Läßt sich der Untergang von Hochkulturen ökologisch erklären? Teil 1: Ressourcenmangel ist nicht die Ursache des Verschwindens von Städten

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Unsere Umwelt zwischen Kultur und Natur
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In meinem Blogbeitrag „Biologismus Rassismus Ökologismus“ hatte ich eine Form des Biologismus (d. h. einer „weltanschaulichen Position“, die „menschliche Verhaltensweisen und gesellschaftliche Zusammenhänge vordringlich durch biologische Gesetzmäßigkeiten zu erklären versucht“, Wikipedia, Definition von „Biologismus“) angesprochen. Diese Form kann man einen Aspekt des Ökologismus nennen. Zum Ökologismus habe ich u. a. die Erklärung „gesellschaftlicher Zusammenhänge“ als Anpassungsphänomene von Gesellschaften an die natürliche Umwelt gerechnet, sofern diese Erklärung nicht zutreffend ist und sich einer Anmaßung von Zuständigkeiten durch die Ökologie verdankt. Ist sie zutreffend, kann man nicht von einem -ismus sprechen; diese Endung in Verbindung mit dem Namen einer Wissenschaft bezeichnet eine Überdehnung der Erklärungsansprüche. Ich hatte geschrieben: „Im Fernsehen gibt es neuerdings eine Fülle von ‚Bildungsfilmen’, deren Botschaft immer diese ist: Daß irgendwelche Hochkulturen – die der Maya, die von Angkor usw. – untergegangen sind, lag nicht, wie man bisher unter dem Einfluß einer naturvergessenen Soziologie glaubte, an ethnischen oder religiösen Konflikten und anderen Schwierigkeiten ‚innerer Anpassung’, sondern an Veränderungen auf der Ebene der natürlichen Ressourcen in der Umwelt (oft dadurch bedingt, daß sie übernutzt worden sind und sich die Natur gerächt hat).“

Martin Holzherr hat das in einem Kommentar kritisiert:

„Zudem sind die Ansätze, welche das Verschwinden bestimmter Kulturen mit Phasen des Klimawandels in Zusammenhang bringen und die daraus gewachsenen Begriffe wie Carrying capacity, welche die Tragfähigkeit eines Ökosystems oder einer menschlichen Population in einer gegebenen natürlichen Umgebung mit gegebenen Ressourcen beschreiben, mit Sicherheit stimmig. Die Maya-Hochkultur verschwand tatsächlich durch eine Phase von immer stärker werdenden Dürren , denn die damals schon grossen Städte brauchten recht grosse Nahrungs- und andere Ressourcen, um alles am Laufen zu halten. Auch die Besiedelung Grönlands durch die Wikinger wurde durch eine mehrjährige Kältewelle beendet.“[1]

Dazu einige Bemerkungen. Die eben zitierten Einwände kann man leicht zurückweisen. Wenn man zeigen kann, daß die Maya-Kultur nach eine Phase von immer stärker werdenden Dürren verschwand, ja selbst wenn man zeigen kann, daß sie damit „in Zusammenhang“ stand (und nicht nur zeitlich folgte), dann hat man noch nicht gezeigt, daß die Maya-Kultur „durch“ diese Dürren verschwand, selbst wenn man wahrscheinlich machen kann, daß die Dürren zum Verschwinden beigetragen haben. Und wenn Angkor verschwand, nachdem die natürlichen Ressourcen des Gebiets für die übergroß gewordene Stadt nicht mehr reichten, dann heißt das nicht, daß sie wegen des Ressourcenmangels verschwand.

Daß die Bevölkerung kleiner wurde, läßt sich so, d. h. ökologisch, oft einleuchtend erklären. Denn es können, unter der Voraussetzung, daß nichts importiert wird, nicht mehr Menschen in einem Gebiet leben, als die dortigen Ressourcen zulassen. Aber die genannte Voraussetzung ergibt eben schon den ersten Gegeneinwand: Diese Art von Ökologismus übersieht, daß die Vorstellung einer bestimmten Carrying capacity (ein Begriff, dessen Entstehung übrigens nichts mit der Diskussion um den Klimawandel zu tun hat) nur unter der Bedingung der Geschlossenheit des betrachteten Raumes (bzw. der Population) sinnvoll ist. Wenn sich die Maya-Städte eine Fläche erobert hätten wie Rom oder ausgedehnten Handel betrieben hätten wie Lübeck, wären sie nicht auf die natürlichen Ressourcen ihres eigenen Gebiets abgewiesen gewesen.

Der nächste Gegeneinwand betrifft das Verhältnis von vorhandenen potentiellen Ressourcen und dem, was für die Individuen oder Gesellschaften, die in dem Gebiet leben, reale Ressourcen sind. Ein Beispiel (die Quelle weiß ich leider nicht mehr): In der niederkalifornischen Wüste leben heute einige wenige Familien; mehr „ernährt“ das karge Land nicht. Früher war die Bevölkerung um ein Mehrfaches höher. Das lag – rein ökologisch, von den natürlichen Ressourcen im Gebiet her gesehen – daran, daß die Indianer damals eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen verzehrten, die heute nicht mehr gegessen werden, weil sie als eklig gelten und weil sie einfach nicht zu den gewohnten Nahrungsmitteln zählen. Oder ein ausgedachter Fall: Man stelle sich ein Gebiet mit gewaltigen Fleischmengen vor. Diese bestehen aus Kühen. Die Bevölkerung aber bestehe aus Hindus, denen die Kühe heilig sind. Die Menschen müßten verhungern, während für Angehörige anderer Religionen Nahrung im Überfluß vorhanden wäre. Oder noch viel näherliegend: Auf einer bestimmten Fläche in Nordamerika lebten 1000 Indianer, aber wenig später – nehmen wir einmal an – 10.000 eingewanderte Europäer, und wenn den Einwanderern ostasiatische Landbautechniken bekannt gewesen wären, hätten die Fläche vielleicht 50.000 Bewohner „tragen“ können.

Dies einbezogen, d. h. in Rechnung gestellt, daß für die untergegangenen Städte nur das als Ressource gezählt wird, was von den jeweiligen Bevölkerungen aus kulturellen Gründen oder aus Gründen der technischen Entwicklung auch genutzt werden kann (womit die Erklärungsansprüche der Ökologie schon weit zurückgetreten sind): Der Untergang läßt sich immer noch nicht durch Ressourcenmangel erklären.

Denn aufgrund von Natur- und anderen Katastrophen außerordentlich stark geschrumpfte Bevölkerungen von Städten gab es oft. Die Pestepidemien des Spätmittelalters oder auch der 30jährige Krieg hatten Auswirkungen, die vermutlich die Bevölkerungszahl vieler Städte weit stärker reduziert haben als die Dürren auf Yucatan die der Maya-Städte. Aber die Städte in Europa verschwanden in der Regel nicht. Ob eine Stadt verschwindet, also aufgegeben wird, oder ob sie als kleinere Stadt weiterbesteht und vielleicht später wieder wächst, hat gesellschaftliche Ursachen, nicht ökologische. Auch wenn beide nicht unabhängig voneinander sind, kann man doch meist angeben, was sinnvoll als Hautursache zu bezeichnen ist. Für den Bevölkerungsrückgang kann man in manchen Fällen den natürlich bedingten bzw. ökologisch erklärbaren Ressourcenmangel als Hauptursache betrachten, auch wenn in den meisten Fällen Ursachen, die allein auf der Ebene der gesellschaftlichen Beziehungen liegen, wichtiger sind, überwiegen (z. B. Kriege, die sich nicht als Kriege um natürliche Ressourcen erklären lassen).

Für das Verschwinden von Städten oder Hochkulturen jedoch dürften solche natürlichen Faktoren so gut wie nie die Hauptursache sein. Rom hatte im Altertum viele Hunderttausend Einwohner, im Mittelalter nur noch ca. zwanzigtausend. Mehr konnte das Land vielleicht zu dieser Zeit ökologisch nicht tragen, Getreide aus Nordafrika war nicht mehr verfügbar, und das hatte keine ökologischen Ursachen. Aber untergegangen ist die Stadt trotz des enormen Bevölkerungsrückgangs nicht. Eine Stadt (oder eine Hochkultur) ist ein Gebilde ganz anderer Art als eine Ansammlung von Lebewesen, die sich ernähren müssen, auch wenn eine Ansammlung von Lebewesen der Spezies Homo sapiens eine Mindestbedingung ist, ohne die es Städte nicht geben kann. Aber so lange die ökologischen Verhältnisse die Zahl dieser Lebewesen nicht unter eine extrem geringe Größe drücken – immerhin haben sich viele Städte nach dem Dreißigjährigen Krieg von einem Bevölkerungsrückgang auf wenige Hundert, ja auf noch weniger, „erholt“ –, kann man von einer ökologischen Erklärung zwar des Bevölkerungsrückgangs, doch nicht des Untergangs der Städte sprechen, allenfalls von einem Beitrag, und der ist in der Regel gering.

 

Blogbeiträge mit Bezug zum Thema: (1), (2), (3), (4), (5), (6), (7), (8), (9)

 


[1] Zitat leicht verändert (Tippfehler korrigiert).

 

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Ich habe von 1969-1973 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der FU Berlin Biologie studiert. Von 1994 bis zu meiner Emeritierung im Jahre 2011 war ich Inhaber des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der Technischen Universität München. Nach meinem Studium war ich zehn Jahre lang ausschließlich in der empirischen Forschung (Geobotanik, Vegetationsökologie) tätig, dann habe ich mich vor allem mit Theorie und Geschichte der Ökologie befaßt, aber auch – besonders im Zusammenhang mit der Ausbildung von Landschaftsplanern und Landschaftsarchitekten – mit der Idee der Landschaft. Ludwig Trepl

8 Kommentare

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  3. @ Martin Holzherr.

    In vielem bestätigen Sie ja das, was ich zu sagen versuche.

    Aber es gibt einen wesentlichen Dissens. Sie schreiben, auch „die Beseelung durch konfuzianische oder altrömische Ideale kann man nicht als dominierenden Faktor für das Gedeihen und die Entfaltung von Städten, Reichen oder Ländern machen. Vielmehr ist es ein Zusammenspiel von vielen Faktoren, wobei Ressourcen eine entscheidende Rolle spielen.“

    Es stimmt natürlich, daß immer viele Faktoren zusammenspielen, und man kann nur manchmal „pragmatisch“ sagen, daß da etwas dominiert (in Ihrem Beispiel die Wikingereinfälle, obwohl man natürlich fragen kann, aus welchen naturräumlichen, ökonomischen, religiösen, sozialen … Ursachen die Überfallenen nicht stark genug waren, sie abzuwehren, und fragen kann, ob nicht das das Wichtigere ist).
    Mir kommt es aber auf etwas anderes an. Ich will versuchen, es systemtheoretisch zu sagen, obwohl ich kein Systemtheoretiker bin und nicht weiß, was die richtigen Begriffe sind. Die Sache so zu denken hilft aber, manches schärfer zu sehen.

    Im modernen Wirtschaftssystem existiert nur, was sich in Geld ausdrücken läßt, im Rechtssystem nur, was sich auf schuldig/unschuldig bringen läßt. Anderes ist durchaus von Einfluß. Es wirkt von außen auf das System, aber ohne Transformation in das, was im System „gilt“, existiert es nicht für das System. Z. B. hätte ohne physische Ressourcen kein Geld eingenommen werden können, ohne Körperkraft der Mord nicht stattfinden können, aber was sich nicht in Geld ausdrücken läßt, existiert nicht im Wirtschaftssystem, was sich nicht auf schuldig/unschuldig bringen läßt, ist kein „Fall“ für das Rechtssystem, existiert nicht „in“ ihm, ist in ihm nicht „anschlußfähig“. Im Wissenschaftssystem als Wissenschaftssystem ist „Wahrheit“ die Systemwährung (ist vielleicht der falsche Begriff); ein Faustschlag auf den Tisch kann eine Diskussion als Teil des politischen Systems beenden, aber nicht als Teil des wissenschaftlichen Systems, das kann nur ein Argument, das „wahr“ sein muß. Oder so ähnlich.

    Auf unseren Fall mit den Städten angewandt: Ich habe „Stadt“ als sozial-rechtliches Gebilde verwendet. Die mittelalterliche Stadt gibt es so lange, wie die Siedlung Stadtrecht hat (mit seinen sozialen Folgen: Selbstverwaltung, Markt, Zulassung von Handwerk …). Ob sie physisch völlig vernichtet oder ihr nur das Stadtrecht entzogen wird: Für ihre Existenz als Stadt ist das kein Unterschied. Das biologische System der Population von Individuen der Spezies Homo sapiens auf dem Territorium der Stadt ist ein anderes System, ist nicht „die Stadt“. Es nimmt zu/ab durch Geburt/Tod, Zu- und Abwanderung, durch nichts anderes. Das sozial-rechtliche System Stadt kann davon beeinflußt werden, muß aber nicht, und umgekehrt. Die Zahl der Bürger der Stadt kann durch Entzug der Bürgerrechte abnehmen, das muß aber auf die Zahl der Bewohner des Territoriums überhaupt keinen Einfluß haben und umgekehrt.

    Nun ist eine „Hochkultur“ systemtheoretisch betrachtet ein ziemlich komplexes Ding. Ob und in welchem Sinn man überhaupt von EINEM System sprechen kann, ist keine einfache Frage. Außer Frage steht aber, daß diese Kultur ALS Kultur etwas ganz anderes ist als eine Fläche mit einer Population von Lebewesen darauf, und außer Frage steht auch, daß sich diese Kultur als Kultur im Prinzip von der konkreten Umwelt, in der sie entstanden ist, abkoppeln kann, also nicht mehr auf deren Ressourcen angewiesen ist.

  4. Ressourcen bilden den Ausgangspunkt

    @Ludwig Trepl
    Auch eine irgendwie geartete seelische/gesellschaftliche Grundeinstellung, die Beseelung durch konfuzianische oder altrömische Ideale kann man nicht als dominierenden Faktor für das Gedeihen und die Entfaltung von Städten, Reichen oder Ländern machen. Vielmehr ist es ein Zusammenspiel von vielen Faktoren, wobei Ressourcen eine entscheidende Rolle spielen. Und zwar durchaus auch im heutigen Sinn, wo man beispielweise von Human Resources spricht. Diese Human Resources waren im alten Rom oder Griechenland unter anderem die Sklaven.

    Auch natürliche Ressourcen spielen von Beginn weg eine grosse Rolle. Anders wäre kaum zu erklären dass viele grosse Städte an Flüssen, an der Küste oder sogar an der Küste, wo ein Fluss ins Meer fliesst, liegen. Offensichtlich begünstigt ein solcher Standort eine Siedlung und deren Wachstum, weil damit die Grundlage für einen starke Stellung in Verkehr und Handel gelegt ist.

    Was eine Stadt oder ein Reich ist und für eine Bedeutung hat kann man durch Güter-/Ressourcenflüsse kennzeichnen.
    Ihre Aussage Doch (fast?) alle Städte haben als Städte überlebt, auch wenn die Bevölkerungszahl auf Dorfgröße zurückgegangen war. klammert sich an das rein physische Überleben eines Gebildes. Wenn eine Stadt aber keine Ausstrahlungskraft mehr hat, es kaum noch Güter- und Menschenströme hinein und hinaus gibt, hat die Stadt ihre frühere Funktion verloren und ist nicht mehr dieselbe wie früher.

    Wenn wir von den Hansestädten sprechen, so meinen wir eben mehr als ein paar Lokationen auf der Landkarte, sondern etwas wie einen Organismus, für den viele Dinge eine Rolle spielen, unter anderem natürliche Ressourcen, humane Ressourcen, Geld- und Warenflüsse, Steuereinnahmen usw.
    Dass natürliche Ursachen/Entwicklungen wie Änderungen des Klimas oder Seuchen ein System in eine kritische Lage bringen ist sicher eher die Ausnahme. Aus dem einfachen Grund, weil historisch der Mensch als natürliches Zeitmass die Lànge seines Erwachsenenlebens hat und Änderungen des Klimas beispielsweise meist viel längere Zeitperioden in Anspruch nehmen. Gute Beispiele für destabilisierende Einflüsse und Störfaktoren für Städte und Länder sind z.B. der Einfall der Wikinger (Nordmänner) von Skandinavien nach Festlandeuropa, in der diese Beutefahrer ganze Landstriche überfallen und ausgeraubt haben, Könige abgesetzt oder vertrieben und eigene Staatsgebilde gründeten.
    Dieser “Wikingersturm” hat kurzfristig eine viel grössere Bedeutung gehabt als alle natürlichen Abläufe dazumals. Was aber die Bedeutung von Veränderungen der natürlichen Grundlagen nicht mindert.

    Heute kann Technologie in Verbindung mit Kapitaleinsatz viele scheinbar vorgegebene natürliche Limiten überwinden. Die israelische Landwirtschaft beispielsweise ist nur wegen intensiver Bewässerung denkbar und hat aus Gebieten, die fast aride sind, “Gewächshäuser” gemacht.

  5. @ Martin Holzherr.

    „Nur wegen ihrer Wasser-Technologie gab es die Maya-Hochkultur auf der Yucatan-Halbinsel und ihr Ende fand sie durch eine Zunahme der Trockenheit, die sogar die Grenzen ihrer Wassertechnologie überstieg“

    „ihr Ende fand sie durch“: Dann habe ich Ihnen das Argument nicht verständlich machen können.

    Daß bestimmte Kulturen nicht hätten entstehen können, wenn sie nicht in bestimmten Umwelten bestimmte Technologien entwickelt hätten, ist klar; sonst hätten sie entweder andere Technologien haben müssen oder es wäre hier überhaupt keine Kultur entstanden. Aber daß diese Kultur „ihr Ende fand durch eine Zunahme der Trockenheit“ fand, ist falsch. Die Trockenheit mag zum Ende beigetragen haben. Die Historiker dürften aber Fälle kennen, in denen ähnliche Mangelsituationen als „Herausforderungen“ gewirkt haben und zum Aufschwung einer Kultur (was immer das heißen mag) beigetragen haben.

    Die Pestepidemien haben zum enormen Bevölkerungsrückgang von Städten und Dörfern in Mitteleuropa “geführt” (unter der Voraussetzung bestimmter Techniken, Hygienestandards usw., die Epidemien waren nicht einfach ein natürlicher Vorgang), nicht nur “beigetragen”, das scheint eine sinnvolle Asdrucksweise. Manche Dörfer sind völlig verschwunden. Kann man hier sagen, daß diese „durch“ die Epidemien ihr Ende fanden, daß die Epidemien dazu “geführt” haben? Das ist nicht ganz einfach, zumindest waren die sozialen Stabilisierungsmechanismen nicht in der Lage, den Untergang bei sehr starkem Bevölkerungsrückgang aufzuhalten. Doch (fast?) alle Städte haben als Städte überlebt, auch wenn die Bevölkerungszahl auf Dorfgröße zurückgegangen war. Das zeigt, daß das Verschwinden von Faktoren auf anderer Ebene abhängig ist, von traditionsbedingtem Zusammenhalt, von der Stabilität bestimmter Institutionen usw.

    Beitragen tut natürlich die Umweltanpassung immer zu dem, was mit einer Hochkultur oder einer Stadt geschieht, und zwar so gut wie zu allem. Auch ein so „naturfernes“ Geschehen wie ein Religionskonflikt dürfte in anderer natürlicher Umwelt etwas anders ablaufen. Aber für die Überlebensfähigkeit eines sozialen Gebildes spielen in aller Regel rein innergesellschaftliche Faktoren eine weitaus größere Rolle. Man kann fast nie sagen, daß sich das Ende eines solchen Gebildes ökologisch „erklärt“ – selbst wenn man “ökologisch” sehr weit faßt.

    Im Übrigen hat man die Frage des „Geodeterminismus“ in der Geographie hundert Jahre lang diskutiert und es ist so gut wie nichts von ihm übriggeblieben, bis er durch den Aufstieg der Öko-Ideologie wieder etwas an Boden gewann. Ich kenne diese Diskussion allerdings nur vom Hörensagen und will mich darum auf das beschränken, wozu der Alltagsverstand reicht. Georg Menting, der unter dem Pseudonym „Geoman“ hier aus Scilogs viel kommentiert, dürfte sich damit auskennen.

  6. Impact=Population x Affluence x Tech

    Das Ressourcenkonzept muss man nicht rein ökologisch und mechanistisch sehen. Um ein Beispiel des Einflusses von Naturereignissen und ihren Folgen auf die betroffenen Menschen zu geben : Wiederholte Flutkatastrophen wie in Pakistan 2010 geschehen müssen nicht zwangsläufig zur Verarmung der Bevölkerung führen, sie haben aber das Potential dazu. Überlegungen dazu stellt z.B. der Professor für Ressourcenökonome der ETH, Lukas Bretschger an (Beispiel hier)

    Schon die altbekannte Formel I=PAT bringt uns weiter.
    Impact= Population x Affluence x Technology
    Sie hat allerdings nicht die erfolgreiche Nutzung von Ressourcen zum Thema, sondern die Umweltbeeinträchtigung durch die Ressourcennutzung und sie behauptet: Je grösser die Population und ihr Wohlstand, desto mehr wird die Umwelt von einer bestimmten Technologie beeinträchtigt.

    Jetzt aber zu den Hochkulturen.
    Hochkulturen brauchen vor allem eine Ressource: Menschen, die sich arbeitsteilig organisieren unter Nutzung eines Grundsets von Technologien, die
    1) Die Versorgung der Hochkultur mit lebensnotwendigen Gütern sicherstellt
    2) Die die Reproduktion der Güter ermöglicht, die die Hochkultur ausmachen.
    Als Beispiel: eine Hochkultur, in der Pyramiden erbaut werden muss
    1) die Arbeiter ernähren können und
    2) all das Wissen und die anderen nötigen Ressourcen “pflegen”, die den Pyramidenbau ermöglichen.

    Wie steht es nun mit der Maya-Hochkultur. Mit der These, ihr Niedergang gehe auf das Konto von langanhaltenden Dürren in den Jahren 810 bis 910 hat sich Professor Gerald Haug (heute an der ETH) einen Namen gemacht.
    Er schreibt dazu:
    In the anoxic Cariaco Basin of the southern Caribbean, the bulk titanium content
    of undisturbed sediment reflects variations in riverine input and the hydrological
    cycle over northern tropical South America. A seasonally resolved record
    of titanium shows that the collapse of Maya civilization in the Terminal Classic
    Period occurred during an extended regional dry period, punctuated by more
    intense multiyear droughts centered at approximately 810, 860, and 910 A.D.
    These newdata suggest that a century-scale decline in rainfall put a general
    strain on resources in the region, which was then exacerbated by abrupt drought
    events, contributing to the social stresses that led to the Maya demise.

    Die jüngsten Untersuchungen von Dunning lassen einen Staunen, dass es die Maya-Hochkultur in dem trockenen Gebiet, wo sie ihre Blüte hatte, überhaupt geben konnte (Zitat): “This is in a region that has no surface water,” says Dunning. “There are only a handful of caves that go deep enough to get to the permanent water table, so for anyplace that’s bone dry for five months out of the year, this is a pretty special location.”

    Meine These: Nur wegen ihrer Wasser-Technologie gab es die Maya-Hochkultur auf der Yucatan-Halbinsel und ihr Ende fand sie durch eine Zunahme der Trockenheit, die sogar die Grenzen ihrer Wassertechnologie überstieg.

  7. Falsche Ressourcen

    Dieses Beispiel – dass Nahrungsmittel vorhanden sind, aber aus kulturellen Gründen nicht genutzt werden – führt Jared Diamond in “Kollaps” am Beispiel der Wikinger in Grönland weiter aus. Die Wikinger hätten, so Diamond, einen Großteil ihrer Ressourcen für die Viehzucht verwendet und Robbenfleisch verschmäht.

  8. Rassismus

    Viele unserer Sichtweisen sind unterschwellig oder direkt von rassistischem Charakter:
    Wir betrachten z.B. selektiv nur das Untergehen der Maya-Hochkultur; dass vor- und nachher viele Maya existiert haben, zählt für uns nicht.