Irrtümer und Grundlagen der Labyrinth-Forschung

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

In diesem Blog stütze ich mich vor allem auf drei Grundlagen-Werke:  Das Lexikon der antiken Mythen und Gestalten von Grant und Hazel, den Ausstellungskatalog Im Labyrinth des Minos und den bis heute – und wohl auch noch lange Zeit – unübertroffene Bildband Labyrinthe von Hermann Kern.

Es war vor allem Kern, der mit drei grundlegenden Irrtümern aufgeräumt hat:

1. Der von Sir Arthur Evans 1909 in Knossos freigelegte Palast ist – bei aller labyrinthischen Komplexität seiner Anlage – sicher nicht das Labyrinth, von dem in der Sage die Rede ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach gab es zunächst einen "Labyrinth-Tanz" in der Art, wie sie heute noch im kretisch-griechischen Raum zelebriert wird. Die Choreographie dieses komplizierten Hin-und-her durch sieben Bögen wurde dann vermutlich skizziert (vielleicht auch als Muster auf dem Fußboden ausgelegt) und gedieh allmählich zu dem, was man üblicherweise als Labyrinth-Symbol versteht (s. Abb. 1)

2. Frühestens in hellenistischer Zeit (Antike, Zeit Alexander des Großen) ist dann daraus die Vorstellung vom Irrgarten mit seinen unübersichtlichen Gewirr von Gängen und Sackgassen geworden (zu der wiederum die Vorstellung eines darin hausenden Ungeheuers sehr gut paßt).

Wieweit das L-Symbol und die L-Sage (s. Labyrinthiade) überhaupt ursprünglich zusammengehören, ist ein weiterer offener Fragenkomplex. Denn eines steht fest: Im siebenbögigigen kretischen Labyrinth kann man sich gar nicht verirren!

3. Falsch ist lt. Hermann Kern (1982, S. 47) schließlich auch die Ableitung des Wortes Labyrinth von Labris = Doppelaxt. Letztere ist ein typisches Gerät der minoischen Zeit. Aber mit Labyrinth hat sie wohl nichts zu tun:

. .. jedenfalls ist der Gebrauch des vorgriechischen ´labrys´ für Kreta nicht bezeugt. Ich sehe auch keinen plausiblen Grund, weshalb die mykenischen Griechen ein kleinasiatisches Wort als Bezeichnung für einen minoischen Gegnestand wählen sollten, der sowohl auf Kreta wie auch im mykenischen Griechenland jeweils schon seinen eigenen Namen hatte.

Bleibt noch eines aufzuklären: Die aus alledem resultierende Verwechslung von dem ursprünglichen kretischen Labyrinth mit einem einzigen Gang mit dem, was man üblicherweise – und in wohl nahezu allen Fällen – heutzutage als Labyrinth bezeichnet, was jedoch vielmehr ein Irrgarten ist. Da diese Irr-Gärten aber meistens überhaupt nichts mit einem Garten im üblichen Sinne zu tun haben, sondern komplizierte Gemütszustände, soziale Verwirrungen oder das "Labyrinth eienr Großstadt" meinen, schlage ich für diesen Fall ein Kunstwort vor, das sowohl  deutliche Anklänge als Labyrinth hat wie auch an die verwirrrende Komplexität und Vielfalt, die damit gemeint ist. Ich bezeichne dies als Yrrinthos.

Literatur
Grant, Michael und John Hazel: Lexikon der antiken Mythen und Gestalten. (1973) München 1976(List)
Kern, Hermann: Labyrinthe. Erscheinungsformen und Deutungen – 5000 Jahre Gegenwart eines Urbilds. München 1982 (Prestel)
Siebenmorgen, Harald (Hrsg.): Im Labyrinth des Minos. Kreta – die erste europäische Hochkultur. München 2000 (Biering  Brinkmann) [Eine Ausstellung des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe.]

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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