Erfundene Katastrophe? Teil 1

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Heute ein Gastbeitrag von Johannes Wandt, der am Beispiel von zwei aktuellen Büchern die Denk- und Argumentationsweise von Wissenschafts-Leugnern beleuchtet. Auch wenn die behandelten Argumente für unsere Stammleser meist altbekannte „Klimaskeptiker“-Standards sind, bietet Herr Wandt hier eine schöne Übersicht aus Sicht eines jungen Wissenschaftlers, der nicht in der Klimaforschung arbeitet!

Die Autorität und Objektivität der Wissenschaft in der Beschreibung unserer physischen Umwelt sieht sich zunehmend Angriffen ausgesetzt. Dies geschieht vor allem in Gebieten mit direkter gesellschaftlicher Relevanz, wie z.B. Klimaerwärmung und Corona-Krise, und wird von Personengruppen betrieben, welche die politischen Implikationen ablehnen.

Diese Analyse soll einen Einblick in die zugrunde liegenden Denk- und Argumentationsmuster geben. Als Beispiel dienen die zwei kürzlich erschienenen Bücher Die Erfundene Katastrophe und Klimadiktatur von Günther Vogl. Die Hauptaussagen dieser Büches sind i) dass kein signifikanter anthropogener Beitrag zur Klimaerwärmung existiert und ii) die entsprechende Debatte von wissenschaftlicher Seite durch gezielte Manipulation und Lügen beeinflusst wird. Auf insgesamt fast 700 Seiten arbeitet sich der Autor von vermeintlich wissenschaftlichen Kapiteln wie „Was ist ein Treibhauseffekt“ bis zur weltanschaulichen Interpretation in Kapiteln wie „Klimadiktatur“. Der Autor greift dabei auf die Wassermelonen-Rhetorik (außen grün, innen rot) zurück, wonach die Forderung nach Reduktion des CO2-Ausstoßes eigentlich eine Ceaușescu-artige, verdeckte sozialistische Kampagne zur Beschneidung persönlicher Freiheiten ist (Die Erfundene Katastrophe, Seite 260 und 270):

„Ist es nicht erstaunlich, wie viele „ehemalige“ Kommunisten bei uns unter dem Mantel der Ökologie an führende Stellen gekommen sind? Sie sind es, die mithelfen, unsere Gesellschaft nach ihren Vorstellungen umzubauen. Hin zu einer Ökodiktatur.“

„Ja, so etwas [Energieeinsparung] hat der rumänische Diktator Nicolae Ceaușescu auch schon in der Realität praktiziert, indem er die Temperaturen der Wohnungen drosselte.“

In gleicher Weise sind für Vogl auch der saure Regen und das damit verbundene Waldsterben und das Ozonloch Erfindungen bzw. Lügen zur Beschneidung bürgerlicher Freiheiten. Hier zeigt sich deutlich die Ablehnung gegenüber staatlicher Regulation wie Treibstoffentschwefelung, FCKW-Verbot oder CO2-Bepreisung. Saurer Regen, Ozonloch und anthropogene Klimaerwärmung sind klassische Fälle von Marktversagen, auf die in manchen Kreisen offensichtlich keine andere Antwort denkbar ist als die Leugnung der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Zusammenhänge.

Vogl liefert die vermeintlichen Belege für seine Thesen in fast 600 Zitaten. Die Argumente lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen, nämlich i) klassische Mythen der Klimawandel-Leugner, wie sie in einschlägigen Online-Foren zu finden sind und ii) eigene Recherchen des Autors wie Temperaturreihen des Hohenpeißenberg und Briefwechsel des Autors mit dem Deutschen Wetterdienst. Ein durchgängiges Merkmal fast aller Argumente ist, dass diese in keiner Weise der Komplexität der Materie gerecht werden. Neben dieser universellen „Unterkomplexität“ kann man folgende Argumentations-Strategien identifizieren: i) Die Verschwörungstheorie als Fixpunkt, ii) die persönliche Diskreditierung von Naturwissenschaftlern, iii) aus dem Zusammenhang gerissene Zitate, iv) die Berufung auf vermeintliche Experten ohne relevante Qualifikation, v) schlichte Falschaussagen bzw. Täuschungen, vi) Strohmann-Argumente, also das Widerlegen von Scheinargumenten, welche nie von der Klimaforschung vorgebracht wurden und vii) Cherry-Picking, also das gezielte Weglassen unliebsamer Daten und Befunde. Im Folgenden werden anhand einiger ausgewählter Beispiele diese Argumentations-Strategien dargelegt.

Vogl hat den Anspruch sich als „mündiger Bürger“ in die wissenschaftliche Debatte einzuschalten und quasi auf Augenhöhe mit den eigentlichen Experten seine Argumente darzulegen. Dies scheitert auf ganzer Linie, da es auf einem falschen Verständnis von (Natur-) Wissenschaft beruht. In hochgradig komplizierten Themengebieten wie der Klimaphysik ist es ohne entsprechende, jahre- bis jahrzehntelange Ausbildung nicht möglich, die grundlegenden Konzepte in notwendiger Tiefe zu verstehen. Es mag auf den ersten Blick unbefriedigend erscheinen, dass das demokratische Ideal eines mündigen Bürgers in diesem Fall daher nicht direkt anwendbar ist. Auf den zweiten Blick ist das allerdings nicht weiter ungewöhnlich, da wir in einer hochgradig arbeitsteiligen und spezialisierten Gesellschaft in sehr vielen Bereichen den jeweiligen Spezialisten vertrauen, sei es Pilot, Arzt oder Metzger.

Dieses Vertrauen in die Klimaforschung muss allerdings kein blindes Vertrauen sein. Einer der Gründe für ein „informiertes Vertrauen“ ist der breite Konsens unter den beteiligten Wissenschaftlern. So zeigte eine 2016 veröffentliche Meta-Studie, dass über 90% der Klimawissenschaftler die anthropogene Erderwärmung als erwiesen erachten. Die anthropogene Erderwärmung wird außerdem von den nationalen Wissenschaftsakademien aus über 80 Ländern bestätigt, darunter neben Deutschland unter anderem China, Russland, USA, Pakistan, Indien, Israel und Iran. Selbst für einfallsreiche Klimawandel-Leugner dürfte es unmöglich sein, all diese Länder in einer Verschwörungstheorie zu vereinen.

Zum anderen hat die Klimaforschung eine sehr gute Erfolgsbilanz. So zeigte die Analyse historischer Modelle der vergangenen 40 Jahre, dass deren Projektionen die Temperaturerhöhung für einen gegebenen Anstieg der CO2-Konzentration sehr gut beschreiben. Dies kann exemplarisch an der Klimasensitivität gezeigt werden, also dem Temperaturanstieg, welcher sich aus einer Verdopplung des CO2 Gehalts ergibt (Abbildung 1). Schon der im Charney-Report 1979 angegebene Wertebereich für die Klimasensitivität stimmt überein mit dem Wertebereich moderner, um ein Vielfaches verbesserter, Modelle. Klimamodelle haben seit Jahrzehnten die kommende globale Erwärmung auch quantitativ korrekt vorhergesagt.

Abbildung 1 Vergleich der Klimasensitivität verschiedener Modellgenerationen. C. Bickel, Science.

Verschwörungstheorien und Klimadaten

Vogls Bücher sind durchzogen von impliziten und expliziten Hinweisen auf eine Verschwörung der Klimawissenschaften. Die Verschwörungstheorie spielt eine zentrale Rolle in diesem Argumentationsschema (Klimadiktatur, Seite 35):

„Da eine gewisse Grundkenntnis der Manipulation im Klimabereich Grundvoraussetzung zum Verständnis dieses Buches ist, werde ich nachfolgend in aller Kürze die wichtigsten (aber bei weitem nicht alle) Argumente anführen, die gegen einen menschgemachten Klimawandel sprechen. […] Alles hängt an der Klimakatastrophe. Wenn es nun aber gar keine gibt, dann würde das ganze Gebilde zusammenfallen. Eine Ökodiktatur, quasi als Folge der abzuwendenden Klimakatastrophe, könnte sich nicht etablieren.“

Die Verschwörungstheorie muss eine zentrale Rolle spielen in der Argumentation der Klimawandel-Leugner, da sie nur so ihr zentrales Problem umgehen können: Die Realität des anthropogenen Klimawandels wird von einer großen Mehrheit relevanten Experten bestätigt. Da also die Aussage der Experten nicht gefällt, bleibt den Klimawandel-Leugnern als einziger Ausweg, diese der Lüge zu bezichtigen. Und da man dabei Experten aus vielen Jahrzehnten, Ländern und Fachbereichen der Lüge überführen muss, bedarf es einer ausgewachsenen Verschwörung.

So wirft Vogl beispielsweise der NASA vor, dass diese Temperaturmesswerte manipuliert (Klimadiktatur, Seite 40):

„Das GISS (Goddard Institute for Space Studies), also die NASA, wertet weltweit über 7000 Stationen aus. […] Diese Daten sind auch die Grundlage, aus der sich die Aussagen des Weltklimarates IPCC speisen. Diese Daten sind auch öffentlich einsehbar. Prof. Dr. Friedrich Karl Ewert hat dabei eine unglaubliche Entdeckung gemacht. Denn er erkannte, dass die Daten zwischen 2010 und 2012 massiv verändert wurden. Das war ihm möglich, weil er die Datensätze aus dem Jahr 2010 abgespeichert hat und somit mit den Daten, die 2012 angeboten wurden, vergleichen konnte“.

Ausgangspunkt zur Berechnung der globalen Durchschnittstemperatur sind aktuell über 30 Temperaturmessreihen mit über 7000 Messstationen weltweit, welche vom Global Historical Climatology Network (GHCN) erfasst und kuratiert werden. Diese „Rohdaten“ sind für jedermann online verfügbar. Forschungsinstitute, wie das GISS, verwenden dann diese GHCN-Daten, um aus den über 7000 Messstationen eine Durchschnittstemperatur zu berechnen. Dabei müssen teilweise Korrekturen (genannt Adjustments) an Rohdaten vorgenommen werden, um Messartefakte – wie zum Beispiel den Wärmeinseln-Effekt von Städten – zu korrigieren. Die so korrigierten Messwerte bilden dann die GISS Surface Temperature Analysis (GISTEMP) Datenbank aus der sich die „offizielle“ GISTEMP Global Mean Temperature berechnet. Entlang dieser Prozesskette herrscht maximale Transparenz: i) sämtliche Messdaten sind online abrufbar und zwar sowohl die Rohdaten als auch die adjustierten Daten; ii) der Prozess der Adjustierung wird sowohl in wissenschaftlichen peer-reviewed Publikationen als auch auf der GISS-Website im Detail beschrieben; iii) Der Code zur Berechnung der Unsicherheit ist online verfügbar.

Die Behauptung von Vogl, dass die Daten zwischen 2010 und 2012 in für andere nicht nachvollziehbarer Art und Weise manipuliert wurden, ist also absolut haltlos. Es kam zwar in der Tat zu Änderungen der GISS Datenanalyse im Jahr 2010, diese wurden jedoch wie üblich klar dokumentiert und stellen ein interessantes Beispiel für den Adjustierungs-Vorgang dar: Um den oben erwähnten Wärmeinsel-Effekt zu eliminieren, ist es wichtig zwischen ländlichen und städtischen Temperaturstationen zu unterscheiden. Bis 2010 geschah dies mittels Abgleich mit Bevölkerungsdaten, ab 2010 wurde ein verbessertes System eingeführt, welches aus der Lichtemission aus Satelliten-Nachtaufnahmen auf den Grad der Bebauung in der Umgebung der Messstationen schließt. Dieses elegante Verfahren zeugt damit vom Einfallsreichtum der Klimaforschung und nicht von einer Verschwörung.

Detection and Attribution und der Angriff auf Benjamin Santer

Vogl verwendet die Kontroverse zum 8. Kapitel des Zweiten Sachstandberichts (Second Assessment Report, SAR) aus dem Jahre 1995/96, um die Glaubwürdigkeit des IPCC und der beteiligten Wissenschaftler zu unterminieren. So schreibt Vogl (Die Erfundene Katastrophe, Seiten 17-18):

„Und es nicht das erste Mal, dass der IPCC mit seinen tendenziösen Berichten in ein schlechtes Licht gerückt wird. So wurde der im Jahre 1996 veröffentliche 2. Bericht des IPCC von Dr. Ben Sauter [sic], Leit-Autor des IPCC, massiv manipuliert. Mehr als 15 Abschnitte im Kapitel 8 wurden, nachdem der Text von den beteiligten Wissenschaftlern genehmigt war, von Dr. Santer gelöscht oder verändert. […] Die Wissenschaftler fassen also zusammen, dass es keine Beweise dafür gibt, dass der Mensch an einem Klimawandel schuld ist. Herr Dr. Santer hat diese sodann umgeschrieben, so dass dann im veröffentlichten Bericht stand: „ … die Beweiswürdigung deutet auf einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das Klima hin.“ Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was die Forscher gesagt haben.“

Vogls Argumentation ist weitestgehend deckungsgleich mit einer Denkschrift der Global Climate Coalition und einem Gastbeitrag von Frederick Seitz im Wall Street Journal, welche beide 1996 kurz nach Erscheinen des IPCC-Berichts veröffentlicht wurden.

Man kann Vogls Anschuldigungen gegenüber Benjamin Santer, damals Hauptautor des 8. Kapitel, in zwei Bestandteile trennen, nämlich i) den prozeduralen Vorwurf nachträglich eine schon vereinbarte Fassung umgeschrieben zu haben („So wurde der im Jahre 1996 veröffentliche 2. Bericht des IPCC von Dr. Ben Sauter [sic], Leit-Autor des IPCC, massiv manipuliert. Mehr als 15 Abschnitte im Kapitel 8 wurden, nachdem der Text von den beteiligten Wissenschaftlern genehmigt war, von Dr. Santer gelöscht oder verändert.“) und ii) den inhaltlichen Vorwurf der Verfälschung der Aussage des Kapitels („Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was die Forscher gesagt haben.“). Der prozedurale Vorwurf gegenüber Santer wurde in einem offenen Brief von 40 Mitautoren des Sachstandberichts entkräftet („Alle prozeduralen Regeln des IPCC wurden eingehalten bei Erstellung der finalen Druckversion des 8. Kapitels“). Des Weiteren wurde die von Vogl zitierte Kernaussage des 8. Kapitels, nämlich der „erkennbare[n] menschliche[n] Einfluss“ nicht von Santer formuliert, sondern wurde im exakten Wortlaut in Gegenwart der Länder-Delegierten einstimmig getroffen.

Der zweite Vorwurf der inhaltlichen Verfälschung wird von Vogl durch einen Taschenspielertrick konstruiert. Er zitiert mehrere Passagen, die aus der finalen Version gestrichen wurden wie „Jegliche Behauptungen von positiver Entdeckungen [sic] über signifikante Klimaveränderung werden wahrscheinlich kontrovers bleiben, bis die Ungewissheit über die gesamte natürliche Veränderlichkeit des Klimasystems vermindert ist“ und suggeriert damit eine Verfälschung der Gesamtaussage. Dabei unterschlägt Vogl, dass diese Passagen nicht ersatzlos gestrichen wurden, sondern im Rahmen der finalen Überarbeitung des Kapitels durch im Wesentlichen bedeutungsgleiche Aussagen ersetzt wurden, so findet sich z.B. in der finalen Version folgender Absatz: „Schließlich kommen wir zu der schwierigen Frage, wann die Detektion und Zuordnung des menschlichen Klimawandels geschehen wird. Die Antwort auf diese Frage ist subjektiv, insbesondere in Anbetracht der großen Unsicherheit bei Messsignal und Rauschen, die in diesem Kapitel diskutiert werden.“. Vogl unterstellt Benjamin Santer insbesondere ein Verschweigen der verbleibenden Unsicherheit; dies ist erstaunlich, da zwei der sechs Unterkapitel sich mit nichts anderem beschäftigen als der Unsicherheit und der Fehlerabschätzung.

Rückblickend stellt sich die Frage, warum ausgerechnet das 8. Kapitel und dessen Leitautor Santer zum Ziel solch konstruierter Anschuldigungen wurden. Die Antwort findet sich in dem Inhalt des Kapitels, welcher schon im Titel „Detection und Attribution“ (in etwa: Detektion und Zuordnung) angedeutet wird. Erstmals wurde systematisch versucht, die Erderwärmung nicht nur allgemein zu beobachten, sondern gezielt spezifische Fingerabdrücke des menschlichen Einflusses nachzuweisen, wie zum Beispiel die Abkühlung der Stratosphäre (siehe Sonnenaktivität vs. CO2-Treibhauseffekt). Somit stellte das 8. Kapitel eine unmittelbare Bedrohung für Interessengruppen dar, welche an einer Leugnung des menschlichen Einflusses interessiert sind. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang Frederick Seitz als Verfasser des erwähnten Gastbeitrages im Wall Street Journal. Seitz, Jahrgang 1911, war ursprünglich als Physiker im Bereich der Festkörperphysik tätig. Ab den 1970er Jahren wurde Seitz eine Schlüsselfigur der US-amerikanischen Lobby, welche gegen Umweltauflagen im Zusammenhang mit saurem Regen, dem Ozonloch und Klimaerwärmung kämpfte. Außerdem versuchte Seitz noch Mitte der 1980er Jahre im Auftrag von Reynolds Industries Zweifel an der Schädlichkeit des Passivrauchens zu streuen.

Diese Art der persönlichen Diffamierung ist leider kein Einzelfall, sondern wurde wiederholt zur Diskreditierung von Wissenschaftlern und deren Ergebnissen eingesetzt, mit teils gravierenden persönlichen Auswirkungen für die angegriffenen Wissenschaftler. So führten beispielsweise die von Seitz erhobenen Vorwürfe dazu, dass Santer – gerade 31 Jahre alt – und seine Familie massiv unter Druck gesetzt und wiederholt bedroht wurden, bis schließlich seine Ehe zerbrach. Es ist mir daher ein besonderes Anliegen der weiteren Verbreitung der Lügen von Seitz – den Vogl als weltberühmten Physiker tituliert – entgegen zu treten.

Vermeintliche Sättigung der CO2 Absorptionsbande

In beiden eingangs erwähnten Büchern präsentiert Vogl ein weiteres klassisches Argument gegen den anthropogenen Klimawandel. So wären schon bei prä-industriellen CO2 Konzentrationen die Wellenlängenbereiche, in denen CO2 Infratorstrahlung absorbiert und damit den Treibhauseffekt befördert, gesättigt. Diese vermeintliche Sättigung der CO2-Absorptionsbanden würde daher bedeuten, dass zusätzliches CO2 nur eine sehr geringe oder keine weitere Erwärmung zur Folge hätte. Der historische Ursprung dieses Arguments ist wahrscheinlich eine Publikation des schwedischen Physikers Anders Ångström aus dem Jahre 1901.

Es gibt zwei Gründe, warum dieses Argument falsch ist, einen trivialen und einen etwas komplizierten. Der triviale Grund ist, dass die wichtigste CO2-Absorptionsbande mit dem Zentrum bei einer Wellenlänge von 15 µm selbst bei (verhältnismäßig) hohen CO2-Partialdrücken, wie sie nahe der Erdoberfläche herrschen, also bei ca. 1 bar Druck, nicht vollständig gesättigt ist. Die Absorptionsbande ist nur im Zentrum gesättigt, an den Flanken ist die Absorptionsbande nicht gesättigt, wodurch mehr CO2 direkt zu einer erhöhten Absorption von Infrarot-Strahlung führt.

Der wichtigere Grund ist leider komplizierter und basiert auf einem falschen Grundverständnis des Energietransports durch die Atmosphäre. Das Sättigungs-Argument beruht, wie das Modell-Experiment von Ångström aus dem Jahre 1901, auf der impliziten Annahme, dass die gesamte Atmosphäre als eine einzige absorbierende Schicht betrachtet werden kann. Diese Annahme ist allerdings aufgrund der vielfachen Absorption und Re-Emission der Infrarot-Strahlung beim Durchlaufen der Atmosphäre nicht zutreffend. Entscheidend für die Strahlungsbilanz der Erde ist der obere Teil der Atmosphäre, da der Großteil der Infrarot-Strahlung erst von dort in den Weltraum abgegeben wird. In der oberen Atmosphäre ist auf Grund des geringen Drucks allerdings weniger CO2 anwesend, daher haben weitere (anthropogene) CO2-Emissionen einen signifikanten Einfluss auf den Treibhauseffekt. Entsprechende Mehrschicht-Modelle, welche den Energietransport zutreffend beschreiben, sind erstaunlich kompliziert und wurden in der 30er bis 50er Jahren entwickelt und sind seitdem die Grundlage sämtlicher Klimamodelle.

Vogl liefert zum Beleg dieser Hypothese zwei aufschlussreiche Zitate, welche jeweils beispielhaft für eine weitere Argumentations-Strategie stehen: Das erste Zitat ist entnommen aus einem Lehrbuch des renommierten, kürzlich verstorbenen Atmosphärenchemikers und Nobelpreisträgers Paul Crutzen: „Es gibt bereits so viel CO2 in der Atmosphäre, dass in vielen Spektralbereichen die Aufnahme durch CO2 fast vollständig ist, und zusätzliches CO2 spielt keine [große] Rolle mehr.“ Das Zitat ist nicht korrekt wiedergegeben, Vogl unterschlägt das Adjektiv „große“, was die Bedeutung im Sinne von Vogl abändert. Außerdem ist das Zitat komplett aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch in der Aussage verfälscht. In der entsprechenden Passage vergleicht Crutzen CO2 mit hochpotenten Treibhausgasen wie FCKWs, welche schon in vergleichsweise niedrigen Konzentrationen kritisch sind. Vogl erwähnt nicht, dass Crutzen im gleichen Absatz beschreibt, dass eine Verdopplung der CO2-Konzentration zu einem zusätzlichen Strahlungsantrieb von über 3 Wm-2 führt und CO2 damit Haupttriebkraft der anthropogenen Klimaerwärmung ist. In diesem Zusammenhang ist die Auswahl von Crutzen als vermeintlicher Kronzeuge gegen den anthropogenen Klimawandel besonders skurril, da dieser ein bekennender Klimaschützer war und 2002 auf Grund der massiven menschlichen Auswirkungen auf das Klima sogar das Anthropozän als neue geologische Epoche ausrief.

Das zweite Zitat entstammt einem Leserbrief (Länge drei Sätze, Inhalt irrelevant) von Reimund Stadler, veröffentlicht 1994 in der Mainzer Allgemeinen Zeitung. Stadler war Professor für organische Chemie und arbeitete an Kunststoffen, er wies keinerlei besondere Qualifikationen in der Klimaforschung oder Atmosphärenphysik auf. Dies ist ein typisches Muster in der Argumentationsweise Vogls und anderer Klimawandel-Skeptiker: Sich berufen auf vermeintliche Experten, oft fachfremd, ohne relevante Qualifikation und Expertise, deren isolierte Einzelmeinung dann als gleichwertig neben die etablierte und vielfach überprüfte Aussage einer gesamten Wissenschaftsgemeinschaft gestellt wird.

Johannes Wandt ist studierter Chemiker und in der Lithium-Ionen Batterieforschung tätig. 2007 war er Bundessieger Jugend Forscht.

Direkt zu Teil 2 dieses Artikels.

Die meisten der klassischen Klimaskeptiker-Thesen, wie sie auch Günther Vogl verbreitet, sind bei Skeptical Science widerlegt.

Eine gute deutsche Quelle für Informationen zu Klimawandel und Klimaskeptiker-Thesen ist Klimafakten.de.

Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte und der Rolle der Ozeane im Klimageschehen.

23 Kommentare

  1. Trump und die AfD wurden erfolgreich, weil ihre Aussagen/Behauptungen nicht nur von Anhängern ihrer Ideen sondern besonders auch von den Kritikern weiter verbreitet wurden.
    Typisch wurde eine unsinnige Aussage mit Empörung in den Medien verbreitet. Aber bevor es zu einer kritischen Diskussion dieser Aussage kommen konnte – kam von Trump/AfD schon die nächste Schlagzeile in den Medien.
    Mit dieser Strategie belegten Trump/AfD große Bereiche/Zeitfenster von Nachrichten und bestimmten somit die öffentliche Aufmerksamkeit bzw. sie beeinflussten so die Meinungsbildung.

    Diese Beispiele zeigen den Mechanismus auf, warum Trump/AfD so erfolgreich wurden – sie bestimmten die öffentiche Aufmerksamkeit: nur das zählt.

    Das gleiche Problem zeigt der obige Beitrag: Behauptungen von ´Klimaskeptikern´ werden mit diesem Text in die Köpfe von Lesern transportiert und so verbreitet.
    Sinnvoller wäre es – statt Verschwörungsphantasien ein Forum zu geben – gute Literatur zur Klimaveränderung vorzustellen.

    • Das ist eine Frage die viel diskutiert wird unter denen, die über den Klimawandel aufklären. Meine Meinung: man sollte vermeiden, die Verbreitung einer Klimaleugnerthese größer zu machen als sie ohnehin schon ist. Ich hätte einen solchen Artikel über Vogls Bücher sicher nicht in einem Massenmedium veröffentlicht, da würde Ihre Argumentation voll zutreffen. In diesem Blog für Klimainteressierte sieht das ganz anders aus. Hier machen wir diese Thesen sicher nicht populär, sondern hier gibt es eher viele Leser, die gerne wissen wollen worauf sie verlinken können, wenn sie auf Facebook oder Twitter auf solche Argumente treffen.

  2. Ich kann verstehen, dass man ordentlich geladen ist, wenn man sich durch 700 Seiten Mist wühlen muss. Dennoch würe ich vorschlagen, nochmal an Wortwahl Stil und Argumentationsweise nachzuarbeiten. Formulierungen der Art

    In hochgradig komplizierten Themengebieten wie der Klimaphysik ist es ohne entsprechende, jahre- bis jahrzehntelange Ausbildung nicht möglich, die grundlegenden Konzepte in notwendiger Tiefe zu verstehen. Es mag auf den ersten Blick unbefriedigend erscheinen, dass das demokratische Ideal eines mündigen Bürgers in diesem Fall daher nicht direkt anwendbar ist. Auf den zweiten Blick ist das allerdings nicht weiter ungewöhnlich, da wir in einer hochgradig arbeitsteiligen und spezialisierten Gesellschaft in sehr vielen Bereichen den jeweiligen Spezialisten vertrauen, sei es Pilot, Arzt oder Metzger.

    tun hoffentlich jedem, der an aufgeklärter öffentlicher Diskussion interessiert ist, ordentlich weh – da müsste sich dann Herr Rahmstorf auch nicht die Zeit nehmen, ebendiese grundlegenden Konzepte z.B. auf dem rc3 zu erklären, sondern könnte die Kanzlerin direkt am Öhrchen in’s Hinterzimmer abführen. Einen Ticken weniger ‘Mia san mia’ Elitismus, wenn’s geht. Das kauft die (Plattform-) Öffentlichkeit (zum Glück) sowieso nicht mehr, spielt aber der Gegenseite offensichtlich in die Hände.

    Dass Sie das nicht so meinen machen Sie ja im Folgenden klar genug, aber ad hominem mit ad hominem zu kontern – Hinweise auf Fachfremdheit der Proponenten eines Unsinns alleine sind keine Falsifikation – begibt sich leider in die Nähe des ‘Niveaus’ der gegnerischen Argumente, sonst streiten wir über den Gehalt des jeweiligen CVs und wer sich präzise zu was äußern darf.

    In einer nach Aufgeklärtheit strebenden Diskussion über eine Sache, die nun wirklich die gesamte Öffentlichkeit angeht, muss man sich als kompetenter Wissenschaftler eben hinsetzen und die ‘grundlegenden Konzepte’ allen erklären – oder es zumindest glaubwürdig versuchen wie Sie das ja tun (das kann und darf auch mal scheitern). Dieser Transfer ist eine gesellschaftlich-politische Aufgabe und wesentlich keine des wissenschaftlichen Fachs. Und der Resonanzboden der kritischen Öffentlichkeit wird ja immer größer, was die meisten Wissenschaftler ja zu freuen scheint (Science Slam, gell).

    Die negativen bis furchtbaren Rückwirkungen, die Ben Santer und andere Wissenschaftler von Leuten wie Tim Ball – mit Industriefinanzierung im Hintergrund – erfahren mussten, kann man dagegen nicht hch genug hängen.

    • Das ist eine interessante Frage für die Diskussion. Mir geht es zum Beispiel genauso, wenn ich mir zum Thema Covid19 meine Meinung bilde. Ich bin wissenschaftlich vorgebildet, aber nicht in Virologie. Ich habe mich ziemlich intensiv mit dem Thema beschäftigt, in den ersten Wochen der Pandemie mindestens eine Stunde täglich, nicht nur in den Medien sondern direkt bei Virologen auf Twitter, teilweise auch Originalstudien gelesen (z.B. zur Wirksamkeit von Masken) – aber zwangsläufig nur einen winzigen Bruchteil der Fachliteratur. (Zum Klimawandel sind das übrigens mehr als 20.000 Studien pro Jahr.) Am Ende muss man den Fachleuten weitgehend vertrauen, aber zumindest gewinnt man ein Urteilsvermögen, welche Fachleute wirklich kompetent und vertrauenswürdig sind. (Beispiel: die Diskussion über Ioannides, eigentlich guter Wissenschaftler, hat sich aber bei Covid19 arg vergalloppiert.) Die “Querdenker” sparen sich diese Mühe und glauben einfach den Thesen, die ihnen gefallen.

    • Ich kann Ihren Kommentar gut nachvollziehen, ich hätte diese nur zu gerne durch eine „basisdemokratischere“ Formulierung ersetz. Leider ist dies aus meiner Sicht nicht möglich.
      Nach 1.5 Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Themenkomplex Klimawandel/Erderwärmung kann ich die grundlegenden Konzepte und Methodiken im Ansatz verstehen und deren dahinterliegende Komplexität erahnen. Ich könnte niemals in einer Expertendiskussion zu einer spezifischen Fachfrage Position beziehen. Als Beispiel kann hier die Frage des Diurnal Cycle Adjustments dienen über die ich bei meinen Recherchen gestolpert bin. Ich kann hier keinerlei Bewertung vornehmen da ich nicht Experte, sondern interessierter Laie bin. Um ein dazu notwendiges Level an Breiten- und Tiefenwissen zu erwerben ist ein jahrelanges intensives Training notwendig.
      Dieses Wissen hat weder Herr Vogl noch ich. Daher läuft ihr Vorwurf des ‘Mia san mia’ Elitismus ins Leere, da ich mich ja gerade nicht als Experte sehe, sondern für Vertrauen in die eigentlichen Experten werbe. Mein ganzer geistiger Beitrag zu dem Artikel ist eine Analyse der Rhetorik von Vogl.
      Die – wenn man so will – erkenntnistheoretische Letztbegründung aller meiner inhaltlichen Argumente ist das Berufen auf das IPCC. Ich empfehle in diesem Kontext das Buch „Why Trust Science“ von Naomi Oreskes.

      Die Benjamin Santer Geschichte war für mich übrigens auch ein entscheidender Grund, diesen Artikel zu schreiben.

    • Halten wir fest: Gegen klimas(k)eptischen ad hominem ist der Artikel ein Bonmot an anti ad hominem. Was genau soll denn im Artikel ad hominem sein?

  3. Vielen Dank für diesen Einblick in die Abgründe der Leugner. Es bleibt wichtig sich dieser Falschinformation anzunehmen und immer wieder darzulegen, mit welchen Mitteln diese versuchen auf die falsche Fährte zu führen. Immerhin kann man bei der Beschäftigung auch was über Wissenschaft lernen und wie diese funktioniert.

    Ich habe noch eine kleine Anmerkung zu Abbildung 1. Diese ist betitelt mit “Vergleich der Klimasensitivität verschiedener Modellgenerationen.” Das ist insofern irreführend, dass die genannten Abschätzungen nicht auf Modellen gleicher Art beruhen. Die Abschätzungen des IPCC berücksichtigen Modelle aller möglichen Art (Paläoklima, Erdsystemmodelle und instrumentelle Beobachtung) und bei der unteren Grenze im IPCC 2013 spielten einfache Modelle auf Basis der gemessenen Erwärmung eine wichtige Rolle, da diese zu dem Zeitpunkt auf eine möglicherweise niedrigere Sensitivität hinwiesen. Die Abschätzung in der Studie des WCRP wurde dementgegen ohne die komplexen Erdsystemmodelle erstellt. Damit erscheint mir der Verweis auf Modellgenerationen etwas irreführend, da man annehmen könnte, dies würde alleine die Entwicklung der komplexen Erdsystemmodelle widerspiegeln.

  4. Mehr Wandt, bitte

    Auch wenn die behandelten Argumente für Stammleser meist altbekannte „Klimaskeptiker“-Standards sind. Auch wenn schon seit Jahren in den *sozialen* Medien nicht jede noch so abgedroschene Pseudoskepsis an der menschengemachten globalen Erwärmung ohne Entgegnung stehen lassen will und gern auch hier wieder meinen Senf dazu gebe icke: Dank, Herr Johannes Wandt für Ihre Übermittlung grundlegender Klimawissenschaft und die Aufklärung über die niederträchtigen Verleumdungen, Verdrehungen und Lügen in einem Buch eines AfD-Mitgliedes* fern aller naturwissenschaftlichen Evidenz*².

    Freue mich auf den zweiten Teil und spechte nach Grafiken aus der jüngeren Klimageschichte, welche für Laien anschaulich machen, wie Klimamodelle den real existierenden Klimawandel vorhergesagt haben. Wann und wie genau gab es regionale Projektionen für Extremwetterereignisse beispielsweise in Berlin-Brandenburg? Kann mich dunkel an einem SPIEGEL-Artikel aus dem letzten Jahrtausend erinnern, wo Brandenburg als wärmer und trockener beschrieben wurde, was es zweifellos geworden ist.

    Es braucht mehr junge Wissenschaftler, die nicht in der Klimaforschung arbeiten, aber die Klimaforschung und die Klima-Pseudowissenschaft für Laien fern aller naturwissenschaftlichen Reputation erklären. Die Klimawissenschaft hat allein kaum je Chancen über die Kakofonie der Leugner der menschengemachten globalen Erwärmung aufzuklären. Es ist zermürbend, der Jahrzehnte langen nachgebeteten Propaganda der Fossillobby zu entgegnen. Auch deshalb braucht es mehr Wandt.

    *
    http://www.guenther-vogl.de/artikel_2.html


    https://www.scopus.com/results/authorNamesList.uri?sort=count-f&src=al&sid=4a9e3e871e42ff0b988c7d7469a69572&sot=al&sdt=al&sl=41&s=AUTHLASTNAME%28Vogl%29+AND+AUTHFIRST%28Günther%29&st1=Vogl&st2=Günther&orcidId=&selectionPageSearch=anl&reselectAuthor=false&activeFlag=true&showDocument=false&resultsPerPage=20&offset=1&jtp=false&currentPage=1&previousSelectionCount=0&tooManySelections=false&previousResultCount=0&authSubject=LFSC&authSubject=HLSC&authSubject=PHSC&authSubject=SOSC&exactAuthorSearch=false&showFullList=false&authorPreferredName=&origin=searchauthorfreelookup&affiliationId=&txGid=b6a350e28b5efdea4e2587218ee6c696#

  5. In der New York Times von heute habe ich zufällig einen Artikel von einem Psychologen gelesen, der genau hierher passt. Ich zitiere den entsprechenden Ausschnitt:

    When we try to change a person’s mind, our first impulse is to preach about why we’re right and prosecute them for being wrong. Yet experiments show that preaching and prosecuting typically backfire — and what doesn’t sway people may strengthen their beliefs. Much as a vaccine inoculates the physical immune system against a virus, the act of resistance fortifies the psychological immune system. Refuting a point of view produces antibodies against future attempts at influence, making people more certain of their own opinions and more ready to rebut alternatives.
    [..]
    Several decades ago, when treating substance abuse problems, psychologists developed a technique called motivational interviewing. The central premise: Instead of trying to force other people to change, you’re better off helping them find their own intrinsic motivation to change. You do that by interviewing them — asking open-ended questions and listening carefully — and holding up a mirror so they can see their own thoughts more clearly. If they express a desire to change, you guide them toward a plan.

    Die “intrinsic motivation” ist anscheinend die Angst vor staatlicher Bevormundung und Freiheitsentzug und die Angst vor Veränderung. Das gilt wohl auch für die “Querdenker” wie für die Klimaleugner.

    Das Problem ist natürlich, an diese Leute nah genug heran zu kommen, also in direkten und anhaltenden Diskurs mit ihnen zu kommen. Solche Leute wollen nicht überzeugt oder therapiert werden, sondern wollen selber ihre Mitwelt “therapieren”, indem sie mit allen Mitteln an die Öffentlichkeit gehen um Mitstreiter zu rekrutieren.

    • @anton reutlinger
      Das Zitat ist sehr gut und zeigt, wie man mit Personen sprechen sollte, die man “aufklären” will: durch fragen, immer nur fragen und nicht “contra” geben.

      Kurz gesagt: “Wer fragt, der führt (das Gespräch)” während der Befragte mehr oder weniger gezwungen ist auf die immer weiter gehenden Fragen zu antworten.

      Beispiel Klimawandel:
      Mein Gegenüber sagt, es gibt keinen Klimawandel, die Temperaturen haben sich in den letzten 50, 100 und mehr Jahren überhaupt nicht verändert.
      Ich frage ihn: Welche Temperaturmessreihen belegen diese Aussage?
      Er antwortet z.B.: Die in der Öffentlichkeit gezeigten Temperaturmessreihen wie GISS zeigen zwar einen Temperaturanstieg von 1 °C seit ca. 1850, aber diese Messreihen sind “getürkt”.
      Ich frage ihn dann womit er dies belegen kann …. usw.

      Wichtig ist natürlich, dass der Fragende in der Thematik so weit fit ist, dass er die entsprechenden Fragen stellen kann und seine in Frageform vorgebrachten Argumente (wie: kennen Sie den Wert der Klimasensivität, und wenn ja, wo liegt der laut IPCC und aktuellen Studien?) auch inhaltlich exakt belegen kann.

  6. Ich verstehe nicht, wieso hier in diesem Blog, der sich doch nach meiner Meinung in allererster Linie darum “bemühen” müsste die neuesten Erkenntnisse der Klimawissenschaft und die bisher beobachteten Veränderungen der Klimaindikatoren einem interessierten und wohl auch schon gut informierten Publikum darzustellen nun schon wieder und auch noch sehr umfangreich über Argumente und Aussagen der Skeptiker und Leugner berichtet wird und Widerlegungen dieser Argumente und Aussagen gezeigt werden.
    Gleich bei welchem Thema aus dem Bereich der Wissenschaft, das man nicht selbst nachprüfen kann, ob nun Evolution, Ansteckungsgefahr durch Viren, Kontinentalverschiebung oder hier dem Einfluss der durch die Menschheit verursachten Treibhausgasemissionen aufs Klima, es wird immer viele Menschen geben, die die Aussagen der Wissenschaft anzweifeln oder rundweg ablehnen.
    Doch warum sich mit diesen Aussagen und den dahinterstehenden Menschen beschäftigen? Man wird die Zweifler und “Gegner” doch nicht erreichen und vertut seine Zeit mit Unnötigem.

    • Trotzdem wird es immer wieder nachgefragt und ist für die öffentliche Diskussion (u.a. in den sozialen Medien) durchaus wichtig, die wissenschaftlichen Gegenargumente gegen häufige Skeptikerthesen darzulegen. Herrn Vogl werden wir damit sicher nicht erreichen, aber vielleicht doch so manche, die offen sind aber durch solche Thesen verunsichert.

      • Okay Herr Rahmstorf, wenn es darum geht Argumente / Gegenargumente zu liefern wäre mir dann aber eine “kurze und knackige” Darstellung lieber, denn die wäre besser verständlich und einfacher anzuwenden als solch ein langer Diskurs wie oben.

        Es könnte z.B. dann so aussehen:

        1. Skeptiker-Argument: die Temperaturen haben sich in den letzten 100 Jahren nicht verändert.
        Antwort: siehe die selbst leicht “einzustellenden” und ablesbaren interaktiven Grafiken bei woodfortrees.org/plot
        sowie …… (GISS, HADCRUT, …)

        2. Skeptiker-Argument: Grönlands Eisschild schmilzt nicht beschleunigt ab, wir sind schließlich noch in einer zuende gehenden Eiszeit und hatten bis vor 150 oder 200 Jahren die Kleine Eiszeit.
        Antwort: siehe …… (DMI, NSIDC, Studie …)

        also eine lange Reihe von Argumenten und Gegenargumenten in ganz kurzer Darstellung und mit Links auf Studien, zum IPCC, zur NASA, EPA usw.

    • @Wolfgang Richter

      Ist insofern aus der Leugnerzitrone Honig zu saugen, als dass bei der Aufklärung auch oft Wissen zur Klimaforschung vermittelt ist.

      Zur CO2-Absorptionsbande waren Infos, die nicht so auf dem Schirm hatte icke. Auch zum Wärmeinsel-Effekt kam für mich Neues. Mit dem komplett aus dem Zusammenhang gerissenen und dadurch in der Aussage verfälschten Textschnipsel von Paul Crutzen, um die Lüge von der Klimalüge zu verbreiten, kann jetzt wunderbar entgegnen icke in einem Thread eines Leitmediums. Interessant auch, wie der Wärmeinsel-Effekt immer besser berücksichtigt ist.

      Mich interessiert es, inwieweit Modelle von vor vierzig Jahren richtig lagen. Weckt Neugier, spechte nach weiteren für Laien anschaulichen Grafiken. Gibt es auch lokal bezogene Projektionen mit Beschreibung von Extremwettern, Temperaturentwicklungen und deren Umweltauswirkungen? Spechte nach quantitativ korrekt vorhergesagten Projektionen aus den 70ern, 80ern und 90ern. Und die Links dazu sind wichtig, um der Leugner-Kakofonie zu entgegnen.

      Man wird die Zweifler und „Gegner” doch nicht erreichen und vertut seine Zeit mit Unnötigem? Richtig ist, dass in den Threads auf Zeit-Online seit Jahren kaum je einen niederträchtigen Leugner der menschengemachten globalen Erwärmung überzeugt habe icke. Habe aber auch den Willen, nicht jede Lüge unwidersprochen stehen zu lassen. Lesen ja auch ein paar mit, um die geht es mir. Denn gibt ja auch welche, welche nicht zur eingefleischten Klimas(k)eptiker-Front gehören, deren Zweifel eher ausgeräumt werden können.

  7. Ich meine, viele Wissenschaftler haben einfach völlig falsche Vorstellungen über die Psyche des einzelnen Menschen und noch mehr über massenpsychologische Effekte.

    Stellt ein Wissenschaftler eine Behauptung auf, wird die grundsätzlich in Frage gestellt, das ist noch völlig normal. Aber heutzutage artet praktisch alles, außer vielleicht (derzeit noch) weniger in der Mathematik, alles prinzipiell zur „Rechthaberei“ aus. Das Problem wird einfach „ausgeweitet“, wenn einem die Argumente ausgehen.

    Wissenschaftler haben, ich würde es so sagen, eine „psychische Motivation“ sich für ein Problem besonders zu interessieren, ihre Forschung und ihre Sicht für wichtig zu halten. Das ist völlig normal und positiv. Sie bilden „Seilschaften“ um sich erfolgreicher durchzusetzen. Sie mögen und das gestehe ich ausdrücklich zu, mit ihren Aussagen völlig richtig liegen.

    Vielen Menschen ist es aber angesichts der eigenen oft schweren Probleme völlig egal, was die Wissenschaft behauptet. Es ist grundsätzlich alles eine Bewertungsfrage, die von der eigenen Einstellung und Betroffenheit abhängt.

    Die Sache mit der „Bewertung“ ist daher in der Bevölkerung völlig anders als unter Wissenschaftler.

    Sieht man jetzt sogar in der Pandemiefrage. Obwohl eigentlich jeder viel stärker als z.B. in der Klimafrage betroffen ist, sogar daran sterben könnte und trotz der Überlebensinstinkte, die eigentlich eine Abwehr der Gefahr fördern würden, sehen es viele Menschen völlig anders.

    Der direkte Leidensdruck durch die Krankheit ist zu gering im Vergleich zu den ökonomischen Folgen, wie z.B. Arbeitsplatzverlust, oder Verlust der Existenz. Das wären reale Gegenargumente, dazu kommen versteckte „psychische Motivationen“ um grundsätzlich dagegen zu sein, wie Angst vor Manipulation (Ausbeutung) oder Bevormundung, um nur einige offensichtliche psychische Motivationen zu nennen.

    Es ist klar, dass sich Menschen mit gleicher Einstellung solidarisieren, sich gegenseitig in ihrer Sichtweise bestärken (wie übrigens auch z.B. die Klimaforscher) und für ihre jeweilige Sichtweise „kämpfen“.

    So ist für mich einfach die Realität, dies nicht zu akzeptieren ist ein Kampf gegen Windmühlen…..

  8. Herr Wandt behauptet als „studierter Chemiker“, dass Herr Stadler als „Professor für organische Chemie“ keinerlei besondere Qualifikationen in der Klimaforschung oder Atmosphärenphysik habe. Wie kommt also Herr Wandt zu seiner Qualifikation als Klimaforscher.

    • Dieses Argument kenne ich – es kommt regelmäßig, wenn ich mich zu Corona äußere. Doch der entscheidende Unterschied ist der folgende: Herr Vogl meint, als Fachfremder es besser zu wissen als die Fachleute, und sieht die gesamte Fachwelt als Teil einer Verschwörung. Wer dergleichen behauptet, der sollte schon über ein sehr solides Fachwissen und gute Argumente verfügen. Herr Wandt fordert ja nicht das gut etablierte Fachwissen der Klimaforscher heraus, sondern zeigt nur anhand leicht öffentlich verfügbarer Quellen auf, wo Vogl die Tatsachen verdreht und unredlich argumentiert. Um das zu sehen, braucht man kein tiefes Fachwissen. Wie es so schön heißt: man muss kein Scharfschütze sein, um zu beurteilen, ob jemand ins Schwarze getroffen hat. Man muss es aber sein, wenn man es besser machen will als die Profi-Scharfschützen.

    • Sie übersehen dabei eine grundlegende Asymmetrie. Die eigentliche Auseinandersetzung ist nicht „Wandt vs. Stadler“ sondern „Stadler vs. IPCC“. Hier sollte die Frage der Qualifikation einfach zu beantworten sein. Ich fordere für mich also ausdrücklich keine höhere Qualifikation ein, als ich Herrn Stadler zugestehe und ich brauche diese auch nicht, da ich mich schlicht und ergreifend auf das IPCC und deren Aussagen berufe. Nicht ich, sondern Herr Stadler (und damit Herr Vogl) lehnen sich argumentativ aus dem Fenster.

  9. Zum Folgenden von
    anton reutlinger
    01.02.2021, 13:19 Uhr

    “….Die “intrinsic motivation” ist anscheinend die Angst vor staatlicher Bevormundung und Freiheitsentzug und die Angst vor Veränderung. Das gilt wohl auch für die “Querdenker” wie für die Klimaleugner.
    Das Problem ist natürlich, an diese Leute nah genug heran zu kommen, also in direkten und anhaltenden Diskurs mit ihnen zu kommen. Solche Leute wollen nicht überzeugt oder therapiert werden, sondern wollen selber ihre Mitwelt “therapieren”, indem sie mit allen Mitteln an die Öffentlichkeit gehen um Mitstreiter zu rekrutieren.
    ….” (Zitatende)

    Lieber Herr Reutlinger, Ihnen schreibe ich dasselbe wie Herrn Blum im Nachbarblog:

    Kaum verifizierbare und meist völlig unbelegte Psycho- Spekulationen über die Thesen von Meinungsgegnern ersetzen keine nachvollziehbaren Argumente gegen deren Argumentation . Sowas ist also kaum besser als die vielgeschmähten “Verschwörungstheorien”. (-:

  10. Diese Arbeit von Herrn Wandt und generell die unermüdliche Aufklärungsarbeit von Herrn Rahmstorf, ist extrem wichtig. Die Entlarvung von Pseudowissenschaft und Scharlatanerie, das Erkennen von Lügen, denen man bereitwillig Glauben schenkt, weil sie in das eigene Weltbild passen, oder schlicht das Leben vordergründig erleichtern, ist, wie man an auch am Phänomen Trump sieht ein allgemeines Problem: nicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Demokratie.
    Ich würde mir wünschen, diese Dinge würden in der Schule gelehrt. Es geht ja nicht nur darum, den Taschenspielern, Leugnern und Scharlatanen das Handwerk zu legen, es geht eigentlich um grundlegende menschliche Schwächen, die ausnahmlos jeder Mensch hat . Ich weiß wovon ich spreche. Um diese Schwächen muss man rechtzeitig wissen, um nicht teures Lehrgeld an “Verführer” bezahlen zu müssen. Diese kommen auch in Form von Werbespots und zunehmend optimierten Algorithmen daher. Hier schließt sich wieder der Kreis: unnögtiger Konsum treibt das Klima und zerstört unser Biotop, gefährdet die Existenz künftiger Generationen.

    Y

    ou do that by interviewing them — asking open-ended questions and listening carefully — and holding up a mirror so they can see their own thoughts more clearly. If they express a desire to change, you guide them toward a plan.

    Das kann und sollte man in einem persönlichen Gespräch sicherlich so machen, mit viel Zeit und Muße, keine Frage.
    Aber was tun in gar nicht, oder nur rudimentär moderierten online Foren? Einfach ignorieren?
    Leider werden diese beim entsprechenden Thema, von einer Minderheit von Leugnern Esoterikern und Wichtigtuern regelrecht verstopft
    In wissenschaftlich orientierten Foren, wie hier auf Scilogs, ist das besonders ärgerlich, da konstruktive Diskussionen dadurch blockiert werden, oder gar nicht erst in Gang kommen. Dem Blödsinn wird viel zu viel Raum gelassen.
    Warum kann man nicht Beiträge sperren, oder zumindest rot einfärben, wenn zum 100ten mal das gleiche, längst widerlegte, oder schlicht unlogische “Argument” in den Raum geworfen wird?
    Ich weiß, das ist naiv, aber vielleicht hat Jemand eine bessere Idee?