Riesensprung für die Menschheit

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

20. Juli 1969 (21. Juli 1969, 3.56 Uhr MEZ). Schon wieder ein Jubiläum: Nach 50 Jahren Abi (Minotauren-Karussell) nun also 40 Jahre Mondlandung. Ich hätte die Süddeutsche von gestern nicht lesen sollen. Dann stünde hier nämlich endlich der schon lange geplante Beitrag über Michael Jackson. Dieses Schmanker´l, wie man auf gut Bayrisch sagt, kann ich mir jedoch nicht entgehen lassen:

Ein unglaublicher Kraftakt war das Unternehmen. Und etwas lässt sich noch ahnen von der gewaltigen Anstrengung jener Jahre, wenn man über ausgetretene PVC-Böden durch die labyrinthartigen, beigebraun getünchten Korridore von Building 30 des Johnson Space Center irrt. Es ist ein mit Waschbeton verkleideter, fensterloser Steinklotz, damals wie ein UFO vor die Tore Houstons mitten in die grüne texanische Wiese gesetzt. (Klüver 2009) 

Mehr muss ich dazu über den 40. Jahrestag eigentlich nicht schreiben – die Medien waren schließlich dieser Tage mehr als voll davon*.
*Sehr eindrucksvoll die zweiteilige Sendung im ZDF mit Jesco von Puttkamer, die alles in den angemessenen wissenschafts- und technikhistorischen Zusammenhang stellte.

War es wirklich "ein kleiner Schritt für einen Menschen – ein Riesensprung für die Menschheit", wie Neil Armstrong oben sagte, als er den Mond als erster (von bislang 12) Menschen betrat?

Das muss jede(r) für sich selbst beantworten. Für mich war das jedenfalls ein seltsam gespaltener Augenblick. Als Jugendlicher, in den 50-er Jahren, wollte ich unbedingt Astronaut werden. Erst Testpilot, dann Weltraumpilot. Das war nicht mein erster Berufswunsch**, sondern mein dritter***. Aber als ich am 20. Juli 1969 in meinem Zimmer in der Nymphenburger Verlagshandlung saß, wo ich als wissenschaftlicher Lektor meinen zweiten**** richtigen Job nach dem Studium hatte –
** "Anführer sein" (in der Form des Seminarleiters) und Reporter (als eine von vielen möglichen Formen meines Schreibens), diese beiden Berufswünsche habe ich mir längst erfüllt; zum Astronauten werde ich es sicher nicht mehr bringen.
*** Es gab dann noch einen vierten Berufswunsch, angeregt von Isaac Asimovs I Robot, den ich ebenfalls realisiert habe, zumindest teilweise: Robotpsychologe (den "Robot" habe ich zum Glück weggelassen).
**** Davor habe ich ein Dreivierteljahr für die damalige deutsche Kopie von Cosmopolitan gearbeit: Jasmin – die Zeitschrift für das Leben zu zweit

Okay. Ich merke, dass ich mich auf einen Selbsterfahrungs-Erinnerungs-Trip begebe. Machen wir es also kurz. Es war irgendwann am Vormittag dieses 21. Juli 1969, als mein Vater mich aufgeregt im Verlag anrief und sagte, ich müsse unbedingt den Fernseher anstellen, die Amerikaner seien auf dem Mond gelandet, "das hat dich doch schon immer interessiert". Ich wusste das natürlich schon, weil nebenan beim Verleger Bertold Spangenberg der dort extra aufgestellte Fernseher längst lief und alle Verlagsmitarbeiter immer wieder mal die technische Sensation life bewunderten. Aber was erwiderte ich arroganter Schnösel jener Tage meinem Vater, betont cool und uninteressiert? "Dort bin ich längst gewesen."

Damit meinte ich: Das mit dem Flug ins Weltall und zum Mond, das habe ich schon in unzähligen Science-Fiction-Stories gelesen, das ist abgehakt in meinem Leben. Damals, 1969, befand ich mich gerade eine der Phasen der Abnabelung von der Science Fiction (die sich in meinem Leben immer wieder mit Phasen des Interesses, ja der Begeisterung abgewechselt haben) und die ganze Raumfahrt draußen interessierte mich weit weniger, als die Raumfahrt nach innen (mittels Rauschdrogen wie LSD und Haschisch), mit denen ich mich in der 60-er Jahren theoretisch und praktisch intensiv beschäftigte.

Das war eine ausgesprochene Gemeinheit meinem Vater gegenüber (er Ruhe in Frieden), denn er war es schließlich gewesen, der mich in jungen Jahren, als Zehnjähriger, in die Geheimnisse des Sternhimmels eingeführt hatte (s. meine Visite bei Susanne M. Hoffmann). Aber 1969 war unser Verhältnis gerade nicht das beste, und ich wollte es ihm wohl auch irgendwie hinreiben, dass er mein Faible für Science Fiction und Raumfahrt während der Schulzeit als "Schmutz und Schund" missbilligt hatte. Einmal wollte er meine Astronautenträume sogar mit dem Argument erledigen, auf dem Mond könne man ja gar nicht landen, weil es dort keine Luft zum Atmen gibt. Was ich natürlich, geschult an Werher von Brauns visionären Büchern, längst besser wusste: Der Astronaut nimmt seine Luft mit.

Das ist alles lange her. Wenn ich mir allerdings vorstelle, dass sich nun die vielleicht mehr als 5000 Jahre alte Vorstellung vom Labyrinth sich (s. Zitat oben) in einem Bericht über die Mondlandung wiederfindet, wird mir erst so richtig bewusst, welcher historische Bogen sich da spannt:

° vom Erfindergenie Daidalos, der künstliche Flügel konstruiert, um dem Labyrinth zu entfliehen, und damit zum ersten fliegenden Menschen wird (zumindest in der Phantasie jenes antiken Menschen, der die Labyrinth-Geschichte erfunden hat)
° zu den ersten menschlichen Besuchern eines anderen Himmelskörpers: Neil Armstrong und Buzz Aldrin.

 

Apropos Labyrinth und Mondflug

Es gibt einen tollen SF-Roman von Philip Kerr, der beides, Labyrinth und Mondflug, gekonnt zusammenmixt. In Der zweite Engel befindet sich auf dem Mond eine Blutbank, in der das kostbarste Gut der Menschheit geschützt wird: Blut, das nicht durch den tödlichen Virus verseucht ist, der bereits einen Großteil der Menschheit auf der Erde vernichtet hat. Geschützt wird dieses wertvolle Gebäude der First National Blood Bank wie derzeit die Gold-Festung Fort Knox durch ein extrem komplexes und gefährliches System von Alarm- und Schutzanlagen. Im Fall der Blood Bank ist dies ein – auch so bezeichnetes – Labyrinth, das aus gefährlichen Fallen besteht. Klar, dass die spannende Story genau daraus besteht: wie klevere Leute (Hochbegabte natürlich) sich in dieses Labyrinth dennoch einschleusen und seine Geheimnisse knacken.

Was Kerr geflissentlich vermeidet (genau wie die Macher der legendären TV-Serie Babylon 5 und so vieler anderer SF-Spektakel): Wie wird dieses gigantische technische System finanziert? Die Manager der NASA mussten sich da keine großen Gedanken machen, jedenfalls nicht, bis der Mond erreicht war. Der amerikanische Kongress bewilligte die Gelder, der amerikanische Steuerzahler bezahlte. Heute ist das nicht mehr so einfach. Und ob Bartrack Obama den Flug zum Mars so enthusiastisch fördern und die Steuerzahler der Erde ihn so bereitwillig finanzieren werden wie die Amis einst die ersten Mondflüge und das ganze Apollo-Projekt, ist noch offen.

 

Mondflug und Hochbegabung

Na, das ist nicht schwer zu beantworten. Es dürfte noch nie in der Geschichte der Menschheit ein Netzwerk von so hochkarätigen Spezialisten wie die NASA zusammengetrommelt worden sein – insgesamt an die 400.000. Und die Astronauten gehörten ebenfalls zu den Top-Leuten ihrer Profession. Das ist heute noch so. Ich bin mal gespannt, ob es der Menschheit demnächst gelingt, eine ähnliche Organisation zur Lösung der Probleme zusammenzuholen, die wirklich wichtig sind.

(Okay, okay, nicht schlagen bitte. ihr Weltraum-Entusiasten: die Raumfahrt IST wichtig für die Grundlagenforschung etc etc – aber ich kenne mehr als eine SF-Story, in der einige Überlebende oben in der Mondstatuion sitzen, oder auf dem Mars, und traurig auf die vom Atomkrieg oder einer andere Katastrophe verwüstete Erde schauen und sich fragen: Was haben wir bloß falsch gemacht -)

(Der Beitrag über Michael Jackson und seinen Moonwalk wird nachgeliefert.)

Quellen
Braun, Wernher et al: Station im Weltraum (Across the Space Frontier). (New York 1952) Frankfurt am Main 1953 (S. Fischer)
dies.: Die Eroberung des Mondes (Conquest of the Moon). (New York 1952) Frankfurt am Main 1954 (S. Fischer)

Kerr, Philip: Der zweite Engel (The Second Angel). (1998) Hamburg 2001-06 (Rowohlt) 
Klüver, Reymer: "Gefangen im Weltall". In: Südd. Zeitung vom 20. Juli 2009, Seite Drei
Puttkamer, Jesco von (Interviewpartner): "Heute fehlt der Wagemut". In: Der Spiegel Nr. 28 vom 6. Juli 2009

Wert, Hildegard (Regie und Moderation) und Puttkamer, Jesco von (Zeitzeuge und Interviewpartner): "Aufbruch ins All" (ZDF, 7. Juli 2009, 21.00 h) und "Wettlauf der Supermächte" (ZDF, 8. Juli 2009, 00.45 h)

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel. Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren sowie im Register dieses Blogs.

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

12 Kommentare

  1. Schöner Beitrag

    Schöner Beitrag zum 40. Jubil.

    Dir ist aber ein kleiner Fehler unterlaufen. Es waren bisher “nur” 12 Menschen auf den Mund und nicht 16

    Grüße

  2. 13

    Es waren 13 Menschen auf dem Mond. Ich war nämlich auch schon dort. Es weiß nur keiner. Na gut, nun ist es raus.

  3. Raumfahrt und irdische Probleme

    Zitat:
    ‘…ich kenne mehr als eine SF-Story, in der einige Überlebende oben in der Mondstatuion sitzen, oder auf dem Mars, und traurig auf die vom Atomkrieg oder einer andere Katastrophe verwüstete Erde schauen und sich fragen: Was haben wir bloß falsch gemacht’

    Die Antwort ist doch ganz einfach: Die Überlebenden haben nix falsch gemacht, als sie sich für die Abreise von der Erde entschieden. Abreisen konnten sie aber nur, weil sich auf der Erde einige Menschen die Mühe gemacht hatten, zuverlässige Raketen zu bauen. Das war offensichtlich recht nützlich, also ebenfalls nicht falsch.

    Autokonstrukteure sind für’s Autobauen zuständig, Raumschiffkonstrukteure für…. Genau!

    Warum – bitte schön – sollen denn ausgerechnet die Erbauer von Marsraketen daran schuld sein, wenn es Krieg gibt?? Warum nicht die Auto-, Brücken oder Häuslebauer??? Warum nicht die Konstrukteure nuklearer Sprengköpfe und unfähige Politiker?

    Es ist doch nicht Aufgabe der NASA, für den Weltfrieden zu sorgen. Also bitte woanders beschweren, wenn’s rummst…

    Außerdem: Wird es denn sicherer auf der Erde, wenn man auf die Raumfahrt verzichtet? Verhungern Leute, weil Raumfahrt betrieben wird? Nur mal zur Erinnerung: Die Amerikaner haben in den 60er Jahren mehr für Glimmstengel ausgegeben, als für die Mondflüge und die Europäer verpaffen heute ein Mehrfaches des ESA-Etats…

  4. Suche nach dem Roten Faden

    Antworten oder nicht und wie, ich habe lange überlegt. Ich antorte daher mit einem Zitat von Erich Kästner:

    “Es gibt nichts Gutes, außer man tut es”

    Auf der Erde und darüber hinaus.

    Sie flogen zum Mond. Das ist viel mehr als Grundlagenforschung. Und wir werden es wieder tun. Weil wir es wollen.
    Wir sind genug, um alle unsere Probleme zu lösen.

    Gruß, Andreas

  5. Katze

    Die Katze habe ich nicht mitgenommen und auch nicht einsam verlassen dort gelassen. Das muß jemand anderes gewesen sein. Jedenfalls hat sie ordentlich zugelegt.

  6. Da wares nur noch 12

    Danke für die Korrektur (wir gleich berücksichtigt). Ich hätte eben doch nachrecherchieren sollen, die Artikel lagen ja alle auf meinem Schreibtisch.
    Aber da Martin Huhn (wie er mit deutlichem Bildbeweis) ja gestanden hat, kann ich dies jetzt reumütig ebenfalls tun: Ich war auch schon auf dem Mond. ICH war der Dreizehnte. Jedenfalls fühle ich mich immer wieder so. Das Alien-Gefühl der Hochbegabten…
    Fehlen also noch zwei. Ich nehme an, dass die unter den anderen Kommentatoren versteckt sind. Gunnar Glitscher ist hochverdächtig – s. seine hochsensible Reaktion (dabei habe ich doch gar keine “Schuldigen” benannt – aber der “faustische Pakt” mit dem “Teufel” war eben auch mit im Spiel, daran lässt sich nicht deuteln.)
    Ad astra – und wenn´s nur bis zum Mond gelangt haben sollte!

  7. Mist : Pointe vermasselt

    Es muss im Titel natürlich heißen:
    “DA WAREN´S NUR NOCH 12.”
    Schade, dass man Kommentare nicht nachträglich korrigieren kann. Ist aber auch gut so. Wenn das auch noch um sich greifen würde –

  8. Kommentare

    Jürgen, natürlich lassen sich die Kommentare editieren. Im Admin auf Kommentare gehen, dann auf das Icon Blatt Papier mit Stift und nach der Korrektur abspeichern.

  9. Schlechtes Wetter

    Alle die hier über’s Wetter jammern, sollten sich mal anhören, was die Mond-Astronauten dazu sagten. Die waren einfach nur dankbar auf einen Planeten zurückkehren zu dürfen, auf dem es ein Wetter gibt.

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