Tausend und ein Schreib-Seminar(e) und ein unerwarteter Tod

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Nun sind schon wieder fast zwei Monate seit meinem letzten Post vergangen. Ich habe in dieser Zeit konzentriert an meinem Roman-Projekt gearbeitet (das in diesem Blog demnächst noch viel Raum einnehmen wird); aber ich habe mich auch intensiv mit diesem Blog beschäftigt und wie es damit weitergehen sollte / könnte / müsste.

Zu meinem vorletzten Beitrag bekam ich einen bedenkenswerten Kommentar von Hildi (hier der Link auf seine Blog-Site: Warum heute noch Blogs?):

[…] andere Weblog-Autoren stellen sich immer wieder die Sinnfrage und kommen z.B. zum Ergebnis, die Inhalte überdenken zu müssen. […]

Genau das habe ich seit etwa einem Jahr getan: Inhalte (und Struktur) meines Blogs überdacht. Das Resultat ist ein Experiment, das ich starten möchte, auch wenn es vielleicht den gewohnten Rahmen des Blog-Formats sprengt:

 

Ein Experiment in Blogstruktur: Magazincharakter

Ich möchte nämlich nicht einzelne Artikel aneinanderreihen, sondern jedem Post eine Art Magazin-Charakter als textliche Grundstruktur geben. Das könnte dann so aussehen:

1. Intro und spezieller Beitrag zum Thema Schreiben resp. Romanschreiben.

2. Etwas Labyrinthisches (schließlich habe ich diesen Blog ja 2007 als “Labyrinth-Blog” gestartet).

3. Ein aktuelles Zitat zum Themas Entschleunigung.

4. Etwas Serendipisches (weil ich Zufälle und die Geschichte der Drei Prinzen von Serendip sehr schätze).

All dies soll natürlich nicht zufällig (sic) aneinandergereiht werden, sondern einer inneren Logik und einem Zusammenhang folgen. Dieser Zusammenhang ergibt sich ganz zwangslos dadurch, dass (wie schon in früheren Beiträgen behandelt):

1. Romanschreiben eine der anspruchsvollsten und kreativsten Tätigkeiten ist

2. Schreiben speziell von Romanen immer labyrinthischen Charakter hat, in all seiner Mehrdeutigkeit.

3. Ohne Entschleunigung beim Schreiben, nach zumal von Romanen, gar nichts geht.

4. Der Zufall gewissermaßen das Salz in der Suppe jeder kreativen Tätigkeit ist und beim Romanschreiben sowieso.

 

Drei Impulse zum Weitermachen

In meinem letzten Beitrag (vom 6. März) kündigte ich ein “gigantisches Jubiläum” an, das unter anderem neue Impulse für diesen Blog bringen sollte.

Dann kam unvermutet die Nachricht vom unerwarteten Tod eines gleichaltrigen Freundes und Kollegen (Nachruf folgt).

Vielleicht waren es auch, drittens, die Eindrücke und Anregungen von der fünftägigen Roman-Werkstatt, die ich über Pfingsten durchgeführt habe –

– jedenfalls weiß ich jetzt, wie es mit diesem Blog weitergehen wird.

 

Doch nun zum Jubiläum.

Als Datenbank-Fan habe ich natürlich immer akribisch meine Texte und meine Seminare (in denen die meisten dieser Texte entstanden sind) in einer Datenbank erfasst. Blöderweise habe ich irgendwann um das 400. Seminar aufgehört, zu zählen und einen entsprechenden Vermerk zu machen (die Texte werden von der DB automatisch mit einer Nummer versehen).

Anfang dieses Jahres, als sich die 50. Roman-Werkstatt näherte (sie findet im Oktober dieses Jahres statt) kam ich ins Grübeln:

Ob ich nicht längst 700 oder gar 800 Schreib-Seminare durchgeführt habe, seit ich 1979 das erste anbot?

Es kostete mich einige Tage sisyphosischer Sklavenarbeit (wenngleich freiwillig und selbst verordnet), um dieser Frage nachzugehen. Und siehe da: Bingo!

Es war schon das 1000. (in Worten: tausendste) Schreib-Seminar, das ich im April durchführte: Biographie & Phantasie – ein Format und ein Titel, die meiner Frau vor gut zehn Jahren eingefallen sind und die nun ich weiterführe. Und das ist nun außerdem wirklich noch ein toller Zufall!

Doch nun die Frage, die mich als Schreibenden plagt:

Habe ich mit der eingangs erwähnten Roman-Werkstatt im April”tausend und ein Seminar” durchgeführt – oder muss es nicht korrekt mit Pluralbildung heißen” tausend und ein Seminare“? Klingt beides irgednwie komisch. Aber der Titel der wahrscheinlich berühmtesten Geschichtensammlung der Welt heißt ja auch Tausendundeine Nacht und nicht Tausendundeine Nächte (obwohl der Plural eigentlich korrekter wäre). Vielleicht sollte ich diese grammatikalische Untiefe einfach umgehen und so formulieren:

Über Pfingsten habe ich “mein tausend und zweites Seminar durchgeführt” – oder schreibe ich besser “mein tausendzweites Seminar?” Naja, was auch immer. Jedenfalls hat es jetzt der letzte Leser dieser Zeilen kapiert, dass ich mächtig stoz darauf bin, so viele Seminare in diesen 36 Jahren durchgeführt zu haben. Wobei ich der Genauigkeit halber notieren sollte: Zusammen mit meiner Frau Ruth.

Was aber so auch nicht ganz korrekt ist, denn wir haben zwar viele (die meisten) Seminare zusammen durchgeführt – aber sie hat selbst in eigener Regie mindestens weitere 200 Schreib-Werkstätten angeboten. Zusammen haben wir also – Geschenkt. Jedenfall ein Jubiläum, das das Prädikat “gigantisch” durchaus verdient. Meine ich.

(Fortsetzung folgt)

247/ #1033 JvS /1099 SciLogs / v01

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

4 Kommentare

  1. “Blogs sind sowas von Achtziger”

    Interessanter Spruch , sind Blogs doch ein ganz klein wenig jünger , zumindest , was die Massenverbreitung angeht.
    Blogs sind was für Leute – Schreiber , Kommentierende und Mitleser gleichermaßen – die nicht immer hektisch jedem Trend hinterher hetzen müssen und die es schätzen , wenn mehr in die Tiefe gegangen wird und man sich mit Lesen oder Antworten Zeit lassen kann.
    Wenns schon so losgeht , mit Wörtern wie “heute” , oder “sowas von ” , dann weiß man meist schon , mit was für Pfeiffen man es zu tun hat.

    • WebLogs ersparen zudem die Sozialen Netzwerke, die nicht so cool sind, wenn sie nicht im Web offen stehen, was aber gerade ihr Sinn zu sein scheint.
      Twitter sei hier ebenfalls genannt, wobei die Längenbegrenzung einer Nachricht hier das Erfolgsrezept ist, Stichwort: Microblogging.
      WebLogs werden nicht verschwinden, sie bleiben wegen ihrer Schlichtheit und der chronologischen Ordnung nachgefragt.
      Andere Namen für Blogs kommen auch kaum in Frage…

      Insofern auch dem hiesigen Inhaltegeber weiterhin viel Erfolg!
      Dr. W

  2. Beim Lesen dieses Textes überfällt mich Nostalgie und ich werde an eine Stelle in Bleeding Edge von Thomas Pynchon erinnert, wo es um Webdesign und Dotcom-Firmen in den späten 90ern geht (frisch und unbearbeitet vom OCR-Scanner)

    weh tun? Und Pop-ups! Hör mir bloß auf – ,
    das widerlichste Stück Javascript, das je geschrieben wor-
    den ist. Pop-ups sind die Gumbas des Webdesigns, man
    muss sie in den Boden stampfen, sobald sie irgendwo auf-
    tauchen. Langweilig, aber irgendjemand muss es ja tun.»
    «Die hatten sowieso seltsame Vorstellungen von .»
    «Versteht man nicht ganz. Ich meine, ich hab getan, was
    ich konnte, aber man hatte irgendwie das Gefühl, die wa-
    ren nicht mit dem Herzen dabei.»
    «Dass Webdesign vielleicht nicht ihr Hauptgeschäft
    war?»
    Die junge Frau nickt betont, als würde ihnen jemand zu-
    sehen.
    «Wenn Sie hier fertig sind – ich heiße übrigens Maxi -»
    «Driscoll, hallo.»
    «Könnten wir doch einen Kaffee trinken gehen.»
    «Ich weiß was Besseres: Ein Stück die Straße runter
    gibt’s eine Bar, wo sie noch immer Zima vom Fass haben.»
    Maxine sieht sie zweifelnd an.
    «Wo bleibt Ihre Nostalgie? Zima war das Zickengetränk
    der Neunziger – kommen Sie, die erste Runde geht auf
    mich.»
    Fabian’s Bit Bücket stammt noch aus den ersten Tagen
    des Dotcombooms. Als die beiden hineingehen, winkt die
    Frau hinter der Theke Driscoll zu und legt die Hand auf
    den Zima-Hahn. Bald sitzen Maxine und Driscoll in einer
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    Noch 12 Seiten im Kapitel

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