Steilvorlage Ergänzung: Ikaros “mog ned”

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Das MUSS ich jetzt gleich nachschieben – das ist einfach zu passend, um lediglich am Monatsende in meiner Blog-Nachlese versenkt zu werden.
Das "STREIFLICHT" der Süddeutschen auf der Titelseite links oben ist bekannt für seine witzig und treffend formulierten Glossen und angeblich die meistgelesene Rubrik der Zeitung. Am 6. Juni wurde mit süffisanter Boshaftigkeit die Ikaros-Metapher vom amerikanischen Präsientenbewerber Barack Obama (s. meinem vorangehenden Beitrag) übernommen und auf den recht glücklos operierenden Vorsitzenden der bayerischen SPD übertragen – wenngleich ins Gegenteil gedreht.
Bei einem aktuellen Besuch in den USA, mittem im (Vor-)Wahlkampf um die Präsidentschaft, ließ Franz Maget verbreiten, er habe Barrack Obama "in Washington mit einem Lauf vom Kapitol zum Lincoln Memorial unterstützt". Daraus zwirbelt der Glossenschreiber (wie üblich anonym) Folgendes:

So erstaunlich diese Nachricht klingen mag, in der Politik ist derlei gar nicht unüblich [ . . .] In solchen Sätzen steckt eine verborgene Botschaft, die wiederum alleiniger Sinn und Zweck der Mitteilung ist: Ich bin nicht so klein, wie alle denken. Ich bin eigentlich wie du. Ein Siegertyp. Die Sonne des Erfolgs, in der du dich aalst, sie leuchte auch auf mich herab. So gesehen betrachtet sich der rote Bayer ungeachtet seines in Parteikreisen kursierenden Spitznamens "Franz mog ned" als Mann, der nach Höherem strebt, der Sonne entgegen, ein scheu lächelnder Ikarus aus Munich, Germany. Als Ikarus, aber von Illinois, hat man in Barack Obamas Wahlkampfteam den Boss nämlich schon bezeichnet, freilich als vom Glück beschienenes US-Pendant, das im Gegensatz zum griechischen Vorbild der Sonne bisher nicht zu nahe kam.

Schon das Spiel mit dem Nachnamen (Maget – "mog ned") ist – auf gut boarisch gesagt – hinterfotzig. Und dann dies:

Was nun Franz Maget angeht, so könnte man eher versucht sein, an die Fabel von der Krähe zu denken, die sich mit den Federn des Pfauen schmückte [ . . .] Bei Lessing endet das böse: Die Pfauen fallen über die Krähe her, "ihr den betrügerischen Putz auszureißen". Dergleichen muss Maget nicht befürchten, da Obama die Zeit zum Studium der Pressemeldungen aus der SPD-Landtagsfraktion im Augenblick wohl nicht finden wird.

Hier breche ich ob, weil ich sonst Ärger mit der Länge des Zitats kriege. Ich kann deshalb jedem Leser dieser Zeilen nur empfehlen, sich das ganze STREIFLICHT zu Gemüte zuführen, vor allem die – ebenfalls der antiken Überlieferung entlehnte – Pointe. Die hat nichts mehr mit der Labyrinth-Geschichte und dem Höhenflug des Ikaros zu tun – sondern eher mit dem Minotauros und dessen Wohnstätte in ähnlich düsteren Tiefen wie das Labyrinth-Verlies des kretischen Stiermenschen.

Ach, was soll´s. Die Leser dieses Blogs werden kaum in den Genuss dieser Pointe kommen, wenn sie nicht regelmäßig die Süddeutsche lesen. Ich riskier es also, diesen Schluss ebenfalls zu zitieren. Er zielt pfeilgrade auf die desaströsen Wahlchancen der SPD (mit Maget) und die politische Realität des Freistaats mit ihrer gewaltigen Übermacht der CSU:

Diese [Situation der SPD in Bayern] aber hat ebenfalls ihresgleichen in der griechischen Mythologie: den Hades. Aus dem Schattenreich der Verdammten kam nämlich keiner, den der Höllenhund Zerberus hineingelassen hatte, jemals wieder heraus.

Boshafter und treffender kann man es wirklich nicht mehr ausdrücken. Danke, unbekannter Glossenschreiber! Es war mir ein Vergnügen.

Quellen:
anon: "Das Steiflicht". In: Südd. Zeitung vom 6. Juni 2008
Klüver, Reymer: "Ikarus findet seine Flughöhe". In: Südd. Zeitung vom 5. Juni 2008

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel. Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren sowie im Register dieses Blogs.

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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