Was verbindet die CeBit mit “Avatar”?
BLOG: Labyrinth des Schreibens
Der Ariadnefaden ist es, der die Computer/Internet-Messe in Hannover mit James Camerons sensationellem 3-D-Spektakel verbindet.
Schon im Titel für das Interview, mit dem die Süddeutsche Zeitung eine Sonderbeilage zur CeBit eröffnete, kommt er vor: Der allseits als Metapher beliebte Rote Faden. Später heißt es in diesem Text, der Begriff der Connecet Worlds ziehe sich
… wie ein Roter Faden durch das Messeangebot.
James Camerons grandioser Science-Fiction-Film hat zwar soeben in Hollywood nur drei Oscars bekommen (seine Ex-Frau Kathryn Bigelow stahl ihm die Show mit The Hurt Locker) – aber der Film ist absolute Spitze, in vielerlei Hinsichten. Das ist jedenfalls die Zukunft des Kinos, was die technische Perfektion angeht. Viermal war ich schon drin (und das wird nicht das letzte Mal sein) – und war erstaunt, dass auch noch sechs Wochen nach Filmstart mittags um halb Zwölf das Kino zu gut zwei Dritteln besetzt war, darunter mit vielen Frauen, die nicht gerade die klassischen Konsumenten von SF-Filmen und -Büchern sind.
Dieser Film und seine 3D-Technik war natürlich auch der Knaller auf der CeBit. “Alle wollen nach Pandora” titelte ein Beitrag, der sich mit den Chancen von 3D für Fernsehgeräte und Spiele-Konsolen befasste.
Es gibt ein sehr schönes, prachtvoll buntes und liebevoll ausgestattetes Begleitbuch zum Film, das die Geschichte seiner Entstehung in großartigen Bildern dokumentiert. Dort wird einer der Mitarbeiter des Teams, TyRueben Ellingson, wie folgt auf S. 15 zitiert:
Für mich war der Rote Faden bei Avatar diese Mischung aus Konzept, Ausführunn und Dynamik der Story. Gleichzeitig gab die Story wiederum dem Gestaltungsprozess Impulse.
Zur Entstehungsgeschichte gibt es natürlich, wie bei solchen großen Erfolgen üblich, die wildesten Gerüchte über Plagiate. Aber das ist, wie man auf gut Bayrisch sagt, ein Schmarr´n. Cameron hat einfach in seinen jüngeren Jahren viel SF gelesen und später das eine und das andere Motiv in sein Drehbuch eingearbeitet. Darunter waren sicher auch die Novelle von 1956 (aus der später ein Roman wurde) Pandora´s Planet von Christopher Anvil und Death World von Harry Harrison. Der Titel von ersterer Space Opera mag Cameron zum Namen Pandora seines Planeten inspiriert haben; in Anvils Roman ist damit jedoch die Erde gemeint, die eine Invasion von löwenköpfigen Aliens mit Bravour abwehrt und dadurch für diese Invasoren die Erde zu Pandoras unheilbringender Büchse macht, aus der gleichnamigen griechischen Sage. Harrisons Todeswelt hingegen ist eine von unglaublich aggressiven Geschöpfen belebte Welt, die Camerons Pandora sehr nahe kommt.
Hier ist der Link zu einer interessanten Diskussion betr. Plagiat (an der ich mich selbst beteiligt habe): Cameron´s Avatar und Harryson´s Deathworld
A Dome is a Dome is a Dome, oder: Weil wir schon bei den Plagiaten sind
Die flotte Helene Hegemann mit ihrem Axolotl Roadkill und James Cameron sind nicht die einzigen, die sich mit solchen Vorwürfen rumplagen müssen. In der Süddeutschen von heute (11. März 2010) haut man Stephen King um die Ohren, dass der durchsichtige Dom, den er über ein amerikanisches Kleinstädtchen stülpt, schon bei den Simpsons und anderswo vorkommt, inklusive Marleen Hausmanns Endzeit-Vision Die Mauer. Nun, gehen wir ruhig noch ein paar Jährchen weiter zurück, nach 1951 (und das könnte recht gut Kings Inspiration gewesen sein). Da veröffentlichte nämlich Edmond Hamilton seine Space Opera City at Worlds End. Darin überwölben Aliens eine kleine Stadt in den USA (!) mit einer undurchdringlichen durchsichtigen Kuppel und befördern sie gut 100.000 Jahre in die Zukunft. Ich habe den Roman 1952 als Zwölfjähriger in der eutschen Übersetzung gelesen und war mächtig beeindruckt.
Hat King ein Plagiat begangen? Natürlich nicht. Er hat in Die Arena ein Motiv wieder aufgegriffen und – vielleicht kryptomnestisch* inspiriert – neu gestaltet. Mir ist so etwas auch schon mal passiert: Mit meiner Kurzgeschichte “Blindheit”, deren Wurzeln jemand mit Recht in Clifford D. Simaks “Desertion” entdeckt hat (welche Geschichte ich etwa 1954 in der Anthologie Überwindung von Raum und Zeit gelesen hatte). Man ist dann ganz überrascht, wenn einem so auf die Sprünge geholfen wird. (Nicht weitersagen: In meinem ersten Roman Männer gegen Raum und Zeit habe ich sogar ganz bewusst aus einem Sachbuch eine Szene von gut einer halben Seite geklaut, weil ich mir nicht zutraute, den “Untergang von Atlantis” selbst so packend zu beschreiben – ich war damals immerhin erst 17.)
* Krypromnestisch heißt frei aus dem Griechischen übersetzt in etwa: “auf geheimnisvolle Weise aus der Erinnerung wieder auftauchend”.
Quellen:
Anvil, Christopher: Pandoras Planet. (New York 1972). Rastatt 1984 (Terra Moewig TB). Die ursprüngliche Novelle erschien 1956 als “Pandora´s Planet” in ASTOUNDING SCIENCE FICTION
Füchtjoahnn, Jan: “Wenn eine Rachegott mit der X-Box spielt”. In: Südd. Zeitung vom 11. März 2010
Hamilton, Edmond: City at World´s end. New York 1951. Dt. SOS – die Erde erkaltet. Berlin 1952 (Gebr. Weiss)
Harrison, Harry: Death World. (New ork 1960). Dt. Die Todeswelt, München 1966 (Heyne TB).
King, Stephen: Die Arena. (New York 2009). Dt. München 2009 (Heyne)
Luef Wolfgang: “Alle wollen nach Pandora”. In: Südd. Zeitung vom 2. März 2010
Scheidt, Jürgen vom: Männer gegen Raum und Zeit. Wuppertal-Barmen 1958 (Wieba)
Scheidt, Jürgen vom: “Blindheit”. In: JvS (Hrsg.) Das Monster im Park, München 1971 (Nymphenburger). Dito englisch in Sacks, Janet (Hrsg.): The Best of Science Fiction Monthly, London 1975 (The New Heritage)