Odysseus grüßt Pasiphaë grüßt Daidalos

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Labyrintomanisch-wurmologische Anmerkungen zu einer neuen Übersetzung der Odyssee, oder: "Da wär´n mer". Das Folgende sieht auf den ersten Blick sicher ein wenig künstlich bemüht aus, macht dennoch tieferen Sinn. Und einen (hoffentlich) neuen Witz erfahren Sie obendrein.

Wie eine Spinne ihr Netz, hält das Labyrinth-Symbol die halbe griechische Sagenwelt zusammen und zieht Fäden durch unsere ganze abendländische Kultur bis auf den heutigen Tag – in der Gegenwart sogar mehr denn je. Was dieser Labyrinth-Blog ja zeigen will. Jetzt wird es also wirklich labyrinthomanisch. Dazu muß ich einen uralten Witz aus meiner Uni-Zeit in den 1960-er Jahren erzählen, der hoffentlich so alt ist, daß er schon wieder neu daherkommt (aktuell ist er immer):

Ein Professor der Biologie war dafür bekannt, daß er über nichts lieber sprach als über sein Spezialgebiet: die Würmer. Ein Wurmomane gewissermaßen. Bei Prüfungen machten sich schlecht vorbereitete Studenten dies zunutze, indem sie sich vor allem auf dieses eine Thema vorbereiteten. Dummerweise mußte der Professor von diesem Komplott erfahren haben, denn er sagte bei der Prüfung zum ersten Kandidaten: "Erzählen Sie mir etwas über die Schlange."

Zunächst Verblüffung, dann der rettende Einfall: "Die Schlangen sind groß und lang und kommen in vielen Varianten vor. Eigentlich sind sie so etwas wie ein großer Wurm. Die Würmer aber unterteilt man in : a) Rundwürmer, b) Ringelwürmer c) Plattwürmer -"

Der Coup gelang, der Kandidat war gerettet. Wieder dummerweise berichtete er den nächsten Prüflingen von der Panne – was die in ziemlichen Schock versetzte. Als der nächste Kommilitone in den Prüfungsraum gerufen wurde, vernahm er tatsächlich zu seinem Entsetzen. "Erzählen Sie mir etwas über den Elefanten."

Peinliches Schweigen, dann der rettende Einfall:  "Die Elefanten sind groß und leben in Indien und Afrika. Sie haben einen langen Rüssel, der wie ein großer Wurm vorne am Kopf hängt. Die Würmer unterteilt man in : a) Rundwürmer, b) Ringelwürmer c) Plattwürmer -" Der Professor war´s offenbar zufrieden, denn auch dieser Kandidat bestand.

Der nächste Prüfling war halbtot vor Angst, als er aufgerufen wurde, Bleich stürzte er in den Raum, gab dem Professor die Hand und und schoss todemutig los: "Guten Morgen, Her Professor, da wär´n mer. Die Wärmer unterteilen sich in a) Rundwärmer, b) Ringelwärmer c) Plattwärmer -"

Ob er bestanden hat, ist nicht überliefert. Tatsache ist jedoch, daß unser Deutschlehrer in der Abiturklasse an Hitlers Rußlandfeldzug teilgenommen hatte und besessen vom Thema Russland war. Wir haben ihn tatsächlich immer wieder, wenn uns der Unterricht langweilte oder wir schlecht vorbereitet waren, ganz harmlos tuend gefragt: "Wie war das damals in Rußland, in Dnetopetorsk". Sofort korrigierte er in "Dnjepropetrowsk" – und begann dann meistens ausgiebig von seinen Russlandabenteuern zu erzählen. Am Schluss der Stunde schüttelte er dann den Kopf und bemerkte grinsend: "Jetzt habt ihr mich aber wieder drangekriegt." (Natürlich war er traumatisiert vom Krieg und sein Eingehen auf unsere Verführung war eine kathartische selbsttherapeutische Reaktion – aber davon hatten wir Schüler ja keine Ahnung.)

Langer Vorrede kurzer Sinn: Ein Labyrinthomane findet immer wieder Bezüge zum L-Thema, wo andere nur staunen. Nehmen wir den Odysseus. Was hat der denn mit dem Labyrinth zu tun, werde Sie einwenden, der hat doch seine eigene Sage: die Odyssee!

Gemach, gemach: Schon vor geraumer Zeit las ich in der Süddeutschen einen Bericht über eine Neuübersetzung der Abenteuer des Odysseus in antiken Hexametern. Odysseus, grübelte ich, war da nicht was? Ich schaute also in der LABYRINTHIADE nach und fand:

Als der wahrscheinlich bekannteste Sagenheld der Welt mit seinen Gefährten auf der Insel Trinakria (heute: Sizilien) landet, ist die Mannschaft vor Hunger dem Wahnsinn nahe und tötet deshalb trotz der Ermahnungen des Odysseus (während dieser schläft) die heiligen Rinder des Helios, die dort grasen. Bald darauf, wieder auf See, vernichtet sie Zeus auf Bitten des erzürnten Helios mit einem entsetzlichen Sturm, den nur Odysseus überlebt. Helios aber ist der Vater von Pasiphaë, der unglückseligen Gattin des kretischen Herrschers Minos – und der ist bekanntlich der Erbauer des Labyrinths bzw. erteilt Daidalos den Auftrag zum Bau. Pasiphaë aber zeugt mit einem Stier den Minotauros.

Odysseus – Helios – Zeus – Pasiphaë – Minos – Minotauros – Daidalos – Labyrinth – da wär´n mer . . .

Ähnlich ist es mit Medea: Die Mutter des Jason (was locker eine gedankliche Brücke von der LABYRINTHIADE zur Argonauten-Sage schlägt) wurde durch Heirat mit König Ägäus (Aigäos) zur Königin von Athen und damit zur Stiefmutter von Theseus – den sie vergiften versuchte, um ihrem eigenen Sohn Medos die Thronfolge sichern. Theseus durchschaute den Anschlag, vertrieb die böse Stiefmutter und machte sich auf nach Kreta ins Labyrinth:

Medea – Aigäos – Theseus – Labyrinth – da wär´n mer . . .

Quellen
Schloemann, Johan: "Also sprach er – doch wie soll ihn der Leser betonen?" . In: Südd. Zeitung vom 18. Dez 2007 – Rezension von:
Steinmann, Kurt: Odyssee. Aus dem Griechischen übersetzt. Zürich 2007 (Manesse)

 

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel. Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren sowie im Register dieses Blogs.

  • Veröffentlicht in: Witz

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

1 Kommentar

  1. schönen Gruß an Daidalos

    Ja, ich erinnere den Witz. Mitte der 60er Jahre war ich in Frankfurt in der Oberstufe eines Gymnasiums mit einem beträchtlichen Einzugsgebiet. Der Zug aus Bad Vilbel und mit ihm drei Fahrschüler waren immer etwas zu spät. Eines Morgens traten sie in den bereits begonnenen Biologieunterricht ein mit der Begrüßung: “Guden Tach, da wär´n mer … Alleine der Lehrer kannte den Witz noch nicht und verstand folglich auch nicht den Metawitz.
    Die Schule heißt Ziehen-Schule (nach dem Pädagogen Julius Ziehen), aber unser Schülerkabarett erklärte den Namen damals mit der Tatsache, dass die Schüler in dem weitläufigen Gebäudekomplex ohne Orientierung “herumziehen” bis sie irgendwann reif seien. Na also!

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