Annette Schavan 3: Eine weise Entscheidung
BLOG: Labyrinth des Schreibens
Der Rücktritt der Bildungsministerin war die einzig sinnvolle Entscheidung. Nun können sich die Gemüter beruhigen. Und man wird sehen. was hinter der politischen Staubwolke an Fakten zum Vorschein kommt.
Der Fall ist jedenfalls völlig anders gelagert als bei zu Guttenberg (wo ja in der Presse sogar von einem Ghostwriter für die Dissertation gemunkelt worden war, weil er sich bei der Befragung so gar nicht in seiner eigenen Arbeit zurechtfand). Nun können in Ruhe diese vier Möglichkeiten überprüft und diskutiert werden:
1. bewusstes Falschzitieren bzw. Nichtnennung von Quellen;
2. unbewusste Kryptomnesie (darüber im nächsten Beitrag mehr);
3. zufällige Parallelität von eigenen Gedanken zu bereits existierenden fremden Ideen (das kommt auch vor: die Methoden des Clustering von Gabriele Rico und des MindMapping von Tony Buzan entstanden fast gleichzeitig aus völlig verschiedenen Gegebenheiten und Absichten);
4. etwas, das ich mit einem – zugegebenermaßen recht schrägen – Neologismus und Akronym als KrUmfreQ bezeichnen möchte: als “Kreativen Umgang mit fremden Quellen”.
Letzteres könnte man auch als Mozart-Effekt bezeichnen könnte. Denn Mozart und alle anderen Muasiker bedienten sich, ebenso wie ihre schreibenden Zeitgenossen, ganz ungeniert aus dem tradierten Gut ihrer Zeit, soweit es ihnen zugänglich war, und zwar ohne ihre Quelle zu nennen oder gar Linzenzgebühren zu bezahlen. Dies wurde erst üblich, nachdem man (fast) überall des Urheberrecht eingeführt hatte.. Und das ist noch gar nicht so lange her.
Außerdem wäre noch zu diskutieren, wie man den Studenten und angehenden Doktoranden helfen könnte, mit dem Schreiben besser zurechtzukommen. Denn da liegt vieles im Argen – wie mir jeder bestätigen wird, der jemals eine Dissertation oder eine Magisterarbeit geschrieben hat. Erst seit kurzem bürgert es sich ein, so etwas wie Creative Writing an (manchen) Universitäten wie in Mannheim als Schlüsselqualifikation einzuführen und entsprechend zu fördern.
Von der Mitschuld der Doktorväter und -mütter
In einem vehementen Kommentar in der Süddeutschen Zeitung hat Karl-Ludwig Winnacker, der einstige Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und danach Generalsekretär des Europäischen Forschungsrates das Verhalten der Düsseldorfer Universität gegeiselt (wo Frau Schavan einst promoviert wurde):
Ganz offensichtlich hat man in diesen Kreisen keine Vorstellung davon, was Plagiate wirklich sind und wie damit umzugehen ist. Man vertraut nahezu blind auf ein Geschäftsmodell, das schwarz-weiß argumentiert, und damit fast zwangsläufig zu solch abwegigen Entscheidungen führt wie im Falle Schavan. Das fragliche Geschäftsmodell basierte in der Vergangenheit auf Heftchen mit Zitierregeln, seit Neuestem auf elektronischem Textvergleich. Natürlich müssen Zitierregeln beachtet werden. Wer aber auf solch starre Regeln vertraut, kommt dann auch schnell und fast automatisch zu Schlüssen, wie zuletzt im Falle Düsseldorf/Schavan, wonach alles, was diesen Zitierregeln nicht entspricht, vorsätzlich und in unredlicher Absicht geschehen sein muss. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus. Auf der einen Seite stehen echte Plagiate, wie wir sie von der Arbeit Guttenbergs kennen, wo ein großer Teil des Textes abgeschrieben wurde. Auf der anderen Seite das Zitiergebaren, das nun im Fall Schavan diskutiert wird. Dabei geht es nicht nur ums Zitieren, sondern um die Frage, warum an bestimmten Stellen Hinweise auf die Quellen korrekt gegeben werden und warum sie an anderen Stellen fehlen.
Ich meine allerdings, dass Prof. Winnacker da die (jetzt nicht mehr) Bildungsministerin doch ein wenig zu sanft angefasst hat. Natürlich lässt sich den betreuenden Instanzen (Doktorvater, Koreferrent etc.) vorwerfen, dass sie – vielleicht – schlampig gearbeitet und die Arbeit ihrer Doktorandin nicht kritisch genug beäugt haben. Aber das enthebt auch die Doktorandin von damals nicht, ihrer Sorgfaltspflicht beim Zitieren zu genügen!
Im nächsten Beitrag lasse ich drei Kritiker zu Wort kommen, drei Professoren-Kollegen von Prof. Winnacker, die eibniges an seinen Gedanken auszusetzen haben.
° Akronym, Akronym-Spiel
° BinnenVersalien
° BloXikon
° Enge des Bewusstseins (in Arbeit) – vergl. Reduktionsventil
° KrUmmfreQ
° Labyrinthologie
° MindCatcher
° Plagiat
° Reduktionsventil (in Arbeit)
° Skribologie
° Zeittafeln, Zeittafel-Methode
Aber schließen wir mit diesem 3. Teil die “Akte Schavan”. Sie hat das einzig Richtige gemacht und ihre Stelle als Ministerin losgelassen. Und das erstaunlich schnell. Da mag die um ihren eigenen Job besorgte Kanzlerin kräftig nachgeholfen haben – dennoch war es Frau Schavans eigene Entscheidung, und sie hat es mit Stil gemacht.
Jetzt muss dieses Thema Plagiate und alles was damit zusammenhängt, an den Universitäten (und nicht nur dort!) ordentlich aufgearbeitet werden. Damit künftige Doktoranden (und alle anderen, die wissenschaftliche Arbeiten schreiben) mehr Klarheit haben, was geht und was vor allem nicht geht beim Zitieren. Und wie man Verstöße rechtzeitig erkennt und korrigiert.
Zur Abgrenzung ist es sicher hilfreich, wenn wir uns – im übernächsten Beitrag – noch anschauen, was es mit der Kryptomnesie auf sich hat. Es gibt da ein sehr prominentes Beispiel: Sigmund Freud und die Ursprünge der Psychoanalyse. Doch jetzt noch ein hübsches Beispiel von der
Allgegenwart des Labyrinth-Mythos
Die Graphik stammt erstaunlicherweise aus Japan, wo das Labyrinth keine Tradition hat. Aber ein Pförtner hat sich dort in seinem Häuschen am Eingang eines Industriewerkes die Langeweile der ruhigen Stunden damit vertrieben, einen unglaublich differenzierten und komplexen Irrgarten zu zeichnen. Seine Tochter hat das riesige Blatt beim Aufräumen entdeckt und im Internet zugänglich gemacht. In unglaublichen sieben Jahren mühseliger Arbeit entstanden ist dieser unglaublich fein gezeichnete Irrgarten.
Wenn man es recht betrachtet, ist das Gebilde doch eine treffende symbolische Abbild dessen, was beim Verfassen einer Dissertation oder eines anderen komplexen Textes abläuft – ein Geschehen, das auch recht labyrinthische, will sagen: yrrinthische Formen und Dimensionen annehmen kann.
Dass dabei Zufälle eine wichtige Rolle spielen, passt ganz gut.
Quelle
Winnacker, Karl-Ludwig: (Außenansicht) „Fehler im System“. In: Südd. Zeitung Nr. 37 vom 14. Feb 2013, S. 02
244 / #877 Jvs /1543 SciLogs – BloXikon: Plagiat, Schreiben als Werkzeug / Begonnen in der Virtuellen Schreib-Werkstatt #327 vom 16. Feb 2013 / v3