Ab-Schreiben und die Universität: Frau Schavan, es gibt eine Schamfrist
BLOG: Labyrinth des Schreibens
Eigentlich würde ich lieber an ganzen anderen Blog-Themen und an meinem Roman arbeiten, als mich wieder auf dieses leidige Thema “Plagiate im Hochschulbebereich” einzulassen. Aber die erneut aufgerührte “Causa Schavan” ärgert mich aus aktuellem Anlass. Denn hier handelt es sich nicht nur um ein hochschulpolitisches Thema, wie der Präsident der LMU in München insinuieren möchte.
Worum geht es? Annette Schavan wurde soeben in das höchste Beratergremium der Münchner Ludwig-Maximilians Universität (LMU) berufen. Eine eklatante Fehlentscheidung, jedenfalls zum aktuellen Zeitpunkt. In einer Glosse im Lokalteil der Süddeutschen Zeitung stellt Sebastian Krass das Thema folgendermaßen vor
Ihr Fall ist strittiger als der Guttenbergs, der systematisch und plump abgeschrieben hatte. Dennoch ist Schavan im Moment nicht tragbar für Positionen im deutschen Hochschulbetrieb. Denn eine deutsche Universität, und zwar die in Düsseldorf, ist nach ausgiebiger Prüfung zum Ergebnis gekommen, Schavan den Doktortitel abzuerkennen. Innerhalb des akademischen Betriebs ist das die Höchststrafe. Dass Schavan dagegen juristisch vorgeht, ist ihr gutes Recht. Wenn sie gewinnt, steht ihr die volle Rehabilitierung zu. Aber bis dahin ist Schavans Glaubwürdigkeit erschüttert. Dass der LMU-Präsident Huber darauf keine Rücksicht nimmt, ist ein schwerer Fehler. Und die Mitglieder des Senats machen sich mitverantwortlich, indem sie dessen Vorstoß einstimmig abnicken. Mit seinem Handeln schadet Huber dem Renommee der – nach den Ergebnissen der Exzellenzinitiative – besten deutschen Universität. Und wie sollen Professoren der LMU sich eigentlich künftig in Plagiatsfällen verhalten, wenn der Uni-Chef so nonchalant mit diesem derzeit sensibelsten Thema des wissenschaftlichen Betriebs umgeht? Zugleich brüskiert Huber mit der Personaliie Schavan all die jungen Wissenschaftler, die an der LMU unter teils prekären Arbeitsverhältnissen darum ringen, eine Dissertation oder Habilitation von höchster Güte zu schreiben.Und was ist eigentlich, wenn Schavan vor Gericht verliert? Dann wird es nicht nur für Schavan peinlich, sondern auch für die LMU. (Krass 1)
Hier wird ein falsches Zeichen gesetzt. Wenn einem Prokuristen vorgeworfen wird, die Bilanz einer Firma gefälscht zu haben, wird ihn kaum ein Unternehmen als Prokuristen einstellen, solange er dieses Verfahren am Hals hat. Warum rührt sich da überhaupt kein Widerstand im akademischen Bereich, wenn Frau Schavan in eine ähnlich sensible Position berufen wird, solange ihr Gerichtsverfahren nicht geklärt ist? Frau Schavan hingegen bekommt das, was man in der Nachkriegszeit einen Persilschein nannte: sie wird von einflussreichen Leuten unbesehen “sauber gewaschen”:
Nicht nur die zehn Professoren im Senat haben Schavans Berufung zugestimt, sondern auch die Vertreter der wisseschaftlichen Mitarbeiter und der Studenten. Bernhard Emmer, Vertreter der Mitarbeiter, spricht immerhin von einer “problematischen Vorgeschichte” Schavans. Man habe bei dieser Personalie „Für und Wider intensiver” als sonst abgewogen. „Von entscheidendem Gewicht war, dass Frau Schavan ohne Zweifel ihr Aufsichtsamt mit hoher Sachkompetenz wahrnehmen wird.” Die studentischen Vertreter waren nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. (Krass 2)
Es ist unglaublich, wie diese Frau die Universität als Institution ein weiteres Mal massiv beschädigt. Konnte man ihr die problematische Dissertation noch als Jugendsünde durchgehen lassen – so handelt sie jetzt vorsätzlich. Das wiegt in meinen Augen wesentlich mehr. Aber nicht nur sie – auch der Präsident der LMU, seine Beiräte und und und – alle scheinen nicht zu kapieren, was sie da für Porzellan zerdeppern. Sehr bayrisch nimmt sich das Ganze aus: “Mia san mia – und mia san Stier.” Man setzt einfach durch, mit Brachialgewalt, was man sich in den Kopf gesetzt hat. Aber vielleicht regt sich ja doch genug Widerstand – und es geht – wie im Fall Mollath, ganz anders aus, als die Hohen Herrschaften sich das denken. Zumindest die politische Opposition spart nicht mit deutlichen Worten. Isabell Zacharias, hochschulpolitische Sprecherin der SPD im Landtag, sagt im Interview (Krass 2), sie fände
… die Berufung Schavans „während eines schwebenden Verfahrens in höchstem Maße irritierend Das geht grundsätzlich gar nicht. Da. bleibt mir fast die Spucke weg”. Die LMU hätte ,,auf jeden Fall” den endgültigen Richterspruch über den Entzug des Doktortitels abwarten müssen. (Krass 2)
Der Minotauros lässt grüßen und hebt sein monströses Haupt
Mein Fazit: Ehrgeiz kennt keine Grenzen und verlorene Macht will zurückgewonnen werden. Hochbegabung (und die muss man einer Frau wie Anette Schavan sicher zugestehen) schützt vor blinden Flecken nicht. Der Minotauros (“Mia san mia…”) lässt grüßen und hebt sein monströses Haupt aus den Niederungen des Irrgartens der Bildungspolitik. Aber warten wir mal ab, wie das Gerichtsverfahren ausgeht.
Quellen
Krass, Sebastian 1: “Falsches Signal: Schavans Berufung (Glosse). In: Südd. Zeitung Nr. 22 vom 03. Okt 2013, S. R1 (Lokalteil)
Krass, Sebastian 2: ” Berufung nach dem Rücktritt. In: Südd. Zeitung Nr. 22 vom 03. Okt 2013, S. R1 (Lokalteil)
Meine früheren Beitrage zu der “Causa Schavan” hier im Blog:
Annette Schavan 1: Nehmen Sie Ihren (Doktor-) Hut und gehen Sie endlich!
Annette Schavan 2: Durch Rücktritt Verantwortung übernehmen und Vorbild werden
Annette Schavan 3: Eine weise Entscheidung
Schavan / Winnacker im Blick kritischer Kollegen – ein Nachschlag [Annette Schavan 4]
# 270 / 979 JvS / 1704 SciLogs / Aktualisiert 03. Okt 2013/13:51 / v 1.2
Frau Schavan gehört abgeschrieben
Wie nur kann eine Universität eine Person, die abgeschrieben hat und die abgeschrieben gehört ins (Zitat)“höchste Beratergremium” aufnehmen.
Da muss man wohl auch die Münchner Ludwig-Maximilians Universität abschreiben.
Hochverseilschaftet = Hochbegabt?
»Hochbegabung (und die muss man einer Frau wie Anette Schavan sicher zugestehen) …«
Ganz sicher nach der Massgabe von Silvio Berlusconi (“Ich bin der intelligenteste Mann Europas”).
N.B. Die Datumsangabe bei den Quellen (Südd. Zeitung Nr. 22 vom 30. Okt 2013) wirkt in einem Beitrag vom 03. Okt 2013 etwas irritierend.
Zahlendreher korrigiert
Sorry – hab den Zahlendreher im Datum korrigiert. Danke für den Hinweis.
Hallo Jürgen vom Scheidt,
wir kennen uns aus Ihrer einzigartigen Schreibwerkstatt, die ich vor vielen Jahren besuchte. Schön Sie hier wieder zu entdecken. An Ihrem Artikel gefällt mir besonders der mythologische und tiefenpsychologische Bezug. Das wirft noch einmal einen zusätzlichen Laserstrahl auf das Geschehen und läßt meine Gehirnzellen tanzen.
Herzliche Grüße
Angelika Heinrich
Praxis für Coaching und Psychotherapie / Tübingen