Papst verirrt in vatikanischen Intrigen – oder doch nur Irrtum eines Hochbegabten?

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Voller Frust über die Hybris so mancher Top-Manager unseres Planeten wollte ich vor einigen Tagen in diesen heiligen Hallen der SciLogs einen Beitrag verfassen mit dem bösen Titel "Hybris: Medohrn, Papst und Banker-Katastrophen". Aber was soll´s, dachte ich, da müsste der Zufall mir schon eine passende Steilvorlage liefern, und den Zufall kann man bekanntlich nicht zwingen.

Doch siehe da: Zufall lieferte. In der Süddeutschen Zeitung und auch da noch höchst prominent auf der "Seite Drei" mit den großen Reportagen. "Im Labyrinth des Herrn" lautete die Überschrift. Das war´s aber auch schon.  

Natürlich wieder mal kein richtiges Labyrinth, sondern nur ein – metaphorischer – Irrgarten, durch den Papst Benedikt da irrt. Angeblich. Im Text dieses ausführlichen, sehr informativen Artikels taucht der Begriff Labyrinth oder auch nur ein versteckter Hinweis darauf nirgends auf. Kein finsterer Minotauros (etwa als intriganter Kardinal) oder gar als der Papst selbst – horribele dictu!, der als Ikaros möglicherweise vom Absturz bedroht ist.

Nein. Das war wohl nur ein Versehen, dass der gelehrte Hohe Herr in seiner Weltfremdheit die Pius-Brüder wieder in den Schoß der Alleinseligmachenden Katholischen Kirche zurückgeholt und ihre Exkommunikation aufgehoben hat – ohne zu merken, der der noble Bischof Williamson den Holocaust leugnet. Auch der Missgriff mit dem Linzer Kardinal Wagner (der in der sonst sehr Rom-folgsamen östereichischen Priesterschaft geradezu eine Revolution herbeigeführt hat) mag unter Altersmilde fallen. Ob es ein Jahr zuvor bei diesem seltsamen Zitat aus dem Mittelalter ähnlich ohne jede Absicht zuging, welche ihm die empörten Moslems damals unterstellten? 

Jedenfalls heißt es in der Zusammenfassung gleich unter der Überschrift im erwähnten Artikel der Süddeutschen:

Draußen wundert sich die Welt über die Pannen des Papstes, drinnen im Vatikan gilt Schweigen als höchstes Gebot. Dennoch rumort es in der Kurie, es geht um Macht und Misstrauen, Schuld und Sühne. Eine Erkundung der verschlungenen Wege des Kirchenstaates.

Die "verschlungenen Wege" also dürften es sein, die den Titel-Redakteur zum "Labyrinth des Herrn" inspiriert haben. Die Absicht bei der Wahl dieses MindCatchers ist natürlich nur zu durchsichtig: da werden schon recht bedrohliche Ungeheuer und gefährliche Finsternisse herausbeschworen, wenn man zur Metapher Labyrinth greift. Da guckt jeder gebildete Leser gleich hin. Und liest sich fest.

Nur: Mit dem Labyrinth der Sage hat das alles überhaupt nichts zu tun.

 

Bezug zur Hochbegabung

Ich hatte mir ja vorgenommen, hier im Labyrinth-Blog auch ein wenig im Thema Hochbegabung zu wildern (vergl. Atlantis in Oberbayern). Hier also ein neuerlicher Versuch in dieser Richtung. Ich habe mir angewöhnt, um meinen Blick für dieses Thema zu schärfen, die Biographie von allen möglichen Leute auf Hinweise von Hochbegebung hin zu scannen. Ich nenne das BrainSpotting – analog zum Trainspotting der Eisenbahnfans und zum Planespotting der Flugzeug-Fans. Mich interessiert  halt einfach mehr, was im Hirn eines Menschen vor sich gehen könnte als was sich auf Schienen oder in der Luft bewegt.

Nun, beim Papst, speziell bei diesem deutschen Papst Benedikt, liegt man sicher nicht daneben, wenn man die Ferndiagnose "hochbegabt" wagt. Immerhin war er im seinem früheren Leben ein Ordentlicher Professor der Theologie und wie es allenthalben heißt, sicher kein schlechter. Wenn aber jemand hochbegabt ist – dann ganz sicher ein deutscher Professor, der am höchsten in der Hierachie der akademisch-intellektuellen Bildungsbürger-Elite steht, deren Intelligenzquotienten die standardisierten I-Tests vermutlich am zuverlässigsten messen. Ein hochbegabter anatolischer Unternehmer könnte sogar Millionär sein; wenn er Analphabet ist – und so einen Fall gibt es tatsächlich -, hätte er bei einem Intelligenz-Test keinerlei Chancen.

Aber der Herr Professor theol. und einstige Kardinal Joseph Ratzinger würde sicher jedem Test größte Ehre machen. Ob in diesem Test freilich religiöse (Pseudo-) Wahrheiten abgefragt werden dürften, wage ich zu bezweifeln. Beispiel: Kann eine Jungfrau ein Kind empfangen – wenn sie lediglich vom Heiligen Geist befruchtet wurde? Der gebildete Prof. Ratzinger wüsste sicher, dass es sich bei dieser "Jungfrau" um einen Übersetzungsfehler handelt (von "junge Frau") – aber darf er dies im religiösen Glaubenskontext auch laut sagen? 

Was nun die Hybris angeht, von der ich ursprünglich singen und sagen wollte, so findet man diese bei nicht wenigen Hochbegabten; vor allem dann, wenn sie großen Erfolg haben. Es ist schon gewöhnungsbedürftig, dass jemand, der immerhin der geistige Führer von rund einer Milliarde gläubiger Katholiken ist, so oft den "Willen Gottes" im Munde führt – als würde dieses Höchste Wesen ihm persönlich seine Offebarungen schenken. Ich weiß, dass sich derlei Allmachtsphantasien auf 2000 Jahre Tradition berufen – aber ist die Anmaßung und Hybris deswegen geringer?

Doch auf diesem Terrain schweigt man als kritischer Wissenschaftler ohnehin besser. Wenn man nicht die nächste Fatwa am Hals haben will – gleich aus welcher Ecke.

Bei Herrn Mehdorn konnte man ähnlich argumentieren: Als Chef eines so groß aufgestellten Unternehmens wie der Deutschen Bahn MUSS er hochintelligent sein. Auch wenn die Ergebnisse seiner Arbeit manchmal daran Zweifel aufkommen lassen.

Letzteres gilt in noch größerem Maße sicher für ganze Heerscharen promovierter und sonstwie erfolgreicher Banker – die  in Zehntausender-Kohorten nicht in der Lage waren, ordentlich zu wirtschaften. 

Allesamt sind sie (den Papst eingeschlossen) wunderbare Beispiele dafür, dass hohe und höchste Intelligenz noch lange nicht ausreicht, in der Welt gut zurechtzukommen resp. den Verstand für die Mitmenschen hilfreich einzusetzen, die angeblich zu 97 Prozent "dümmer" sind als die Hochbegabten. Unter ihrem hochtourigen Neuhirn sind sie ganz normale Menschen mit all deren Fehlern, Vorurteilen, Marotten, Glaubensweisheiten und natürlich auf Liebenswürdigkeiten. Da muss man Soziopathen wie Osama bin Laden oder Adolf Hitler gar nicht erst als Negativ-Beispiele bemühen, was hohes Intelligenz-Potenzial alles anrichten kann (für den "Hitler" gibt´s jetzt sicher wieder heftige Kommentare – aber sei´s drum – ich halte ihn für hochbegabt).

Quelle
Ulrich, Stefan: "Im Labyrinth des Herrn". In: Südd. Zeitung vom 14./15. Feb 2009, S. 3

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel. Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren sowie im Register dieses Blogs.

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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