Einem Philosophen einen Traum erklären

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Heute morgen wachte ich um 6.30 h mit einem sehr klaren, eindrucksvollen Traum auf. Äußerlich macht er nicht viel her. Aber er hat so deutlich mit diesem Labyrinth-Blog zu tun, daß ich ihn hier berichten möchte:

Ich bin in einem öffentlichen Gebäude (Universität?) und erzähle einigen Leuten etwas über die Hintergründe von Symbolen. Unter den Zuhörern ist auch ein Philosoph (ein Professor der Philosophie?), der zunächst sehr skeptisch meinen Ausführungen folgt (sein spöttisches Lächeln zeigt die Skepsis), dann aber zunehmend davon angetan ist und schließlich anerkennend nickt. Ich lege dar, daß Symbole drei starke Bezüge haben:

1. eine Bedeutung für die reale Gegenwart
2. eine "kosmische Bedeutung" (wobei ich nach oben, zum Himmel zeige)
3. und eine Bedeutung auf der biologischen Ebene (also unten).

Da es nur ein Symbol gibt, das mich wirklich fasziniert und schon seit gut fünf Jahrzehnten beschäftigt, kann es sich eigentlich nur um das Labyrinth-Symbol handeln – obwohl das aus dem Traum nicht direkt ersichtlich wird. Aus dem Traum ergibt sich jedoch die interessante Überlegung, was denn die Bedeutung des Labyrinth-Symbols in dieser dreifachen Hinsicht sein könnte. Dazu möchte ich gerne die Reihenfolge umdrehen:

Ad 3) Zum biologischen Bezug fällt mir sofort ein, daß in der indischen Überlieferung dem Labyrinth (und zwar in der klassischen kretischen Form) eine wichtige Rolle bei magischen Bräuchen um den Vorgang des Gebärens zukommt. Dabei wird das Innere des Labyrinths als Gebärmutter verstanden, durch dessen Ausgang das Kind ins Freie gelangen muß. Das Symbol wird als magisches Zeichen eingesetzt, um wie ein Amulett Mutter und Kind zu schützen.

Ad 2) Die kosmische Ebene kommt ins Spiel, wenn wir die Entstehungsgeschichte des Labyrinth-Mythos betrachten: Göttervater Zeus entführt in Gestalt eines Stiers die Prinzessin Europa, zeugt mit ihr den Sohn Minos, der später zum Herrscher von Kreta wird und dem Erfinder Daidalos den Auftrag gibt, das Labyrinth (eigentlich: ein Yrrinthos) zu bauen. Außerdem könnte man das Labyrinth als Symbol für das andere Ende des Lebensweges verstehen: den Tod, bei dem man die verwirrende Vielfalt dieses Lebens in eine (vielleicht) Andere Wirklichkeit verläßt. Diese Deutung auf kosmischer Ebene habe ich in der Literatur noch nirgends gefunden – aber sie drängt sich mir als sehr überzeugend auf.

Ad 3) Die Allgegenwart des Labyrinth-Motivs in unserer heutigen Überlieferung und seine unübersehbare Medienpräsenz zeigt, so hoffe ich, dieser Blog. Daß es sich dabei in – geschätzten – 99 von 100 Fällen um das Motiv des Irrgartens handelt und eben nicht um ein (kretisches) Labyrinth, sei nur der Vollständigkeit angemerkt.

(Weitere Assoziationen und Deutungen zu meinem Traum überlasse ich gerne den geneigten Lesern dieser Kolummne.)

 

Vergessen Sie den Geschichten-Wettbewerb zur Labyrinth-Thema nicht (s. den vorangehenden Eintrag vom 1. Februar).

Und schauen Sie bitte gelegentlich auch mal bei den früheren Beiträge dieses Blog rein! Hilfreich könnte vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog sein.

  • Veröffentlicht in: Traum

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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