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Läßt sich “Landschaft” übersetzen?

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Dóra Drexler 2009: Landschaft und Landschaftswahrnehmung

Untersuchung des kulturhistorischen Bedeutungswandels von Landschaft anhand eines Vergleichs von England, Frankreich, Deutschland und Ungarn

 

Die Arbeit gibt es gedruckt in deutscher und in ungarischer Sprache

sowie in der Dissertationsfassung als pdf im Internet.

 

Aus dem „Fazit“:

 “Ziel dieser Arbeit war es, vier voneinander abweichende Verständnisweisen von Landschaft in Europa vergleichend darzustellen und Ursachen für deren jeweilige Spezifika zu finden. England, Frankreich, Deutschland und Ungarn wurden für die Untersuchung ausgewählt. Die Darstellung der jeweiligen Landschaftsauffassungen erfolgte anhand einer sprachlichen und kulturhistorischen Untersuchung. Landschaft wurde dabei als soziokulturelles Phänomen verstanden. Entsprechend wurden die Gründe der heutigen Unterschiede in der Landschaftswahrnehmung in der unter- schiedlichen kulturhistorischen Entwicklung der Länder gesucht.

Durch den Vergleich der Ergebnisse der kulturhistorischen Untersuchung mit den Ergebnissen der Sprachanalyse stellte sich heraus, dass tatsächlich, wie angenommen, Entsprechungen zwischen den charakteristischen Bedeutungsinhalten der einzelnen Landschaftswörter und den jeweiligen Landschaftsauffassungen, die im Rahmen der kulturhistorischen Untersuchung identifiziert worden sind, gefunden werden können. Die Bildhaftigkeit und Ländlichkeit (im Sinne des nicht städtischen Charakters) der englischen und französischen Landschaftsauffassungen wurzelt in den bürgerlich-liberalen Landschaftsauffassungen der jeweiligen Entstehungszeiten von »landscape« und »paysage«. Die Objekthaftigkeit und Ländlichkeit (im Sinne von bäuerlichem Landleben) des deutschen Landschaftsbegriffes kann auf die gegenaufklärerische Idee von »Landschaft« zurückgeführt werden. Die Bedeutungen des ungarischen Landschaftswortes táj stammen aus den ständischen, bürgerlich-liberalen und republikanischen »táj«-Auffassungen der ungarischen Reformzeit und insbesondere aus den nationalen Bestrebungen dieser Zeit.

Die Annahme, dass die Unterschiede der heutigen Landschaftsauffassungen der einzelnen Länder in den kulturhistorischen Entwicklungen der untersuchten Entstehungszeiten wurzeln und damit ausreichend erklärt werden können, wurde geprüft und für richtig befunden. Weil Landschaft (in England und Frankreich) nach einer bestimmten Zeit (Etablierung der bürgerlichen Gesellschaft) keine große gesellschaftliche Relevanz (als Symbol im Rahmen mächtiger gesellschaftlicher Bewegungen) mehr hatte, hat sich ihre Bedeutung bis heute nicht mehr stark verändert, und darum ist die letzte Phase der Entstehungszeiten der Landschaftsauffassungen – die Phase vor jenem Irrelevant-Werden – für das heutige Landschaftsverständnis entscheidend. Die letzten Landschaftsauffassungen der Entstehungszeit prägen das heutige Verständnis von Landschaft in Deutschland und Ungarn ebenfalls, auch wenn es in diesen Ländern später weitere Entwicklungen in der Bedeutung von Landschaft gab.

Die erheblichen kulturbedingten Differenzen in der Landschaftswahrnehmung wurden von den Disziplinen, die sich mit Landschaft beschäftigen, bisher weitgehend vernachlässigt. Diese Arbeit stellt bestimmte theoretische Überlegungen an, die es ermöglichen, die verschiedenen kulturell begründeten Vorstellungen von und Interessen an Landschaft zu untersuchen und die Ersteren durch die Letzteren zu erklären. Die Ergebnisse der Arbeit beleuchten bisher wenig beachtete Ursachen der Unterschiede europäischer Landschaftsauffassungen und sind dadurch nicht nur von theoretischem Wert, sondern wären insbesondere in der Praxis der internationalen Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur zu berücksichtigen.”

 

Blogartikel und andere Texte im Internet mit Bezug zum Thema: 1, 2, 3

 

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Ich habe von 1969-1973 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der FU Berlin Biologie studiert. Von 1994 bis zu meiner Emeritierung im Jahre 2011 war ich Inhaber des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der Technischen Universität München. Nach meinem Studium war ich zehn Jahre lang ausschließlich in der empirischen Forschung (Geobotanik, Vegetationsökologie) tätig, dann habe ich mich vor allem mit Theorie und Geschichte der Ökologie befaßt, aber auch – besonders im Zusammenhang mit der Ausbildung von Landschaftsplanern und Landschaftsarchitekten – mit der Idee der Landschaft. Ludwig Trepl