Bloomsday verpasst: Nachlese Juni 2008

BLOG: Labyrinth des Schreibens

Die Suche nach dem roten Faden
Labyrinth des Schreibens

Auch in diesem Monat gab es wieder einige Meldungen und Gedanken, die mir wichtig erscheinen, aber keines eigenen Beitrags bedürfen.

Ein Blog ist bekanntlich eine Mischung aus Beobachtungen und Reflexionen zu einem bestimmten Thema mit einer – mehr oder minder großen – Beimengung von Selbsterforschung, Selbsterkenntnis, Selbsterfahrung, ja manchmal sogar: Selbsttherapie. Für mich ist es jedenfalls so – "Blog" kommt ja schließlich von "Tagebuch im Internet".

Im Rahmen der SCILOGS schwingt im Hintergrund immer mit: Das Unternehmen sollte auch was mit "Wissenschaft" zu tun haben. Speziell dieser Beitrag meines Labyrinth-Blogs am Monatsende zeigt deutlich:

Anfang jeder Wissenschaft ist das Sammeln von Daten. Dieses Sammeln ermöglicht im Lauf der Zeit eine Art Statistik, in welchem Kontext welche Labyrinth-Motive wie oft vorkommen. Die KATEGORIEN in der rechten Randleiste geben da nach und nach recht anschaulich Auskunft.

Ob es dann mehr wird, über Hypothesen bis hin zu einer alles überwölbenden Theorie, die sich mit Interpretationsankern, Experimenten etc. etc. auch noch ganz praktisch in der sog. Realität andocken lässt – das wird sich zeigen. Und wenn das gar noch Geld bringt – um so besser. 

(So sieht doch der Traum jedes Wissenschaftlers aus, nehme ich an. Oder?)

Falls sich jemand fragen sollte, wie letzteres ("Erkenntnisse in der Realität andocken" und gar "Geld damit verdienen") beim Labyrinth ausschaut, so möchte ich hier nur anmerken, dass es in England bereits den Beruf des Labyrinth-Konstrukteuers gibt, eine Mischung aus Gartenarchitekt und LandArtist. Das war mal sehr schön in einem Video von "NZZ Format" der Neuen Zürcher Zeitung zu betrachten – das leider nicht mehr erhältlich ist. Wenn ich ein paar Jahrzehnte jünger wäre, könnte ich mir dies als Beruf für mich selbst sehr gut vorstellen. Einmal hab ich´s ja schon gemacht (wenngleich ehrenamtlich, wovon man bekanntlich nicht gut leben kann) – s. hierzu auch meinen vorletzten Beitrag vom 27. Juni: Begehbares Birkenlabyrinth.

In punkto "Hypothesen und Theorie" habe ich auch ein paar Ideen. Aber das hat Zeit, kommt in einigen der nächsten Beiträge. Hier erst mal ein paar weitere Ergebnisse meiner Sammelaktivität:

 

2. Juni: Die Minister der an der ESA beteiligten Länder sollen demnächst über eine "wiederverwendbare Oberstufe der Ariane 5 entscheiden" heißt es in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung (Hummel 2008). Was wäre die europäische Raumfahrt ohne die kretische Königstochter Ariadne?

 

7. Juni: In einem Prospekt des Süddeutschen Verlags entdeckt, der Bücher "auf  den Spuren bayrischer Geschichte" vorstellt:  Rosenduft und Labyrinthe – Historische Gärten und Parks rund um München. Sollte ich mir bei Gelegenheit mal besorgen. Ich weiß, dass es beim Kloster Andechs einen Irrgarten in einem Maisfeld gibt; aber der ist nicht "historisch", sondern nur ein paar Jahre alt.

 

13. Juni: Friedrich Anis Polizeiroman Süden und der Straßenbahntrinker wurde soeben wieder neu aufgelegt. Eine sehr eindrucksvolle Erzählung in typisch Münchner Milieu – wenn auch sehr düster. Nicht nur als Polizeiroman interessant (ein typischer Krimi ist es ja nicht: es gibt keinen Mord) sondern überhaupt als Geschichte sehr gut erzählt. Aber: Es nervt mich, wie schon bei einem anderen Roman dieser Reihe (Verzeihen) diese ständige Alkoholtrinkerei* der zentralen Figuren, allen voran der Protagonist Tabor Süden.
* Das liegt sicher daran, dass ich etliche Jahre in der Drogenberatung gearbeitet habe.
Süden ist Polizeikommissar in einer ganz speziellen Abteilung, die sich mit der Nachforschung zu verschwundenene Menschen befasst. Wenn man im Roman so nach und nach das Schicksal einer dieser lost persons erfährt – und dazu mehr von der eigenen Biographie des ermittelnden Kommissars, dann versteht man natürlich, warum so jemand zum Saufen kommt. Erbaulich ist es trotzdem nicht. Aber was ist schon erbaulich an einem Krimi oder Polizeiroman. Labyrinthisches Zitat (S. 98):

"Was hat Jeremias zu Ihnen gesagt?"
"Ich habe ihn gesucht", sagte sie abwesend. "Er hatte sich versteckt, er hatte sich auf den Boden gelegt! in dem kleinen Labyrinth in dem Park, kenne sie das? Er lag auf dem Basuch, die Hände über dem Kopf, voller Angst […] Er war völlig verstört."

Das ist in Anis Roman nicht nur metaphorisch zu verstehen (wie die Erwähnung eines Labyrinths in so ziemlich jedem Krimi), sondern ist an dieser Stelle im Verlauf der Geschichte auch sehr symbolisch: Die zweite Hauptfigur, Jeremias Holzapfel, ist verlorengegangen im Irrgarten ihrer Existenz, wie man sagen könnte.

 

16. Juni: "A Dark Force That Is Shaking Up the Laws Of Natur" betitelt der amerikanische Wissenschaftsautor Dennis Overbye einen Beitrag über die String-Theorie der neuen Kosmologie. Das maze, das darin erwähnt wird, hebe ich mir als Schmankerl für einen eigenene Beitrag auf – demnächst in diesem Theater.

 

16. Juni: An diesem Tag feiern die Kenner und Fans von James Joyce´s Werk den Bloomsday. Weil sich (im Jahr 1904) der Annoncen-Aquisiteur Leopold Bloom auf seinen langen Weg und Tag durch Irlands Hauptstadt Dublin macht. Er ist der Held des rätselhaftesten Romans, der sich gerade noch lesen lässt: Ulysses. Das kann man von seinem Nachfolger Finnegans Wake nicht gerade sagen; ich hab´s versucht und bin gescheitert. Den Ulysses habe ich als Student von vorne bis hinten geschafft, samt Sekundärliteratur und anderen Werken des irischen Sprachkunst-Meisters. Ich habe deshalb 1962 sogar ein kleines, aber feines Seminar eines englischen Dozenten zu Joyce und seinem Werk besucht – eine der eindrucksvollsten Erfahrungen meiner Studienzeit.
Nicht nur der Ulysses ist gespickt mit Hinweisen auf das Labyrinth und sein Personal. Schon Joyces wunderbarer erster Roman, Portrait of the Artist as a Young Man, verweist mit seiner Hauptfigur, Stephen Dedalus, auf eine der zentralen Gestalten der LABYRINTHIADE. Aber wie gesagt, dieses Jahr habe ich den Bloomsday für diesen Blog leider verpasst. Bleiben Sie mir ein Jahr lang treu – dann können Sie nächstes Jahr mehr über diesen eigenartigen Gedenktag und die Rolle des Labyrinths ins Joyces Werk lesen.

 

16. Juni: In einem Leserbrief des Spiegel habe ich diese Reaktion auf den Beitrag "Angriff auf den Wohlstand" in der vorangehenden Ausgabe gefunden:

Höchste Anerkennung für die ausgezeichnete Titelgeschichte. Wie Ariadne legen Sie den Faden in das Labyrinth der obskuren Finanzmärkte, an dem entlang der Leser sich zur Klarheit leiten lassen kann. Aber wo ist Theseus, der den Minotauros der Spekulation bezwingt?

Na, ob das mit den Spekulanten und deren Funktion in den weltweiten Finanzmärkten so einfach ist und ob da eine Tötung à la Minotauros wirklich sinnvoll wäre – Sei´s drum. Das Zitat gefällt mir trotzdem.

 

17. Juni: Der WDR zeigt einen Film über die Magie der Mongolei von Heinz Leger. Darin werden – außer eindrucksvollen Landschaften – auch verschiedene einheimische Tierarten vorgestellt, darunter das Ziesel. Das ist, wie der Name schon andeutet, eine Art Wiesel, das unter der Erde lebt in – ja genau: in "unterirdischen Labyrinthen", wie der Kommentator vermerkt.

 

18. Juni: Die Münchner Akademie der Bildenden Künste feiert ihren 200. Geburtstag. In einer großen Halle nahe dem früheren Laimer Rangierbahnhof haben Studenten der Akademie aus diesem Anlass eigene Werke ausgestellt. Im Zeitungsbericht darüber (Wiedemann 2008) fiel mir das Foto zu einer Installation von Andreij Herzog auf, deren Unterschrift meine Aufmerksamkeit erregen musste:

Eine Paraphrase auf den Ikaros-Mythos: "come home son"

Das sollte ich mir selber anschaun, dachte ich mir. Und hier mein eigenes Foto. Das in der Süddeutschen war besser. Deshalb habe ich das Bild etwas nachbearbeitet: indem ich durch Intensivierung der Rot- und Gelbtöne den Effekt des Abstürzens verstärkte (das fällt für mich unter "künstlerische Freiheit"):


Abb.1: Ein moderner Ikaros ist abgestürzt und hinterlässt allerlei Zivilisationsmüll (Installation: Andreij Herzog / Foto: jvs)

Das zweite Foto (s.u.) macht sich den Zufall zunutze, dass – bei passendem Blickwinkel – ein anderes Objekt aus Holz und Draht (Nr. 28, von Eva Zenetti, Ohne Titel) direkt vor Herzogs come home, son von der Decke hängt. Es wirkt auf mich wie das Skelett eines Flugsauriers – also eines der ersten fliegenden Geschöpfe unseres Planeten. Passt doch ganz gut zum Ikaros-Motiv, oder? Unten rechts im Hintergrund kann man übrigens noch eine – passenderweise rot gekleidete – "Ariane" ahnen (eine Fotografin, die ihrerseits die Ausstellung dokumentierte). Dann ist also der Mann, der unten links durchs Bild spaziert – "Daidalos" auf der Suche nach seinem verlorenen Sohn? Oder "Theseus" auf der Suche nach "Ariadne" – oder dem "Minotauros"? Labyrinth- bzw. irrgartenmäßig war jedenfalls in hohem Maße das Ausstellungsgebäude mit seinen verwinkelten Räumen.


Abb.2: Zwei Installationen vereint: Skelett eines Flugsauriers und abgestürzter Ikaros (Installationen: Eva Zenetti und Andreij Herzog / Foto: jvs)

 

20. Juni: In Ingolstadt wurde eine Oper von Johann Simon Mayr mit dem Titel Fedra aufgeführt. Der Komponist wuchs in Mendorf nahe Ingolstadt auf – daher diese Neuinszenierung. Das Stück ist schon wesentlich älter (Uraufführung: 1820 an der Mailaänder Scala) und wird hier im Blog nur erwähnt, weil sich hinter dieser (italisierten) Fedra niemand anderes als Ariadnes Schwester Phädra verbirgt; Theseus ehelicht diese, nachdem er Ariadne auf Naxos zurückgelassen hatte (irgendeine von Minos´ Töchtern musste wohl den athenischen Thron mit ihm besteigen).

 

20. Juni: Zum japanischen Film Sasori-Jailhouse 41 von Shunya Ito, einer blutrünstigen feministischen Rache-Geschichte auf Arte-TV, schreibt TV Spielfilm:

Virtuos kombiniert der Regisseur coole Italowestern-Posen mit Kabuki-Theater, spielt auf Medea von Euripides an und findet auf Müllkippen kunstvoll-poetische Bildausschnitte.

Mit anderen Worten: Multi-kulti vom feinsten und der Bezug zu einer Randfigur der Labyrinth-Sage mittendrin: Medea war immerhin Theseus´ Stiefmutter.

 

23. Juni: Im ZDF wird ein Krimi von Kai Wessel gesendet: Das Geheimnis im Moor. Dazu heißt es: "Im verwunschenen Labyrinth der Spreewald-Wasserläufe spielt dieser tiefgründige TV-Krimi."

 

25. Juni: Eines ausführlichen Eintrags (im Juli) wert ist mir auch das Sonderheft des SPIEGEL über Griechenland: Götter, Helden, Denker. Darin wimmelt es nur so von Hinweisen auf die Labyrinth-Sage und ihren kretischen Ursprung – gewissermaßen das Unterfutter der griechischen Kultur.

 

26. Juni: Soeben in den SCILOGS entdeckt, unter Jason wird zum Astronauten

Jason ist in der griechischen Sage ein Seefahrer, der sich auf seinem Schiff Argo mit einer Schar von Freunden, den "Argonauten", auf den Weg zur Insel Kolchis macht um dort nach dem goldenen Vlies zu suchen. Nach vielen Gefahren erreicht er die Insel, findet das goldene Vlies und verliebt sich in Medea, die Tochter des Königs von Kolchis. Leider bleibt ihm ein Happy-End verwehrt, denn am Ende begeht Jason Selbstmord, nachdem Medea dem Wahnsinn verfällt und ihre eigenen Kinder tötet.
Die Projektcrew des "Ocean Surface Topography Programms" focht das grämliche Ende des griechischen Seefahrers nicht an, denn seit 2001 tragen die Beobachtungssatelliten in diesem gemeinsamen französisch-amerikanischen Meeresforschungsvorhaben den Namen des antiken "Argonauten".  Ziel des sehr langfristig angelegten Projektes ist vor allem die Messung der Meeresströme mittels zentimetergenauer Bestimmung des Meeresspiegel-Niveaus.
Der gut 500 Kilogramm schwere Jason 2, um den geht es hier, wurde von Thales Alenia Space in in Cannes gebaut. Von seiner stark gegen die Eklipitik geneigten Umlaufbahn kann er 95 % aller eisfreien Meeresflächen des Planeten beobachten. Seine Instrumente sind so ausgelegt, dass er jeden Punkt der Erde mit einer Wiederholfrequenz von 10 Tagen überstreicht.
Die weltraumgestützte Beobachtung der Meere begann bereits im Jahre 1992, als die NASA und die französische Raumfahrtbehörde CNES die Mission TOPEX/Poseidon starteten. Der Bezug zur griechischen Seefahrer-Mythologie gefiel den Projektverantwortlichen so gut, dass der nächste Satellit dieser Reihe auf den Namen Jason 1 getauft wurde. Er ging am 7. Dezember 2001 auf die Reise in den Orbit. Als Träger wurde damals wie heute eine Delta 2 eingesetzt.

Jason ist zwar nur eine Figur am äußersten Rand der LABYRINTHIADE – aber seine Gattin, die rasende Medea, war immerhin eine kurze Weile auch die Stiefmutter der Hauptfigur der Labyrinth-Sage: Theseus. Aber das schrieb ich schon oben unter 20. Juni

 

26. Juni: "Gibt es einen Ausweg aus den Labyrinthen der mit sich selbst spielenden Literatur?" So der Untertitel eines Beitrags von Merten Wörthmann über den spanischen Autor Enrique Vila-Matas und seinen Roman Doktor Pasavento. Und der Labyrinth-Blogger kann nur hoffen, dass der Ausweg nie gefunden wird – sonst wäre dieses schöne Thema ja am Ende. Jedenfalls:

Das Buch handelt von einem Mann auf der Flucht.  Aber natürlich darf man bei Vila-Matas keinen Krimi erwarten. Seine Hauptfigur flieht im Grunde vor sich selbst, und die abenteuerlichen Schleifen und Haken des Fluchtwegs haben vor allem mit der labyrinthischen Vernetzung von Vila-Matas metaliteratischem Spiegelkabinett zu tun.

Danke für´s Zitat. Der Roman samt Autor interssiert mich nach solcher Ankündigung jedoch herzlich wenig. Aber was entdecke ich, oh Zufall, genau auf der Rückseite hinter dieser Rezension? Eine Anzeige für unser Leib- und Magenblatt EPOC zum aktuellen Heft mit der Titelgeschichte über "Fremdes China". (Muss mal recherchieren, ob die Chinesen das Labyrinth-Motiv kennen … – uhps! das hätte ich besser nicht getan: 2.100.000 mögliche Hits bei Google für "China+Labyrinth" – das pack ich heute nicht mehr. Nur das erste Item sei erwähnt: "China’s Labyrinth: A Travel Blog from Lijiang. Read blogs, advice and reviews from thousands of real travelers to help research, plan and book your next …". Da muss ich wohl demnächst einen eigenen Beitrag draus machen. Oder besser doch nicht: zwei Millionen und hunderttausend Hits bei -Google!)  

 

27. Juni: So kleine Einträge haben manchmal eine recht große Hintergrundgeschichte. Deshalb in einem eigenen Beitrag demnächst mehr über einen Krimi-Workshop bei Hansruedi Gehring, einem Berner Psychotherapeuten und selbst Krimi-Autor (Rätselhafter Tod in Zähringen, s.u. Quellen), und ein Buch des Schweizer Autors Hermann Burger über Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben.

 

29. Juni: Auf DVD den Film Cube von Vincenzo Natali wieder mal angeschaut. Worum geht es dabei? Ich zitiere aus TV Spielfim/Online:

Vielleicht im Jahr 2020. Sechs Leute gefangen in 17 576 Räumen, jeder fünf* Kubikmeter groß. Das ist die Ausgangsbasis für einen der ungewöhnlichsten Sci-Fi-Filme der letzten Jahre: Ohne Erinnerung daran, wie sie dort gelandet sind, erwachen Polizist Quentin (Maurice Dean Wint), Mathematikstudentin Leaven (Nicole de Boer), Psychologin Holloway, Ausbrecherkönig Rennes, Autist Kazan und der mysteriöse Worth (David Hewlett) in einem würfelförmigen Raum. Sie beschließen, den Ausgang zu suchen. Doch die benachbarten Räume sind mit tödlichen Fallen wie Flammenwerfern, Säuren […oder Menschen zerlegenden Eierschneidern] gespickt… Auch wenn der Film nicht durchgängig das beklemmende Niveau hält, gehört er zu den innovativsten des Genres. Vor allem die Bildsprache des Ex-Storyboard-Zeichners Vincenzo Natali beeindruckt. Er benannte seine Figuren übrigens nach bekannten Gefängnissen.

* Das mit den fünf cm kann unmöglich stimmen: diese Räume waren mindesten fünf Meter im Querschnitt – was 5x5x5=125 cm ergibt. 

Sechs Menschen finden sich also inmitten eines bizarren, scheinbar endlosen Komplexes gleichartiger würfelförmiger Kammern aus Metall wieder. "Sie wurden von einer unbekannten Macht aus ihrem Alltag gerissen, ohne zu wissen weshalb und zu welchem Zweck. Angsterfüllt suchen sie nach einem Weg aus dem Labyrinth, das voller tödlicher Gefahren steckt." (Rücktext der DVD). Diese Story ist gut gespielt – aber als Geschichte hanebüchen. Das Szenario hat keinerlei Logik: diese 17 576 Räume à 125 qm würden ein gigantisches Volumen einnehmen. Wer sollte so etwas bauen – nur um vier Männer und zwei Frauen aufeinander loszulassen und durch allerlei tödliche Fallen gleich am Anfang zwei von ihnen auf grusligste Weise zu eliminieren? Nach der Finanzierung des Baus eines solchen Gebildes möchte ich schon gar nicht fragen. Pure Fantasy also und keineswegs Science Ficiton, die sich wenigstens um ein Minimum an Logik bemüht. Trotzdem: ein eindrucksvoller Film., Muss ja nicht alles logisch sien im Leben – geschwiege denn im Kintopp. Aber nachgrübeln darf man schon, ob´s Sinn macht.

Interessanter Bezug zum Thema Hochbegabung: Der Autist Kazan in der Geschichte ist ein typischer Idiot savant, der mit seinem intuitiven Wissen um Faktorenzerlegung dort weiterhilft, wo die Mathematikstudentin Leaven mit ihrem Wissen um Primzahlen nicht weiterkommt.

Eine Art Fortsetzung dieses Films ist Andrzej Sekulas Cube II – Hypercube – ein weiterer Fantasy-Thriller, der allerdings (ebenfalls in Kanada gedreht, von einem ähnlichen Team) noch mehr auf den Horror-Effekten herumreiten soll und wieder keinerlei sinngebende Handlungsstruktur aufweist; hab ich mir gar nicht erst angeschaut, mass ja nicht sein. 

 

30. Juni: "Zwölfeläuten in Wunsiedel" lautete am 29. Mai die Überschrift eines Beitrags von Hans Kratzer über die Luisenburg-Festspiele in der Süddeutschen. Diese Freiluftbühne liegt mitten im Felsgewirr des oberfränkischen Fichtelgebirges, das jedes Jahr die imposante Kulisse für Dramen verschiedenster Art bietet – 2008 u.a. für Schillers Räuber und eine dramatische Umsetzung des Räuber Hotzenplotz. Wer die Luisenberg kennt, weiß, dass es dort einen Bereich gibt, der nicht umsonst als Labyrinth bezeichnet wird (obgleich es sich natürlich auch hier, wie meistens bei diesem Etikett, um einen Irrgarten handelt).

Dieses Jahr war Bundespräsident Horst Köhler bei den Schillerschen Räubern. Aus diesem Anlass kam ich dann doch noch auf meine Kosten mit einem direkten Zitat (Przybilla 2008):

Die Festspiele 2008 dürften in der Geschichte der Luisenburg einen besonderen Platz einnehmen. Nicht nur der Räuber wegen, die im Jahr 1833 erstmals in Wundsiedel gespielt wurden und wie geschaffen zu sein scheinen für das wildromantische Felsenlabyrinth. 2008 ist auch das Jahr, in dem das Bundesverwaltungsgericht die Stadt im Fichtelgebirge von einem alljährlich wiederkehrenden Albtraum befreit hat. 48 Stunden vor der Eröffnung der Festspiele fiel in Leipzig die höchstrichterliche Entscheidung, die Wunsiedel hoffen lässt, künftig von neonazistischen Aufmärschen verschont zu bleiben.

Den letzten Teil des Zitats hätte ich mir vielleicht sparen können, weil er nichts mit dem Labyrinth-Thema zu tun hat. Aber es hat mich einfach gefreut, dass man den braunen Umtrieben am Grab von Rudolf Hess in Wunsiedel endlich von Gerichts wegen einen Riegel vorgeschoben hat. Das Fichtelgebirge ist die Heimat meiner Kindheit und Jugend; und dass der Gerichtsbeschluss in Leipzig verkündet wurde, freut mich deshalb doppelt, weil das zufällig mein Geburtsort ist. Aber genug der Zufälle und Kindheitsrinnerungen. Und vom Felsenlabyrinth vielleicht ein andermal mehr, wenn ich dort Fotos geschossen habe (uhps – geschossen! Die Kriegskindheit und die wilden Indianerspiele lassen einen eben nicht los.)

 

30. Juni: Das Tollwood-Festival in München ist inzwischen weit über die Grenzen der bayrischen Landeshauptstadt hinaus berühmt für seine Konzerte, artistischen Darbietungen und Theater-Aufführungen und manches andere mehr. Dieses Jahr war unter anderem das spanische Teatro de los Sentidos dabei, und zwar mit El Eco de la Sombra (Idee und Regie: Enrique Vargas). Die Rezensentin Nicole Graner überschreibt ihren Bericht mit "Im Irrgarten der Träume". Worum geht es?

Ein wunderbar poetisches Erlebnis für die Sinne, eine stille Reise in das Unbewusste und zu sich selbst. Alle vier Minuten begibt sich jeder der Besucher einzeln auf den Weg – barfuß und durch einen Irrgarten aus schwarzen und weißen Tüchern […]
Man hat beim Gehen durch den Irrgarten den Untergrund erspürt, Geräusche und Berührungen wahrgenommen, Früchte gekostet und Tee getrunken".

 

Das wär´s für diesen Monat. Danke für´s Dabeisein. Und weiterhin so schönes, warmes Sommerwetter. Der Winter wird kalt und der Ölpreis wird weiter steigen. Wie gut, dass das Labyrinth sich auf Kreta befindet.

Quellen:
Ani, Friedrich: Süden und der Straßenbahntrinker. (München 2002 Droemer). München 2008-06 (Süddeutsche Zeitung: München erlesen)
ders: Verzeihen. München 2001 (Droemer)
Burger, Hermann: Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben. Frankfurt am Main 1986-04 (Fischer TB)
Gehring, Hansruedi: Rätselhafter Tod in Zähringen. Zürich 2001 (Orte Verlag)
Graner, Nicole: "Im Irrgarten der Träume". In: Südd. Zeitung vom 30. Juni 2008

Hummel, Manfred: "Erst die Erdumlaufbahn, dann der Mond". In: Südd. Zeitung vom 2. Juni 2008
Joyce, James: Ein Portrait des Künstlers als junger Mann (1916) München 2004 (SZ Bibliothek) 
ders.:: Ulysses (1914 / Paris 1942 /London 1960_The Bodley Head). Wollschläger, Hans (Übersetzung). Frankfurter Ausgabe Bd.
    3.1+2. Frankfurt am Main 1975 (Suhrkamp)
Kleist, Heinrich von: "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" (posthum 1878 veröffentlicht) – enthalten in jeder
   einigermaßen vollständigen Kleist-Ausgabe.
Ito, Shunya  (Regie): Sasori-Jailhouse 41. Japan 1972. Am 20. Juni 2008 auf Arte-TV
Kratzer, Hans: "Zwölfeläuten in Wunsiedel". In: Südd. Zeitung vom 29. Mai 2008
Leger, Heinz (Regie): Die Magie der Mongolei. NDR (Sendung: 17. Juni 2008, 20.15-21.30)
Natali, Vincenzo (Regie): Cube. Canada 1997 (Cube Libre).
Overbye, Dennis:  "A Dark Force That Is Shaking Up the Laws Of Natur". In: The New York Times – Beilage in der Südd. Zeitung vom 16. Juni 2008
Podak, Klaus: "Ikea-Oper für Ingolstadt". In: Südd. Zeitung vom 20. Juni 2008
Przybilla, Olaf: "Wo Präsidenten Räubern applaudieren". In: Südd. Zeitung vom 30. Juni 2008 
Reichl, Eugen: Jason wird zum Astronauten: in den SCILOGS gebloggt am 25. Juni 2008 um 17:35 h
Saltzwedel, Johannes (hrsg. Redakteur): Götter, Helden und Denker. Die Ursprünge der europäischen Kultur im antiken Griechenland. Hamburg 2008-06 (SPIEGEL Special Geschichte) 
Sekula, Andrzej (Regie):  Cube II – Hypercube. Canada 2002

Vargas, Enrique (Idee und Regiue): El Eco de la Sombra. Spanien 2008 (?)
Vila-Matas, Enrique: Doktor Pasavento. München 2007 (Nagel & Kimche)
Wessel, Kai (Regie): Das Geheimnis im Moor. ZDF (Sendung: 23. Juni 2008)  

Wiedemann, Christoph: "Blühendes Leben im abraum". In: Südd. Zeitung vom 18. Juni 2008
Worthmann, Merten: "Wie man seinen eigenen Untergang zelebriert". In: Südd. Zeitung vom 26. Juni 2008

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel . Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren.

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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