Röntgenteleskop Rosat: Absturz Sonntag früh

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Update 23.10.2011, 14:30 MESZ: Der Zeitpunkt des Wiedereintritts wurde enger eingegrenzt, und zwar auf 03:50 MESZ +/- 7 Minuten. Damit wäre gesichert, dass der Absturz über dem indischen Ozean erfolgte. +++

Update 23.10.2011, 12:46 MESZ: Die Subspur der Satellitenbahn führte während des Zeitraums, in dem der Wiedereintritt erfolgte, über den indischen Ozean und Südostasien. Es liegen keine Meldungen über Sichtungen des Feuerschweifs oder Trümmerfunde vor. Allerdings war am wahrscheinlichen Absturzort auch hellichter Tag. Mehr Information hier auf spaceflight101.com. Von Spaceflight101.com stammt auch die nachfolgende Karte mit der Subspur der letzten Bahn. +++

Hier der Verlauf der Bahnhöhe in den letzten Tagen vor dem Wiedereintritt, auch auf spaceflight101.com:

Update 23.10.2011, 08:20 MESZ: Der Wiedereintritt erfolgte zwischen 3:45 und 4:15 MESZ. Bei mir im Garten liegt auch nix. +++ 

Update 22.10.2011, 23:08 MESZ: Aktuelle Vorhersage der Eintrittszeit laut DLR: morgen, Sonntag, 23.10.2011, zwischen 01:30 MESZ und 07:00 MESZ. In diesem Zeitraum führt die Bahn des Satellliten nicht über Europa. +++

Das orbitale Röntgenteleskop Rosat der deutschen Luft- und Raumfahrtagentur DLR wurde am 1 Juni 1990 in eine Kreisbahn von knapp 600 km Höhe und einer Inklination von 53 Grad gestartet und funktionierte fehlerfrei bis April 1998, als es sich aufgrund des Ausfalls eines Sternsensors zur Sonne ausrichtete, was zur Überhitzung und Zerstörung einiger der empfindlichen Detektoren der wissenschaftlichen Nutzlast führte. Die endgültige Abschaltung erfolgte im Februar 1999.

Seitdem ist Rosat ein Stück Weltraumschrott, dessen Bahn aufgrund der Luftreibung in der Hochatmosphäre kontinuierlich an Energie verlor sund sich deswegen absenkte. Die aktuellen Bahndaten kann man u.a. heavens-above.com entnehmen. Heute, 18. Oktober 2011, beträgt die mittlere Bahnhöhe nur noch rund 211 km. Am letzten Freitag waren es noch etwa 240 km. Bis zum Wiedereintritt, der mit hoher Sicherheit noch vor Ende der laufenden Woche stattfinden wird, wird die Bahn – typisch für wieder eintretende Satelliten auf kreisförmigen Bahnen – eine Art Schussfahrt vollführen.

Mein Tipp: Die Nacht von Samstag auf Sonntag. Wer hält mit? Wer bietet mehr?

Exakt vorhersagbar ist der Zeitpunkt des Wiedereintritts allerdings nicht. Rosat umrundet nämlich pro Tag die Erde mehr als 16 Mal. Damit ist auch der Ort des Eintritts vollkommen unklar – und, was uns Erdlinge noch mehr interessiert, die Lokation des Gebiets, in dem die Trümmerteile niedergehen werden.

Davon wird es eine ganze Menge geben, denn von den 2400 kg Startmasse entfällt ein erheblicher Anteil auf die massive und teils aus hochwarmfester Keramik bestehende Spiegelkonstruktion. Laut Webseite der DLR könnten bis zu 1600 kg die Hitze des Wiedereintritts überstehen und als bis zu 400 kg schwere Einzelteile den Erdboden erreichen.

Information über Aufbau und Betrieb des Satelliten gibt das Benutzerhandbuch. Den Aufbau des eigentlichen Röntgenteleskops kann man dort Abbildung 2.1 entnehmen. Wer allerdings darauf spekuliert, in den nächsten Tagen einen schnieken Spiegel aus seinem Vorgarten klauben zu können, den er sich ins Gästeklo hängen kann, um Besucher zu beeindrucken, muss sich auf eine Enttäuschung gefasst machen.

Es handelt sich bei Rosat, wie auch bei anderen Röntgenteleskopen, um ein Wolter-Teleskop, in dem die Spiegel annähernd zylindrisch ausgeführt und ineinander geschachtelt sind. Die einfallenden Röntgenstrahlen dürfen die Spiegeloberflächen nämlich nur unter sehr flachem Winkel treffen, sonst ist keine Reflexion möglich. Bei Rosat bestehen bestehen die vier geschachtelten Spiegel des Systems aus acht Halbschalen aus der Glaskeramik Zerodur, einem Werkstoff mit nur minimaler Wärmeausdehung, der auch für die Spiegel großer optischer Teleskope verwendet wird. Die Spiegeloberflächen sind hauchdünn mit Gold beschichtet – ob diese Beschichtung aber die Reibungshitze übersteht?

Die Trümmer können irgendwo zwischen 53 Grad nördlicher und südlicher Breite niedergehen; die Wahrscheinlichkeit steigt, je näher an den Maximalbreiten ein Ort liegt. Alle Orte nördlich von 53 Grad Nord und südlich von 53 Grad Süd sind aus dem Schneider. Allerdings ist auch das von der Bahn von Rosat überstrichene Gebiet immer noch gewaltig, sodass das persönliche Risiko für jeden einzelnen von uns immer noch vernachlässigbar klein bleibt.

Hier eine – zugegebenermaßen nicht gerade umwerfende – Animation des Wiedereintritts von Rosat, erstellt von der Firma Analytical Graphics (Courtesy ANALYTICAL GRAPHICS Inc.)

Zum Thema von Satellitenabstürzen finden Sie in den Kosmologs auch folgende Artikel:

Jan Hattenbach in “Himmelslichter” am 20.9.2011: Auf Crashkurs – Ein Satellit stürzt ab, zum Thema des US-Forschungssatelliten UARS

Eugen Reichl in “Astra’s Spacelog” am 21.2.2008: Abschuss, zum Thema der gezielten Zerstörung des defekten US-Militärsatelliten USA-193 durch eine von einem Kriegsschiff der Navy abgefeuerte Rakete

 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

10 Kommentare

  1. Steigen die Chancen

    für das Axel-Springer-Hochhaus? Bittebitte… *g*

    [Antwort: Ja, die Chancen auf einen Volltreffer in dem betreffenden Gebäude sind sehr hoch. Ich würde den dort arbeitenden Herrschaften raten, bis Anfang nächster Woche jegliche Arbeit einzustellen und sich nach Stockholm abzusetzen. MK]

  2. So erstrebenswert ein Einschlag im Springer-Hochhaus auch sein mag, ich wünsche mit einen hübschen Absturz Samstag Nacht mehr im Westen, über Aachen etwa. Damit ich das dann hübsch fotografieren kann und mit dem Bild märchenhaft reich werde. Der Einschlag könnte dann (wer kann das schon ausschließen??) etwa im RTL-Haus in Köln stattfinden. Mein dringender Rat: auch hier den Sendebetrieb vorsichtshalber einstellen und sich in sichere Gebiete (Antarktis, Nordkap etc.) zurückziehen. Danke!

  3. Goodbye ROSAT…

    Tja, als Röntgenastronom wird man da wehmütig, insbesondere wenn man wie ich noch viel mit ROSAT-Daten gearbeitet hat.

    Ich werde zum Abschied die Tage mal etwas über die wissenschaftlichen Ergebnisse schreiben, die man mit ROSAT erzielt hat, nicht daß der Satellit nur noch als Feuerball am Himmel in Erinnerung bleibt.

    [Kopf hoch, die Zeit für Wehmut war vor 12 Jahren, als das Ding den Löffel abgegeben hat. Aber eigentlich auch nicht so sehr, denn immerhin hat es trotz vorgesehener lebensdauer von anderthalb Jahren fast 9 Jahre durchgehalten. Mehr kann man nicht verlangen. MK]

  4. Statistik und Comedy

    Heute hat es ROSAT sogar in meine Lieblingscomedy “Frühstück bei Stefanie geschafft. http://www.ndr.de/…i_stefanie/videos/fbs635.html

    Ich möchte Opa Gehrke zustimmen 😉

    [Jo. Mir gefällt aber auch der Vorschlag: “Immer mit der Flak draufhalten!” Sach ich auch immer. Nüch? MK]

  5. Satellit Rosat trifft Leipzig

    “Wer allerdings darauf spekuliert, in den nächsten Tagen einen schnieken Spiegel aus seinem Vorgarten klauben zu können, den er sich ins Gästeklo hängen kann, um Besucher zu beeindrucken, muss sich auf eine Enttäuschung gefasst machen.”

    Schade, da haben die Ossis wohl diesmal mehr Sammlerglück… *cruel smile*

    http://www.youtube.com/…tFZk&feature=related

  6. Übungsziel

    Das wäre doch ein völlig kostenloses Übungsziel für das neueste ASAT-System, das es offiziell noch gar nicht gibt.

    Ausserdem könnte man dann auch sagen, wir wollten nur die Gefahren von der Zivilbevölkerung abwenden.

    [Antwort: Im Fall der Zerstörung des vom Start weg funktionsunfähigen Militärsatelliten USA-193 war das Argument ja, dass man dem Risiko begegnen wollte, dass das gefrorene Hydrazin im noch vollen Treibstofftank des Satelliten in einem Stück herunter kommt. Dieses Risiko wurde durch den Volltreffer beseitigt.

    Bei Rosat ist das potenzielle Risiko aber anders gelagert: Es entsteht durch hochwarmfeste Komponenten an Bord des Satelliten (in diesem Fall im Spiegelsystem).

    Ich vermute: Tritt Rosat in einem Stück ein, dann zerlegt sich das recht massive optische System erst relativ spät. Vielleicht erst bei 50-60 km Höhe, und dann auch noch in wenige Einzelteile. Zu dem Zeipunkt aber ist die Trajektorie schon sehr steil. Die von Trümmern betroffene Zone ist damit klein und eng umschrieben und mit hoher Wahrscheinlichkeit über dem Meer oder über unbewohntem Gebiet.

    Verpasst man Rosat aber jetzt noch eine Rakete, zerlegt er sich schon im Orbit und die Trümmer treten über einen beträchtlichen Zeitraum verteilt an diversen Orten in die Atmosphäre ein. Manche vielleicht erst nach Wochen, wenn sie in eine höhere Bahn gekickt werden. Wenn man garantieren kann, dass dabei alles in so kleine Teile zerlegt wird, dass diese beim Wiedereintritt verglühen, wäre das jin der Tat die beste Lösung. Aber ich weiß nicht, ob man da so sicher sein kann. Vielleicht erhöht so ein Abschuss das Risiko für die Bevölkerung.

    Hinzu kommt ein rechtliches Problem: Nehmen wir mal an, nach der gezielten Zerstörung wird jemand durch ein Stück Zerodur-Spiegel getroffen und seine Hinterbliebenen klagen. Dann kann sich der Inhaber des Satelliten auf die rechtliche Position zurückziehen, dass ohne die Intervention der Eintritt woanders passiert und dieser spezifische Schadensfall nicht aufgetreten wäre und somit die verantwortung auf die Stelle abzuwälzen versuchen, die den Abschuss vornahm.

    Das würde ich jedenfalls so machen. MK]

  7. Keine Tränen bitte!

    Da lob ich mir doch den “kölschen Frohsinn” der Kölner. Die Onlineausgabe des Kölner Stadtanzeigers titelte: „Rosat“
    “Forschungssatellit ist wieder da”

  8. Rosat: Äch bän wieder da!

    @Joe: Gut, aber wo isser? Bis jetzt keine Sichtungen und keine gefundenen Trümmer.

    OK, angesichts der 7:3-Chance, dass der Wiedereintritt über dem Meer erfolgte, ist das erst einmal nicht verwunderlich.

  9. ausgediente Satelliten

    Irgendwo hab ich mal gelesen, das man den Satellitt ursprünglich am Ende seiner Mission wieder einfangen und ins Museum stellen wollte. Das sollte wahrscheinlich mit dem Space Shuttle passieren, was ja inzwischen auch Geschichte ist.

    Das bringt mich jetzt aber auf die Frage, ob es nicht möglich wäre, so eine Art Satelliten-Rückholkapsel zu bauen, die einen ausgedienten Satelliten heil herunter bringt, so ähnlich wie es im James Bond Film “Man lebt nur zweimal” von 1967 zu sehen ist. Ich nehme an, bzw. bin mir ziemlich sicher, dass es technisch machbar wäre. Die Frage ist nur, welcher Aufwand dafür erforderlich ist, und ob sich das ganze auch wirklich lohnt? (Evtl. wäre das ein Thema für einen eigenständigen Blogbeitrag…)

    [Antwort: Denkbar ist vieles, aber der Start einer Einfach- und Rückholkapsel mit Andockmechanismus würde sicher mindestens eine Sojus-Rakete erfordern. Also eine 300 Tonnen schwere Rakete starten, nur um zweieinhalb Tonnen veralteter Hardware zu bergen? Das erscheint mir jetzt nicht wirklich wie eine effiziente Aktion. MK]

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