Leipziger Buchmesse und “Avatar”
BLOG: Labyrinth des Schreibens
Es ist ja nicht so, dass ich Zeitungen und Bücher lese, um dort Stichwörter wie "Labyrinth" oder "Roter Faden" zu entdecken. Ich stolpere einfach immer wieder darüber – und wundere mich. Zwei neue Beispiele:
Weil Leipzig meine Geburtsstadt ist, lesse ich natürlich alles, was mit Leipzig zu tun hat. Aktuell ist das ein Bericht von Christoph Schmidt über die Buchmesse:
In den Hallen herrscht Marktschreierei und Verkaufsprosa […] Angesichts der Dauerbeschallung mit abgerundeten Werbeformeln, befällt einen die jähe Sehnsucht nach dem sorgfältigeren Umgang mit Adjektiven bei Lutz Seiler, mit dem wir hier verabredet sind. Wenn wir ihn denn je finden im Labyrinth der Budengassen und Verbindungsröhren, zwischen all den tütenbepackten Schulklassen- und Rollkofferkommandos, den Marketendern und Vereinsmeiern, Regalschreinern und Wahrsagerinnen, dem bunten Vogelschwarm, der sich auf dem Rücken des aus seinen Tiefen aufgetauchten Pottwals Literaturbetrieb niedergelassen hat, um das nährstoffreiche Plankton wegzupicken.
Und weil ich eben im Kino war (s. den vorangehenden Beitrag) und mir zum fünften Mal Avatar anschaute und wieder restlos hingerissen und beeindruckt war von so viel sense of wonder, las ich natürlich auch auf der Rückseite des oben erwähnten Feuilleton-Beitrags über Leipzig, was Tom Tykwer zu Avatar meint:
[…] hat mich erst vor kurzem auf die eigentlich sehr offensichtliche Tatsache aufmerksam gemacht, dass „Avatar", jener Film, der gerade in aller Munde ist, nicht nur die technischen Möglichkeiten des Kinos und seiner Immersionspotentiale auslotet, sondern gleichzeitig auch unsere Sehnsucht nach dieser Immersion, unsere Faszination vom Vereinnahmt-Werden durch Fremdidentifikation selbst zum Zentrum seiner Geschichte macht. Irgendwie war mir bisher nicht aufgefallen, dass dieser Aspekt aus dem „Avatar"-Plot eine durchaus ungewöhnliche Variante eines sehr vertrauten Topos macht. Denn üblicherweise ist es ja in Erzählungen des Science-Fiction-Genres so, dass die Lebensform von Replikanten den Menschen nachkonstruiert wird, und die Betroffenen, sobald sie ein erweitertes Bewusstsein entwickeln, unter dem Defizit leiden, wie ein Mensch zu fühlen, aber kein Mensch zu sein, sondern eben nur Replikation.
Hier nun, in James Camerons Film, wird der Spieß umgedreht: der Protagonist lässt sich in einen synthetischen Körper beamen und wird per Fernsteuerung in die Welt der Außerirdischen geschickt – um festzustellen, dass sein neues, synthetisches Leben dem „echten" bei weitem überlegen ist. Die „Avatar"-Konstruktion ist insofern eine Wunschmaschine im wahrsten Sinne des Wortes – und als Objekt unserer Faszination natürlich im Kino bestens aufgehoben. Cameron nutzt dabei die Basismechanismen eines elaborierten Videospiels, in das man sich ja auch erst einarbeiten und alle Arten von Fähigkeiten erwerben beziehungsweise trainieren muss, bevor das synthetische Leben im anderen Ich anfängt, Spass zu machen.
[…] Ein Großteil moderner Software wiederum wird stark von der Game-Industrie beeinflusst: wie man sich in Programmen zurechtfindet, wie strategische und technische Wege zurückgelegt werden – sei es bei naturwissenschaftlichen Forschungsprogrammen oder Suchmaschinenoberflächen, hat eine zunehmend spielerische Note, wir arbeiten uns von Level zu Level, vorwärts; wir erobern das Wissen, das wir anstreben, per spielerischer Reise in ein Labyrinth aus attraktiv zubereiteten virtuellen Möglichkeiten.
Uff – das war aber jetzt ein langes Zitat. Hoffentlich komme ich nun nicht unter Hegemann-Verdacht Aber ich lege meine Quellen ja offen und in Blogs darf man hoffentlich ein wenig ausführlicher zitieren, weil´s ja "der Wahrheitsfindung dient".
Die OCR-Software meines Druckers, mit der ich obige Zitate kopierte, mag das Wort Labyrinth offenbar nicht. Sie hat es einfach beide Male ignoriert.
Und nun zu meiner heutigen "Privaten Visitie 2010", diesmal bei Gunnar Ries in Mente et Mallleo und seinem heutigen Beitrag Vulkanausbruch auf Island. Meinen Kommentar hat der Blog als SPAM eingestuft und abgelehnt – aber dank der Hilfe von St. Martin (Huhn) ist er jetzt doch zu lesen:
xytrblk meint: Eisland – Feuerland
Danke für das tolle Video von diesem gelbroten Feuerstrich, Gunnar Ries. Ihr Bericht hat mich an eine der seltsamsten Reisen meines Lebens erinnert: 1992 flog ich für gerade mal drei Tage nach Island. Am 6. Dezember sollte ich die damalige Staatspräsidentin Vigdis Finnbogadottir für den Bayrischen Rundfunk interviewen. Das klappte auch ganz gut.
Aber was macht man am Nikolaustag in der Polarnacht auf Island – wenn man gerade mal drei Tage Zeit hat (das Spezial-Flugticket galt leider nur für diesen Zeitraum)?
Ich besuchte noch einen bekannten Schriftsteller, der in der Baldurstraße wohnte. Baldur – das weckte Erinnerungen an frühe Begegnungen mit der nordischen Mythologie. Wenn ich jetzt noch ein Polarlicht sehen könnte– dachte ich –
Kaum gedacht, geschah es schon: Ein unglaublich schönes Lichterspiel tauchte am nördlichen Himmel auf.
Anderntagss noch eine Taxifahrt im 4-Rad-Toyota über verschneite Straßen zum Gull Foss – diesem Wahnsinnswasserfall, den man an diesem Tag nur durch die Schlitze zwischen den Fingern anschauen konnte, weil ein eisiger Wind die Tropfen vom Foss auf dem Weg durch die Luft zu Eisnadeln gefrieren lies – es war, als würde man in die grelle Sonne schauen.
Fehlte nur der Vulkanausbruch. Aber das musste ja nicht sein. Das Video zu Gunnar Ries´ Bericht hat ihn eindrucksvoll nachgeliefert.
Quellen:
Schmidt, Christoph: "Hinter den Spiegeln". In: Südd. Zeitung am 22. März 2010, Feuilleton, S. 11
Tykwer, Tom: "Zwischen Durch". In: Südd. Zeitung am 22. März 2010, Feuilleton, S. 12
Tut mir Leid mit dem Kommentar auf meinem Blog. Irgendwie habe ich die diversen Plugins wohl noch nicht so im Griff, wie es sein sollte. Wie gut, das wir unseren Martin haben. Jetzt sollte es aber funktionieren.