“Ariadne auf Naxos”: Entdeckung einer Oper

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Die Suche nach dem roten Faden
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Das zunächst Eigenartige vorweg: Ich mag keine Opern. Sie sind mir viel zu "künstlich". Mit zwei Ausnahmen (die natürlich genauso "künstlich" sind – aber mich trotzdem irgendwie mitreißen):

° Ich liebe die Zauberflöte von Mozart (Kunststück: wer mag die nicht?)
° und mir gefällt die Carmen von George Bizet, vorzugsweise allerdings in der adoptierten Filmfassung Carmen Jones (1954), die im militärischen Milieu amerikanischer GI´s spielt und mich als Student im Kino nicht "kalt erwischt" hat, sondern ziemlich heiß. (In den Hauptrollen: die hinreißende Dorothy Dandridge und ihr Partner Harry Belafonte)

Die Songs von George Bizet haben es in sich;.die kann man schon mögen. Vielleicht ist nun ja Platz (in mir) für Ariadne auf Naxos als dritter Oper. Ist ja geradezu Pflicht für einen Labyrinthologen. Das Libretto von Hugo von Hofmannsthal gefällt mir jedenfalls; vielleicht geht es mir mit der Musik von Richard Strauss ähnlich. Doch zunächst mal bin ich hier nur Referent und Reporter. Eine der begehrten Karten für die Opern-Festspiele zu ergattern, ist ein Abenteuer, zu dem ich noch keine Lust habe. Da spiele ich lieber im Lotto. Sie sehen: so ein richtiger Fan bin ich nicht. Noch nicht. Fan von Opern, meine ich. Von Ariadne schon. Punkt um.

Diese Oper besteht aus zwei Teilen, in denen eine ganz nette Story erzählt wird; nichts aufregend Anspruchsvolles, aber mit einer originell entwickelten Kernidee. Im Stadtpalast des "reichsten Mannes von Wien", eines Grafen, versammeln sich verschiedene Personen, die zu Beginn nichts von einander wissen.

° In der Komödie des "Vorspiels" sind da zunächst zwei Schauspieler-Truppen und Hilfspersonen wie der blasierte Haushofmeister, der erfahrene ältere Tanzmeister und der junge ehrgeizige (und entsprechend empfindliche) Komponist der Oper.
° In dieses Vorspiel hineingepackt ist die eigentliche Oper "Ariadne auf Naxos" in einem Aufzug.
° Außerdem soll, wie anfangs sichtbar und hörbar wird, nach der Oper und dem Abendessen als dritter Teil ein italienisches Possenspiel um Zerbinietta und ihre vier Gaudiburschen Harlekin etc. folgen.

Im Vorspiel wird diskutiert, ob man man die Reihenfolge nicht besser umdrehen sollte. Der Spielwitz besteht darin, dass der (unsichtbar bleibende, aber dennoch sehr präsente) gräfliche Hausherr und Mäzen sich entschieden hat, die beiden vorgesehenen Darbietungen, also Oper und Possenspiel, nicht hintereinander, sondern quasi "ineinander", also gleichzeitig, spielen zu lassen. Das sorgt für Turbulenzen unter der Darbietenden und ihren Helfern.

Die "Oper im Theaterstück" besteht eigentlich nur aus einer einzigen Szene: Ariadne trauert um Theseus, der sie auf der Mittelmeerinsel Naxos zurückgelassen lassen. Aber dann erscheint Gott Bachus (alias Dionysos) und nimmt sie mit sich. Wobei offen bleibt, ob das nicht – wie sie befürchtet – anstelle einer neuen Liebesbeziehung ihren Tod bedeutet, dem sie sich in ihrer Verlassenheit ausgeliefert sieht. Das ist auch schon alles, was Hugo von Hofmannsthal aus der Labyrinth-Geschichte als Vorwurf für sein Libretto herauszieht.

Ariadne auf Naxos ist offenbar vor allem wegen ihrer eingängigen Melodien von Richard Strauss beim Publikum sehr beliebt. Das Libretto hingegen, eher intellektuell reizvoll, scheint Publikum und Rezensenten ebenso wie dem aktuellen Regisseur Robert Carsen der Münchner Aufführung eher Mühe zu machen. Schauen wir uns einfach an, was Star-Kritiker Joachim Kaiser zu Beginn seiner Kritik der aktuellen Aufführung der Oper bei den Münchner Opernfestspielen ausführt:

"Verkehrte „Ariadne“-Welt! In den allermeisten Aufführungen dieses von Münchner Nationaltheater seit 1951 immer wieder besonders liebevoll und publikumsumschwärmt gebotenen Richard-Strauß-Werkes gerät das geistvolle Vorspiel um die Nöte des jungen Komponisten zur mitreißenden Theatererfahrung – die dann erklingende einaktige „Ariadne“-Oper aber erweist sich meist nur als eine Folge mehr oder weniger effektvoller „Nummern“. Das war nun bei den Münchner Opernfestspielen 2008 in Robert Carsens Inszenierung verblüffend anders. Das Spiel wurde – nicht katastrophal, aber doch langweilig – verschenkt an den störenden, ortlosen, zu den Konflikten und der Situation kaum passenden Realismus. Bei der "Ariane"-Oper selber wagte der Regisseur indessen zumindest im großen ersten Teil ruhigen, hohen Stil . . ."

Alles, was wir über das – in der Labyrinthiade doch recht komplex ausgeführte – Schicksal der Ariadne in diesem Opern-Libretto erfahren, wird von Hugo von Hofmannsthal in diesem kurzen Dialog während des Vorspiels in drei Sätze komprimiert:

Der Tanzmeister im Vorspiel zu Zerbinetta: "Diese Ariadne ist eine Königstochter. Sie ist mit einem gewissen Theseus entflohenen, die sie vorher das Leben gerettet hat."
Zerbinetta: "So etwas geht selten gut aus."
Tanzmeister: "Theseus wird jeder überdrüssig und lässt sie bei Nacht auf einer wüsten Insel zurück!"

Es soll über 40 Opern zum Schicksal der Ariadne geben. Die von Strauss und Hofmannsthal ist darunter offensichtlich der – immer wieder aktuelle – Dauerbrenner.

Quellen:
Bencsik, Attila und Bencsik, Andrea: Ariadnes Schwestern. München 2003 (Kösel)
Hofmannsthal, Hugo von (Libretto) und Richard Strauss (Musik): Ariadne auf Naxos. (Berlin 1912/1916_Fürstner). Mainz 1987 (Fürstner)

Kaiser, Joachim: "Schlimmes Vorspiel – schöne Oper" (Kritik von "Ariadne auf Naxos" in der Aufführung der Opernfestspiele in münchen im Juli 2008): In: Südd. Zeitung vom 26. Juli 2008
Martens, Ekkehard: Der Faden der Ariadne, oder: Warum alle Philosophen spinnen. Leipzig 2000 (Reclam Leipzig)
Nagel, Ivan: Johann Heinrich Dannecker: Ariadne auf dem Panther. Frankfurt am Main 1993 (Fischer TB)
Vernon, John (Bildregie), Böhm, Karlheinz (musik. Leitung) und Sanjust, Filippo (Inszenierung): Ariadne auf Naxos (Oper). Deutschland/Österreich 1978 (Unitel / Classica)

Schauen Sie bitte gelegentlich auch mal in die früheren Beiträge dieses Blogs rein! Hilfreich sein könnten vor allem die Vorbemerkung zu diesem Labyrinth-Blog und die Zeittafel . Die wichtigsten Personen und Begriffe werden erläutert in Fünf Kreise von Figuren.

"Zwei Seelen wohnen a(u)ch in meiner Brust." Das Schreiben hat es mir schon in der Jugend angetan und ist seitdem Kern all meiner Tätigkeiten. Die andere „zweite Seele“ ist die praktische psychologische Arbeit plus wissenschaftlicher Verarbeitung. Nach dem Psychologiestudium seit 1971 eigene Praxis als Klinischer Psychologe. Zunächst waren es die Rauschdrogen, die mich als Wissenschaftler interessierten (Promotion 1976 mit der Dissertation "Der falsche Weg zum Selbst: Studien zur Drogenkarriere"). Seit den 1990er Jahren ist es das Thema „Hochbegabung“. Mein drittes Forschungsgebiet: Labyrinthe in allen Varianten. In der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth C. Cohn fand ich ein effektives Werkzeug, um mit Gruppen zu arbeiten und dort Schreiben und (Kreativitäts-)Psychologie in einer für mich akzeptablen Form zusammenzuführen. Ab 1978 Seminare zu Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung und Creative Writing, gemeinsam mit meiner Frau Ruth Zenhäusern im von uns gegründeten "Institut für Angewandte Kreativitätspsychologie" (IAK). Als "dritte Seele" könnte ich das Thema "Entschleunigung" nennen: Es ist fundamentaler Bestandteil jeden Schreibens und jedes Ganges durch ein Labyrinth. Lieferbare Veröffentlichungen: "Kreatives schreiben - HyperWriting", "Kurzgeschichten schreiben", "Das Drama der Hochbegabten", "Zeittafel zur Psychologie von Intelligenz, Kreativität und Hochbegabung", "Blues für Fagott und zersägte Jungfrau" (eigene Kurzgeschichten), "Geheimnis der Träume" (Neuausgabe in Vorbereitung). Dr. Jürgen vom Scheidt

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