Vom Kuscheltier zum geeigneten Labormodell

Für ihre Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2023 in der Kategorie Biologie veranschaulichte Christina Baumbach, was sie für ihre Promotion erforscht hat.
Pilzerkrankungen zählen zu den häufigsten Hautinfektionen, fast jede:r dritte Deutsche ist mindestens einmal im Leben betroffen. Behandlungen sind begrenzt wirksam, oft langwierig und nicht nachhaltig. Hier könnten geeignete Labormodelle einen wichtigen Beitrag zum besseren Therapieerfolg leisten
Meerschweinchen sind niedlich und gelten als gesellige, pflegeleichte Haustiere. Daher werden sie oft zu den ersten tierischen Begleitern für Kinder, die zumindest anfangs viel Zeit mit ihnen verbringen und sie gerne streicheln. Natürlich sind Meerschweinchen niedlich, sie benötigen aber auch viel Platz, sauberes Einstreu, täglich frisches Wasser und am besten viele Artgenossen. Müssen sie unter weniger guten Bedingungen leben, sind sie schnell gestresst und können krank werden. Zu den dann häufig auftretenden Symptomen zählen kreisrunde, kahle Stellen im Fell und gerötete, schuppige Haut. Spätestens jetzt sollten Eltern auch ihre Kinder genau anschauen und gezielt nach Rötungen und anderen Hautveränderungen an Händen, am Hals und im Gesicht schauen. Denn die neuen Haustiere hatten vielleicht bereits beim Einzug übergriffige „blinde Passagiere“ dabei: zoonotische Hautpilze der Art Trichophyton benhamiae.
Spätestens seit der Corona-Pandemie ist der Begriff Zoonose, der eine zwischen Mensch und Tier wechselseitig übertragbare Infektionskrankheit beschreibt, vielen Menschen bekannt. Diese Eigenschaft trifft auch auf einige Hautpilzarten zu: sie können auf unterschiedlichen menschlichen und tierischen Wirten leben und zwischen ihnen übertragen werden. Der oben genannte Hautpilz lebt zum Beispiel auf Menschen und Meerschweinchen, andere auf der Haut von Hunden, Katzen oder Rindern. Eine Hautpilzerkrankung ist für die meisten, ansonsten gesunden Menschen (und Tiere) nicht lebensgefährlich, aber sehr unangenehm. Eine Infektion kann mehrfach und immer wieder auftreten und ist hochansteckend, sie verursacht Hautrötungen und Juckreiz, manchmal sogar Haarausfall. In jedem Fall ist die Behandlung mit Cremes und Salben aufwändig und langwierig.

Um die verschiedenen Hautpilzarten besser zu verstehen – und bestenfalls wirksame(re) Medikamente oder Impfungen gegen sie zu entwickeln – werden sie im Labor unter idealen, immer gleich bleibenden Bedingungen angezüchtet und untersucht. Dazu nutzen Wissenschaftler:innen spezielle Nährböden in Petrischalen, die denen für Bakterien ähneln und alle wichtigen Nährstoffe enthalten. Forschende konnten durch den Einsatz von modernen Untersuchungsmethoden aber bereits vor einigen Jahren zeigen, dass sich Hautpilze, die in Petrischalen wachsen, zum Teil ganz anders verhalten als Hautpilze auf der menschlichen Haut. Sie sehen nicht nur ganz anders aus, sie produzieren auch andere Enzyme, also „Werkzeuge“, mit denen sie sich Nährstoffe beschaffen und ihre Umgebung verändern. Das kann zu einem echten Problem werden: Medikamente werden nämlich auch im Labor unter idealen Bedingungen entwickelt und sollen natürlich nicht nur hier, sondern genauso in der Realität, im Alltag, funktionieren.
Diese Situation war der Ausgangspunkt für meine Doktorarbeit an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig: unser Ziel war es, ein Labormodell zu entwickeln, mit dem eine Infektion mit dem Hautpilz Trichophyton benhamiae möglichst realistisch nachgestellt werden kann. Auf Grund der zuvor beschriebenen Erkenntnisse konnten meine Kollegen aus den Abteilungen Anatomie und Bakteriologie-Mykologie und ich dabei nicht auf die üblichen Nährböden in der Petrischale zurückgreifen. Von anderen wissenschaftlichen Arbeiten wussten wir außerdem, dass es auch nicht ausreicht, Bestandteile der Haut, zum Beispiel Hautschuppen oder Haare, zu den Nährböden hinzuzufügen, um den natürlichen Lebensraum der Hautpilze nachzubilden. Versuche mit lebenden Tieren lehnten wir aus Gründen des Tierschutzes ab.
Wie also vorgehen? Wir wollten einen sinnvollen Mittelweg zwischen in vitro-, also in der Petrischale, und in vivo-Versuchen, im menschlichen oder tierischen Probanden, finden und haben uns daher für die Verwendung sogenannter Hautexplantate entschieden. Für diesen Ansatz haben wir intakte Haut von gesunden Versuchstieren entnommen. Diese Hautproben oder Explantate wurden anschließend in speziellen Laborkulturschalen, in denen später auch die künstliche Infektion stattfand, mit Nährstoffen versorgt. Durch die Verwendung von echter Haut standen den Hautpilzen also alle Gegebenheiten ihres natürlichen Lebensraumes auch im Labor zur Verfügung. Da der von uns untersuchte Hautpilz Meerschweinchen infiziert und ihre Haut in vielerlei Hinsicht menschlicher Haut ähnelt, haben wir für unser Modell Hautexplantate von Meerschweinchen genutzt. So konnten wir gleichzeitig für Mensch und Tier forschen.

Die erste Teilaufgabe bestand darin, die Hautexplantate in einer Laborkulturschale möglichst lange „am Leben“ zu erhalten. Dies ist uns mittels einer speziellen Nährlösung für bis zu zehn Tage gelungen. Weiterhin sollte auch die künstliche Infektion die normalen Abläufe möglichst genau widerspiegeln. Dazu nutzen Hautpilze in der Natur sogenannte Sporen: das sind kleine, meist rundliche Gebilde, die auch ohne einen Wirt unter eher ungünstigen Bedingungen lange überdauern können. Ist dann doch wieder ein passender Wirt gefunden, haftet die Pilzspore an dessen Haut an, vorzugsweise an einer geschützten, feuchten Stelle wie zum Beispiel unter den Achseln. Dort wächst sie aus, dringt in die oberen Hautschichten des Wirtes ein und wächst weiter zu einem großen, fadenförmigen Organismus. Um die künstliche Infektion nachzustellen, haben wir genau solche Sporen in großer Zahl angezüchtet und sie zusammen mit den Hautexplantaten in den Laborkulturschalen unter geeigneten Bedingungen im Brutschrank beobachtet. Tatsächlich sind die Sporen ähnlich wie oben beschrieben nach wenigen Tagen fadenförmig ausgewachsen und haben sich in den Hautexplantaten ausgebreitet. Über die nächsten Tage konnten wir viele Proben entnehmen und sie mit molekularbiologischen Methoden bearbeiten, und so den Infektionsprozess genau nachverfolgen.

Durch den Vergleich mit Hautproben von natürlich infizierten Meerschweinchen und mit Daten aus Versuchen anderer Wissenschaftler:innen konnten wir feststellen, dass unsere Laborinfektion der echten sehr ähnelt. Außerdem fanden wir in unseren Proben die Enzyme, die auch in menschlichen Patienten nach einer natürlichen Infektion gefunden wurden – und nicht nur die, die Hautpilze beim Wachstum in der Petrischale produzieren. Zusammen mit unseren ärztlichen Partnern Pietro Nenoff und Silke Uhrlaß vom Labor für medizinische Mikrobiologie in Mölbis konnten wir zeigen, dass sich verschiedene Hautpilzarten mit unserem Modell untersuchen lassen und sie sich sogar relativ ähnlich verhalten, unabhängig davon, ob sie ursprünglich Menschen oder Meerschweinchen infiziert hatten. Die wenigen vorhandenen Daten, mit denen unsere Ergebnisse vergleichbar sind, zeigen, dass wir unser Ziel eines realistischen Labormodells für eine Hautpilzinfektion erreicht haben.
Jetzt heißt es: viele weitere Erkenntnisse gewinnen, um die wenig verbreitete und finanziell schlecht unterstützte Forschung an Hautpilzen voranzubringen. So wie unser Modell aufgebaut ist, kann es relativ unkompliziert an verschiedene Hautpilze und Wirte angepasst werden, also vielfältig angewendet werden. Es wäre außerdem denkbar, Hautpilze von betroffenen Patient:innnen zu entnehmen und die Wirkung verschiedener Medikamente im Labor zu testen. Im Sinne einer personalisierten Medizin müsste im Anschluss vielleicht nur noch das Medikament verschrieben werden, das im Labor die besten Ergebnisse erzielt hat, was wiederum viel Zeit und Nebenwirkungen bei der Behandlung ersparen könnte. Weiterhin könnte unser Labormodell natürlich auch zur Testung ganz neuer Wirkstoffe gegen Hautpilze verwendet werden. Letzteres ist wahrscheinlich die drängendste Aufgabe, denn auch bei Hautpilzen, genau wie bei Bakterien, treten Resistenzen gegen bekannte Medikamente immer häufiger auf.
Dr. Christina Baumbach studierte Biologie an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität Leipzig (UL). Schön früh beschäftigte sie sich mit den Zellen der Haut und unterschiedlichen Hautmodellen im Labor, von einfachen Zellschichten bis hin zu 3D-Kulturen. In ihrem Promotionsprojekt an der Veterinärmedizinischen Fakultät der UL entwickelte sie mit verschiedenen Projektpartnern ein Hautmodell zur Untersuchung von Hautpilzinfektionen bei Mensch und Tier.
Neben ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Postdoktorandin, studiert sie seit April 2024 den interdisziplinären weiterbildenden Master Medizin-Ethik-Recht (MLU), um den Blick über den naturwissenschaftlichen Tellerrand hinaus zu wagen.