Plagiat

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

In Plagiat ist die nicht (genügend) gekennzeichnete Übernahme eines Textteils (Zitat) aus einer fremdne Publikation. Dies kann bewusst missbräuchlich geschehen – oder umnbewusst (Kryptomnesie). Die Übergänge zwischen völlig originärer Formulierung und totaler Übernahme fremden Materials sind fließend.

(work in progress)

Die Paraphrasierung ist ein gerne geübter Mittelweg, bei dem textähnlich, aber doch mit eigenen Formulierungen zitiert wird. Hierbei gibt es

° die – korrekte – Variante der Benennung der Quelle
° und die inkorrekte Variante, bei der dies unterlassen wird.

In Zeiten der digitalen Möglichkeiten des cut and paste geschieht es nicht selten, dass irgendwann vergessen wird, dass es sich um fremdes Material handelt. Deshalb solche Texte stets mit “Anführungszeichen” und Benennung der Quelle abspeichern!

Aus gegebenen Anlass (Ex-Bildungsministerin Annette Schavan, Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg) wollen wir uns ganz praktisch damit beschäftigen, was beim Plagiieren eigentlich geschieht. Prinzipiell geht es um die missbräuchliche Verwednung von Gedanken oder wörtlichen Zitaten aus fremden Werken. Die Übergänge sind dabei fließend:

° vom wörtlichen Zitat, das bewusst nicht durch “Anführungszeichen” als solches kenntlich gemacht und / oder dessen eigentlicher Urheber nicht genannt wird,
° über leicht veränderte Zitate, bei denen aber das fremde Ideengut dominiert und eigenes nicht oder kaum vorhanden ist (man nennt dies Paraphrase) – hier werden die “Anführungszeichen” in der Regel weggelassen (aber in Klammern sollte man anständigerweise die Quelle nennen)
° bis zum unbewussten Übernehmen fremden Gedankenguts, dessen Ursprung einem nicht mehr bewusst ist (Kryptomnesie).

All dies bezeichne ich mit einer Wortneuschöpfung (die nicht geklaut ist, sondern die ich mir selbst ausgedacht habe – bei Google können Sie das leicht überprüfen): KrUmfreQ = Kreativer Umgang mit fremden Quellen.

Mir gefällt dieses Akronym so gut, weil darin die beiden Aspekte mitschwingen, die das Plagiieren charakterisieren:
° Es handelt sich um eine krumme Tour
° und es ist ein Vorgehen, das man nur als frech bezeichnen kann.

 

Plagiat als Schreib-Spiel

Das Folgende ist zum einen ein amüsantes Spiel – zum anderen führt es den Ernst des Vorgangs vor Augen, der ja nun mal – nun ja: unfein ist.

Wir machen das folgendermaßen: Wir nehmen irgendein längeres Zitat und spielen damit. Wir beginnen damit, dass wir den zu zitierenden resp. plagiierenden Textabschnitt original abtippen oder einscannen oder (dies die dritte aktuelle Möglichkeit) mit Hilfe der DRAGON-Software diktieren.

Das Beispiel stammt aus dem Sachbuch Atlantis von Alexander Braghine (1940 erschienen). Beginnen wir damit, dass wir die “Anführungszeichen” weglassen. Dann verändern wir den Inhalt allmählich in mehreren Schritten, indem wir immer mehr eigene Gedanken dazutun.

“Die glücklichen und wohlhabenden Atlanter verbrachten ihre Tage in Frieden unter dem Schutz des Poseidon, dessen strahlender Tempel auf dem Gipfel eines dreigezackten Berges thronte. Die Bevölkerung der Hauptstadt ging geschäftig dem Handel nach, die zahlreichen Priester und Beamten widmeten sich der Verwaltung des riesigen Staates, die Studenten und Schüler füllten die Schulen, und wenn die milde Sonnenscheibe hinter den Bergen versank, strömte eine frohgestimmte Menge auf die Straßen.
Aber die Astronomen und Magier in der Sternwarte auf dem Poseidonsberg hatten Sorgen; merkwürdige Erscheinungen am Himmel beunruhigten sie und gaben ihnen viel zu denken. Jener wohlbekannte kleine Planet, der einzige Trabant der Erde, der jeden Abend vom Himmel auf Atlantis herabschien, war heller geworden. Gleichzeitig war ein merkwürdiges Licht am Horizont erschienen. Von verschiedenen Stellen des atlantischen Reiches kamen beunruhigende Nachrichten von Erdbeben und vulkanischen Ausbrüchen. Die See war aufgeregt und die Fluten erreichten eine ungewöhnliche Höhe. Das war der erste Tag des schicksalvollen Kometen.” (Original von Alexander Bragine: “Atlantis”)

Daraus machte ich in meinem ersten Roman Männer gegen Raum und Zeit in zwei Schritten die folgende Szene (den zweiten Abschnitt ließ ich jetzt weg):

Die glücklichen und wohlhabenden Atlanter verbrachten ihre Tage in Frieden unter dem Schutz des Poseidon, dessen strahlender Tempel auf dem Gipfel eines dreigezackten Berges thronte. Die Bevölkerung der Hauptstadt ging geschäftig dem Handel nach, die zahlreichen Priester und Beamten widmeten sich der Verwaltung des riesigen Staates, die Studenten und Schüler füllten die Schulen, und wenn die milde Sonnenscheibe hinter den Bergen versank, strömte eine frohgestimmte Menge auf die Straßen.

Zunächst ließ ich also die “Anführungszeichen” weg (eine Quelle in einem Roman wie in einem Sachbuch zu nennen, wäre auch etwas seltsam gewesen – als Fußnote war das jedoch denkbar). Nun fügte ich die rot gekennzeichneten Einschübe hinzu, die das Fremdzitat an meinen Romanstoff annähern:

Die glücklichen und wohlhabenden Atlanter verbrachten ihre Tage in Frieden unter dem Schutz des Poseidon, wie die Paradonen den Allgeist nannten, dessen strahlender Tempel auf dem Gipfel eines dreigezackten Berges thronte. Die Bevölkerung der Hauptstadt ging geschäftig dem Handel nach, die zahlreichen Beamten und Priester widmeten sich der Verwaltung der wachsenden Kolonie, die Studenten und Schüler füllten die Schulen, und wenn die milde Sonnenscheibe Sols hinter den Bergen versank, strömte eine frohgestimmte Menge auf die Straßen.
Geschäftiges Treiben herrschte auch auf dem kleinen Raumhafen in einiger Entfernung von der Hauptstadt. Eben war ein kleineres Kugelschiff vom Mars gelandet, das die Mitglieder einer Regierungskommission und die letzten Umsiedler aus den verlassenen Städten brachte, da ertönten plötzlich Alarmsirenen, und einer der riesigen Raum Zeit-Kreuzer stürzte in rasendem Fall vom Firmament. Mit heulenden Bremsstrahlern setzte er zur Landung an. Hafenwachen riegelten den Platz ab und hielten die Neugierigen zurück. Die kleine, kaum sichtbare Luftschleuse an, der Bauchseite des Schiffes öffnet sich, und über die ausgefahrene Rampe steigt einsam ein Kurier von Paradon im Heimatspiralnebei von Atlantis. In der Tasche trägt er den Tod in Form einer Materiebombe.

Der Anfang wurde von mir also wortwörtlich abgekupfert ist. Mea culpa! Aber mir fiel damals, als Siebzehnjähriger, einfach keine eigentständige Schilderung des Untergangs von Atlantis ein – da war ich echt überfordert. Andrerseits hatte ich mir in den Kopf gesetzt, so eine Szene zu verwenden. Also klaute ich wenigstens die ersten Zeilen, um mich gewissermaßen warmzuschreiben und meine Phantasie in Schwung zu bringen. Ich denke, das war nur so eine Art Mundraub (wenngleich Juristern über diesen Euphemismus sicher den Kopf schütteln werden) – und außerdem ist das Delikt sicher verjährt: 1958 ist mein Rioman erschienen. Das ist jetzt mehr als 50 Jahre her. Allerdings hat mich dieses kleine Delikt immer irgendwie geplagt. Hoffentlich kommt niemand dahinter, dachte ich immer. In meienr Erimnnerung war die abgekuipferte Stelle übrigens viel umfangreicher. Wenn ich das jetzt betrachte, sind es gerade mal zwei Sätze!

Jedenfalls hat mich dies schlechte Gewissen gelehrt, später bei meinen wissenschaftlichen Arbeiten stets sehr sauber zu zitieren und meine Quellen zu nennen. Eine andere hilfreiche Lehrzeit war meine Arbeit als Werkstudent, später als freier Mitarbeiter bei den Äztezeitschriften Selecta und Praxis-Kurier, wo die Chefredakteurin und Mentorin Dr. Erdmuthe Idris mir die Grundsätze des Wissenschafts-Journalismus beibrachte.

Im Zusammenhang mit meinem Abschreiben aus dem Atlantis-Buch sei ma Rande noch etwas erwähnt, was ähnlich ist und doch völlig anders gelagert. Mir fehlte der Schutzumschlag zu Braghines Buch. Also bat ich meinen zeichnerisch sehr begabten Freund Alfred H., mir doch aus einem anderen Buch mit äghnlichen esoterischen Themen (Willy Bischoff: Wir und das Weltall) ein eindrucksvolles Aquarell des Autors über den Untergang von Atlantis zu kopieren. Dieser Umschlag schmückt noch heute mein Exemplar von Braghines Buch. Da dieses Buch und dieser kopierte Umschlasg niemals kommerziell genützt wurden, ist dies sicher problemlos. Was aber, wnen ich das Bild hier im Blog zeigen würde? Vielleicht geht das als Zitat durch.

 

Steigerungslinie des Plagiierens
0: Kopieren für den Privatgebrauch (Alfred H. kopiert das Bild “Der Untergang von Atlantis” von Willy Bischoff als Ersatz für den fehlenden Schutzumschlag von Braghines Atlantis)
1. Zufällig wählen zwei Kreative das selbe Motiv (Clustering von Gabriele Rico und Mindmapping von Tony Buzan entstehen offenbar unabhängig zur selben Zeit)
2. Mozart-Effekt: Aus dem tradierten Kanon werden großzügig Anregungen übernommen (modern: Sampling – wo ist die Grenze? Single A Saucer full of Secrets)
3. Kryptomnesie
4. KrUmmfreQ (Ich kopiere großzügig die Stelle aus Braghines Atlantis, wo er den Untergang der Insel beschreibt)
5. Echtes Plagiat  durch falsche bzw. fehlende Quellenangaben bei Zitaten (Annette Schavan)
6. Dito mit Ghostwriter (zu Guttenberg?)

 

Verdacht auf Schreib-Blockade?

Wer sich des Plagiierens allzu ausgiebig befleißigt (wie zu Guttenberg) wurde vielleicht von einer Schreibblockade geplagt. Oder war intellektuell oder kreativ überfordert vom behandelten Stoff. Solchen writer´s block würde man freilich besser anders lösen. Wie das geht, kann man hier nachlesen.

Quellen
Bischoff, Willy: Wir und das Weltall. Berlin 1952 (Novitas)
Braghine, Alexander: Atlantis. (1940) Stuttgart 1946 (Union Deutsche Verlagsanstalt
Scheidt, Jürgen vom: Männer gegen Raum und Zeit. Wuppertal-Barmen 1958 (Wieba)

245 / #878 Jvs /1550 SciLogs  / Begonnen in der Virtuellen Schreib-Werkstatt #327 vom 19. Jan 2013 / v02

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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