Sunday Times zieht “Amazongate” zurück
BLOG: KlimaLounge
Wieder wurde eine der zahlreichen Anschuldigungen gegen den Weltklimarat IPCC zurückgezogen, die vor einigen Monaten durch die Medien zirkulierten. Die britische Sunday Times hat am Sonntag ihren "Amazongate"-Vorwurf vom Februar zurückgenommen und eine ausführliche Entschuldigung abgedruckt, nachdem der Amazonasforscher Simon Lewis sich bei der britischen Medienaufsicht beschwert hatte.
Die Anschuldigungen stammten vom Times-Journalisten Jonathan Leake, der hinter den meisten der falschen Vorwürfe gegen das IPCC steckte. So hat die Frankfurter Rundschau – wie von uns berichtet – bereits im April einen Artikel mit anderen Vorwürfen zurückgezogen. Auch die FR hatte sich dabei als Quelle auf einen Leake-Artikel der Sunday Times gestützt. Dabei ging es nicht um "Amazongate" sondern um "Africagate" – wie Leake seine konstruierten Skandalgeschichten in suggestiver Anlehnung an den Watergate-Skandal (1972) nannte.
Wir waren hier bereits im Februar detailliert den angeblichen IPCC-Fehlern nachgegangen und hatten festgestellt, dass die meisten frei erfunden waren: es handelte sich nicht um IPCC-Skandale, sondern um einen Medienskandal (den der australische Blogger Tim Lambert ironisch "Leakegate" getauft hat). Leake war gewissermaßen das Leck, durch das die normalerweise auf den Websites der "Klimaskeptiker" zirkulierende, politisch motivierte Desinformation in die Mainstream-Medien eingesickert war. Das führte zu einem Dammbruch: mit der Sunday Times als scheinbar seriöser Quelle für die Falschinformationen wurden sie weltweit in unzähligen Berichten aufgegriffen und vervielfältigt. Und je mehr Medien die gleichen Vorwürfe wiederholen, desto glaubwürdiger erscheint die Geschichte dem Publikum.
Es ist erfreulich, dass nun zumindest einige der das IPCC diskreditierenden Berichte zurückgezogen und korrigiert werden – allerdings handelt es sich eben auch nur um die Fälle, wo Wissenschaftler die Fehler reklamiert haben. Über die große Mehrzahl der fehlerhaften Berichte hat sich niemand beschwert und sie bleiben unkorrigiert. Vor allem aber dürfte die Wirkung der Skandalgeschichten auf die öffentliche Meinung bestehen bleiben – dies droht die dringend notwendigen Klimaschutzmaßnahmen weiter zu verzögern.
Wie groß diese Wirkung ist, ist unter Demoskopen allerdings umstritten. Der SPIEGEL hatte eine Umfrage präsentiert, wonach der Glaube der Bevölkerung an den anthropogenen Klimawandel dramatisch zurückgegangen sei. Dagegen hatte eine internationale Befragung im Auftrag der Deutschen Welle im Mai ergeben, dass die Sorge um die Erderwärmung weltweit nach wie vor hoch ist.
Und der Stanford-Forscher Jon A. Krosnick berichtete kürzlich in der New York Times über eine Untersuchung seiner Arbeitsgruppe, wonach 75% der US-Amerikaner überzeugt sind, dass der Mensch substanziell für die globale Erwärmung verantwortlich ist. Fast die gleiche Zahl hatte kürzlich auch eine BBC-Befragung in Großbritannien ergeben. Und 76% der US-Amerikaner sprechen sich für eine Begrenzung der Treibhausgasemissionen durch die Regierung aus. Nur 13% der befragten Amerikaner hatten von den angeblichen IPCC-Fehlern gehört und meinten, Klimaforschern sei nicht zu trauen. Die Wirkung der Desinformationskampagnen sollte also auch nicht überschätzt werden.
[Quelle der cartoons: New York Times.]
Einer neuer Trend zeichnet sich ab
Der sogenannte Faktenfreie Journalismus
Fakten zu beschaffen und zu verifizieren ist ein mühsames Geschäft. Da lohnt es sich, nach kreativen und kostengünstigen Alternativen Ausschau zu halten. Am beliebtesten ist derzeit die Methode, Meinungen und Überzeugungen als Fakten zu verkaufen. Kurzfristig betrachtet hat die Methode nur Vorteile. Und wer denkt heute noch langfristig?
Quellangabe
Quelle ist hier glaube ich u.a. die Klimakrise und Nils Simon.
http://klimakrise.de/…rnehmung-des-klimawandels/
Das sollte im Artikel noch vermerkt werden.
Ablösung von Pachauri
Ihren Blog finde ich sehr gut, weil er der Öffentlichkeit notwendige wissenschaftliche Informationen aus erster Hand liefert. Insofern bin ich nicht erstaunt, dass Amazongate ein Mediengate ist, weil ich auch schon Ihren Februartext gelesen habe. Allerdings wundere ich mich, dass sie nun in der DBU-Zeitschrift die Ablösung Pachauris fordern. Warum, wenn der IPCC (fast) alles richtig gemacht hat?
[Antwort: Ich fordere dort nicht die Ablösung. Ich kann mir aber sehr wohl einen besseren Vorsitzenden vorstellen, u.a. weil er aus meiner Sicht sehr unglücklich agiert hat im Zusammenhang mit den Medienangriffen auf das IPCC. Die Rolle des Vorsitzenden ist ja nicht, die wissenschaftlichen Inhalte der Berichte zu bestimmen (da hat er sich in unsere Arbeit gar nicht eingemischt) sondern das IPCC gut nach außen zu vertreten. Stefan Rahmstorf]
liegt das ZDF auch ganz falsch?
http://www.zdf.de/…er-Anlauf-in-der-Klimapolitik
die behaupten doch glatt, die Klimapolitik bringe dem Klima gar nichts, was ich angesichts der Emissionsentwicklung seit Kyoto sofort glaube, sie verursacht nur Kosten auf Seiten der Steuerzahler.