Sogar im Sportteil wird man fündig

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Eine Tageszeitung besteht aus verschiedenen Büchern, wie die Redakteure das nennen. Wo hoch ist die Wahrscheinlichkeit, in einem dieser Bücher etwas über das Labyrinth-Thema zu lesen? Klar, dass man bei den intellektuellen Schöngeistern mit ihrem meist geisteswissenschaftlichen Hintergrund vermutlich am ehesten fündig wird. Eher selten wird man auf dieses Motiv im weltpolitischen und im Lokalteil stoßen, noch seltener im Wirtschaftsteil. Und im Sportteil – naja –

Aber so kann man sich täuschen. Den Sportteil überfliege ich nur. Fussball und Handball habe ich als Schüler gespielt, Judo als Student trainiert – aber warum sollte ich darüber in der Zeitung lesen? In Zusammenhang mit dem Handbuch der Rauschdrogen, das ich mit meinem Ko-Autor Wolfgang Schmidbauer alle fünf, sechs Jahre aktualisieren muss, schau ich natürlich doch immer wieder mal in die Sportberichte, weil da interessante Meldungen über Doping-Skandale kommen. Und da sind ja Drogen aller möglichen Provenienz durchaus Thema.

Was soll´s. Jedenfalls bin ich bei so einem Schnelldurchgang auch auf diesen Bericht über einen Trainer gestoßen (der schon wegen seiner poetischen Wortwahl zitierenswürdig ist – der Bericht, meine ich):

Als eine erschöpfte Sambatruppe in Block 21 Mitte der zweiten Hälfte die Trommelfrequenz verlangsamte, hätten die Fußballer vom 1. FC Nürnberg im Dauerregen über Duisburg die Abstiegszone längst verlassen haben müssen. Nach einer Stunde im Takt südamerikanischer Rhythmen hatten sie Innenpfosten und Latte getroffen und ein Eckenverhältnis von 6:0 herausgespielt – nur ein Tor war ihnen nicht gelungen. Als das Trommeln leiser wurde und der Regen weniger, schlug der Duisburger Ivica Grlic binnen drei Minuten zwei Mal zu: In der 69. Minute haute er dem Nürnberger Nicky Adler unfein seinen Ellbogen an den Schädel und drei Minuten später den Ball ins Nürnberger Tor. Als die Trommler auf der Tribüne wieder aufwachten, hatten die Franken 0:1 verloren […]
Meyers Diagnose fiel ernüchternd aus. Obwohl sich seine Spieler in erquicklicher Verfassung präsentiert hatten, sprach er ihnen voller Verständnis und mit Verweis auf die Belastung durch den Europapokal die erforderliche Konzentrationsfähigkeit ab und bescheinigte ihnen ein Helfersyndrom. „Wir sind offenbar prädestiniert dafür, anderen zu helfen”, sagte Meyer zerknirscht […] Bei den Nürnbergern erweisen sich immer mehr Spiele als trübes Déjà-vu. „In schöner Permanenz erleben wir spielerische Dominanz mit vielen Torchancen, aber Schwächen im Abschluss und am Ende eine Niederlage”, sagte Meyer. „Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison!”

Der Trainer Meyer hat übrigens Mitte Februar seinen Job verloren – war wohl nicht der richtige rote Faden, den er da gefunden hatte.

 

Auch Theseus kämpft 

Gräbt man etwas tiefer in der Labyrinth-Überlieferung, dann wird das Thema Sport natürlich sehr relevant. Ist denn nicht der Kampf des Theseus mit dem Minotauros der klassische Zweikampf – wie er beim Boxen und Ringen immer noch sehr beliebt ist, sogar als Olympische Disziplinen mit sehr griechischer Vorgeschichte?

Theseus muss vor seinem Abenteuer im Labyrinth außerdem, ähnlich wie Herakles, eine ganze Kette von Kämpfen gegen alle möglichen Ungeheuer bestehen, quasi als Vorbereitung seines End-Fights mit dem stierhäuptigen Monster. Damit ist dieser Teil der LABYRINTHIADE in der Mitte zwischen den beiden extremen Polen aggressiver Auseinandersetzung und Konfliktlösung anzusiedeln: Zwischen

° Sportlichem Wettkampf in der Arena einerseits

° und dem mörderischen Wüten der Kriege andrerseits.

Quelle: Hartmann, Ulrich: "Diagnose: Helfersyndrom" . In: Südd. Zeitung vom 4. Dez 2007

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blog rein! Hilfreich könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel sein.

  • Veröffentlicht in: Kampf

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

1 Kommentar

  1. Totes Pferd

    Man kann ein Thema allerdings auch überstrapazieren. Es ist schön, dass “der Rote Faden” im deutschen Sprachgebrauch weiterlebt, und natürlich sollte man die Hintergründe dieser Redewendung kennen, aber mit einem Labyrinth direkt es nicht immer etwas zu tun, wenn die Floskel auftritt. So auch hier.

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