Ökologismus und Blut-und-Boden-Ideologie

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Unsere Umwelt zwischen Kultur und Natur
Landschaft & Oekologie

Während Konservative der Ökologiebewegung vorwerfen, links zu sein, sehen linke und liberale Kritiker oft eine Nähe des Denkens dieser Bewegung zur nationalsozialistischen Weltanschauung, und zwar wegen der Idee einer Einheit von Menschengemeinschaft und Natur; das entspräche der Einheit von „Blut und Boden“. Diese Behauptung ist falsch.

„Der Faschismus, vor allem der deutsche Nationalsozialismus, ist in vielerlei Aspekten einen (sic!) Gegenpol zum aufgeklärten Begriff der individuellen Freiheit. Er negiert sie sogar als Zeichen ‚moralischer Verkommenheit’. Sein wesentliches ideologisches Dogma besteht in der Idee einer Rasse, der jedes Individuum zugehörig ist und der an erster Stelle Loyalität geschuldet wird. Das Überleben der Rasse und ihre Stärkung als natürlicher Gemeinschaft ist oberstes Ziel und Heilsbringer zugleich. Angesichts dessen wird die Nähe zwischen Nationalsozialismus und Ökologismus oft vergessen. Denn die Einheit von Rasse und dem durch sie bewohnten Lebensraum ist ein zentrales Grundmotiv dieser Ideologie (‚Blut und Boden’). Der ‚Boden’ meint in dieser Denkweise die zu schützende und zu erhaltende Natur, zu dem der Nationalsozialismus den gleichen spirituellen Zugang wie der Ökologismus pflegt.“

Das Zitat stammt von Peter Heller, einem Kritiker der Grünen und des „Ökologismus“. Es ist einem Artikel im Science Sceptical Blog mit dem Titel „Grüne Programmatik: Der Weg in den Ökofaschismus?“ entnommen. – Die Behauptung Hellers ist in zwei wichtigen Punkten falsch.

Man könnte unter Ökologismus allein die (heute sehr verbreitete) Variante des Denkens der Ökologiebewegung verstehen, die nichts kennt als das, was die Ökologie erfassen kann. Dann ist alles den Naturwissenschaften nicht Zugängliche, also auch alles „Spirituelle“, Privatsache, mit der man es nach Belieben halten kann, oder man hält es einfach für Unfug. Nennt man aber nicht nur diese Variante Ökologismus, dann ist es sicher richtig, daß es im Nationalsozialismus und im Ökologismus einen „spirituellen Zugang“ zur Natur gibt. Die Behauptung vom gleichen „spirituellen Zugang“ aber ist nur Demagogie. Damit will ich mich nicht länger aufhalten.

 

Kritisieren möchte ich folgenden Satz: „Denn die Einheit von Rasse und dem durch sie bewohnten Lebensraum ist ein zentrales Grundmotiv dieser Ideologie (‚Blut und Boden’).“ Er suggeriert, daß für den Nationalsozialismus die Rasse an den Lebensraum gebunden ist. Dem ist aber in einer entscheidenden Hinsicht keineswegs so.[1]

Es ist eine konservative, nicht eine nationalsozialistische Vorstellung, daß „Land und Leute“ (W. H. Riehl, 1854)[2] eine Einheit bilden und bilden sollen. Die „Leute“ wurden im klassischen Konservativismus nicht als Rasse, sondern als Volk (oder Volksstamm) verstanden, und ein Volk galt im wesentlichen als eine kulturelle Einheit, nicht als eine biologische, obwohl die Vorstellung der gemeinsamen biologischen Abstammung im Laufe des 19. Jahrhunderts im konservativen Denken immer mehr an Einfluß gewann. Für die konservative Idee der Landschaft als Einheit von Land und Leuten ist die unauflösliche Verbindung wesentlich, die Heller hier anspricht.[3] Die Gemeinschaft paßt sich tätig auf einfühlsame Weise an die Natur ihres Lebensraums an. Diese Natur ist sozusagen moralische Instanz – durch sie spricht Gott – und sie ist zugleich der Gemeinschaft von Gott als moralische Aufgabe gesetzt. Nimmt die Gemeinschaft diese Aufgabe wahr, dann entwickelt sie diese Natur zu der in ihr angelegten und von Gott gewollten Vollkommenheit, und dabei entfaltet die Gemeinschaft ihr eigenes Wesen. So entwickelt sie „Kultur“ (im Gegensatz zu „Zivilisation“[4]). Das impliziert: Sie entwickelt Kulturlandschaften als Einheiten von Vielfalt, Eigenart und Schönheit.[5] Diese Kulturlandschaften, ihre Heimat, dürfen die Menschen nicht verlassen. Denn in der konservativen Ideologie hat – natürlich nur idealtypisch – jedes Volk seinen Raum. Es will ihn gar nicht verlassen, denn es geht ihm im eigenen am besten; Mensch und Natur haben sich ja im Zuge der Entwicklung der Kulturlandschaft aneinander angepaßt. Und es darf ihn auch nicht verlassen und sich im Raum anderer niederlassen, denn jede andere Gemeinschaft hat ebenso ein Recht auf ihre Heimat.

Dagegen ist das Wesentliche für den Nationalsozialismus der Kampf – im Verhältnis zur Natur ebenso wie im Verhältnis zu anderen Rassen. Im Falle der Herrenrasse ist die Konsequenz notwendigerweise die Erweiterung des Lebensraums. Warum ist das so? Diese Rasse kann ihn erweitern, denn sie hat sich ja durch den Kampf mit der harten Natur (im Zuge ihrer „Verwurzelung“ im „Boden“) zu höchster Kraft gezüchtet. Und sie soll expandieren. Denn nur so kann das Höchste, was die Natur hervorgebracht hat, eben die Herrenrasse, vor der Degeneration bewahrt werden; nach dem Sieg über die harte nordische Natur würde ja der Kampf aufhören und die Rasse würde verweichlichen. Und sie soll es aus einem zweiten Grund. Denn nur wenn den unfähigen Rassen – das sind vor allem die „ostischen“ – der anderen Länder die Herrschaft über deren Natur entrissen ist, kann diese Natur zu der Vollkommenheit entwickelt werden, die in ihr angelegt ist: Sie kann, unter bestimmten natürlichen Voraussetzungen, zu der Ideallandschaft werden, zu der die Herrenrasse die deutsche Landschaft bereits entwickelt hat.

Die Nationalsozialisten haben die Idee von Heimat als unzerreißbare Land-und-Leute-Einheit und die Idee von Landschaft als Ausdruck organischer und traditionsgebundener Lebensverhältnisse vorgefunden, aber nicht übernommen. „Blut und Boden“ bedeutet, daß die „nordische Rasse“ sich zwar nur in einem bestimmten „Boden“ zu der in ihr angelegten Kraft entwickeln konnte – was ihr allerdings nur möglich war, weil sie von vornherein schon die starke Rasse war; die anderen hätten in der harten Umwelt versagt. Nach dem Hochzüchtungsprozeß aber kann sie diesen „Boden“ aufgrund ihrer im Kampf mit ihm entwickelten Kraft (wozu auch ihre überlegene moderne Technik gehört) verlassen und den „Boden“ anderer Rassen erobern und ihn ihren Rasseeigenschaften entsprechend entwickeln, und das darf und soll sie auch.[6]

Es gibt also im Nationalsozialismus die Idee der Einheit von Rasse und durch sie bewohntem Lebensraum nur im Sinne einer Einheit im Zuge der Entwicklung (Züchtung) der Rasse zur Herrenrasse, aber nicht in dem Sinne, daß diese Einheit danach nicht aufgelöst werden kann, im Gegenteil.

 

Aber gibt es denn die Idee einer unauflöslichen Verbindung von Gemeinschaft und der umgebenden Natur im heutigen Ökologismus?

Mir scheint dieser Begriff im Sprachgebrauch der Kritiker des Denkens der Ökologiebewegung – nur von Kritikern wird er benutzt – zu unbestimmt, das damit bezeichnete Denkgebilde zu heterogen, als daß man die Frage ohne weiteres mit Ja oder Nein beantworten könnte. In Teilen ist die Ideologie der Öko-Bewegung schlicht klassisch-konservativ, und auch da, wo sie das – wie meist – nicht nur nicht sein will, sondern auch dezidiert nicht ist, ist ihr Denken von der Idee der organischen Einheit von Gemeinschaften und umgebender Natur stark beeinflußt; populäre Vorstellungen, wie sie sich etwa unter dem Begriff des „Ökosystems“ verbergen, meinen genau dies, wenn auch verglichen mit der Reflektiertheit und Tiefe der klassischen konservativen Kulturkritik in platter, naturalistisch reduzierter Form.

Aber dennoch: Im mainstream der Ökologiebewegung wird man den Gedanken nicht finden, daß gewachsene, traditionsbestimmte Gemeinschaften von Menschen („Völker“) mit ihrem Lebensraum eine untrennbare Einheit bilden oder bilden sollen. Gewiß ist dieser Gedanke als Traum vorhanden, sonst würde die Idee dieser Einheit nicht ständig auf fremde Kulturen projiziert. In den Lebensräumen der, wie es im modischen Jargon heißt, „Indigenen“ hat Fremdes nichts verloren, und sie sollen in ihren Traditionen und in ihrer angestammten Naturumgebung nicht nur leben dürfen, sondern sie sollen dort leben. Man wird nicht viele Angehörige dieser Bewegung finden, denen es bei der Vorstellung nicht unwohl ist, daß es keine Indianerdörfer mehr gibt und deren Bewohner in Bürohochhäusern arbeiten und wie „Zivilisierte“ denken und fühlen. Aber für sich selbst findet man in dieser Bewegung nichts dabei, auszuwandern und – ganz friedlich natürlich – sich in der Heimat anderer anzusiedeln, wenn es nur „ökologisch“ zugeht. Die Gemeinschaften der Öko-Utopien sind zwar irgendwie organisch, aber nicht organisch gewachsen, sind nicht traditionsbestimmt; man meint, man könne sie sich ausdenken, gründen und aufbauen. Vor allem das Land der Leute muß ökologisch, d. h. hier organisch funktionieren, und der Begriff des Ökosystems erlaubt das Kunststück, die Natur als eine Konstruktionsaufgabe zu denken und nicht als Aufgabe des Pflegens des Vorgefundenen;  pflegen bedeutet ja: dem, was angelegt ist in der Natur und von selber werden will, bei seiner Entfaltung zu helfen.

Die NS-Ideologie, die auch die Idee technischen Fortschritts und die Idee des naturverbundenen Lebens in organischen Gemeinschaften verband, fand einen Ausweg aus diesem Widerspruch. Denn wenn das Subjekt des Handelns in der Natur die „Herrenrasse“ ist, also das höchste, was die Natur hervorgebracht hat, dann gibt es den für den Konservativismus entscheidenden Widerspruch zwischen konstruieren und pflegen, zwischen technischem Fortschritt und naturverbundenem-traditionsgebundenem Leben nicht: Wenn der nordische Mensch konstruierend in die Natur eingreift, dann pflegt auf diesem Weg die Natur mittels ihrer höchsten Hervorbringung sich selbst. Was immer der nationalsozialistische Ingenieur tut: Es ist eine Handlung der Natur an sich selbst. Alles, was dem Sieg der Herrenrasse dient, liegt ja auf dem Weg der Natur selbst.

Der heutige Ökologismus aber sieht sich, eben weil er nicht rassistisch ist, in einen unauflöslichen Widerspruch verwickelt, wenn er fortschrittlich sein will, also nicht technikfeindlich, und zugleich konservativ, also in der Natur etwas sieht, dem man sich einfügen muß und das man nicht konstruieren, sondern nur pflegen darf.

 

 

Literatur:

Bensch, Margrit (1995): Die „Blut und Boden“-Ideologie. Ein dritter Weg der Moderne. Beiträge zur Kulturgeschichte der Natur 2.

Bensch, Margrit (2008): Rassismus als kulturelle Entwicklungstheorie. Formen biologischen Denkens im Sozialdarwinismus. Dissertation Technische Universität Berlin (http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=999605224&dok_ var=d1&dok_ext=pdf&filename=999605224.pdf).

Eisel, Ulrich (1992): Individualität als Einheit der konkreten Natur: Das Kulturkonzept der Geographie, in: Bernhard Glaeser / Parto Teherani-Krönner (Hg.), Humanökologie und Kulturökologie. Grundlagen, Ansätze, Praxis, Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 107-151.

Eisel, Ulrich / Körner, Stefan (2001): Rekonstruktion zentraler Naturschutzideen, in: Bundesamt für Naturschutz (Hg.), Naturschutzstrategie: Argumentenetz für den Naturschutz, Bonn, S. 45-221.

Kirchhoff, Thomas (2005): Kultur als individuelles Mensch-Natur-Verhältnis. Herders Theorie kultureller Eigenart und Vielfalt, in: Michael Weingarten (Hg.), Strukturierung von Raum und Landschaft. Konzepte in Ökologie und der Theorie gesellschaftlicher Naturverhältnisse, Münster, S. 63-106.

Tönnies, Ferdinand (1887/1972): Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Trepl, Ludwig 2012: Die Idee der Landschaft. Eine Kulturgeschichte von der Aufklärung bis zur Ökologiebewegung. Bielefeld: transcript.

Vicenzotti, Vera / Trepl, Ludwig (2009): City as Wilderness: The Wilderness Metaphor from Wilhelm Heinrich Riehl to Contemporary Urban Designers, in: Landscape Research 34 (4), S. 379–396.

Gröning, Gert / Wolschke-Bulmahn, Joachim (1987): Die Liebe zur Landschaft, Teil 3: Der Drang nach Osten, München: Minerva-Publ. (= Arbeiten zur sozialwissenschaftlichen Freiraumplanung, Bd. 9).

 

Einige Blog-Artikel mit Bezug zum Thema: (1), (2), (3), (4), (5), (6), (7), (8), (9)


[1] Ausführlich zum Folgenden: Bensch 2008, Trepl 2012, vor allem Kapitel 7.

[2] Vgl. Vicenzotti/Trepl, Ludwig 2009.

[3] Zum folgenden siehe vor allem: Eisel 1992, Eisel/Körner 2001, Kirchhoff 2005, Trepl 2012, Kapitel 6.

[4] Vgl. Tönnies 1887.

[5] Trepl 2012, Kapitel 6.3.2.

[6] Bensch 2002, vgl. auch Gröning/ Wolschke-Bulmahn 1987.

 

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Ich habe von 1969-1973 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der FU Berlin Biologie studiert. Von 1994 bis zu meiner Emeritierung im Jahre 2011 war ich Inhaber des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der Technischen Universität München. Nach meinem Studium war ich zehn Jahre lang ausschließlich in der empirischen Forschung (Geobotanik, Vegetationsökologie) tätig, dann habe ich mich vor allem mit Theorie und Geschichte der Ökologie befaßt, aber auch – besonders im Zusammenhang mit der Ausbildung von Landschaftsplanern und Landschaftsarchitekten – mit der Idee der Landschaft. Ludwig Trepl

11 Kommentare

  1. @ Heller

    Lieber Herr Heller,

    Zu ihrer Behauptung vom „gleichartigen spirituellen Zugangs zur Natur“ habe ich „Demagogie“ geschrieben, weil ich darin ein typisches Muster der politischen Kampfsprache jeder Richtung erkenne: Man setzt die verschiedenen Gegner gleich, so daß dann zum harmlosen gesagt ist: Du bis genau wie der schlimmste. In der Linken, als es sie noch gab, war es üblich, alles von F. J. Strauß an nach rechst als „Faschisten“ in einen Topf zu werfen. Die Konservativen setzen so extrem unterschiedliche Menschentypen (und Politiktypen) wie Anarchisten und Kommunisten gleich und nennen sie, je nach dem, was gerade als das Schlimmere gilt, entweder Anarchisten oder Kommunisten.

    Ein „spiritueller“ Zugang zur Natur wäre doch einer, der in der Natur etwas Göttliches sieht, magisch-pantheistische Vorstellungen hat oder so ähnlich. Richtig, das kommt im NS und im Ökologismus vor (aber auch im Konservativismus). Doch damit ist die „Spiritualität“ nicht gleich; dann müßte doch irgendein Angehöriger archaischer Kulturen auch die gleiche „Spiritualität“ haben wie der NS. Ich habe oben, zu Q. Quencher, geschrieben und wiederhole es hier noch einmal: „daß a) im Zentrum des letzteren [NS] der Begriff der Rasse steht, den man in der Öko-Bewegung so gut wie gar nicht kennt, und b) damit zusammenhängend die Vorstellung des NS, daß das wesentliche Verhältnis der Menschen zur Natur und der Gemeinschaften untereinander das des Kampfes ist. Das ergibt ein völlig anderes Grundgefühl.“ Das müßte Sie doch überzeugen.

    Sie schreiben: „Das Expansionsbegehren des NS beschreibt nicht einen ‚Umzug’, eine Auswanderung, sondern eine Erweiterung. Die ‚Einheit von Blut und Boden’ soll keinesfalls aufgelöst, sondern vielmehr vollendet werden.“

    Das ist falsch und richtig. Die „nordische Rasse“, und das ist wesentlich für die Blut-und-Boden-Theorie, ist eine Siedler-Rasse, keine Nomadenrasse; wenn Sie das meinen, haben Sie recht. Nomaden sind die Feinde, die Juden und die „ostischen“ Rassen und – vermittelt über den jüdisch-liberalistischen Geist – die Amerikaner. Die Vollendung ist aber nicht, wie Sie schreiben, die Besiedlung des „natürlichen Lebensraums“ der Deutschen im Osten, sondern die Weltherrschaft und die Besiedlung aller Böden (was, in dieser Abstraktheit, nichts spezifisch Nationalsozialistisches ist: es ist wie im älteren europäischen Kolonialismus). Eben darum gibt es nicht die notwendige Einheit von „Land und Leuten“ wie im Konservativismus (der hätte die Erweiterung des Lebensraums abgelehnt, denn man hat in der Heimat zu bleiben und die anderen haben ein Recht auf ihre Heimat), sondern ausgehend von der Verwurzelung in einem bestimmten Boden entfällt die Bodenbindung schlechthin, weil die Herrenrasse das nicht mehr nötig hat. Ich schreibe demnächst mal hier etwas Ausführlicheres darüber (aber in der zitierten Literatur steht das alles eigentlich schon hinreichend ausführlich).

    Sie schreiben: „Hier liegt die eigentliche Nähe zwischen NS und Ökologismus: Beide schränken die individuelle (Verhaltens-)Freiheit nicht durch ihren Selbstbezug (“Freiheit des Anderen”), sondern durch ein übergeordnetes, eher spirituelles denn rationales Prinzip ein (“Nachhaltigkeit” bzw. “Rasse”). Das ist aus meiner Sicht ein allgemeines Merkmal aller totalitären Ideologien.“

    Das ist nicht ein „allgemeines Merkmal aller totalitären Ideologien“, wenn man „totalitär“ wie bei Hannah Arendt versteht, denn der Stalinismus hat nicht ein solches Prinzip. Die Einschränkung geschieht hier über das „Gemeinwohl“, wozu sich der Gedanke „Freiheit des Anderen“ weiterentwickelt hat – wie in den demokratischen Ideologien von Anfang an (im Unterschied zur liberalen Ideologie, wo die Freiheit aus Eigennutz eingeschränkt wird). Nun wird es aber komplizierter. Für die real existierende Ökologiebewegung ist „Nachhaltigkeit“ ein sehr rationales Prinzip und läßt sich mit „Gemeinwohl“ übersetzen (ausgedehnt auf die kommenden Generationen, was aber nur eine logische Implikation ist). Man könnte natürlich einen idealtypischen Ökologismus konstruieren, bei dem das nicht so ist; da wäre Nachhaltigkeit im Ökologismus im allgemeinen eher konservativ gedacht: Die Gesellschaft ist eine organische Gemeinschaft, in die man hineingeboren wird, und die überkommene Gemeinschaft ist etwas, das Autorität hat und haben soll, und die Gemeinschaft “will” ihre Fortexistenz. Da könnte man vielleicht sagen, daß das „eher ein spirituelles Prinzip“ ist. Denn es ist der zu Geschichte und Gemeinschaft säkularisierte christliche Gott, der hier Autorität hat. Aber das ändert nichts daran, daß eine Gleichsetzung falsch ist.

    Wenn Sie die besondere Nähe (nicht Gleichsetzung) zum NS begründen wollten, wenn Sie zeigen wollen, daß der Ökologismus nicht im wesentlichen eine Verbindung von konservativen und demokratischen Denkweisen (sei es in technokratischen, sei es in basisdemokratischen Formen) ist, müßten Sie wohl der Naturalisierung (Biologisierung) nachgehen als der Gestalt, die die Säkularisierung sowohl im NS als auch im Ökologismus hat (und kaum im Konservativismus). Und Sie sollten sich die Theorie über den Zusammenhang von NS-Rassismus und der Zentraltheorie des Ökologismus (der aus der Ökologie übernommenen „Monoklimax-Theorie“) ansehen, wie sie vor allem Eisel und Bensch ausgearbeitet haben, da werden Sie fündig (Literatur habe ich zitiert). – Aber auch da bleiben entscheidende Unterschiede; sie liegen hauptsächlich darin, daß im Ökologismus den Begriff der Rasse nicht vorkommt.

    Viele Grüße

    Ludwig Trepl

  2. Klarstellung

    Lieber Herr Trepl,

    mein Text, den Sie oben zitieren, hatte einen anderen Ansatz. Es ging mir um den Vergleich des Freiheitsbegriffes zwischen dem Ökologismus auf der einen und den von der Aufklärung beeinflussten Strömungen auf der anderen Seite.

    Hier liegt die eigentliche Nähe zwischen NS und Ökologismus: Beide schränken die individuelle (Verhaltens-)Freiheit nicht durch ihren Selbstbezug (“Freiheit des Anderen”), sondern durch ein übergeordnetes, eher spirituelles denn rationales Prinzip ein (“Nachhaltigkeit” bzw. “Rasse”). Das ist aus meiner Sicht ein allgemeines Merkmal aller totalitären Ideologien.

    Was die Frage des gleichartigen spirituellen Zugangs zur Natur angeht, erscheint mir das derart evident, daß es hierzu keiner weiteren Begründung in einem Artikel bedurfte, der sich mit Freiheitsbegriffen befaßt. Sie erkennen Demagogie, wo ich nur Selbstverständlichkeiten äußere. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob das eine (Naturschutz) das andere (Nationalsozialismus) bedingt, oder ob hier ähnliche Geisteshaltungen nur zufällig zusammengefunden haben – aber die Ähnlichkeit selbst ist aus meiner Sicht gegeben.

    Es ist auch nicht nachvollziehbar, gegen die Einheit von “Blut” und “Boden” im NS mit seinem Expansionswillen zu argumentieren. Sie schreiben dazu:

    “Es gibt also im Nationalsozialismus die Idee der Einheit von Rasse und durch sie bewohntem Lebensraum nur im Sinne einer Einheit im Zuge der Entwicklung (Züchtung) der Rasse zur Herrenrasse, aber nicht in dem Sinne, daß diese Einheit danach nicht aufgelöst werden kann, im Gegenteil.”

    Das Expansionsbegehren des NS beschreibt nicht einen “Umzug”, eine Auswanderung, sondern eine Erweiterung. Die “Einheit von Blut und Boden” soll keinesfalls aufgelöst, sondern vielmehr vollendet werden. Die Expansionsbestrebungen richteten sich ja auf Territorien, die als angestammter “germanischer” Siedlungsraum angesehen wurden. Diese sollten unmittelbar dem deutschen Staatsgebiet einverleibt werden. Darüber hinaus wurde “lediglich” eine kulturelle Hegemonie angestrebt. Beachten Sie hierzu das Zitat von Walter Darre, das Martin Holzherr oben angibt.

  3. @ Quentin Quelcher

    Lieber Herr Quencher,

    wichtig scheint mir als erstes, daß Faschismus und NS nicht identisch sind. Die Blut-und-Boden-Ideologie ist für den NS spezifisch.

    Dann: „antimaterialistisch, antiindividualistisch, antiliberal, antidemokratisch, antimarxistisch proklamiert, tendenziell populistisch und antikapitalistisch“ sind – bis auf (u. U.) populistisch – typische Kennzeichen des Konservativismus UND des NS, das sagt also für sich noch nichts. „Eher ästhetisch als theoretisch“ stimmt für Faschismus und NS, für den Konservativismus nicht, könnte also eher etwas ergeben. Aber wo ist denn im heutigen Ökologismus ein Ästhetizismus zu finden? Sicher, irgendwo im Hintergrund schon, aber an der Oberfläche, da wo es den Ökologiebewegten bewußt ist, doch nicht die Spur. Da wird, wie ungenügend auch immer, rational, nämlich naturwissenschaftlich-technisch argumentiert.

    „….Mitteln eines neuen politischen Stils und den Mythen, Riten und Symbolen einer Laienreligion, die dazu dient, die Massen kulturell-sozial zu einer geschlossenen Glaubensgemeinschaft zu formen, deren Ziel die Schaffung eines ‚neuen Menschen’ ist.” Das gilt für den Kommunismus ganz genauso.

    Und wie ist es mit dem „spirituellen Zugang“? Wo es den in der Öko-Bewegung gibt – und es gibt ihn neben dem ökologistischen (im Sinne von die Welt von der Naturwissenschaft Ökologie aus sehenden) mainstream durchaus – gleicht er nur in recht wenigen Fällen dem NS-Spiritualismus. Das liegt vor allem daran, daß a) im Zentrum des letzteren der Begriff der Rasse steht, den man in der Öko-Bewegung so gut wie gar nicht kennt, und b) damit zusammenhängend die Vorstellung des NS, daß das wesentliche Verhältnis der Menschen zur Natur und der Gemeinschaften untereinander das des Kampfes ist. Das ergibt ein völlig anderes Grundgefühl.

    Gleichwohl meine ich – siehe dazu meinen vorigen Artikel „Biologismus Rassismus Ökologismus“ –, daß der Ökologismus ein BAUSTEIN eines neuen Rassismus werden könnte. Aber die GLEICHSETZUNG des Ökologismus mit der NS-Ideologie ist völlig verfehlt, selbst wenn sie nur den einen Punkt „Spiritualität“ betrifft.

  4. spiritueller Zugang

    Herr Trepl,

    Sie bezeichnen Peter Heller Behauptung, dass Faschismus (Nationalsozialismus) und Ökologismus den gleichen spirituellen Zugang haben, als als Demagogie. Ich denke Heller hat Recht, vor allem wenn man sich das Wesen des Faschismus etwas genauer anschaut. Einer der bekanntesten Faschismusforscher, Emile Gentile, beschreibt faschistische Ideologie so: “. eine Ideologie von antiideologischem und pragmatischem Charakter, die sich als antimaterialistisch, antiindividualistisch, antiliberal, antidemokratisch, antimarxistisch proklamiert, tendenziell populistisch und antikapitalistisch, eher ästhetisch als theoretisch formuliert mit den Mitteln eines neuen politischen Stils und den Mythen, Riten und Symbolen einer Laienreligion, die dazu dient, die Massen kulturell-sozial zu einer geschlossenen Glaubensgemeinschaft zu formen, deren Ziel die Schaffung eines “neuen Menschen” ist.” Der Ökobewegung geht es tatsächlich um die Schaffung des neuen Menschen, ich erinnere nur an Rifkins Homo empathicus.

    Hellers Aussage, dass die Blut und Boden Ideologie von einer Boden Ideologie abgelöst wurde, drückt meines Erachtens aus, dass die Natur in den Mittelpunkt gestellt wurde, diese das bestimmende Element wurde, und nicht mehr der Mensch. Wenn man das Ganze auch noch eher ästhetisch als theoretisch formuliert betrachtet, dazu die Mythen, Riten und Symbole einbezieht, dann sind wir bei einer ganzen Menge von Gemeinsamkeiten. Vor allem beim spirituellen Zugang.

  5. Globalisierungstendenzen…

    Da ja beinahe alles in den Globalisierungsstrukturen aufgeht, ist die Blut und Boden-These (und alles dem annähernd gedanklich verwandten) ja nun auch vollends kalter Kaffee.

    Um Ökologismus aber werden wir nicht vollends herum kommen, um gescheit mit/in der Natur wirtschaften zu können.

  6. @Martin Holzherr

    „Der Ökologismus als Auffassung, dass die Natur etwas ist, dem man sich einfügen muß und das man nicht konstruieren, sondern nur pflegen darf steht sowieso auf verlorenem Posten. …. Viel besser ist der Ansatz eigene Stoffkreisläufe aufzubauen, die weitgehend unabhängig von der Natur sind.“
    Ich bin dabei, dazu etwas Ausführlicheres zu schreiben, es dauert aber mindestens noch einige Wochen, bis ich es hier veröffentlichen kann.

  7. Danke!

    s.o. – Dr. Webbaer kennt diesen Einwand zwar als gelegentlich vorgebracht, aber nicht als besonders präsent.

    MFG
    Dr. Webbaer (der sinnhaftes ökologisches Bemühen gut findet, den Ökologismus aber negativ bucht)

  8. @Dr. Webbaer

    „Können Sie vielleicht bei Gelegenheit einmal erklären, warum Sie nationalsozialistisches Gedankengut in diesem Zusammenhang [mit dem Ökologismus] kritisieren?“

    Ganz einfach: weil immer wieder behauptet wird, das „ökologischen Denkens“ sei der NS-Ideologie ähnlich, weil dessen Blut-und-Boden-Theorie der Struktur des „grünen“ Denkens ähnlich oder gleich sei, nicht nur in dem zitierten Science Sceptical Blog, auch z. B. in diesem Buch: Bramwell, Anna (1985): Blood and Soil: Walther Darre and Hitler’s Green Party, Buckinghamshire: Kensal Press.
    Und hier in diesem Blog habe ich das gemacht, weil ich neulich nun einmal mit dem Thema Biologismus-Rassismus-Ökologismus angefangen habe.

  9. Volk ohne Raum: Geht doch!!

    Der NS- Natur&Boden-Begriff war nicht nur erhaltend und symbiontisch (Blut (Volk) und Boden(Natur)) sondern auch expansiv. Das scheint mir wesentlich und wird sehr gut im obigen Beitrag herausgestellt. Falls die Ökologiebewegung auf etwas ähnliches herauslaufen sollte, hätte sie eine grundfalsche Orientierung. Allerdings denke ich, dass sie das bewusst sicher nicht macht – es könnte aber doch auf etwas ähnliches herauslaufen.

    Zur Expansivitiät der NS Blut-und-Boden- Philosopie ein paar Schnipsel aus der Wikipedia:
    “Der Ausdruck Volk ohne Raum war ein Schlagwort in der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus.”

    Wir fordern Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres Bevölkerungsüberschusses.

    Reichsbauernführer Walther Darre schrieb:
    Der natürliche Siedlungsraum des deutschen Volkes ist das Gebiet östlich unserer Reichsgrenze bis zum Ural, im Süden begrenzt durch Kaukasus, Kaspisches Meer, Schwarzes Meer und die Wasserscheide, welche das Mittelmeerbecken von der Ostsee und der Nordsee trennt.In diesem Raum werden wir siedeln, nach dem Gesetz, daß das fähigere Volk immer das Recht hat, die Scholle eines unfähigeren Volkes zu erobern und zu besitzen.

    Der Ökologismus als Auffassung, dass die Natur etwas ist, dem man sich einfügen muß und das man nicht konstruieren, sondern nur pflegen darf steht sowieso auf verlorenem Posten. Mit dieser Haltung könnte man unser modernes Leben nicht aufrechterhalten. Wenn man es trotzdem tun will folgt schon bald die Idee, Autos von Biotreibstoffen zu “ernähren”, also eine neue Form der Expansion, in der immer mehr Land der Nutzung zugeführt wird.

    Die Menschheit braucht gezwungermassen immer mehr Ressourcen, weil sie wächst und immer reicher wird.
    Doch dieser Ressourcenbedarf kann von unserer Umwelt auch dann nicht gedeckt werden, wenn wir die Natur konstruieren und unseren Bedürfnissen anpassen.

    Viel besser ist der Ansatz eigene Stoffkreisläufe aufzubauen, die weitgehend unabhängig von der Natur sind. In einer Kreislaufwirtschaft mit 100% Rezyklierung braucht man die Natur nicht mehr als Abfallkübel oder Ressourcenquelle. Der Abfallkübel und Ressourcenbeschaffer ist dann die eigene städtische Umwelt. Wir sind heute noch sehr weit davon entfernt, doch es gibt letztlich keine Alternative dazu, denn sonst nutzen wir schliesslich die gesamte Erdoberfläche – und es reicht immer noch nicht aus.

  10. Immer wieder interessant Ihre Ausführungen, wenn auch ein bisschen sperrig …
    Ich kann dem Satz “Der heutige Ökologismus aber sieht sich, eben weil er nicht rassistisch ist, in einen unauflöslichen Widerspruch verwickelt, …” nur zustimmen.
    Ich habe in einem anderen Zusammenhang den “NABU” aus ähnlichen Gründen für den sogenannten “Homo demense-Award” im Bereich “Ökologieotie” vorgeschlagen. Da das gerade passiert ist, möchte ich meine Begründung dazu hier vorstellen. Ich denke, dass das Ganze auch unterhaltsam daher kommt (obwohl der Ökologismus langsam nicht mehr ganz so lustig ist, weil sehr ernst daher kommt). Mein Text bezieht sich allerdings nicht direkt auf Ihren Text:
    http://www.deepsoundfactory.de/…se-Award.pdf.zip

  11. Ökologismus

    Lieber Herr Trepl, der Schreiber dieser Zeilen hält den Ökologismus, der einen Selbstzweck darstellt in den üblichen Definitionen, für in etwa genau so schlecht wie er ökologisch sinnvolles Vorgehen für gut hält.

    Können Sie vielleicht bei Gelegenheit einmal erklären, warum Sie nationalsozialistisches Gedankengut in diesem Zusammenhang kritisieren? – Das ist hier sehr unklar.

    Vielen Dank, weiterhin viel Erfolg,
    MFG
    Dr. Webbaer (der Ihrer Artikelserie allerdings noch nicht umfänglich gefolgt ist, vielleicht liegt also ein einseitiges Defizit vor)