War Ariadnes Faden gar nicht rot?

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

In diesem Blog verwende ich von Anfang an (also seit 2007) die Begriffe roter Faden und Ariadnefaden als identische Termini. Umso erstaunter war ich, als mich Anfang dieses Jahres ein Kollege darauf aufmerksam machte, dass der Ariadnefaden ursprünglich gar nicht rot sei.

Literarische Experimente zertrümmern gewohnte Strukturen. Sie lassen beispielsweise einen bestimmten Buchstaben weg – wie der berühmte Roman La Disparition von George Perec, in dem der Autor auf den Buchstaben E verzichtet, also auf den im Französischen (und Deutschen) am häufigsten vorkommenden Vokal. Man wundert sich – aber es geht, auch im Deutschen. (Die lange vergriffene kongeniale deutsche Übersetzung von Eugen Helmé ist seit 1989 wieder lieferbar: Anton Voyls Fortgang).

Ein anderes Experiment ist es, den Roman nur als Aneinanderreihung von Dialogen zu erzählen. Was beim Theaterstück oder Filmdrehbuch grundlegendes Verfahren ist, aber durch zusätzliche Regieanweisungen und Voranstellung des Namens der jeweils sprechenden Person erleichtert wird, ist als fortlaufende “Erzählung” nahezu unmöglich, weil man schon nach einigen Seiten kaum mehr erkennen kann, wer da gerade spricht. Es gibt eine Ausnahme: JR [ja, das ist der Titel] von William Gaddis, der dieses Kunststück über sage und schreibe 1039 Seiten hinweg auf brillante Weise meistert; aber das ist äußerst mühsam zu lesen, vor allem, wenn man die Lektüre immer wieder unterbrechen muss.

Das einfachste Experiment dieser Art, und sehr beliebt vor allem bei “jungen Wilden”, ist das Ignorieren des Konzepts der Heldenreise (ohne deren Beachtung eigentlich Langeweile vorprogrammiert ist). Oder man verzichtet, noch einfacher und grundlegender, auf das zentrale Ordnungs- und Entwicklungsprinzip jedes Textes, der länger als eine Seite ist: Man verzichtet auf den inzwischen sprichwörtlichen roten Faden.
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Ohne Roten Faden geht nichts
Als vor einigen Jahren die Parkinson-Erkrankung des Kabarettisten Otfried Fischer immer unübersehbarere Spuren in seiner Psyche hinterließ, beendete er seine öffentlichen Auftritte in einem Interview mit dem Argument, dass ihm “der rote Faden abhanden gekommen sei”, ohne den sinnvolle geistige Arbeit unmöglich ist.

Dieser Faden ist so etwas Ähnliches wie die Desoxyribonukleinsäure, (DNS), die bei der Vererbung in vielen kleinen Schritten bestimmt, wie eine Ansammlung von grundlegenden Molekülen sich nach und nach zu einem lebendigen Gebilde organisiert – beispielsweise einem Embryo. Deshalb bezeichnet man diese Urbausteine als die Buchstaben der Vererbung. Auch die Evolution schreibt also gewissermaßen.

Beim Verfassen einer Kurzgeschichte oder gar eines Romans mit Hunderten von Seiten muss man sehr viele Textbausteine (ich nenne sie Gedankenmodule) so organisieren, dass sie eine sinnvolle Handlung ergeben. Diese versteht dann nicht nur der Autor als Ur-Leser, sondern auch irgendein anderer fremder Leser. Solche Bausteine sind Details zu den Personen, zu Schauplätzen (Lokalkolorit), zu Zeitkolorit und Atmosphäre, zu Spannung und etlichen anderen Elementen des Erzählens. Pro Manuskriptseite von rund 2.000 Anschlägen kann man mit etwa fünf solchen Elementen rechnen – was bei einem Roman von 300 Seiten schon an die 1.500 Gedankenmodule ergibt. Eine schier unübersehbare Fülle von Material. Und dennoch sind sogar schon sehr junge Leser in der Lage, ein so gewaltiges Konvolut wie Harry Potter mit an die 5.000 Seiten zu verstehen und, was ja auch noch dazukommt, sogar zu genießen.

Wie ist das möglich?

Es ist möglich, weil unser Gehirn von Geburt an darauf ausgerichtet ist, die auf diesen zunächst noch sehr unerfahrenen biologischen Computer einstürmenden Informationen zu immer komplexer strukturierten Einheiten zusammenzufassen und Super-Informationen zu bilden, die auf immer höheren Ebenen einer geistigen Hierarchie zu immer komplexeren Sinn-Ketten zusammengefügt werden. Hierbei spielen Symbole und Metaphern eine zentrale Rolle.

Beim Roman, der ja eine sehr komprimierte, abstrahierte und künstliche Variante des realen Lebens darstellt, ist die wichtigste dieser Sinn-Ketten das Konzept der Heldenreise: Die Hauptfigur durchläuft eine Entwicklung von einer Ausgangssituation (A) zu einer Zielsituation (Z). Das ist ein Grundmuster, das jeder Mensch in irgendeiner Variante sehr gut kennt, nämlich die der eigenen geistigen und seelischen Entwicklung.
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Irrgarten – oder Labyrinth?
Ein sehr treffendes Bild für den Ausgangszustand eines Romans ist der Irrgarten. Der Autor hat zunächst ja nur eine Fülle von Ideen, die wirklich sehr verwirrend sein können – sieht man einmal vom (auto-) biographischen Fall ab, bei dem die Chronologie eines Lebenslaufs die Reihenfolge der Elemente einigermaßen klar vorgibt (obgleich man hier durch Rückblenden und Vorblenden literarisch anspruchsvolle Kunstgriffe zur Verfügung hat). Geht der Autor in diesen Irrgarten immer wieder hinein, indem er (oder sie) den Text immer wieder überarbeitet, wird der Weg durch dieses geistige Gebilde immer klarer. Und später wird ihm der Leser gerne folgen.

Aus der Labyrinth-Sage ist uns vertraut, wie der Held Theseus seinen Weg in dieses Gewirr von Gängen und Sackgassen hinein und wieder heraus findet: Weil ihm Prinzessin Ariadne ein Hilfsmittel mitgibt, das man als eine Art antikes Navi bezeichnen könnte: Den nach ihr benannten Ariadnefaden*.
* Der müsste eigentlich Daidalos-Faden heißen, denn Daidalos, der das Labyrinth ersonnen und erbaut hat, erfand auch jene hilfreiche Garnspule – die jedoch nichts anderes sein kann, als der Bauplan dieses schrecklichen Verließes.

Es gibt zwei Arten von Labyrinthen: die echten und die, welche eigentlich Irrgärten sind. Der Unterschied zwischen beiden:
° In einem “echten” Labyrinth (auch als “kretisches Labyrinth” bezeichnet) kann man sich gar nicht verirren, weil es aus einem einzigen, wenngleich verwirrend hin- und hermäandernden Gang besteht, in den ein einziger Eingang hineinführt – der logischerweise zugleich der einzige Ausgang ist.
° In einem Irrgarten, mit seinen vielen Wegmöglichkeiten, Verzweigungen, Sackgassen und mehreren Ein-/Ausgängen kann man sich sehr wohl verirren.
Letzteres – eben ein Irrgarten – ist eigentlich fast immer gemeint, wenn von einem “Labyrinth” die Rede oder Schreibe ist.
Da es sich dabei meistens um gar keinen “-garten” handelt, sondern beispielsweise metaphorisch um “das Labyrinth des Lebens” oder das “Labyrinth der Großstadt” oder das “Labyrinth des Schweigens” (in denen man sich sehr wohl leicht verirren kann) habe ich das Kunstwort Yrrinthos erfunden, das alle diese “Irrgarten-Labyrinthe” meint, die eben kein “-garten” sind und schon gar nicht ein eingängiges “kretisches Labyrinth”.
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Die ganze Sache wird noch verwirrender
° weil die älteste Darstellung eines “eingängigen Labyrinths” in der Tat auf Kreta entdeckt wurde,
° die Geschichte von Theseus und seinem Kampf mit dem Minotauros und dem rettenden Roten Faden der Prinzessin Ariadne aber fraglos in einem irrgartenähnlichen unterirdischen Verließ spielt (weshalb ich dieses lieber nicht als “Labyrinth”, sondern eben mit dem Kunstwort Yrrinthos bezeichnen möchte).

Beide Varianten, das “echte” wie das “vorgebliche” Labyrinth, werden jedoch durch etwas verbunden, was immer vorhanden ist, wenn von welcher Art Labyrinth auch immer gehandelt wird: der sprichwörtlich gefundene “Rote Faden” (von mir bisher mit dem Ariadnefaden gleichgesetzt). Er ist das, was in welchem Labyrinth auch immer den Weg finden lässt, was Ordnung in der Verwirrung stiftet
– und was für das Schreiben so unglaublich wichtig ist, weil ohne Roten Faden kein Text verständlich ist.

Aber auch im übertragenen Sinne ist Prinzessin Ariadnes zauberhafter Faden hilfreich:
° Wir sollten uns immer wieder einmal Zeit gönnen, im eigenen Leben diesen Faden aufzuspüren und weiterzuspinnen.
° Wir sollten uns entsprechend immer wieder einmal fragen: Was gibt meinem Leben Struktur – und letztlich auch Sinn?
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Mir ist schon in jungen Jahren etwas Seltsames passiert:
Für mich war dieser Ariadnefaden immer identisch mit dem sprichwörtlichen roten Faden; keine Ahnung, weshalb. Dies liegt allerdings nahe – denn beide haben dieselbe Funktion: Der Ariadnefaden führt uns durch das Labyrinth-Gebäude – der rote Faden führt uns durch ein geistiges Gebilde wie einen Vortrag oder eine Kurzgeschichte oder einen Roman mit Hunderten von Seiten.

Mein Kollege Wolfgang Schmidbauer hat mich Anfang dieses Jahres darauf aufmerksam gemacht, dass der mythologischen Überlieferung zufolge der Ariadnefaden keineswegs rot sei. Er wies mich auf Goethe als einen der Urheber des Begriffs des “roten Fadens” hin und auf eine Diebstahlsicherung der britischen Marine. Entsprechendes vermeldet auch die Wikipedia:

Unter einem roten Faden versteht man ein Grundmotiv, einen leitenden Gedanken, einen Weg oder auch eine Richtlinie. „Etwas zieht sich wie ein roter Faden durch etwas“ bedeutet beispielsweise, dass man darin eine durchgehende Struktur oder ein Ziel erkennen kann. Der Begriff wird seit Goethes Wahlverwandtschaften im übertragenen Sinne verwendet. In den einleitenden Bemerkungen zu einem ersten Auszug aus Ottiliens Tagebuch, beschreibt er den Kennfaden der britischen Marine: „Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte sind dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen, und woran auch die kleinsten Stücke kenntlich sind, dass sie der Krone gehören. Ebenso zieht sich durch Ottiliens Tagebuch ein Faden …“
Schon im ersten Buch der Bibel begegnet allerdings der „rote Faden“ als Unterscheidungsmerkmal zwischen Zwillingsbrüdern: „Bei der Geburt streckte einer die Hand heraus. Die Hebamme griff zu, band einen roten Faden um die Hand und sagte: Er ist zuerst herausgekommen.“ (Gen 38,28 EU)

Es gibt im Englischen auch einen “goldenen Faden”
Interessanterweise heißt das, was wir im Deutschen als “roten Faden” bezeichnen – im Englischen “Golden Thread”, zumindest in der Justiz (wie die britische Wikipedia vermeldet”):
“Throughout the web of the English criminal law one golden thread is always to be seen – that it is the duty of the prosecution to prove the prisoner’s guilt…”

Gebe ich bei Google jedoch “Red Thread” ein, gelange ich erstaunlicherweise zu folgender Information:

The expression originates from the Greek mythology where king Theseus found his way out of Minotaur’s labyrinth by following a “red thread”.

So ganz so überzeugend ist die ethymologische Ableitung über Goethe also nicht. Ich fand nicht heraus, was die Quelle für das erwähnte Zitat ist. Diese Website stackexchange.com bezeichnet sich selbst als “question and answer site for linguists, etymologists, and serious English language enthusiasts”. Vielleicht ist der – nicht namentlich genannte – Autor ja in meinem eigenen Blog fündig geworden – und dies ist das Ergebnis eines Zirkelschlusses?
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Ich werde weiterhin den Ariadnefaden mit dem “Roten Faden” gleichsetzen
Wie auch immer: Ich werde weiterhin den Ariadnefaden mit dem “Roten Faden” gleichsetzen. Vielleicht entsteht ja auf diese Weise eine neue Meme? Darin hat mich mein verstorbener Kollege Hansruedi Gehring in einer Mail am 10. Dezember 2014 bestärkt:

Meine erste Assoziation als Seemanns-Autor zu Deinem Roten Faden war auch die Marine! Mark Twain ging mir durch den Kopf, dessen Name sich ja von „Zwei (twain) Faden“ ableitet und da dachte ich, ich würde etwas verwechseln. Rot im Zusammenhang mit Theseus macht auch Sinn, musste er doch der Prinzessin als Preis die Heirat versprechen, was er dann nicht einhielt etc.
Ich stellte mir den Faden der Ariadne übrigens immer rot vor, auch wenn Gustav Schwab die Farbe des „Wollknäuels“, den sie ihm in die Hand drückte, tatsächlich nicht nennt. Im übrigen sind solche Missverständnisse durchaus kreativ! Auch die Lawinenschnur ist rot, die Bergsteiger und die Schweizer Armee brauchen, da sie sich besser von Schnee und Eis abhebt. Ich vergesse nie, wie unsere Gruppe mal bei meterhohem Tiefschnee – mit diesem roten Faden verbunden- über mehr als tausend Meter Höhendifferenz vom Berninapass bis nach Poschiavo hinunter fuhr, wo uns die ersten Krokusse begrüßten. Ich war etwas gestresst, weil ich, mit den Kameraden verbunden, nicht stürzen durfte. Es gelang. Ähnlichen Halt gibt uns auch die Schreibgruppe, dank dem roten Faden.

Das Gehirn folgt seltsamen Wegen
Habe ich da irgendwann das “rot” in die Geschichte hineingeschmugggelt und meinen eigenen Mini-Mythos gebastelt? Das Gehirn folgt ja beim Erinnern manchmal seltsamen Wegen. Ich habe gleich bei meinen drei Gewährsleuten nachrecherchiert. Und siehe da:
° weder bei Hermann Kern – für mich DER Labyrinth-Experte (der leider früh verstorbene einstige Direktor vom “Haus der Kunst” in München)
° noch in Cerams Götter Gräber und Gelehrte (wo ich als etwa Dreizehnjähriger wohl zum zum ersten Mal von dieser Labyrinth-Geschichte erfahren habe)
° noch im Lexikon der antiken Mythen und Gestalten von Michael Grant und John Hazel ist ein “ roter Faden” zu finden.

Wie kam ich also auf diese Gleichsetzung?

Falls es keine andere externe Quelle gibt, habe ich da wohl unbewusst / vorbewusst der Liebesgeschichte von Ariadne und Theseus (“Rot ist die Liebe”) und der Aggressions-Geschichte zwischen Theseus und Minotauros (“Rot ist das Blut, das im Kampf vergossen wird”) die kräftige (und sehr stimmige) rote Farbe entnommen und dem Ariadnefaden hinzugefügt!

Also (m) ein Fehler?
No! Ab jetzt ist dies eben meine Kreation. Ein Mythos, der so lebendig ist wie der vom Labyrinth, kann und muss weitergestaltet werden. So ist es jetzt eben mein Beitrag dazu. Der Ariadnefaden bleibt der rote Faden . Schlimmstenfalls ist das eine egomanische Kuriosität.
Ich werde jedoch interessante Zitate zum Roten Faden in Zukunft nicht mehr unter der Rubrik “Allgegenwart des Labyrinth-Motivs” vermelden – sondern unter der Rubrik “Welt des Schreibens”

„Was nicht passt – wird passend gemacht.“
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Ein aktuelles Buch als Beispiel
Als ich in der Weihnachtszeit bei Hugendubel am Münchner Marienplatz nach interessanten neuen Büchern suchte, fiel mir sofort dieser Titel* ins Auge: Der rote Faden. Ich schlug zufällig mittendrin eine Seite auf und fand auf S. 85 in einer Bildunterschrift dieses Zitat:
*Dieser Ratgeber fiel meinem unbewussten “Labyrinth-Radar” sofort auf, als ich bei den Computer-Büchern nach einem Kompendium zu “Word 2013” suchte.

Das derzeitige Frankfurt als chaotisches, tristes Labyrinth von Großbaustellen, Bauzäunen und Absperrungen.

Zum Titel fand ich noch folgenden Hinweis:

“Enttäuschenderweise gibt es auch bei technisch versierten Amateurfotografen häufig Fotoserien zu sehen, die keinem roten Faden folgen und daher wirken, als wären sie nur durch Zufall entstanden.

Es kommt also sogar – was für ein Zufall! – das Stichwort “Zufall” vor! Was wiederum den Zufalls-Fan freut. Ansonsten habe ich das Buch nicht gelesen; bin nur schmökernd meiner Neugier gefolgt. So viel fotografiere ich nun auch nicht, dass ich von diesem Ratgeber profitieren könnte. Stattdessen kaufte ich ein Weihnachtsgeschenk für meine Enkelin: Percy Jackson und die Schlacht um das Labyrinth. Ein Schelm, wer Böses denkt – sie hat sich das gewünscht! (Der Ariadnefaden durch ein wirklich gut beschriebenes Labyrinth resp. Irrgarten ist hier ebenfalls nicht rot sondern “gleißend”. Hat auch was für sich.)
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Zum Abschluss noch was Labyrinthisches
In meiner Datenbank zu William Gaddis eingangs erwähnten Roman J R fand ich übrigens folgenden Eintrag:

William Gaddis “J R” ist die Geschichte eines Finanzgenies an der Wallstreet:
“Der elfjährige JR spekuliert sich vom Schultelefon aus und mit Hilfe postalischer Geldanweisungen ein riesiges Finanzimperium zusammen…”
Ein irres Buch! Sehr anstrengend zu lesen, weil nahezu alles in Dialog- beziehungsweise Monologform stattfindet und ein traditioneller Handlungsverlauf kaum auszumachen ist bzw. vom Leser selbst entwickelt werden muss. Aber als Autor kann man daraus viel lernen.
Labyrinth-Nennungen: S. 247, 248, 253, 273 (831: Daedalus)
“… mit einem diskret fischgrätergemusterten Labyrinth der Knitterfalten” (S. 247)

Man entkommt dem Labyrinth nicht – es ist immer und überall.
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(Eine Japanerin hat mir übrigens eine hübsche asiatische Variante des “roten Fadens” aus ihrer Heimat erzählt, die Sie hier in meinem Blog finden: Japans “Roter Faden”)

 

Fazit: Ariadnes Faden mag ursprünglich nicht rot gewesen sein, damals, in der Labyrinth-Geschichte. Aber er sollte es besser sein.

 

Quellen
Bittner, Michael: “Überfordert uns!”. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 283 vom 08. Dezember 2015 (Feuilleton).
Ceram, C.W.: Götter, Gräber und Gelehrte – Roman der Archäologie. (1949). Hamburg 1951 (Rowohlt).
Fischer, Meike: Der rote Faden. Eigene Fotoprojekte konzipieren und verwirklichen. Heidelberg 2015 (Dpunkt-Verlag).
Gaddis, Wiliam: J.R. (New York 1975). Frankfurt am Main 1996 (Zweitausendeins).
Gehring: Hansruedi: E-Mail vom 10. Dezember 2014.
Grant, Michael und John Hazel: Lexikon der antiken Mythen und Gestalten. (1973) München 1976 (List).
Kern, Hermann: Labyrinthe. Erscheinungsformen und Deutungen – 5000 Jahre Gegenwart eines Urbilds. München 1982 (Prestel).
Perec, George: La Disparition. (Deutsche Übersetzung von Eugen Helme von 1989: Anton Voyls Fortgang. Verlag Zweitausendeins).
Riordan, Rick: Percy Jackson und die Schlacht um das Labyrinth. (USA 2008) Hamburg 2010 (Carlsen).
Schmidbauer, Wolfgang: E-Mail vom 10. Dezember 2014.

Post 296 / JvS #1016 / SciLogs #1371/ Aktualisiert: 26. Dez 2015/12:48 (23. Nov 2015/22:57)  / v 1.1

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

3 Kommentare

  1. Die wichtigere Frage ist doch, ob “roter Faden” das gleiche bedeutet wie “Ariadnefaden”. Für Leute für die das Leben ein Labyrinth ist, kann Ariadnefaden und roter Faden die gleiche Bedeutung haben. Es bedeutet für sie die Absicherung, die sie immer wieder auf den richtigen Weg zurückführt und die sie brauchen, weil sie sich – aufgrund ihres Charakters- zwangsläufig verirren. Denn genau das entspricht ja der ursprünglichen Geschichte. Ariadne spulte einen Faden ab um später, wenn sie sich verirrt hatte, zur letzten Abzweigung zurückfinden zu können. Doch auch Leute, die sich nicht so leicht verirren benötigen vielleicht in einem Narrativ einen roten Faden, ein immer wieder durchscheinendes Leitmotiv oder einen verborgenen geradlinigen Plot. Einfach, weil das eine gute Strategie ist. Weil der Leser erfreut ist, wenn er den roten Faden entdeckt. Allzu geradlinige Charaktere benötigen das Prinzip des roten Fadens vielleicht gerade um von der geraden Linie hin und wieder abweichen zu können. Denn ein roter Fadenstrich als eine gerade, nirgends abweichende, nicht einmal gekräuselte, rote Linie, ist nicht sehr interessant.

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  3. Ariadnes Faden brauchte nicht rot zu sein, da der Faden allein genügte, um den Rückweg zu finden. Seine Farbe, zumindest in der Story, war egal, da ja kein zweiter Faden ausgerollt war. Ebenso kam es nicht auf die Farbe des Fadens bei den biblischen Zwillingen an.
    Um jedoch mit Sicherheit die eigentliche Herkunft von Diebesgut feststellen zu können, bedarf es einer eindeutigen Markierung. Daher der rote Faden im Tauwerk, nur so war die Eindeutigkeit und der Wiedererkennungswert gegeben.

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