Tod eines Kriegsreporters

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Schreiben hat viele Aspekte. Fast könnte man sagen: Jeder, der schreibt, hat seine eigene Art zu texten und einen eigenen Blickwinkel. Eigentlich kann man sie alle nachvollziehen. Aber manche Autoren machen es einem dabei nicht leicht. Kriegsreporter, zum Beispiel. Warum ergreift jemand so einen Beruf?

Der Vater der Hauptfigur “Thomas Lauffner” meines aktuellen Romanprojekts war fotografierender Kriegsberichterstatter. So habe ich es mir ausgedacht. Warum ich das tat, sei hier nur angedeutet: Es hat mit den Kriegserfahrungen meines eigenene Vaters zu tun, die mich auch heute noch, lange nach seinem Tod, beschäftigen.

Der Vater meiner Kunstfigur im Romanprojekt ist schwer traumatisiert aus dem Krieg in Vietnam zurückgekehrt. Als Thomas Lauffner, um den es in meinem Roman geht, fünf Jahre alt ist, verschwindet dieser sein Vater Larry.

Nun habe ich zwar einen amerikanischen Veteranen des Korea-Kriegs gekannt, der zum Vorbild für diesen fiktiven Vater wurde. Aber über die konkreten Aktivitäten eines Kriegsreporters und die Beweggründe für diese oft lebensgefährlichen Aktivitäten weiß ich nur sehr wenig und das nur aus zweiter Hand. Vor allem konnte ich über die Motive eines solchen Reporters nur spekulieren, der sich freiwillig immer wieder großer Lebensgefahr aussetzt.

Steckt dahinter der Wunsch nach ungeschminkter Realität des Kriegsgeschehens und die damit verbundene Zeitzeugenschaft? Ist es die Sensationslust, der Nervenkitzel, die Adrenalin- und Testosteronausschüttung im Angesicht des jederzeit möglichen Todes? Oder gibt es noch andere Motive? Solche Fragen stellte ich mir immer wieder. 

Hilfreicher Zufall

Deshalb war es für mich einen hilfreicher Zufall, als ich in der aktuellen Ausgabe des amerikanischen Nachrichtenmagazin Newsweek einen Artikel entdeckte, der von einem solchen Kriegsfotografen erzählt: Tim Hetherington. Seine Geschichte ging nicht gut aus. Er kam bei einem der letzten großen kriegerischen Konflikte der Gegenwart ums Leben, als man in Libyen den Diktator Gaddafi bekämpfte und schließlich tötete. Die Bilder, die den Artikel begleiten, sprechen von der künstlerischen Meisterschaft Hetheringtons und zugleich von der bizarren Welt der Kriegsgefahr – die beides ist: erschreckend und faszinierend.

Doppelter Zufall, dass außerdem das Labyrinth-Motiv in diesem Artikel thematisiert wird, auf wieder einmal sehr überraschende Weise.

 

Allgegenwart des Labyrinth-Mythos

In dem erwähnten Artikel heißt es:

Durch schmerzhaft genaue Interviews mit Kollegen von Tim [Hetherington], die mit ihm und den Rebellen gereist sind, welche die Journalisten logistisch an den Frontlinien in Misrata unterstützten, werden wir durch das Labyrinth der Entscheidungen geführt, die ein Kriegsberichterstatter machen muss, wenn er stets die aktuellsten, bestürzendsten, am meisten überzeugenden Bildes des Krieges bekommen möchte.
Wie lange bleiben wir hier? Haben wir genug gute Fotos gemacht um uns in Sicherheit zurückbegeben zu können? Wählen wir die Straße nach links oder die nach rechts? Können wir ein bisschen näher herankommen? Sollten wir auf den Rat eines Kollegen hören?
Jede Entscheidung diktiert ein bisschen, ob du überlebst oder stirbst in der Kriegszone, wo der Augenblick der Schlacht oft eine unstillbare Sehnsucht nach einer Geschichte in dir weckt.

Es spricht bzw. schreibt hier zwar nicht der zu Tode gekommene Tim Hetherington. Aber in den Worten seiner Kollegin Linsey Addario wird in diesem Nachruf anlässlich der Veröffentlichung einer Biografie über Hetheringhton manches sichtbar, was man sonst nur ahnen kann über die Motive eines Kriegsreporters.

Quellen:
Addario, Linsey: “Camera at the Ready”. In: Newsweek vom 6. Mai 2013, S. 48-51
Huffman, Alan: Here I am (Biografie über Tim Hetherington). New York März 2013 (Grove Press)

257 / # 904 / 1601 v1-1

 

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

3 Kommentare

  1. Warum?

    Angst, Gewalt und “Individualbewußtsein”, ist unsere GLEICHERMAßEN unverarbeitete und deshalb leicht MANIPULIERBARE Bewußtseinsschwäche, die es stets konsum- und / oder profitautistisch zu betäuben gilt – manche machen aus Angst vor Arbeitslosigkeit jeden Job, manche lieben die Gewalt und wollen in dieser brutal-egoisierenden und zynisch-verlogenen Welt- und “Werteordnung” mit Gewalt berühmt werden, so einfach ist das, wenn Ausbeutung und Unterdrückung den Kreislauf des Zeitgeistes bestimmen!

    Im Grunde ist die Frage so … wie: “Warum läßt der liebe Gott sowas zu”.

  2. Ein Offizier der Bundeswer meint:

    Vielleicht ist es die Sehnsucht, der Erste zu sein, der ein neues Bild oder eine neue Sichtweise in die Welt bringt. Ein Unikat, das die Welt bisher so noch nicht gesehen hat.

    In anderen Bereichen dürfte es journalistisch deutlich schwieriger sein etwas “Neues” zu präsentieren und nicht nur das Alte umzurühren, zu verpacken und “Neu” draufzuschreiben.

    Kriegsreporter können leichter solche Bilder(=Emotionen=Sichtweisen) präsentieren, bezahlen aber mit der Gefährdung ihres Lebens.

    Man tauscht die Konkurrenz der journalistischen Kollegen gegen sein eigenes Lebens, um “Der Erste” zu sein.

  3. “Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin” – wir haben es ja fast schon geschafft, in Zukunft werden die Drohnen der allgegenwärtigen Bewußtseinsbetäubung das entsprechende Futter liefern, obwohl das aus- / angesprochene eine andere Vorstellung von Zusammenleben bezeichnete!?

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