Labyrinthologie

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Die “Wissenschaft von den Labyrinthen” ist eher eine Meta-Wissenschaft. Zu viele Disziplinen tummeln sich auf diesem Gebiet.

(work in proogress)

Wie könnte man dieses Kind nennen, diese “Wissenschaft von den Labyrinthen”? Labyrinthologie, schlage ich vor. Eine Disziplin, die es meines Wissens mit diesem Namen (noch) gar nicht gibt. Jedenfalls nicht in der (deutschen Ausgabe) der Wikipedia. Hermann Kern (1941-1985), der sich mit seinem nach wie vor unübertroffenen Werk “Labyrinthe” große Verdienste um dieses Forschungsgebiet erworben hat, notiert im Vorwort seines Buches:

[…] wer ist schon zuständig für Labyrinthe? Archäologen? Ethnologen? Kunsthistoriker? Religionshistoriker? Altphilologen? […]
Schwieriger erwies sich die inhaltliche Vielfalt der Materie, die bald nicht nur -dem Umfang nach -die Finanzkraft eines einzelnen Instituts, sondern auch die Fassungs- und Arbeitskapazität eines einzelnen Autors zu überfordern drohte. Wer kann schon behaupten, einen Stoff angemessen durchdringen zu können, der mindestens 20 akademische Einzeldisziplinen betrifft und die Kenntnis von mindestens ebenso vielen Fremdsprachen erfordert?

Nun, ich habe und hatte nie vor, in diesem Sinne ein richtiger akademischer Labyrinthologe zu werden, betreibe diese Forschungen schon aus Zeitgründen mehr hobbymäßig im Rahmen dieses Blogs denn als Forscher im akademischen Sinne. Trotzdem plagt mich, als klassisch geprägten Akademiker, die Frage: “Was ist “wissenschaftlich” an meinem Blog?” Klar, ein (Wissenschaft-)Blog lebt ja gerade von der Mischung aus
° persönlichem Interesse an einem wissenschaftlichen Thema / Gebiet
° journalistischem Zugriff
° Selbsterfahrung (im Schreiben dazulernen, etwas begreifen über die Welt und über Ich-selbst-in-dieser-Welt).

Ich kann nicht einmal eine – noch so verrückte – SF-Story schreiben, ohne mir Gedanken über deren (natur-) wissenschaftliches Fundament und seine Plausibilität zu machen. Das ist ein fast lebenslang antrainierter Reflex, der nicht erst im Studium konditioniert wurde, sondern viel früher schon durch intensive Lektüre von Science Fiction unterscheidlichster Art – aber doch eher von der ernsthaften naturwissenschaftlich begründeten Sorte (Heinlein, Asimov und Konsorten). Solche Konditionierung führt im Laufe der Zeit zu einer entsprechenden déformation professionelle, ja: ganz wörtlich zu einer “Formung” und “Verformung” des Gehirns mit seinen diversen neuronalen Netzen, von denen eines eben “wissenschaftliches Denken” genannt wird.

Sechs Themenstränge

Beim Labyrinth-Thema lassen sich deutlich sechs große Themenstränge unterscheiden:

1. Da ist zum einen die enorm vielschichtige Labyrinth-Sage, die ihrerseits wieder aus mehreren Motiv-Strängen besteht – s. Fünf Kreise von Figuren.

2. Heutzutage weit geläufiger dürfte die Metapher “Labyrinth” in ihrer eher psychologischen Bedeutung sein, derer sich sämtliche Medien allzugerne bedienen, wenn es kompliziert, unübersichtlich und damit verwirrend wird – wobei eigentlich nie ein Labyrinth im klassischen Sinne gemeint ist, sondern stets ein Irrgarten bzw. ein Yrrinthos, wie ich das nenne.

3. Als LandArt sind (begehbare, eingängige) Labyrinthe zu einem festen Bestandteil der modernen Kunst geworden.

4. Als Roter Faden oder Ariadnefaden ist ein spezieller Aspekt der Sage zum Allgemeingut geworden und jedermann vertraut.

5. Kulturgeschichtlich ist das Labyrinth-Motiv fester Bestandteil des Gründungsmythos von Europa: Mit der Entführung der Prinzessin Europa durch Zeus in Gestalt eines Stiers (dokumentiert auf der griechischen Zwei-€uro-Münze) fing alles an. Deren beider Sohn Minos ließ auch das Labyrinth erbauen und dort den monströsen Minotauros einsperren.

6. Und, last but not least, ist da noch die historische und archäologische Realität, will sagen: konkrete Labyrinthe oder Irrgärten, die man als Abbildungen oder Steinsetzungen und dergleichen gefunden hat und noch immer findet und munter neu konstruiert.

 

Wenn ich da wissenschaftlich drangehe…

… ist dies ja auf drei Arten möglich:

1. Sammeln, Recherchieren, Dokumentieren Bewerten, Einordnen;
2. Bildung von Hypothesen, im Idealfall von einer ganzen Theorie (Beispiel einer möglichen Null-Hypothese: “Jedes Zeitalter generiert seine eigene Symbolik – unser Symbol ist das Labyrinth”);
3. praktische Anwendungen (etwa mein Sylvester-Seminar zum “Den roten Faden finden“).

Dies werde ich in den nächsten Beiträgen genauer betrachten. Und jeden Beitrag mit einem aktuellen Zitat ergänzen, das ich jeweils benennen möchte:

 

Von der zufälligen Allgegenwart des Labyrinth-Motivs

Die Medienpräsenz des Labyrinth-Themas mit all seinen Nebenthemen (roter Faden, Ikaros, Ariadne, Medea) ist unübersehbar. Fast täglich begegnet einem das eine oder andere dieser Motive in der Tageszeitung oder in einem Buch, im Titel oder in der Inhaltsangabe eines Films. Mein aktuelles Beispiel stammt aus der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, ein Zufallsfund (wie so oft) beim Frühstück. Berichtet wurde über einen Künstler (Fabian Vogl), der sich über die desolate Entwicklung des Münchner Stadtteils Pasing so aufregte, dass er begann, Wünsche der Bürger zu einer besseren Entwicklung ihres Lebensraums zu sammeln. Da kam allerlei zusammen, unter anderem ein Fund, der dem Artikel im Lokalteil zu seinem Titel verhalf: “Im Labyrinth der Wünsche“. Hier also dieser ganz spezielle Wunsch:

Ein griechischer Wünscher hofft auf ein Labyrinth im Zentrum, dann werde man sich dereinst vielleicht mit Milde an das chaotische Heute erinnern, da die Baustellen einen täglich in die Irre führen.

Quellen:
Czeguhn, Jutta: “Im Labyrinth der Wünsche”. In: Südd. Zeitung vom 12. April 2012 (Lokalteil)
Kern, Hermann: Labyrinthe. München 1982 (Prestel) Vorwort, S. 9 f. (es gibt inzwischen eine preiswerte Paperback-Ausgabe dieses Standardwerks)

Hier geht´s zum einführenden Artikel für diesen Anhang BloXikon am chronologischen Anfang dieses Blogs, der zugleich sein Lexikon-Teil ist resp. wird . Ein Experiment, um diesen Blog über die Kategorien-Leiste (am rechten Rand dieses Blogs) hinaus thematisch noch besser zu erschließen. Bisher finden Sie dort, alphabetisch eingeordnet, Einträge zu diesen Begriffen:
° Akronym, Akronym-Spiel
° BinnenVersalien
° BloXikon
° MindCatcher
Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem die Willkommen im Labyrinth des Schreibens und die Zeittafel. Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren sowie im Register dieses Blogs.  

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"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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