöglichem Pech kann Curiosity sein eigentliches Ziel, auf das die Forscher seit Jahren hinfiebern, womöglich also überhaupt nicht mehr erreichen. Es bleibt wie immer spannend, und ich drücke die Daumen!

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Ute Gerhardt hat nach dem Abitur einen B.A. in Wirtschaft, Sprachen und Politik an der Kingston University sowie eine Maîtrise in Industriewirtschaft an der Universiät Rennes abgeschlossen. Seit 1994 arbeitet sie in der Privatwirtschaft, derzeit im IT-Bereich. Ute hat zwei Kinder (*2005 und 2006) und interessiert sich neben Raumfahrt und Astronomie auch für Themen aus den Bereichen Medizin und Biologie.

1 Kommentar

  1. The Mars Is a Harsh Mistress

    könnte man in Abwandlung eines bekannten Science-Fiction-Titels sagen. Denn die Marsoberfläche ist ständig starker (kosmischer und solarer) Strahlung ausgesetzt, fehlt doch dem Mars ein Magnetfeld und eine genügend dicke Atmosphäre (der Druck der Marsatmosphäre ist nur gerade 1/100 des Druckes der Erdatmosphäre.).
    Andererseits gibt es Lebensformen, die hart im Nehmen sind. Die Planetary Society berichtet jedenfalls über Versuche am DLR, die gezeigt haben, dass Flechten und Cyanobakterien den Bedingungen auf dem Mars eventuell gewachsen wären.

    Nun, spätestens wenn es eine bewohnte Marskolonie gibt, werden wir es wissen.

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