Sind Gedanken biologisch bedingt? (II) [1]

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In der Überschrift eines meiner Artikel steht: Gedanken sind nicht biologisch bedingt. Diese meine Behauptung ist falsch. „Bedingt“ sind sie durchaus biologisch: „Aber bedingen heißt nur, für die Möglichkeit des Bedingten unerläßliches Moment zu sein. Grundsein jedoch ist mehr, nämlich aus sich allein das Andere völlig zu konstituieren …“ (Hans Wagner, 127). Gewiß ist – neben vielem anderen – auch das, was die Biologie untersucht, etwa das physische neuronale Geschehen oder die Genetik, eine Bedingung für Gedanken. Wenn Naturalisten aber „biologisch bedingt“ sagen, meinen sie „Grundsein“, zureichender Grund zu sein. Sie meinen nicht eine Hervorbringung im Sinne einer Konstitution (das gäbe hier, wo das Hervorbringende etwas Physisches ist und das Hervorgebrachte ebenso, gar keinen Sinn), sondern eine Hervorbringung im materiellen Sinn, wie immer man sich das genauer denken mag. Diesen Glauben an eine vollständige Hervorbringung der Gedanken durch ein physisches-physiologisches Geschehen habe ich in dem Artikel unterstellt. (Die Überschrift ist trotzdem falsch.)

 

Die Kritik an der Behauptung, der Grund (im genannten Sinn) der Gedanken liege in der Biologie, wird im genannten Artikel nur im Hinblick auf einen unter mehreren Aspekten geführt, die da zu berücksichtigen wären, und es ist nicht der wichtigste Aspekt. Im Rahmen eines naturalistischen Gedankenspiels argumentiere ich, daß bestimmte Gedanken in „Systeme“ eingebunden sein könnten, die über ihre Möglichkeit oder Unmöglichkeit oder ihre Notwendigkeit entscheiden und die wenig oder keinen Spielraum lassen. Die Relevanz der biologischen Evolution bestünde dann nur noch darin, diese Systeme als ganze sozusagen der Spezies Homo sapiens zugänglich werden zu lassen (erklärbar z. B. dadurch, daß irgendein kleiner Teil des Systems einen Selektionsvorteil bringt). Die Gedanken, die in diesen Systemen möglich oder auch notwendig werden, existieren vorher nicht real – dazu müßten sie, den naturalistischen Voraussetzungen nach, tatsächlich gedacht worden sein –, aber doch der Möglichkeit nach. Was in dem System dann an bestimmten Gedanken alles möglich, notwendig oder umgekehrt ausgeschlossen ist, dazu trägt die Biologie nichts mehr bei – gemeint in dem Sinn, den folgendes Beispiel veranschaulich: Es liegt allein in dem System „Rechnen“ mit seinen Zwängen selbst, nicht z. B. an Selektionsvorteilen der speziellen Antwort (diese Vorteile gibt es nicht), daß auf die Frage 9 x 17 sich als der richtige Gedanke „ = 153“ einstellt, und es liegt auch nicht an etwas anderem, das Untersuchungsgegenstand der Biologie sein könnte.

Das System – Fähigkeitssystem könnte man vielleicht sagen – sollte im naturalistischen Gedankenspiel ein Naturding sein; man kann es sich, radikal naturalistisch, als ein neuronales System vorstellen; Gedanken sollen ja nichts sein als ein bestimmter Zustand desselben. Bestimmte Elektronen usw. können systembedingt nun einmal nur zu bestimmten Stellen transportiert werden und nicht zu anderen; kein Selektionsdruck kann daran etwas ändern (er könnte allenfalls das System als ganzes vernichten).

Die Grenzen des Naturalismus überhaupt wurden im Artikel abschließend mit Verweis auf die Ethik angedeutet: Aus der Tatsache, daß es dieses „Ding“, das Fähigkeitssystem, als ein Faktum gibt und daß es im Falle der Ethik bestimmte Gedanken (was zu tun, was zu lassen sei) hervorbringt, vielleicht sogar mit Notwendigkeit, folgt nicht, daß man diesen Gedanken folgen soll; das wäre ein Sein-Sollens-Fehlschluß.

 

Ich will hier wenigstens noch erwähnen, daß der Satz „Gedanken sind nicht biologisch bedingt“ in der unterstellten Bedeutung: sie haben ihren zureichenden Grund nicht in Biologischem, noch in einem anderen, fundamentaleren Sinn wahr ist:

Noch einmal, um Einwände, die garantiert kommen, gleich zurückzuweisen: Selbstverständlich sind sie, wie eben ausgeführt, biologisch bedingt in dem Sinne, daß zu den Bedingungen dafür, daß es überhaupt Gedanken gibt, biologische Organismen gehören. In diesem Sinne sind sie natürlich auch chemisch und physikalisch und soziologisch bedingt. Ein bestimmter Gedanke kann auch biologisch bedingt sein in dem Sinne, daß z. B. eine bestimmte biologische Neigung, ein Trieb, ein Gefühl (wie Durst, sexuelle Gier) die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß sich ein bestimmter Gedanke einstellt. Diese und viele ähnliche Einwände sind geschenkt, denn das bestreitet keiner. Ich will vielmehr an folgendes erinnern:

Gegenstände von Naturwissenschaften sind Phänomene. Auch wenn der radikale Reduktionismus recht hätte und es gelänge, kulturelle Phänomene vollständig auf biologische oder physikalische zu reduzieren: Es sind doch immer Phänomene, die da reduziert werden, z. B. das Phänomen, daß eine bestimmte Ideologie oder ein bestimmter Wissenschaftler-Einfall zu einer bestimmten Zeit und an bestimmtem Ort auftaucht; es sind Gedanken als Phänomene, die vom Naturalismus auf Biologie (oder Physik) reduziert werden. Bezogen auf Gedankeninhalte stellt sich die Frage der Reduzierbarkeit gar nicht. Gedankeninhalte für sich genommen sind nicht von einer Beschaffenheit, daß sie Gegenstand einer Objektwissenschaft sein könnten, so daß man dann von der Reduktion von der einen (z. B. Soziologie) auf eine andere (z. B. Biologie) sprechen könnte. Sie können im Universum von Objektwissenschaften („positive Wissenschaften“) schlechterdings nicht vorkommen. Sie sind keine Phänomene, und sie haben insbesondere keine raumzeitliche Existenz, sind also keine Gegenstände der Naturwissenschaft.

Gedanken sind immer Gedanken von Gegenständen, sie beziehen sich auf diese, und Gedankeninhalte (das in dem Gedanken Ausgesagte, Proposition) sind gültig oder nicht gültig für die jeweiligen Gegenstände, und zwar unabhängig davon, ob sie gerade in einem bestimmten Kopf gedacht werden oder nicht, unabhängig also davon, ob es Gedanken, deren Inhalt sie sind, als Phänomene gibt. Die Geltungsdimension entzieht sich einer Wissenschaft vollkommen, die sich auf das Sein bezieht, dessen Zustände sie untersucht; sie gehört zu den Bedingungen dieser Wissenschaft, nicht zu ihren Gegenständen. Ein Gedanke in seiner raumzeitlichen Faktizität (man mag ihn sich nun als zu einem körperlosen Geist, der durchs Schloß schwebt, gehörig vorstellen oder als nichts als ein neurophysiologisches materielles Geschehen) ist im Hinblick auf die Geltung des Gedankens (des Gedankeninhalts) völlig indifferent.[2]

Ein Gedanke im ersteren Sinne ist; ob er wahr oder nicht wahr ist (oder vielleicht sinnlos ist), ist ihm, wenn man allein diesen Gedanken betrachtet – und von demjenigen absieht, was seine Richtigkeit unabhängig vom Gegenstandsbezug ausmacht, nämlich daß er bestimmten, „logisch“ genannten Bedingungen genügen muß –, auf keine Weise anzumerken. Darüber, ob ein bestimmter faktischer Gedanke wahr ist, entscheidet das neuronale Geschehen nicht allein. Es hängt vielmehr von dem Gegenstand ab, der ganz außerhalb des Gedankens liegt – er muß ihn „treffen“. Der richtige Gedanke „dies ist ein Haus“ – Gedanke als ein in Raum und Zeit vorhandenes Faktum verstanden, ob man dieses Faktum nun naturalistisch auf Neurophysiologie reduziert oder nicht – ist von dem falschen Gedanken „dies ist ein Haus“ nicht zu unterscheiden. Nehmen wir, weil es dann anschaulicher wird, den Naturalisten die radikalen Reduktionsphantasien ab: Ein Gedanke ist nichts als eine Konstellation von physischen Dingen (Nervenzellen, Elektronen usw.). Diese Konstellation ist in dem wahren Gedanken „dies ist ein Haus“ vollkommen identisch mit der Konstellation in dem falschen Gedanken „dies ist ein Haus“. Der Unterschied liegt allein darin, daß sich der falsche Gedanke auf etwas außer ihm Befindliches bezieht, das kein Haus ist. Diese Intentionalität ist es, die einer Objektwissenschaft nicht zugänglich ist. Man wird vielleicht einwenden, daß die empirische Wissenschaft ja nachsehen könnte, ob da wirklich ein Haus ist – also nicht die Neurophysiologie, aber doch die empirische Wissenschaft überhaupt die Wahr-Falsch-Unterscheidung treffen könnte. Doch nehmen wir einen anderen Gedanken: Du sollst nicht töten. Die Wahrheit(Richtigkeit) dieses Gedankens läßt sich nicht empirisch überprüfen. Und man muß bedenken, daß das Denken nicht nur eine bestimmende Funktion hat, sondern auch eine konstituierende: Es liegt am jeweiligen Denken als ein System, was in seiner jeweiligen Welt ein Haus ist und ob es im Rahmen dieses Denkens überhaupt Häuser gibt.

Insofern ist mit dem Denken, d. h. der Gegenstandbezogenheit und der damit gegebenen Geltungsdimension, historisch, in der biologischen Evolution, etwas fundamental Neues entstanden, zu dem Objektwissenschaften, die diese historische Entstehung erforschen, keinerlei Zugang haben. Sie setzen es vielmehr voraus. Denn beim Betreiben dieser Wissenschaften muß man ja denken und das heißt: Auch wenn man nur Zustände untersucht, bezüglich derer natürlich die Frage wahr-falsch sinnlos ist, so besteht die Wissenschaft doch darin, Gedanken über diese Zustände zu erzeugen, und diese Gedanken unterliegen damit der Geltungsdifferenz, sonst wären sie keine Gedanken. Sie können (u. a.) wahr und falsch sein und sie sollen, das liegt in der Definition von Wissenschaft, wahr sein. Für diese Wissenschaften, die Objektwissenschaften, gehört das Denken (nicht in seiner Faktizität, sondern hinsichtlich der Geltungsdimension) zu den von ihnen selbst unhinterfragbaren Voraussetzungen ihrer selbst.

Denn es sind eben Objektwissenschaften, nicht Reflexionswissenschaften. Die Wissenschaft bleibt unvollständig, wenn sie nur auf die Gegenstände in der „Welt“ blickt und nicht auch auf das, was da blickt, nämlich die Wissenschaft selbst (oder auf die Wissenschaft betreibenden Subjekte), und wenn sie nicht bedenkt, was daran das Wesentliche ist: als ein Geschäft des Denkens wahre Gedanken hervorzubringen. Sie kann nicht den zureichenden Grund des Denkens herausfinden (und darum geht es hier ja: das Funktionieren materieller Systeme wird als zureichender Grund behauptet), wenn sie nicht das Wesentliche des Denkens bedenkt. Das Wesentliche besteht darin, nicht zu den Zuständen der Welt zu gehören, sondern eine Weise der Bezogenheit auf die Welt zu sein. Es ist eine Bezogenheit, die konstitutiven Charakter hat (die Gegenstände werden dem denkenden Subjekt von eben diesem in einer durch dessen Struktur bestimmten Beschaffenheit gegenübergestellt) und bestimmenden Charakter hat (dies ist ein Haus, nicht eine Hütte).

Die Objektwissenschaften insgesamt machen also nur die halbe Wissenschaft aus. Sie untersuchen die (Dinge in der) Welt, die sie sich gegenüberstellen, und sie untersuchen sie so, wie sie diese sich gegenüberstellen; sie erzeugen Gedanken über sie, können aber definitionsgemäß nicht die Bedingung erkennen, die diese ihre Tätigkeit notwendig hat, nämlich daß da etwas sein muß, das Gedanken erzeugt. Man nennt es herkömmlicherweise Subjekt. Dies zu erforschen ist nur reflexiv möglich. D. h., das Subjekt muß nicht nur über die Welt und das darin als seine Gegenstände „Gesetzte“, sondern auch über sich als Subjekt, das diese Akte ausführt, nachdenken. (Dazu gehört auch: Die Wissenschaft muß auch über sich als Wissenschaft, diese aber nicht als Objekt genommen, nachdenken). – Solange die Objektwissenschaft über Dinge spricht, die in der Welt sind und ihrerseits nicht intentionalen Charakter haben, ist es problemlos, daß sie halbierte Wissenschaft ist. Aber wenn sie über etwas spricht, das sein Wesen in der Bezogenheit auf Gegenstände hat, also über Gedanken, und doch als Objektwissenschaft den Anspruch vollständiger Erklärung erheben will, überhebt sie sich.

Hier steht die Objektwissenschaft Biologie (und stehen auch die „positiven“ Kulturwissenschaften) vor einem Graben, über den sie nicht springen kann. Sie kann Denken und Gedanken immer nur als Fakten kennen (und dann auf den Glauben verfallen, sie ließen sich vollständig auf Fakten anderer Art, auf ein physikalisches-physiologisches Geschehen reduzieren). Sie kann Denken als Vorgang, Gedanken als Zustände kennen, aber nicht Denken und Gedanken in ihrer Gegenstandsbezogenheit, denn das impliziert, daß es/sie wahr, falsch, sinnlos sein können. Vorgänge oder Zustände können das nicht.

 

Zitierte Literatur

Krijnen, Christian 1999: Tiere ohne Rechte und Menschen mit Pflichten. In: Joerden, J. & B. Busch: Tiere ohne Rechte? Springer, 83-99.

Wagner, Hans 1959: Philosophie und Reflexion. Reinhard-Verlag, München, Basel.

 

 

[1] Vorweg eine Anmerkung zu meiner persönlichen Situation: Ich habe schon seit Monaten in diesem Blog nichts mehr geschrieben. Der Grund ist, daß ich erkrankt bin, viel Zeit in der Klinik verbringe und nicht mehr so recht arbeitsfähig bin. Nun will ich mich aber doch mal wieder melden. Daß es jetzt so weiter geht, kann ich allerdings nicht versprechen.

[2]„Es ist dieses Moment der Geltungsdifferenz, das für den ‚naturalistischen’ Standpunkt, der der Standpunkt der Naturwissenschaften als Denken in direkter Gegenstandszuwendung (intentione prima et recta) ist, eine prinzipiell unüberwindbare Hürde bildet. Denn für das naturwissenschaftliche Denken ‚sind’ Gedanken eben nur Seiendes (Gedanken, Zustände, Prozesse, Gesetzlichkeiten usf.). Aber als Seiendes unterscheiden sich gültige von ungültigen Gedanken gar nicht. Sie ‚sind’ vielmehr beide – und schon die Leugnung dieses Gedankens würde seine Geltung beweisen“ (Christian Krijnen 1999).

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Ich habe von 1969-1973 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der FU Berlin Biologie studiert. Von 1994 bis zu meiner Emeritierung im Jahre 2011 war ich Inhaber des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der Technischen Universität München. Nach meinem Studium war ich zehn Jahre lang ausschließlich in der empirischen Forschung (Geobotanik, Vegetationsökologie) tätig, dann habe ich mich vor allem mit Theorie und Geschichte der Ökologie befaßt, aber auch – besonders im Zusammenhang mit der Ausbildung von Landschaftsplanern und Landschaftsarchitekten – mit der Idee der Landschaft. Ludwig Trepl

36 Kommentare

  1. Ludwig Trepl, @ fagalo:

    Ich meinte schon die gesamte Leibniz’sche Lehre, aber die konzentriert sich eben in der Schrift von 1714. Sie sagen, sie habe „in der Geschichte der Philosophie meines Wissens keine Schule gemacht“. Nicht so sehr in der Philosophie, das ist richtig, aber in der gesamten Geistesgeschichte war die Wirkung gewaltig, ich habe ja geschrieben, wo überall, und was ich da genannt habe, war nicht alles.

    „Das hat eindeutig mit diversen intellektuellen Zumutungen dieser Lehre zu tun. Vor allem die „Fensterlosigkeit“ der Monade, die Abwesenheit von Kausalität zwischen der Seelen- und der Körperwelt, die Vorstellung, dass jede Monade, auch wenn sie mit verschiedenen Bewusstseinsgraden begabt ist, das gesamte Universum widerspiegelt – diese und noch weitere Aspekte dieser Lehre sind hochgradig kontraintuitiv und geben den Anschein, die konstruierte Lösung für einen umfassenden Komplex logisch-metaphysischer Probleme zu sein. Sie fügen sich nicht in unsere Welterfahrung, sondern entfalten ihre Überzeugungskraft erst vor dem Hintergrund eines ganz bestimmten wissenschaftlich-philosophischen Problemhorizonts.“

    Da eben irren Sie sich, und genau deshalb habe ich Ihnen geraten, sich damit zu befassen. Eine intellektuelle Zumutung ist sie in der Tradition des „fortschrittlichen“, also einerseits des empiristischen Denkens, andererseits des cartesianischen Rationalismus. Davon abgesehen gilt das Gegenteil. Der „ganz bestimmte wissenschaftlich-philosophische Problemhorizont“, von dem die Gedanken der Monadologie ihre Überzeugungskraft entfalten, ist nicht irgendeiner: Seit 2000 Jahren, seit sie christlich ist, denkt unsere Kultur die entscheidenden Dinge – was ein Individuum ist, wie das Besondere, das Individuum, mit dem Allgemeinen (dem Gesetz, dem Kosmos …) zusammenhängt, usw. auf eine Weise, die eben die Fensterlosigkeit der Monaden, oder „dass jede Monade, auch wenn sie mit verschiedenen Bewusstseinsgraden begabt ist, das gesamte Universum widerspiegelt und noch weitere Aspekte dieser Lehre“, in der Weise, die Leibniz sozusagen modernisiert hat. Und da ist das alles keineswegs „kontraintuitiv“, vielmehr das unmittelbar Einleuchtende. Kontraintuitiv ist da im Gegenteil das, was das materialistische, atomistische, mechanische Weltbild für einleuchtend hält. Lesen Sie irgend etwas aus dem gegenaufklärerischen Spektrum, ob das nun lebensphilosophische Weltanschauungsliteratur ist oder eine päpstliche Enzyklika unter dieser Perspektive, und Sie werden es sehen. Oder denken Sie einfach daran, was man – Sie auch –, unter „Seele“ versteht, dann sehen sie sofort, daß dieses uralte und durch die Gegenaufklärung erneuerte Weltbild auch heute noch in jedem Kopf ist, wenn auch nicht alleine.

    „Man muss sich nicht alles neu ausdenken, aber dennoch dann, wenn eine neue Theoriesituation es erfordert, neu denken, und das kommt dem Ausdenken ziemlich nahe.“

    Ja schon, ich will Ihnen natürlich nicht ausreden, ihre Gedanken ausgehend von der neuen Theoriesituation auszuarbeiten, es geht ja nicht, daß Sie Aristoteles oder Leibniz oder Klages einfach abschreiben, nur weil Ihnen das ähnlich dem vorkommt, was Sie ist Sinn haben an Szientismuskritik. Aber wie man an Obigem sieht, schätzen Sie die neue Theoriesituation falsch ein, wenn Sie die alte ignorieren.

  2. Balanus, @Ludwig Trepl

    »Durch das „zumindest“ wollen Sie sich die Tür offenhalten, zurückzukehren zu dem, was Ihnen lieber wäre: vielleicht ist da doch nichts weiter als das Feuern der Neuronen. Das hieße aber: Es gibt keine Gedanken. Denn es gibt ja nur feuernde Neuronen. «

    Andererseits sagen Sie ja selbst, dass Gedanken biologisch bedingt sind. Es sind ausschließlich biologische Strukturen, die Gedanken hervorbringen können. Und zwar mitsamt ihrer Inhalte und Geltungsdimension (was wäre ein Gedanke ohne Inhalt?). Dass man die Geltungsdimension nicht messen kann, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es für deren “Existenz” keine natürliche oder plausible Erklärung gäbe.

    »Die „Welt“ der Bedeutungen liegt außerhalb dessen, was für Naturwissenschaften die Welt ist und nur sein kann. Und als Menschen leben wir nicht weniger in einer symbolischen Welt als in einer physischen.«

    Wer wollte das bestreiten. Wenn z. B. ein Hund mit dem Schwanz wackelt, dann hat das eine bestimmte, kontextabhängige Bedeutung. Viele Verhaltens- und Lautäußerungen der Tiere haben ganz bestimmte Bedeutungen für die Artgenossen. „Bedeutung“ als solche ist keine Erfindung des Menschen, der hat lediglich den Begriff erfunden für ein beobachtetes Naturphänomen. Was aber nur der Mensch kann, ist, beliebige Zeichen mit einer bestimmten Bedeutung zu versehen. Vereinbarungen über die Bedeutung solcher Zeichen sind selbstredend nicht Gegenstand der Naturwissenschaften. Spricht das allein schon gegen naturalistische Auffassungen?

  3. Ihr Sprachgebrauch ist da etwas ungewöhnlich.

    Das mag sein. Sie verwenden “Gedanke” oder “Proposition” so wie der Mathematiker von “Theorem” oder “Satz” spricht. Wenn ich “Gedanke” schreibe oder lese, dann meine ich damit entweder den Vorgang oder den Inhalt – je nach Zusammenhang. Wenn ich den Inhalt meine, dann meine ich die Aussage oder Proposition im logischen Sinne.

    Der wahre und der falsche „Gedanke“ „es regnet“ sind dann nicht nur „prima facie dasselbe“, sondern für alle Zeiten.

    Mit dem “prima facie” wollte ich etwas anderes andeuten: Nämlich, dass es alles andere als glasklar ist, was die Aussage überhaupt bedeutet, A und B hätten denselben Gedanken. Wenn etwa Student A im Seminar 1 sitzt, in dem gerade die natürlichen Zahlen besprochen werden, und sich “1 + 1 = 2” denkt, während Student B im Seminar 2 sitzt, in dem gerade im Restklassenring modulo 4 gerechnet wird und der sich ebenfalls “1 + 1 = 2” denkt – beides übrigens Sätze, also wahre Aussagen –, denken die dann den selben Gedanken?

    Das muss man dann wohl aushandeln.

    Zurück zu Ihrem vorletzten Kommentar. Sie schrieben:

    Und doch seien die beiden Gedanken als Gedanken völlig verschieden: der eine ist wahr, der andere falsch.

    1. Ich möchte auf Ihren Sprachgebrauch hinweisen: Sie schreiben jetzt selbst explizit von wahren und falschen Gedanken – genau wie ich.

    2. Für mich sind das keine verschiedenen Gedanken, sondern verschiedene Weltzustände A und B. In A ist der Gedanke wahr und in B ist er falsch. In A ist der Gärtner der Mörder in B nicht.

    3. Wenn es keine verschiedenen Gedanken sind, dann kann es nicht zu Lasten einer Naturwissenschaft gehen, wenn sie genau diesen Umstand als Ergebnis präsentierte.

    Und nun wieder zum letzten Kommentar:

    Wohl aber bekommt man auf diese Weise [Befragung des Geistes als Gegensatz zur “Spannungsmessung” an Neuronen], und nur auf diese Weise, und nicht durch empirische Forschung, heraus, daß Aussagen überhaupt einen Wahrheitswert haben.

    Das ist für mich schwierig zu verstehen. Ist das jetzt gemeint in Abgrenzung etwa zu anderen nicht-wahrheitswertigen sprachlichen Formen wie etwa der Aufforderung (“Bitte verlassen Sie das Haus!”)? Oder ist das gemeint in Abgrenzung zu unbestimmten oder Aussagen, denen (wiederspruchsfrei) kein Wahrheitswert zugeordnet werden kann? Beides bekommt man doch
    völlig unabhängig von Geist und von Neuronen heraus.

  4. Danke, @fegalo, für den Versuch, mir den Begriff „Grundsein“ verständlich zu machen. Herr Trepl hat ja sich inzwischen dazu geäußert.

    Einerseits gebe ich gerne zu, dass das Denken Momente enthält, wie Sie schreiben, die wir nicht auf das Physische zurückführen. Wenn mich z. B. ein Satz tief berührt, dann begründe ich das meinem Gegenüber nicht mit bestimmten Hirnprozessen, die von der Wahrnehmung des Satzes ausgelöst wurden, sondern eben inhaltlich.

    Dessen ungeachtet bin ich mir aber bewusst, dass da nichts weiter ist als das Feuern der Neuronen. Zumindest lässt sich mit naturwissenschaftlichen Mitteln nichts anderes feststellen. Im Gegenteil, alles deutet darauf hin, dass mit dem Feuern der Neuronen der subjektive Erlebnisinhalt des Gedankens oder Satzes vollständig erklärt werden kann.

    Vielleicht ist es tatsächlich falsch, hier von unterschiedlichen Beschreibungsebenen (Inhalte vs. Physis) zu sprechen, wie ich das getan habe. Aber mir fällt kein besserer Begriff ein für das Faktum, dass es keinen Gedanken (physisch) ohne Inhalt (mental) gibt, beides also aufs Innigste zusammenhängt. So, wie es z. B. keine Meeresbrandung ohne Wasser gibt. Wir könnten nicht über die Brandung reden, wenn es kein Wasser (H2O) gäbe.

    Es geht mir also nicht um das merkwürde Konzept mit der Emergenz, sei sie nun schwach oder stark. Die Brandung emergiert (nach meinem Verständnis) nicht aus dem Verbund der Wassermoleküle. Dass ein Gehirn zum Denken befähigt ist, liegt schlicht an seiner Organisationshöhe und den zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten der Natur. Und dass das Subjekt Gedanken subjektiv erleben kann, liegt ebenfalls an der spezifischen Organisation seines Gehirns. So zumindest denkt sich das der Naturalist, muss er sich das denken, weil es keine evidenzbasierte Hinweise auf geistige Kräfte oder eine echte mentale Verursachung gibt.

    Der sieht also das Gehirn als ein komplexes System mit bestimmten Eigenschaften, die notwendigerweise entstanden sind durch das geordnete und wechselseitige Zusammenwirken seiner Systemkomponenten.

    » „Wenn man die Moleküle nur in der richtigen Weise anordnet, fängt Denken an“ «

    Ist es denn anders? Was passiert denn sonst im Laufe der Ontogenese? Alle neu hinzukommenden Moleküle werden so in das Gesamtsystem integriert, dass die Prozessstrukturen erhalten bleiben. So funktioniert Leben. Teleonom. Nur bei Vorliegen höherer komplexer Hirnprozesse kann vom Ende, von einem Ziel her, also teleologisch gedacht werden.

    • Ludwig Trepl, @ Balanus:

      „…daß das Denken Momente enthält, wie Sie [fegalo] schreiben, die wir nicht auf das Physische zurückführen. Wenn mich z. B. ein Satz tief berührt, dann begründe ich das meinem Gegenüber nicht mit bestimmten Hirnprozessen, die von der Wahrnehmung des Satzes ausgelöst wurden, sondern eben inhaltlich.“

      Wenn Sie meinen, daß ein Satz logisch falsch ist, begründen sie das auch nicht mit bestimmten Hirnprozessen, sondern „inhaltlich“: Sie zeigen die Fehler durch Verweis darauf, was die Logik fordert.

      „Dessen ungeachtet bin ich mir aber bewusst, dass da nichts weiter ist als das Feuern der Neuronen.“
      Dann knicken Sie so ein:
      „Zumindest lässt sich mit naturwissenschaftlichen Mitteln nichts anderes feststellen.“

      Das sind zwei völlig verschiedene Aussagen. Mit einer Brille kann man sehen, aber nicht hören. Dennoch „ist“ da vielleicht doch noch etwas anderes als Sichtbares, nämlich Geräusche, die lassen sich nur mit dem optischen Gerät nicht finden. Das wissen Sie, und darum rücken Sie wieder von ihrer Behauptung ab. Durch das „zumindest“ wollen Sie sich die Tür offenhalten, zurückzukehren zu dem, was Ihnen lieber wäre: vielleicht ist da doch nichts weiter als das Feuern der Neuronen. Das hieße aber: Es gibt keine Gedanken. Denn es gibt ja nur feuernde Neuronen. Da Gedanken (s.u.) etwas anderes sind als feuernde Neuronen – entfernt analog zu: Zahlen sind etwas anderes sind als das Gezählte –, bestreiten Sie die Existenz von Gedanken mit Ihrem „nichts weiter“.
      Es gibt aber Gedanken, Sie selbst haben heute schon welche gehabt. Sie wünschen sich nur, daß das keine waren, sondern feuernde Neuronen. Durch die empirische Wissenschaft ist das nicht zu zeigen, die Wissenschaft insgesamt, die auch weiß, was logisch möglich ist, kann aber zeigen, daß es falsch ist. Aber Sie hätten das halt gern.

      Ich hab’ schon öfter versucht, Ihnen zu erklären, daß Gedanken etwas anderes sind als Zustände (gar von etwas Physischem) , aber Sie haben es wohl überlesen. Ich versuche es noch mal.

      Nur zur Lockerung: Ein Hakenkreuz auf einer deutschen Fahne bedeutet etwas Bestimmtes. Ein physisch exakt gleiches Hakenkreuz auf einem indischen Teppich bedeutet auch etwas, aber etwas ganz anderes. Alle Naturwissenschaften zusammen können endlos lang untersuchen: für sie sind die Zeichen exakt gleich – als physische Dinge; aber als Zeichen sind sie es nicht. Zeichen sind aber keine naturwissenschaftlichen Gegenstände. Nun wieder zu den Gedanken:

      Es gebe einen Gedanken, sagen wir „Der Mörder ist der Gärtner“. Es gibt ihn ganz real im Hirn des Kommissars. Und es gibt einen zweiten Gedanken: „der Mörder ist der Gärtner“. Den gibt es auch irgendwo ganz real. Für die Naturwissenschaften sind das exakt gleiche Gedanken, in der Welt, in der es keine Gedanken, sondern nur feuernde Neuronen gibt, ist auf keine Weise ein Unterschied festzustellen. Ja, für andere empirische Wissenschaften, die nicht materielle, sondern geistige Phänomene, aber eben doch Phänomene untersuchen, z. B. die als empirische Wissenschaft betriebene Psychologie, ist es auch nicht anders. (Auf den Unterschied materiell-geistig kommt es hier also nicht an, das wäre ein ganz anderes Thema.) Und doch seien die beiden Gedanken als Gedanken völlig verschieden: der eine ist wahr, der andere falsch. Die „Welt“ der Bedeutungen liegt außerhalb dessen, was für Naturwissenschaften die Welt ist und nur sein kann. Und als Menschen leben wir nicht weniger in einer symbolischen Welt als in einer physischen. – Das ist jetzt grob vereinfacht, man müßte insbesondere über den Unterschied zwischen Symbolen im Sinne von Peirce (wo die Bedeutungen „rein verabredet“ sind), und solchen Zeichen, die sich auf physische Verbindungen stützen (Rauch-Feuer), eingehen. Aber ich hoffe, es hilft, die Kluft zu erkennen, die Ihnen nicht in den Kopf will.

      • @Ludwig Trepl

        Es gebe einen Gedanken, sagen wir „Der Mörder ist der Gärtner“. Es gibt ihn ganz real im Hirn des Kommissars. Und es gibt einen zweiten Gedanken: „der Mörder ist der Gärtner“. Den gibt es auch irgendwo ganz real.

        Ist das ein zweiter Gedanke oder ist es derselbe, nur von einem zweiten gedacht? Die Lesung in Hamburg und die in Berlin waren zwei Lesungen, auf denen derselbe Roman dargeboten wurde.

        Für die Naturwissenschaften sind das exakt gleiche Gedanken, in der Welt, in der es keine Gedanken, sondern nur feuernde Neuronen gibt, ist auf keine Weise ein Unterschied festzustellen.

        Wenn es derselbe Roman ist, der dargeboten wurde, wäre es doch nicht erstaunlich, wenn “die” Naturwissenschaften (jetzt unterstellt, Gedanken sind doch einer ihrer Gegenstände??) zu eben diesem Ergebnis kommt, obwohl die Lesungen unterschiedlich lang dauern und die Darbietungen in Hamburg und Berlin z.B. nicht akustisch identisch sind.

        Und doch seien die beiden Gedanken als Gedanken völlig verschieden: der eine ist wahr, der andere falsch.

        1. Ich verstehe nicht, was “Gedanke als Gedanke” bedeuten soll.

        2. Nach meinem Sprachgebrauch umfasst der Gedanke(inhalt) “Es regnet.” nicht einen ihmzuordenbaren Wahrheitswert. Insofern denken der im Regen stehende A, der “Es regnet.” denkt, und der B, bei dem es nicht regnet, und der ebenfalls “Es regnet.” denkt, prima facie dasselbe.

        3. Der Wahrheitswert der Aussage “Es regnet.” lässt sich weder durch Befragen des Geitstes noch durch Vermessen von Neuronen des Denkenden ermitteln. Ob es regnet, ist eine meteorologische Fragestellung, dazu muss man aus dem Fenster schauen. Und das, was man dort sieht oder nicht sieht, ist doch gar nicht Bestandteil des Individuums und daher ist es auch nicht verwunderlich, dass man es in ihm auch nicht findet.

        man müßte insbesondere über den Unterschied zwischen Symbolen im Sinne von Peirce (wo die Bedeutungen „rein verabredet“ sind), und solchen Zeichen, die sich auf physische Verbindungen stützen (Rauch-Feuer), eingehen.

        Inwiefern?

        • Ludwig Trepl, @ Ano Nym:

          „1. Ich verstehe nicht, was “Gedanke als Gedanke” bedeuten soll.
          2. Nach meinem Sprachgebrauch umfasst der Gedanke(inhalt) “Es regnet.” nicht einen ihm zuordenbaren Wahrheitswert. Insofern denken der im Regen stehende A, der “Es regnet.” denkt, und der B, bei dem es nicht regnet, und der ebenfalls “Es regnet.” denkt, prima facie dasselbe.“

          Das versuche ich ja dauernd zu sagen. Als Gedanke, als Gedankeninhalt „umfaßt“ der Gedanke einen Wahrheitswert. Propositionen haben das nun mal an sich, sonst sind sie keine. Ihr Sprachgebrauch ist da etwas ungewöhnlich. Als raumzeitliches Faktum – als physisches Gebilde aus „feuernden Neuronen“, wenn man die Metaphysik der szientifischen Naturalisten zugrundelegt – „umfaßt“ er keinen Wahrheitswert, weil der Gedanke dann nur ein Zustand ist. Zustände sind nicht wahr oder falsch. Der wahre und der falsche „Gedanke“ „es regnet“ sind dann nicht nur „prima facie dasselbe“, sondern für alle Zeiten. Sie sind es auch, wenn man sie nicht auf Physisches reduziert, sondern als „Geistiges“ stehen läßt, aber eben auch als raumzeitliches Faktum nimmt.

          Dann sagen Sie noch etwas darüber, wie man die Wahrheit von „es regnet“ feststellt. Das hat ja keiner bestritten. Durch „Befragen des Geistes“ bekommt man das selbstverständlich nicht heraus, wohl aber – wenn auch das Wort „Geist“ dafür unpassend ist, aber ich verstehe schon, was Sie meinen. Wohl aber bekommt man auf diese Weise, und nur auf diese Weise, und nicht durch empirische Forschung, heraus, daß Aussagen überhaupt einen Wahrheitswert haben.

          Bei der Unterscheidung zwischen zwei Arten von Zeichen fragen Sie „inwiefern?“ Ich habe das nur geschrieben, damit nicht der Einwand kommt: aber es gibt doch Zeichen, bei denen irgendwie eine physische Kausalität zugrunde liegt.

  5. @ Ludwig Trepl

    »Der typische szientifische Naturalist eben. Den habe ich schon mehrmals in diesem Blog mit einem Zitat von Geert Keil charakterisiert: «

    Ja, stimmt.

    Das hatte ich wohl ausgeblendet, denn es fällt mir nach wie vor schwer zu glauben, dass der szientifische Naturalist meint, man könne mit naturwissenschaftlichen Methoden eine Bewertung von Gedankeninhalten vornehmen.

    Wenn man sagt, dass naturwissenschaftlichen Methoden „überall angewandt werden“ können, dann kann sich das doch nur auf die Naturphänomene beziehen. Subjektive Erlebnisinhalte, moralische Pflichten oder zugeschriebene Rechte gehören nicht zu den von außen beobachtbaren Naturgegenständen.

    Es wird (bei Geert Keil) am Ende ja auch eingeschränkt: Die naturwissenschaftlichen Methoden können nur Wissen über Dinge verschaffen, über die es „überhaupt etwas zu wissen gibt.“ Über meine subjektiv erlebten Gedankeninhalte kann sich niemand Wissen verschaffen, also können sie nicht mitgemeint sein, wenn es heißt, naturwissenschaftlichen Methoden „können überall angewandt werden“.

  6. „Grundsein“

    Ludwig Trepl schreibt:

    » …wie das gemeint ist mit dem Grundsein. Um absolutes Wissen zu haben, darf man nicht auf Objekte der Erfahrung sehen, sondern es muß das Denken sich reflektierend auf sich selbst zurückwenden.«

    „Grundsein“ ist offenbar ein philosophischer Fachbegriff.

    Wenn man auf Google Scholar nach diesem Begriff sucht, erscheinen unter anderem Sätze wie diese:

    „Das Existierende ist als Selbst solcher Grund; sein Existieren ist das Grundsein.“ (A Rosales, 1970)

    „Das Grundsein gründet sich notwendig auf sich selbst. Sofern das Wissen das Grundsein ist, muß es in sich den Grund seiner selbst haben.“ (K Okada, 2000)

    Ich meine zu ahnen, was mit „Grundsein“ in etwa gemeint sein könnte.

    Es erinnert mich an die einfache, ja triviale Auffassung, dass die eigene Existenz (als denkendes Wesen) der Grund dafür ist, dass man Fragen an die Welt stellen (kann). Und vielleicht auch dafür, welche Art von Fragen überhaupt gestellt und welche Antworten verstanden werden (können). Da die Welt aber stumm ist und als solche keine Antworten geben kann, muss sich der Mensch seine Fragen selbst beantworten—einschließlich der Fragen nach der Moral und der Gültigkeit von Aussagen und Propositionen (Gedanken).

    Man könnte es vielleicht auch so sagen: Das denkende Subjekt befindet sich im Mittelpunkt seines wahrgenommenen Universums: Alles, was ist, ist um es herum. Und es gibt kein wirkliches Entkommen aus dem Denkgehäuse.

    Das sind natürlich recht schlichte Gedanken, die ich da vortrage, aber ich meine, im Ergebnis läuft das auf das Gleiche hinaus, was Philosophen und andere sehr viel schöner und tiefschürfender sagen und hier im Blog schon mehrfach angesprochen wurde. Wie hier zum Beispiel:

    » [Der transzendentale Idealismus] erkennt, daß es schlicht sinnlos ist, das, was wir als Wahrheit wissen (könnten) über diese, die empirische Welt, für unabhängig von dem zu halten, was das Subjekt durch die Formen, in denen es anschaut und denkt, daraus macht.«

    Ich finde, mit dem folgenden Satz aus dem Blog-Beitrag ist im Grunde schon das Wesentliche gesagt:

    Bezogen auf Gedankeninhalte stellt sich die Frage der Reduzierbarkeit gar nicht.

    Bei (der Bewertung von) Gedankeninhalten bewegen wir uns auf einer völlig anderen Beschreibungsebene, als wenn wir über die biologischen Abläufe beim Denken der Gedanken reden. Welcher Naturalist würde das bestreiten wollen?

    Für diese Wissenschaften, die Objektwissenschaften, gehört das Denken (nicht in seiner Faktizität, sondern hinsichtlich der Geltungsdimension) zu den von ihnen selbst unhinterfragbaren Voraussetzungen ihrer selbst.

    Das gilt selbstredend auch für die Reflexionswissenschaften und überhaupt für alle Unternehmungen, bei denen menschliches Urteilsvermögen gefragt ist. Das heißt, auch für die Denk-Wissenschaften gehört das Denken hinsichtlich der Geltungsdimension zu den von ihnen selbst unhinterfragbaren Voraussetzungen ihrer selbst.

    Klingt das nur selbstreferenziell, oder ist es das auch?

    • Es ist viel einfacher zu verstehen, Balanus. Es handelt sich um die alte philosophische Unterscheidung zwischen notwendiger Bedingung und hinreichender oder zureichender Bedingung. Fakten werden bekanntlich oft durch mehrerlei bedingt, und jede einzelne dieser Bedingungen ist dann notwendig für das Zustandekommen des Ereignisses, erklärt es aber nicht vollständig. Bei einer hinreichenden Bedingung jedoch enthält die genannte Bedingung sämtliche notwendige Bedingungen. Und das nennt sich auch „Grund“.

      Diese Unterscheidung haftet natürlich immer ein Grad von Willkürlichkeit an, wenn auch einer vernünftigen. Denn es ist korrekt, zu sagen, für die Entstehung des Menschen Z war es ein hinreichender Grund, dass zwei zeugungsfähige Erwachsene X und Y sich zum rechten Zeitpunkt gepaart haben, aber man kann natürlich unendlich viele weiter außen liegende Bedingungen angeben, die dies erst ermöglicht haben. Trotzdem sind solche Aussagen oft sinnvoll im Kontext wissenschaftlicher Begründung.

      Die naturalistische Aussage allerdings, der biologische Körper – vornehmlich das Gehirn – sei Grund (also hinreichende Bedingung) dafür, dass ein bestimmtes Wesen denken könne, könnte nur entweder logisch begründet werden, was jedoch nicht möglich ist. Oder der Satz gibt sich empirisch. Aber es gibt keine derartigen empirischen Erkenntnisse, im Gegenteil. Denken enthält Momente, die wir nicht auf das Physische zurückführen können. Mithin ist er eine bloße Behauptung, die sich nicht ausweisen kann.

      „Bei (der Bewertung von) Gedankeninhalten bewegen wir uns auf einer völlig anderen Beschreibungsebene, als wenn wir über die biologischen Abläufe beim Denken der Gedanken reden. Welcher Naturalist würde das bestreiten wollen?“

      Es handelt sich nicht einfach um eine andere „Beschreibungsebene“, weil es sich gar nicht um dasselbe handelt. Die Rede von „Beschreibungsebenen“ entstammt der Begrifflichkeit der wissenschaftstheoretischen Analyse der Emergenztheorie. Diese Analyse konnte nachweisen, dass (die sogenannte „schwache“) Emergenz stets ein Phänomen im Betrachter darstellt, während es „da draußen“ gar kein Phänomen gibt, bei dem sich diese Emergenz im Objekt selbst (als verborgener Mechanismus) abspielt. Die Reduktion ist dann auch nicht schwer. Der Begriff Emergenz (sofern die „starke“ gemeint ist), innerhalb der Biologie, vor allem der Hirnphysiologie, ist dagegen vermutlich der Versuch, einen Sondermechanismus zu behaupten, der aus Stroh Gold macht: „Wenn man die Moleküle nur in der richtigen Weise anordnet, fängt Denken an“. Vergleichen Sie dies mit: „Wenn man Strohhalme nur in der richtigen Weise aufeinanderstapelt, wird Gold draus.“

    • Ludwig Trepl, @Balanus:

      „Bei (der Bewertung von) Gedankeninhalten bewegen wir uns auf einer völlig anderen Beschreibungsebene, als wenn wir über die biologischen Abläufe beim Denken der Gedanken reden. Welcher Naturalist würde das bestreiten wollen?“

      Der typische szientifische Naturalist eben. Den habe ich schon mehrmals in diesem Blog mit einem Zitat von Geert Keil charakterisiert: „Die naturwissenschaftlichen Methoden sind der Königsweg zur Wahrheit, sie können überall angewandt werden und verschaffen Wissen über alles, worüber es überhaupt etwas zu wissen gibt“. Es gibt für ihn nichts zu wissen außerhalb dessen, was mit naturwissenschaftlichen Methoden erkannt werden kann. Deshalb die krampfhaften und völlig vergeblichen Versuche, die Geltungsdimension von Gedanken evolutionsbiologisch in den Griff zu bekommen, sie etwa durch evolutionären Erfolg zu erklären. Deshalb auch die Versuche, aus der Mathematik eine empirische Wissenschaft zu machen (sie ist letztlich auch zu erklären durch evolutionsbiologischen Erfolg in einer Welt, die sozusagen die Mathematik als empirische Eigenschaft enthält).

      „Das heißt, auch für die Denk-Wissenschaften gehört das Denken hinsichtlich der Geltungsdimension zu den von ihnen selbst unhinterfragbaren Voraussetzungen ihrer selbst.“

      Keineswegs. Ihr Wesen besteht ja darin, genau diese Voraussetzungen zu hinterfragen. Sie kommen dann z. B. dahinter, was die erkenntnistheoretische Funktion des „Ich“ ist oder daß das Denken sich Gegenstände „setzt“, diese also von ihm abhängen, sie diese aber zugleich als von ihm unabhängig setzt. Diese Wissenschaften „hinterfragen“ sich selbst im Hinblick auf die Voraussetzungen nicht nur der empirischen Wissenschaften, sondern auch ihrer selbst. Die Antwort kann lauten: hier kommen wir im Moment nicht weiter, aber auch: hier können wir nicht weiterkommen. Dann wären wir auf den letzten Grund gestoßen, wo man das weitere „Hinterfragen“ lassen kann, aber man weiß nun, warum.

  7. Auf der Ebene der empirischen Wissenschaft hat das Denken, das hier nur als raumzeitliches Faktum vorkommt, den biologischen Körper als „Basis“.

    Woher weiß denn irgendjemand, dass der materielle Körper die „Basis“ des Mentalen ist (im Sinne eines stufenmäßigen Verhältnisses der Bedingung und Hervorbringung? Woran lässt sich das empirisch erkennen? Diese Vorstellung verdanken wir doch nur der spekulativen Annahme, dass sich das Leben durch Zufall aus der blanken Materie gebildet hat.

    Natürlich gibt es Beispiele für die Beeinflussung des Denkens durch materielle Einwirkungen (Drogen, Krankheiten, Hunger etc.), aber es gibt auch das Gegenteil: Die Beeinflussung des Körpers durch mentale Inhalte, seien sie positiv oder negativ.

    Es gibt in diesem Zusammenhang keinen Beweis dafür, was die „Basis“ wovon ist. Zumal alle Beispiele der Beeinflussung nur Beispiele für Störungen normaler Zustände sind, aber niemals für die Erzeugung konkreter Gehalte.

    Die Rede von der „Basis“ ist also kein Ergebnis empirischer Erkenntnisse, sondern eine weltanschauliche Voreingenommenheit. Niemand war dabei, als das Leben entstand.

    Was Sie gegen Ende schreiben ( „… dann „Leben“ als Grundkategorie nehmen, die wir nicht ableiten, sondern als fundamental anerkennen und voraussetzen“ ) – so wird es in meinem Kopf dunkel. Was in der KdU dazu steht, habe ich nie richtig begriffen, das wär’s aber: Einerseits habe ich den Eindruck, Kant meint, bis auf weiteres – solange die mechanische Erklärung nicht gelungen ist – ist Leben irreduzibel, muß es als fundamental anerkannt werden, braucht es das teleologische Urteil – aber eben nur so lange. Andererseits meint er, daß es den „Newton des Grashalms“ nie geben kann.

    Sie meinen vermutlich § 75 der KdU, wo Kant schreibt, dass wir nicht ausschließen können, dass eine mechanische Ursache doch gegeben sein könnte, auch wenn wir es vermutlich nie herausfinden werden. Nun, die Wissenschaft hat seit Kant Fortschritte gemacht. Er wusste ja noch nicht einmal was von der Zelle. Daher sind heutige Forscher optimistischer (ich dagegen nicht).

    Ich habe den Eindruck, Kant geht es bei seiner Argumentation des erkenntnistheoretischen Status der Teleologie vor allem um die Abwehr des teleologischen Gottesbeweises. Denn er gibt unmissverständlich zu, dass, wenn wir die teleologische Verfasstheit der Lebewesen für objektiv nehmen, dass dann zwingend die objektive Existenz eines Schöpfers vorausgesetzt werden muss. (Ob dieser Schluss stimmt, lasse ich mal dahingestellt sein). Daher seine geniale Argumentation mit der Teleologie als bloß regulativer Idee der Vernunft. (Man darf nie aus dem Auge verlieren, dass Kant in den Kritiken ausschließlich erkenntnistheoretisch argumentiert, nie zur Sache. In der Sache war er privat deutlich erkennbar schöpfergläubig und vertraute auf die Realität der Teleologie).

    Dann lässt Kant jedoch eine Erklärung für die reale Zweckmäßigkeit des Denkens und Handelns im Naturwesen Mensch vermissen. Hier ist er also nicht konsequent, denn keinesfalls würde er behaupten, die objektive Zweckmäßigkeit des eigenen Denkens Handelns sei vielleicht gar nicht gegeben.

    Ich vermute, dass er hier blind ist, weil auch er als Mann des 18. Jhd. mit christlicher Seelenlehre bzw. cartesischem Körper-Geist-Dualismus aufgewachsen ist. Daher sieht er in der Frage der Naturzweckmäßigkeit nur eine Frage der Organisation von Körpern. In unseren Zeiten, die durch das evolutive Denken geprägt sind, steht die Frage nach den Zusammenhängen als Übergänge ganz anders im Raum.

    Jede naturalistische Entwicklungstheorie, die die objektive Zweckmäßigkeit menschlichen Handelns ernst nimmt, muss sich der Frage stellen, wo und wie der Umschlag der bloßen Kausalmechanismen in echt teleologische Vorgänge stattgefunden hat. Ihn letztendlich erklären zu sollen, wäre vermutlich zu viel verlangt (weil das logisch nicht funktioniert. Die Emergenztheorie ist hier ein vollkommen hilfloses Gebilde). Es kann ja andererseits ja auch niemand angeben, was wir uns konkret unter Schöpfung vorzustellen hätten.

    Da uns nun die Zweckmäßigkeit der Naturwesen dermaßen ins Auge springt, und sich bereits in den allerprimitivsten Lebewesen zeigt, halte ich es entgegen der Tradition für angemessener, alles Leben als komplett objektiv teleologisch aufzufassen, wobei menschlicher Geist und menschliches Handeln nur zwei unter vielen teleologischen Realititäten wären, die das Leben hervorgebracht hat. Wir glauben es ja selbst nicht, das eigene Essen für echt teleologisch, das Fressen des Hundes dagegen nur für kausal gesteuert zu halten. Wir sehen doch, dass es das Gleiche ist.

    Was hat es dann mit der Kausalität innerhalb der lebendigen Körper auf sich? Vielleicht zunächst nur dies: Wir stellen fest, dass materielle Prozesse an materielle Bedingungen gebunden sind, welche ihnen vorausgehen, und dass ihre Verknüpfung gewissen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Kausalität finden wir immer dann, wenn wir die Materie betrachten. Das ist aber nicht das ganze Bild. Darum steckt in der naturalistischen Erklärung auch nicht die Erklärung für das Ganze, schon gar nicht für dessen Entstehung.

    • Ludwig Trepl, @Fegalo:

      „Woher weiß denn irgendjemand, dass der materielle Körper die „Basis“ des Mentalen ist (im Sinne eines stufenmäßigen Verhältnisses der Bedingung und Hervorbringung? Woran lässt sich das empirisch erkennen? Diese Vorstellung verdanken wir doch nur der spekulativen Annahme, dass sich das Leben durch Zufall aus der blanken Materie gebildet hat.“

      Nein, es ist viel einfacher. Sie verdankt sich dem empirischen Befund, daß man noch nie einen Geist ohne materiellen Körper gefunden hat, wohl aber materielle Körper ohne Geist. Würde man so etwas finden, würde man auch kaum mehr von der „Basis“ reden. – Gemeint ist Basis nicht im Sinne eines stufenmäßigen Verhältnisses der Bedingung und Hervorbringung, sondern schlicht dieses Verhältnis von Existenz des einen ohne oder nur mit dem anderen.

      „Dann lässt Kant jedoch eine Erklärung für die reale Zweckmäßigkeit des Denkens und Handelns im Naturwesen Mensch vermissen. Hier ist er also nicht konsequent, denn keinesfalls würde er behaupten, die objektive Zweckmäßigkeit des eigenen Denkens Handelns sei vielleicht gar nicht gegeben.“

      Diese Erklärung muß er nicht geben, denn es ist für ihn nicht das Naturwesen Mensch, in dem sich reale Zweckmäßigkeit findet, sondern der Mensch in seiner Eigenschaft als Natur- und Vernunftwesen.

      „Da uns nun die Zweckmäßigkeit der Naturwesen dermaßen ins Auge springt, und sich bereits in den allerprimitivsten Lebewesen zeigt, halte ich es entgegen der Tradition für angemessener, alles Leben als komplett objektiv teleologisch aufzufassen, …“

      Daran irritiert das „entgegen der Tradition“. Das ist doch die Tradition. „Leben“ im modernen Sinn ist im 17./18. Jahrhundert als Gedanke aufgekommen im wesentlichen bei Leibniz, der in seiner Monadologie zwischen die res cogitans und die der res extensa sozusagen noch eine dritte Substanz einschob. Damit versuchte er, der Tradition gerecht zu werden: Er griff auf den christlich-katholisch interpretierten Aristoteles zurück und modernisierte ihn im rationalistischen Geist. „Leben“, das ist dann die Stufe der bloß perzipierenden, der Apperzeption nicht fähigen Monaden.

      „…wobei menschlicher Geist und menschliches Handeln nur zwei unter vielen teleologischen Realitäten wären, die das Leben hervorgebracht hat.“

      Das ist das, was die Lebensphilosophie (im Rückgriff auf Leibniz, ohne es zu merken) machte: während vorher das Leben der bloß lebenden Wesen als etwas Defizientes vorgestellt wurde, während es eine Hervorbringung des Geistes war, während es als Ziel galt, von ihm, dem Leben, zu Geist aufzusteigen, das bloße Leben zu überwinden, nicht an ihm zu hängen, es nur in einer dienenden Rolle dem Geistigen gegenüber zu lassen usw. usf., dreht sich das von Nietzsche bis Klages um. Leben ist das, was alles hervorbringt (schon bei Leibniz auch das bloß Materielle: durch undeutliche Wahrnehmung), der Geist nur etwas, was dem Leben zu dienen hat usw., Sie kennen das ja. Ist es das, was Ihnen vorschwebt? Sehen Sie sich in der Tradition der Lebensphilosophie? Die war ja eine Art naturalisierte christliche Weltsicht, begriff das aber nicht, sondern hielt sich für deren schärfsten Gegner.

      Zu fegalo @Balanus:

      „Es ist viel einfacher zu verstehen, Balanus. Es handelt sich um die alte philosophische Unterscheidung zwischen notwendiger Bedingung und hinreichender oder zureichender Bedingung.“

      Das ist nicht das „Grundsein“ in dem Zitat von Hans Wagner, das ist mit dem von Balanus aus dem Internet Zitierten besser getroffen. „Grundsein“ hat ja mehrere Bedeutungen, die Hauptbedeutung ist die mit dem Sinn „Grund vs. Ursache“, das ist natürlich etwas ganz anderes.

      • fegalo @ Ludwig Trepl
        “Nein, es ist viel einfacher. Sie verdankt sich dem empirischen Befund, daß man noch nie einen Geist ohne materiellen Körper gefunden hat, wohl aber materielle Körper ohne Geist. Würde man so etwas finden, würde man auch kaum mehr von der „Basis“ reden. –
        Gemeint ist Basis nicht im Sinne eines stufenmäßigen Verhältnisses der Bedingung und Hervorbringung, sondern schlicht dieses Verhältnis von Existenz des einen ohne oder nur mit dem anderen.”

        So wie das Verhältnis von Weißsein und Schwan (bis man schwarze Schwäne entdeckte?)

        Das griechische Wort Basis bedeutet „Fundament“, „Grundlage“ – wie im Deutschen auch. Auf der Basis baut das Übrige auf.

        Vielleicht verführt uns die Evolutionsstory mit ihrer Reihenfolge der Entwicklung dazu, das Frühere stets für die „Basis“ des Späteren zu halten, und damit würden wir in die Falle des Naturalismus tappen, dem alles mit der blanken Materie begann.

        “Daran irritiert das „entgegen der Tradition“. Das ist doch die Tradition. „Leben“ im modernen Sinn ist im 17./18. Jahrhundert als Gedanke aufgekommen im wesentlichen bei Leibniz, der in seiner Monadologie zwischen die res cogitans und die der res extensa sozusagen noch eine dritte Substanz einschob. Damit versuchte er, der Tradition gerecht zu werden: Er griff auf den christlich-katholisch interpretierten Aristoteles zurück und modernisierte ihn im rationalistischen Geist. „Leben“, das ist dann die Stufe der bloß perzipierenden, der Apperzeption nicht fähigen Monaden.”

        Ich denke, dass Leibniz anders dachte: In seinem System hat die Kategorie „Leben“ keinen besonderen Stellenwert. Leibniz‘ Metaphysik ist zu großen Teilen der Versuch, das durch Descartes aufgestellte Problem der Vermittlung einer res extensa mit einer res cogitans zu lösen. Dazu kommt die für den Rationalismus typische Fasziniertheit durch die aufkeimenden Erkenntnisse der Physik der Mechanik, der man natürlich sofort einen metaphysischen Stellenwert zuschrieb. Seine Lösung des in der Fassung von Descartes aufgeworfenen Leib-Seele-Problems (das damals in nie wieder erreichter Schärfe auch als Kausalitäts-Teleologie-Problem erkannt und untersucht wurde), ist bekanntlich, beides in den ähnlich wie Atome gedachten Monaden in eine Grundeinheit der Substanz zusammen zu zwingen: masselose Körper (die einzelne Monade), von außen betrachtet dem Gesetz der Mechanik unterworfen, ausgestattet mit einer teleologisch verfassten Innenperspektive. Logisch miteinander unvermittelbar, kann nur Gott durch die Vorsehung das Zusammenstimmen der beiden Ordnungen herstellen (prästabilierte Harmonie). Die Innenperspektive, die von blanker Bewusstlosigkeit über bloße Wahrnehmung bis zum Bewusstsein reicht, ist ein jeder Monade einzeln zugeteiltes biographisches Schicksal Gottes. Leben ist hier nicht mehr als ein vorübergehender Zustand, ein biographischer Abschnitt aus der Innenperspektive einer singulären Monade, welche als „Zentralmonade“ eines Körpers auch „Seele“ genannt wird.

        Leibniz‘ Monadenlehre hat bekanntlich nicht sehr viel Wirkung gezeitigt. Was ich mit „Tradition“ gemeint habe, ist dagegen die lang anhaltende Vorherrschaft der Grundunterscheidung zwischen Geist und Materie in der Naturwissenschaft und weiten Teilen der Philosophie (bis hinein in die analytische Philosophie des Geistes heutzutage), welche auf Descartes zurückgeht, und bis heute das Lebendige als Phänomen dem Materiellen zuschlägt („Leben ist die Daseinsweise von Eiweißkörpern“ – ein Satz der nach über 150 Jahren immer noch von vielen Biologen glaubend paraphrasiert wird.) Der Hirnforscher fragt auch heute: Wie kommt aus dieser kausalen Maschine namens Gehirn jetzt das Bewusstsein mit seinen Gedanken raus?

        “Das ist das, was die Lebensphilosophie (im Rückgriff auf Leibniz, ohne es zu merken) machte: während vorher das Leben der bloß lebenden Wesen als etwas Defizientes vorgestellt wurde, während es eine Hervorbringung des Geistes war, während es als Ziel galt, von ihm, dem Leben, zu Geist aufzusteigen, das bloße Leben zu überwinden, nicht an ihm zu hängen, es nur in einer dienenden Rolle dem Geistigen gegenüber zu lassen usw. usf., dreht sich das von Nietzsche bis Klages um. Leben ist das, was alles hervorbringt (schon bei Leibniz auch das bloß Materielle: durch undeutliche Wahrnehmung), der Geist nur etwas, was dem Leben zu dienen hat usw., Sie kennen das ja. Ist es das, was Ihnen vorschwebt? Sehen Sie sich in der Tradition der Lebensphilosophie? Die war ja eine Art naturalisierte christliche Weltsicht, begriff das aber nicht, sondern hielt sich für deren schärfsten Gegner.”

        Vielleicht wundern Sie sich jetzt, und wenn, dann zu Recht, aber ich habe mich noch nie mit der „Lebensphilosophie“ eingehend beschäftigt, auch wenn ich sicher eine Reihe Parallelen zu meinen eigenen Gedanken entdecken würde. Bislang entstammt das meiste meiner Positionen der eigenen kritischen Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Naturalismus/Materialismus und den Anregungen durch ebenfalls gegenwärtige kritische Autoren wie Spaemann, Janich, Keil, Mutschler u.v.a.

        In der Theoriesituation des 19. Jhd. mit dem Materialismusstreit u.a. verliefen die Konfliktlinien anders, und ich habe das noch nicht hinreichend durchdrungen, um die Stoßkraft der Lebensphilosophie ausreichend würdigen zu können. Darum lese ich sie jetzt nicht. Ich würde ihre Argumente auf die heutige Position ihrer Gegner beziehen (müssen), und das würde ihnen die Kraft rauben, die ihnen möglicherweise innewohnt.

        • Ludwig Trepl, @fegalo:

          Mit der „Basis“ haben Sie wohl recht. Ich sollte nicht von Basis sprechen, wenn ich das meine, was ich hier meine.
          „In seinem [Leibniz’] System hat die Kategorie „Leben“ keinen besonderen Stellenwert.“

          Das habe ich nicht bestritten. Entdeckt, eher beiläufig, hat er sozusagen die Kategorie Leben für die Moderne, nicht gleich alles darum aufgebaut. – Vielleicht haben Sie ja die verbreitete falsche Vorstellung über diese Kategorie: Es habe sie in der frühen Neuzeit und der Aufklärungszeit so selbstverständlich gegeben wie heute. Es gab sie aber nicht. Die Naturhistoriker unterschieden nicht ein Reich des Lebendem von Reich des Nicht-Lebenden, sondern ein Reich der Mineralien, ein Reich der Pflanzen, eines der Tiere und eventuell noch eines der körperlosen Wesen. Der Graben zwischen dem Reich der Mineralien und dem der Pflanzen war nicht tiefer als der zwischen dem Reich der Pflanzen und dem der Tiere. Entsprechend gab es auch keine Wissenschaft vom Leben, keine Biologie, die entstand erst, als der moderne Begriff des Lebens als kulturelle Macht da war, um 1800. Vorher gab es Mineralogie, Botanik, Zoologie als die Teile der Naturgeschichte. (Ich kenne mich da einigermaßen aus, das war jahrelang mein Spezialgebiet.)

          „Ich denke, dass Leibniz anders dachte“.
          Nein, so wie Sie hätte ich es im wesentlichen auch beschrieben. Nur eines stimmt nicht: „Leben ist hier nicht mehr als ein vorübergehender Zustand, ein biographischer Abschnitt aus der Innenperspektive einer singulären Monade“. Nein, nicht jede Monade durchläuft alle Zustände, gelangt bis zur Apperzeption. Ihre mögliche Vervollkommnung im Laufe ihres „Lebens“ reicht nur so weit, wie ihr jeweiliges gottgeschaffenes Wesen, das nicht bei zwei Monaden gleich ist, es erlaubt. Darum kann es jetzt ein „Reich“ des (bloßen) Lebens geben.

          „Leibniz‘ Monadenlehre hat bekanntlich nicht sehr viel Wirkung gezeitigt.“

          Da irren Sie sich gewaltig. Die Wirkung war – und ist – keineswegs kleiner als etwa die von Descartes, Hobbes, Hume oder auch Kant. Sie erklären dann auch, warum sie Ihnen klein erscheint: weil Sie sich für sie nicht interessiert haben. Wenn man vom heutigen szientifischen Naturalismus ausgeht, ist sie tatsächlich unbedeutend. Da war der Gegensatz (britischer) Empirismus und Descartes’schem Rationalismus („nomothetischer“ im Unterschied zum Leibniz’schen „idiographischen“, wenn man die Begriffe von Windelband nimmt) wichtig. Aber das, was radikal gegen diese szientifische Traditionslinie stand, ob das nun Hegel oder eben die Monadologie war, hat man da gar nicht wahrgenommen und tut das auch heute nicht.

          Herder hat, geistesgeschichtlich überaus erfolgreich, die Monadologie, ein kosmologisches System, sozusagen auf die Frage „Geschichte des konkreten Menschen auf der konkreten Erde“ heruntergebrochen, Schleiermacher, der für die Geisteswissenschaften des 19. Jahrhunderts eine ähnlich überragende Rolle spielte wie Newton für die Naturwissenschaften des 18. (wenn Gadamer recht hat), ist ohne die Monadologie nicht möglich. Sie liefert der historistischen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts (also praktisch der gesamten Geschichteschreibung) und überhaupt den „Geisteswissenschaften“ die Weltsicht und ebenso der späteren Lebensphilosophie – und der all dem zugehörigen politisch-weltanschaulichen Haltung der „konservativen Zivilisationskritik“. Und wenn heute ein fortschritts-, wissenschafts- und zivilisationskritisches Buch erscheint (in den letzten Jahrzehnten gern unter der Überschrift „Ökologie“), so muß man das gar nicht lesen; wenn man weiß, wie die Monadologie funktioniert, dann weiß man alles schon im Voraus. Die Welt/Natur ist kein mechanisches System, sondern ein lebendiges, die Grundeinheiten sind nicht Atome, sondern Seelen, usw.

          Nun war Herder sich seiner Abhängigkeit von Leibniz bewußt, die späteren Aufklärungskritiker und Gegenaufklärer kaum mehr, die Lebensphilosophen des frühen 20. Jahrhunderts gar nicht mehr. Darum erfanden sie auch dauernd das Rad neu (im Laufe der Zeit immer mehr ohne den christlichen Hintergrund, sondern der Absicht nach naturalistisch, darum geht auch alles nicht mehr so schön logisch auf wie bei Leibniz). Wer darauf einmal aufmerksam gemacht worden ist, sieht es immerzu.
          Und auch bei Ihnen sehe ich diese Gefahr. Darum rate ich Ihnen: blicken Sie über den Tellerrand der Tradition, die Sie kritisieren, sehen Sie sich diejenige Tradition an, die das seit der Aufklärung tat. Bzw. „schon immer“ tat: denn es ist ja das Thema Demokrit-Aristoteles, das da mit moderneren Mitteln durchgespielt wird. Wahrscheinlich gibt es auf diese Fragen gar keine grundsätzlich anderen Antworten als diese uralten. Sie müssen sich nicht alles neu ausdenken: es ist gar nicht neu, was es da zu sagen gibt.

          • fegalo @Ludwig Trepl
            „ „Leibniz‘ Monadenlehre hat bekanntlich nicht sehr viel Wirkung gezeitigt.“

            Da irren Sie sich gewaltig. Die Wirkung war – und ist – keineswegs kleiner als etwa die von Descartes, Hobbes, Hume oder auch Kant.“

            Erst war ich erstaunt, das zu lesen, aber inzwischen dämmert es mir, wie Sie es wohl meinen. Statt „Monadenlehre“ (im strengen Sin ne seiner Abhandlung von 1714) hätten Sie vielleicht besser von Leibniz‘ Metaphysik, Naturphilosophie und Theologie schreiben sollen. Denn deren nachhaltige Wirkung würde ich nie bestreiten wollen. Die eigentliche Monadologie hingegen, diese knapp gehaltene Schrift, in der Leibniz versucht hat, alle damals relevanten metaphysischen Probleme in ein (so viel Occams Rasiermesser gab es selten) System mit ganz wenigen Prinzipien aufzulösen, hat in der Geschichte der Philosophie meines Wissens keine Schule gemacht (Und genau darauf bezog ich mich.) Das hat eindeutig mit diversen intellektuellen Zumutungen dieser Lehre zu tun. Vor allem die „Fensterlosigkeit“ der Monade, die Abwesenheit von Kausalität zwischen der Seelen- und der Körperwelt, die Vorstellung, dass jede Monade, auch wenn sie mit verschiedenen Bewusstseinsgraden begabt ist, das gesamte Universum widerspiegelt – diese und noch weitere Aspekte dieser Lehre sind hochgradig kontraintuitiv und geben den Anschein, die konstruierte Lösung für einen umfassenden Komplex logisch-metaphysischer Probleme zu sein. Sie fügen sich nicht in unsere Welterfahrung, sondern entfalten ihre Überzeugungskraft erst vor dem Hintergrund eines ganz bestimmten wissenschaftlich-philosophischen Problemhorizonts. Der existiert aber spätestens seit Kant so nicht mehr, und dazwischen liegen nicht einmal 70 Jahre.
            Ohne das im Einzelnen belegen zu können noch zu wollen, scheint mir dennoch ziemlich sicher, dass die von Ihnen genannten Rezipienten sich vornehmlich auf Aussagen und Texte von Leibniz stützen, die der geschlossenen Lehre der „Monadologie“ zeitlich oft weit vorausliegen, welchselbige er erst zwei Jahre vor seinem Tod verfasste.

            „denn es ist ja das Thema Demokrit-Aristoteles, das da mit moderneren Mitteln durchgespielt wird. Wahrscheinlich gibt es auf diese Fragen gar keine grundsätzlich anderen Antworten als diese uralten. Sie müssen sich nicht alles neu ausdenken: es ist gar nicht neu, was es da zu sagen gibt.“

            Man muss sich nicht alles neu ausdenken, aber dennoch dann, wenn eine neue Theoriesituation es erfordert, neu denken, und das kommt dem Ausdenken ziemlich nahe.

            Wenn Sie schreiben, dass „Lebendigsein“ bis ins 18. Jhd. noch gar keine klare eigene Kategorie war, dann verschieben sich mit dem Auftauchen dieser Kategorie sowohl die Problemhorizonte der Materialisten als auch die ihrer Kritiker. Da ist dann viel neues Rad gefragt.

            Demokrit und seine antiken Nachfolger (Epikur, Lukrez etc.) hatten noch gar kein ausgereiftes Problembewusstsein bezüglich eines metaphysischen Materialismus. Aristoteles hingegen hat den Gedanken an eine blanke, formlose Materie verworfen. Auch er betrachtet jedoch „Lebendiges“ nicht als zentrale Kategorie. Möglicherweise wirkte in beiden noch eine Art Hylozoismus, welcher erst mit dem Beginn der neuzeitlichen Naturwissenschaft (Galilei, Bacon, Descartes) wahrhaft beendet wurde. Und erst ab da scheint ja auch die Kategorie „Leben“ als distinkter Gegenbegriff notwendig zu werden, wenn nämlich die Materie als solche komplett abstirbt, wie sie es für das mechanische und technische Denken tat. Und das ist ja auch die Zeit von Leibniz.

            Man muss die Materie erst getötet haben, um das Problem zu haben, sie beleben zu müssen.

            Nur so ein paar Gedanken…

  8. „Ist Ihnen bewusst, dass Sie einem Platonismus das Wort reden?“

    Ja. – Ein Zitat:
    „Mit ‚Aussagen’ sind hier indes nicht Äußerungen oder Sätze gemeint, sondern das mit ihnen jeweils Ausgesagte. Philosophen nennen diese Aussageninhalte Propositionen: Gebilde, die wahr oder falsch sind, auch wenn kein menschlicher Sprecher den entsprechenden Satz je äußert. Daß es überhaupt Propositionen gibt, ist natürlich eine platonistische Annahme – die man aber vermutlich braucht, um den Sinn unserer gewöhnlichen Rede über Wahrheit zu rekonstruieren“ (Geert Keil, Willensfreiheit, S. 30 f.)

    Ich finde, die Einsicht ist hier durch die sprachphilosophische Formulierung unter Wert verkauft. Wir können die Welt nicht denken, ja in gewissem Sinne ist sie nicht, ohne sie in Formen zu denken (und anzuschauen), die wir nicht ihrer Betrachtung entnehmen, sondern die jede Betrachtung zur Voraussetzung hat und die nur auf der Seite des Subjekts zu finden sind. Von dem muß man ausgehen, und nur da findet man festen Boden. Soweit hat der Idealismus recht.

    Nun ist aber zwischen dem platonischen und dem transzendentalen Idealismus, dem, wie Sie wissen, ich zuneige, ein Unterschied. Für den ersteren ist die Erscheinungswelt Schein, für letzteren keineswegs. Aber er erkennt, daß es schlicht sinnlos ist, das, was wir als Wahrheit wissen (könnten) über diese, die empirische Welt, für unabhängig von dem zu halten, was das Subjekt durch die Formen, in denen es anschaut und denkt, daraus macht. Wenn Sie nun schreiben, ich teile „… die naturalistische Ansicht, dass der Geist, das Denken, auf irgendeine Art und Weise auf dem biologischen Körper superveniert, oder anders ausgedrückt: dass das Denken den biologischen Körper als „Basis“ hat“, so gilt das nur für die phänomenale Welt bzw. die zugehörige Wissenschaft, da aber scheint es, nach allem, was wir bisher herausbekommen haben, in der Tat zu gelten: Auf der Ebene der empirischen Wissenschaft hat das Denken, das hier nur als raumzeitliches Faktum vorkommt, den biologischen Körper als „Basis“. Es gilt aber nicht für die Dinge an sich. Was überhaupt nicht zur Erscheinungswelt gehört – und die Gedanken in ihrer Geltungsdimension gehören nicht dazu – läßt sich vom Wissen über Phänomene irgendwelcher Art aus nicht erklären.

    Was Sie gegen Ende schreiben ( „… dann „Leben“ als Grundkategorie nehmen, die wir nicht ableiten, sondern als fundamental anerkennen und voraussetzen“ ) – so wird es in meinem Kopf dunkel. Was in der KdU dazu steht, habe ich nie richtig begriffen, das wär’s aber: Einerseits habe ich den Eindruck, Kant meint, bis auf weiteres – solange die mechanische Erklärung nicht gelungen ist – ist Leben irreduzibel, muß es als fundamental anerkannt werden, braucht es das teleologische Urteil – aber eben nur so lange. Andererseits meint er, daß es den „Newton des Grashalms“ nie geben kann.
    Ich könnte mir denken: Sollte sich Leben konstruieren lassen, so bleibt doch gültig, daß sich Denken nie konstruieren bzw. reduzieren lassen wird.

  9. fegalo @Ludwig Trepl

    Ist Ihnen bewusst, dass Sie einem Platonismus das Wort reden? Ein von der Objektwelt unabhängiges Reich der Ideen, Systeme, Geltungen? Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber es stellt sich immer wieder heraus, dass, wenn man überhaupt erst einmal eine unabhängige Objektwelt als Faktum anerkennt (so wie die Naturwissenschaft sie konstruiert), in deren Gefolge ein Platonismus auftaucht in Form von Naturgesetzen, Logik und Mathematik beispielsweise. Aber das nur nebenbei.

    Mich beschäftigt der ganze Themenbereich seit etlichen Jahren, und ich finde diese ganze Reduktionismusdiskussion, die von der naturalistischen Position angezettelt wird, inzwischen als vollkommen unfruchtbar. Es handelt sich eindeutig um ein „barking up the wrong tree“. Die Naturalisten werden einfach niemals liefern, und es ist schon hinreichend gezeigt worden – hier wieder von Ihnen – dass dies aus logischen und kategorialen Gründen auch niemals passieren kann. Es kann schlicht gar keine empirischen Erkenntnisse über die Erzeugung von Gedanken aus physiologischen Abläufen geben. Das heißt, es geht nicht nur darum, ob man irgendwann genau zeigen kann, wie kausale physiologische Abläufe sich in Gedanken verwandeln, sondern der ganze Forschungsansatz ist falsch.

    In meinen Augen kritisieren Sie zu Recht die naturalistische Behauptung, dass die Biologie der (vollständige) Grund der Gedanken sei, aber so wie ich Sie verstehe (auch aus früheren Beiträgen), teilen Sie die naturalistische Ansicht, dass der Geist, das Denken, auf irgendeine Art und Weise auf dem biologischen Körper superveniert, oder anders ausgedrückt: dass das Denken den biologischen Körper als „Basis“ hat.

    Diese Vorstellung teile ich nicht, weil sie zwangsläufig immer wieder in dasselbe Dilemma führt, aus dem es kein Entkommen gibt.

    Eine reine Objektwelt, wie sie von den Naturwissenschaften imaginiert wird, ist eine Konstruktion von denkenden Wesen, die genau das nicht enthält – nicht enthalten kann – wodurch sie hervorgebracht wird: das Denken selbst. Wissenschaftliches Erkennen kann jedoch niemals aus dem eigenen (menschlichen) Bezogensein auf die Welt aussteigen. Wer eine Welt reiner Objekte konstruiert, muss leugnen, dass seine eigene Beziehung zur Welt in seiner Rekonstruktion enthalten ist. In den Sozialwissenschaften ist eine Variante dieses Themas seit langem bekannt. Dort geht es allerdings nur um die Nichteliminierbarkeit von Werten und Interessen seitens der Wissenschaftler. In den Naturwissenschaften dagegen ist das Problem weit fundamentaler. Hier geht es um die Nichteliminierbarkeit von Subjektivität per se. Mit dem Gebrauch mathematische Formeln suggeriert man hier eine Scheinabwesenheit von Subjektivität.

    Wir leben offensichtlich in einer Epoche, in der die (hypothetische) historische Rekonstruierbarkeit der Phänomene mit den Mitteln naturalistischer Wissenschaft zu so etwas wie einem Wahrheitskriterium geworden ist. Es gibt derzeit einen weltanschaulichen Konsens, nämlich die Story, dass alles mit der blanken Materie anfing, die sich dann irgendwann (unerklärt) zu Lebewesen organisierte, um dann (ebenfalls unerklärt) irgendwann Bewusstsein hervorzubringen. Dabei hat diese Sicht der Dinge brutale Lücken, die mit Versprechen überbrückt werden. (Aber diese können nie eingelöst werden, s.o.)

    Wenn wir die Geschichte nun umkehren, und sagen: Die Rekonstruierbarkeit der Entstehung interessiert uns nicht, da wir ja ohnehin gar nicht wissen, wovon wir sprechen (Leben und Bewusstsein) – und dann „Leben“ als Grundkategorie nehmen, die wir nicht ableiten, sondern als fundamental anerkennen und voraussetzen, so wie derzeit das Vorhandensein der Materie und die Naturgesetze, dann ordnet sich die (wissenschaftliche) Welt ganz neu.

    Wir würden dann die Tatsache beim Wort nehmen, dass beim Lebendigen stets Subjektivität und Gegenständlichkeit gemeinsam auftreten, dann haben wir zwar kein wissenschaftliches Problem gelöst, sondern nur verschoben. Aber vielleicht haben wir dann die Perspektive geradegerückt und sehen, dass die Frage, wie die Materie („das Gehirn“) Denken und Wahrnehmen hervorbringt, vollkommen unsinnig ist, weil das Gehirn dies gar nicht tut. Wir stellen dann einfach fest, dass wir denken und gleichzeitig Körper sind, wie wir das schon immer wussten. Das ungelöste (und vermutlich unlösbare) Problem wäre dann, was denn das Leben ist, das unter anderem das Bewusstsein hervorbringt, aber wir wären befreit von der schrägen Frage nach der Ableitung der Gedanken aus physikalischen Prozessen.

    Die Fragen, die sich daraus ergeben, wären genauso unlösbar, aber vielleicht wären es die richtigen.

    Wer den Naturalismus kritisiert, sollte nicht auf halber Strecke stehen bleiben 🙂

  10. Lieber Herr Trepl, ich wünsche Ihnen gesundheitlich alles Gute!

    Sowohl Ihre Beiträge als auch die Diskussionen, die sich daran anschließen, gehören zu den interessantesten und konzentriertesten im interdisziplinären Themenbereich zwischen Naturwissenschaft und Philosophie, die ich kenne. Ich verdanke den Diskussionen mit Ihnen und den Forumsteilnehmern Ihres Blogs eine Fülle wertvoller Erkenntnisse, Informationen und Einsichten, auf die ich nicht verzichten möchte. Danke für den Raum, den Sie geschaffen haben, verbunden mit der Hoffnung, dass es Ihnen möglich ist, ihn zu erhalten.

    Zum Thema Ihres Beitrags werde ich mich demnächst noch einmal in einem eigenen Kommentar äußern.

  11. Ein Gedanke ist wie ein Brief: Solange er in der Schublade bleibt, kann keiner über seinen Inhalt urteilen (außer der Verfasser selbst).

    Objektwissenschaftlich gesehen besteht der Brief aus Tinte und Papier, und es gibt einen Menschen, der ihn aus einem bestimmten Anlass heraus geschrieben hat.

    All das sind wohl die Bedingungen für die Existenz dieses Briefes.

    Was wäre denn nun das, was Hans Wagner „Grundsein“ nennt, wenn er schreibt:

    Grundsein jedoch ist mehr [als bedingen], nämlich aus sich allein das Andere völlig zu konstituieren: selbst allein zureichend sein für das Aufkommen und Bestandhaben des Anderen.

    (aus: Philosophie und Reflexion, 1959)

    Was also fehlt noch in dem Szenario des Briefeschreibens, wenn Mensch (mit all seinen biologisch bedingten Fähigkeiten), Papier und Tinte nur die Bedingungen, aber nicht das „Grundsein“ beschreiben?

    (Das sind rhetorische Fragen, Herr Trepl, alles Gute für Ihre Gesundheit!)

    • Ludwig Trepl, @Balanus.
      Ich will’s mal in (lockerer) Anlehnung an Hume versuchen, der ja so etwas wie der Stammvater der philosophischen Richtung ist, der Sie zuneigen.
      Wir haben sicheres Wissen nur über die Vorstellungen, die wir uns machen (in der Phantasie oder durch irgend etwas veranlaßt, „gegeben“ durch Empfindung). Daß ich A denke, weiß ich sicher, ob es A außerhalb meiner Vorstellung gibt, ob es dann auch so beschaffen ist, wie ich es mir vorstelle, oder nach welchen Gesetzen es da zugeht, kann ich nicht wissen: Mir kommt regelmäßig die Vorstellung A nach der Vorstellung B. Daraus mache ich: A kommt wegen B (Kausalität). Aber das kann ich nicht wissen, die Erfahrung sagt es mir nicht und es gibt auch keine Denknotwendigkeit. Es ist lediglich „Gewohnheit“, so zu urteilen. Wir behalten sie bei, solange sie nützlich ist, etwa Prognosen erlaubt.

      Was ist nun der „Grund“ der Vorstellungen? Das Denken selbst, nichts als das Denken, ist zureichender Grund. Wir können ja nicht wissen, ob es außerhalb noch etwas gibt und was das ist. Man muß sich hüten, hier zu argumentieren: aber zum Denken braucht es doch Nerven usw., das wäre ein Zirkel. Denn die Nerven gibt es nur als Deutungen, die wir „gewohnheitsmäßig“ und aus praktischen Gründen vornehmen an den vom Denken erzeugten Vorstellungen, von denen wir allein wissen. – Deutlicher wird das noch in den idealistischen Varianten des sensualistisch-empiristischen britischen Denkens: Die Körper haben keine andere Wirklichkeit zu als die des Vorgestelltwerdens (Berkeley).

      Sie wissen, daß das nicht meine Meinung ist, ich teile die Kritik von Kant an Hume, aber man kann sich glaub’ ich daran ganz gut vorstellen, wie das gemeint ist mit dem Grundsein. Um absolutes Wissen zu haben, darf man nicht auf Objekte der Erfahrung sehen, sondern es muß das Denken sich reflektierend auf sich selbst zurückwenden. Im Übrigen empfehle ich dazu das zitierte Buch von Hans Wagner.

  12. Den guten Wünschen zu Ihrer Genesung möchte ich mich anschliessen, Herr Trepl.

    Es kann ja sehr anstrengend sein, sich mit Ihren Beiträgen zu befassen, Sie forden ihre Leserschaft ungemein zum Nachdenken und Nachlesen heraus. Und ich hoffe sehr, dass Sie dies alsbald auch weiterhin wieder tun können.

  13. Als zu 99,9% Mitlesender möchte ich ihnen ebenfalls gute Genesung wünschen und mich für ihre Beiträge + Diskussionen herzlichst bedanken.

  14. Ja großartig, Herr Trepl, dass Sie sich wieder melden können und wie gut, dass ich just jetzt seit langem wieder mal kurz auf Scilogs reingeschaut habe und dies mitbekommen konnte.

    “Vorweg eine Anmerkung zu meiner persönlichen Situation….”

    Auf jeden Fall gute Bewältigung Ihrer Situation und bestmögliche Besserung!

    Für eine gute Bewältigung ist der Artikel ja schon mal ein positives Indiz. Danke, dass Sie das von Ihnen so recht geduldig und lang diskutierte Thema erneut auf den Punkt zu bringen versuchen. (…mit Grüßen an Balanus.. 🙂 )

    “Die Objektwissenschaften insgesamt machen also nur die halbe Wissenschaft aus. (…)
    Hier steht die Objektwissenschaft Biologie (…) vor einem Graben, über den sie nicht springen kann.”

    Das kann man wohl nicht genug betonen. Denn nur durch diese klare Trennung, wird man die beiden ‘Hälften’ ins richtige Verhältnis und in eine realisierbare Beziehung setzen können. Und da werden es dann wohl auch die Gedanken sein, die in der Lage sind, den Graben zu überspringen. Dieses rechte Verhältnis, dass die Brücke ermöglicht, gilt es m.E. vorrangig zu suchen. Solange wir das nicht in den Blick bekommen, wird jedenfalls immer wieder die eine Hälfte die andere entweder leugnen oder gar ausmerzen wollen oder über-, unter- etc. schätzen, weil es uns wissenshungrigen Menschen einfach unerträglich erscheint, die andere Hälfte nicht in den Griff zu bekommen. Der Schlüssel ist das richtige Verhältnis.

    Wann ich meine Arbeit über das Verhältnis, das ich – wie schon früher an anderer Stelle angedeutet – seit einiger Zeit überraschend sehe, präsentieren kann, kann ich noch nicht absehen. Deshalb gilt für weitere Kommentare von mir, anders als für Sie: “Daß es jetzt so weiter geht, kann ich allerdings nicht versprechen.”, dass ich schon weiß, dass es nach wie vor vorerst nicht weitergeht.
    Aber vielleicht sind Sie bis dahin – also bis ich soweit bin – ja wieder ganz fit 🙂

    ………einen freundlichen Zwischengruß auch in die Kommentatorenrunde.

    Eli

  15. Ja, etwas erzeugt Gedanken. Und es sind im Endeffekt nicht Gedanken, die Gedanken erzeugen, sondern Affekte, Gefühle, Erlebnisse und geistige Zustände wie Glück, Niedergeschlagenheit oder Unzufriedenheit, die Gedanken aktivieren.. Ein Gedanke über etwas kann zu einer wichtigen Erkenntnis führen, doch der Gedanke entstand vielleicht aus einem ganz anderen Grund als dem etwas erkennen zu wollen
    Es sind Dinge wie Persönlichkeit, Streben, Orientierung und auch Biologie, die der Motor hinter dem Gedankenstrom sind, wobei aktuelle Erlebnisse die Gedanken dann lostreten womit Gedanken dann oft eine Form der Reaktion des denkenden Subjekts sind.
    Ratio und Rationalität können Leitlinien für das Denken sein, sie sind aber keine Erklärung für das Denken.

    • @ Martin Holzherr.
      Was Sie schreiben, bezieht sich ausschließlich (wenn ich es richtig sehe) darauf, was ich „Gedanken als Phänomene“ genannt habe – bis auf „kann zu einer wichtigen Erkenntnis führen“: Da wird angesprochen, daß Gedanken wesentlich etwas anderes sind als nur Phänomene, die von anderen Phänomenen („Zustände wie Glück, Niedergeschlagenheit …“) hervorgebracht werden: Sie können nämlich wahr oder falsch oder sinnlos oder (??) sein, sie haben eine Geltungsdimension. Freilich, da dürften Sie recht haben: erklären, welche Gedanken wann und wo faktisch auftreten, das ist vor allem eine Sache der empirischen Wissenschaft (vor allem der Psychologie, und meinetwegen läßt sich die auf Physiologie zurückführen, das ist hier nicht mein Thema). Aber klären, was Gedanken sind, ist auf dieser Ebene (allein) nicht möglich – eben wegen der Geltungsdimension. Wahre Gedanken sind von falschen hier nicht zu unterscheiden – sie „sind“ als Phänomene beide gleichermaßen, sie sind Ereignisse oder Zustände in der Welt, keine Urteile (…) über etwas in der Welt, die zu recht oder nicht zu recht gefällt werden. Ich bestreite nicht die Relevanz der Biologie oder anderer empirischer Wissenschaften für die Frage des Entstehens von Gedanken, sondern nur den Anspruch, das Denken vollständig auf Empirisches reduzieren zu können.

    • @ Martin Holzherr.
      „Ein Gedanke über etwas kann zu einer wichtigen Erkenntnis führen, doch der Gedanke entstand vielleicht aus einem ganz anderen Grund als dem etwas erkennen zu wollen“.

      Das stimmt sicher, aber man muß sich hüten, hier eine Rangordnung der Wichtigkeit zu behaupten – zu sehr geht da beides ineinander. Man kann herausbekommen wollen, was die wahre Lösung einer Schulaufgabe ist. Dahinter kann sich aber die Motivation verstecken, eine gute Note bekommen zu wollen. Das ganze Bildungssystem wiederum kann aber zu einem wesentlichen Teil in seiner Entstehung dadurch motiviert sein, die Gesellschaft auf „Wahrheit“ zu gründen und nicht auf Ideologien usw. – Aber wichtiger als der faktische Beitrag des Wunsches nach Erkenntnis zur dann gewonnenen Erkenntnis war mir zu betonen, daß sich einfach nicht begreifen läßt, was Denken ist, wenn man die Dimension, in der es nicht Zustand oder Ereignis ist, die Geltungsdimension, ausblendet.

  16. Vielen Dank für die Genesungswünsche.
    @ Dr. Webbaer: Ich habe die Frage mit dem “Du sollst nicht morden” nicht verstanden. Könnten Sie noch mal genau sagen, worauf sie zielt?

    • Lieber Herr Trepl,
      Ihr Kommentator kann dem Artikel folgen und findet eigene Sichten wieder.
      Die Frage bezog sich auf den ‘Sein-Sollen-Fehlschluß’: Könnte es nicht so sein, dass die ‘Grenzen des Naturalismus’ sich doch ein wenig verschieben lassen, Richtung Ethik, denn wenn Gruppen bestimmte Ethik nicht annehmen, bspw. die Ächtung und Strafung des Mordes oder die Annahme der Fertilität (vgl. mit dem Antinatalismus), werden sie evolutionär den Gruppenbestand nicht halten können?

      MFG
      Dr. W (der diese Frage schon einmal in ähnlicher Form gestellt hat, der dem ‘Sein-Sollen-Fehlschluß’ konzeptionell nicht ganz traut)

      • Ich verstehe nicht so recht, wie das gemeint ist: die Grenzen des Naturalismus verschieben in Richtung Ethik. Meinen Sie, daß sich die Ethik, das Sollen, doch erklären läßt aus dem Sein, weil Gruppen, die eine Ethik haben, die ihnen populationsgenetische Nachteile bringt, aussterben werden, bzw. die zuständigen Gene werden verschwinden? Das betrifft nur die faktisch vorkommenden Ethiken, d. h. das Sein, nicht das Sollen. Eine Gruppe kann sich eine kriegerische Ethik zu eigen machen und dadurch populationsgenetisch ungeheuer erfolgreich werden, andere Gruppen unterwerfen, ihnen die Fortpflanzung verwehren usw.; das ist -zig mal in der Geschichte so geschehen, war schon fast der Normalfall. Der Erfolg beantwortet aber nicht die Frage, ob eine solche Kriegerethik sein soll, ob es richtig ist, ihr zu folgen. Umgekehrt kann eine Gruppe eine Klosterethik annehmen, die jede Fortpflanzung verdammt. Dann wird sie verschwinden. Aber vielleicht ist das moralisch richtig? Ich glaub’s ja nicht, aber die Frage ist auf jeden Fall unabhängig von der Erfolgsfrage zu beantworten.

        • @ Herr Dr. Trepl :

          Umgekehrt kann eine Gruppe eine Klosterethik annehmen, die jede Fortpflanzung verdammt. Dann wird sie verschwinden. Aber vielleicht ist das moralisch richtig? Ich glaub’s ja nicht, aber die Frage ist auf jeden Fall unabhängig von der Erfolgsfrage zu beantworten.

          Jenau, in diese Richtung gehen die Überlegungen des Schreibers dieser Zeilen, der, am Rande angemerkt, soz. übergriffigen Natuaralismus gewohnt ist abzulehnen, wie auch Sie, bspw. auch diesen “Objektivismus“.

          Aus humanistischer Sicht lässt sich aber diese Ihrige Aussage – ‘Umgekehrt kann eine Gruppe eine Klosterethik annehmen, die jede Fortpflanzung verdammt. Dann wird sie verschwinden.’ – explizit nicht annehmen, danke für Ihr Beispiel.

          Die möglicherweise als (Schein-)Frage vorgetragene Frage – ‘Aber vielleicht ist das moralisch richtig?’ – kann nicht bejaht werden, gell?!

          … womit dann auch die Zusammenfassung, vielleicht auch der Artikel bzw. dessen Grundtenor, vgl. mit ‘Ich glaub’s ja nicht, aber die Frage ist auf jeden Fall unabhängig von der Erfolgsfrage zu beantworten.’ , in Frage gestellt werden könnte; ein wenig natürlich nur.

          Denn es gilt ja, sofern Ihr Kommentator das bisher Vorgetragene korrekt interpretieren konnte, um das Humanistische, das Anthropozentrische (vs. Bio- oder Physiozentrische), anzunehmen.

          MFG
          Dr. W

  17. Zunächst einmal möchte ich für den sehr guten und hilfreichen Blogpost danken, dem ich mich inhaltlich voll anschließen kann!

    Dann aber möchte ich auch einfach ein “Gute Besserung!” wünschen. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind (und sein sollen) finde ich Ihren Blog hervorragend und freue mich über jeden Beitrag. Ich hoffe sehr, es geht Ihnen gesundheitlich bald wieder besser – für Ihr eigenes Wohlbefinden, das der Menschen, die Ihnen nahestehen und für uns Lesende und Diskutierende. 🙂

    Alles, alles Gute!

  18. Ihnen persönlich auf jeden Fall alles Gute, Herr Trepl, vielen Dank für diesen Artikel, am Rande notiert: ‘Du sollst nicht morden!’ ließe sich so behandeln wie das von Ihnen genannte ähnliche Beispiel?

    MFG
    Dr. W

  19. Gute Besserung, Herr Trepl. Werden Sie erst mal wieder gesund, das bloggen kann warten. In der Zwischenzeit können die Leser sich ja den einen oder anderen ihrer Beiträge vor nehmen. Lohnt sich immer.

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