In neuem Licht – Photokatalyse auf dem Weg in die Eisenzeit

Für seine Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2023 in der Kategorie Chemie veranschaulichte Philipp Dierks, was er für seine Promotion erforscht hat.


Die Vorstellung, die Energie der Sonne als Triebkraft für chemische Reaktionen zu nutzen, begeistert nicht nur die Fantasie, sondern bietet auch eine vielversprechende energetische Perspektive. Der Einsatz von Molekülen auf Eisenbasis ist dabei ökologisch und ökonomisch sinnvoll, obwohl diese die Energie nur kurz speichern. Durch „molekulares Ping-Pong“ werden Eisenkomplexe verbessert und für viele Reaktionen nutzbar.

Nutzen, was da ist – Eisenkomplexe in der Photokatalyse

In einer Zeit, in der die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels immer rasanter zunehmen, wird deutlich, dass die gegenwärtige Abhängigkeit von fossilen Ressourcen zur Energiegewinnung überwunden werden muss. Daher gewinnt die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen enorm an gesellschaftlichem und ökologischem Interesse. Aktuell liegt ein Fokus der Forschung auf der Entwicklung von Systemen, die die solare Energie auf molekularer Ebene effektiv nutzen können. Dieser Ansatz bietet die Möglichkeit einer nachhaltigen Methode der Energieumwandlung und -speicherung, insbesondere in Form von transportablen Energieträgern wie grünem Wasserstoff. Solche Reaktionen mit häufig vorkommenden und kostengünstigen Metallen wie Eisen anstelle von teuren und umweltkritischen Edelmetallen durchzuführen, ist ein Meilenstein auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft.

Um die Energie des Sonnenlichts als eine nachhaltige Ressource für chemische Reaktionen zu erschließen, sind spezielle Moleküle nötig: Photosensibilisatoren. Diese Helferlein auf molekularer Ebene sind in der Lage das Sonnenlicht einzufangen und die Energie in einem angeregten Zustand zu speichern. Dieser Energievorrat kann dann auf andere Moleküle übertragen werden. Somit werden chemische Reaktionen durch sichtbares Licht angetrieben, die vorher nur durch andere Triebkräfte wie Hitze oder Druck durchführbar waren. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Herstellung von grünem Wasserstoff durch direkte Einstrahlung von Licht. „Nutzen, was da ist“ – das ist somit der Slogan, der die Motivation zur Forschung an lichtaktiven Eisenkomplexen, die darauf abzielt, solare Energie für chemische Reaktionen nutzbar zu machen, prägnant zusammenfasst.

Diese Idee zum Betreiben chemischer Reaktionen ist nicht neu und unter Verwendung von edelmetallhaltigen Photosensibilisatoren sogar für eine Vielzahl an chemischen Reaktionen erprobt. Bereits an ihren Namen wird deutlich, dass edelmetallbasierte Photosensibilisatoren in Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit deutlich kritischer zu sehen sind als Komplexe auf Basis von Eisen – dem zweithäufigsten Metall in der Erdkruste. Metallkomplexe des momentan häufig verwendeten Edelmetalls Ruthenium und des unedlen Eisens sind in Hinblick auf ihre Elektronenstruktur analoge Verbindungen, weshalb an eisenbasierten Komplexen intensiv geforscht wird. Die Forschung konzentriert sich darauf, wie lange die Photosensibilisatoren in einem angeregten Zustand verbleiben können, denn: Je länger, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie die gespeicherte Energie weitergeben und damit eine Reaktion antreiben können. Genau diese Lebenszeit der angeregten Zustände ist in edelmetallhaltigen Komplexen sehr hoch, in eisenbasierten Photosensibilisatoren ist sie sehr gering. Wobei sehr hoch in der Zeitskala der Moleküle relativ ist. Edelmetallbasierte Komplexe haben eine Lebenszeit ihrer angeregten Zustände im Bereich von Millisekunden – dem Millionstel einer Sekunde: dieser Zeitraum entspricht etwa der Dauer, die ein Blitz zum Entladen benötigt. Im Gegensatz dazu bewegen sich die Lebenszeiten der angeregten Zustände in Eisenkomplexen im niedrigen Pikosekundenbereich – dem Billionstel einer Sekunde. Diese kurzen Lebenszeiten stellen die Wissenschaft vor eine große Herausforderung. Modellrechnung zeigen, dass eine Lebenszeit im einstelligen Nanosekundenbereich (Milliardstel einer Sekunde) eine gute katalytische Aktivität versprechen: selbst diese Zeit ist noch um ein Tausendstel kürzer als die Entladung des angesprochenen Blitzes.

Philipp Dierks bei der Vorbereitung der Messung der Lebenszeiten von angeregten Zuständen durch zeitaufgelöste Fluoreszenzspektroskopie. © Universität Paderborn/Besim Mazhiqi

Elektronen Ping-Pong in einem Molekül

Um die Wirksamkeit von eisenbasierten Photosensibilisatoren zu steigern, wurde der sogenannte multichromophore Ansatz entwickelt. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich die einfache Tatsache, dass die Eisenkomplexe mit weiteren Farbstoffmolekülen ausgestattet werden, dabei entsteht ein multichromophorer – also mehrfarbiger – Komplex. Die Anbindung von weiteren Molekülteilen führt nicht nur zu einem größeren Eisenkomplex, sondern verbessert auch deren Eigenschaften nach Anregung mit sichtbarem Licht.

Molekulares Ping-Pong in einem multichromophoren Eisen-Komplex.

Durch sichtbares Licht angeregte Elektronen können sich auf dem multichromophoren Komplex theoretisch frei bewegen. Die tatsächliche Bewegung, die die Elektronen durchführen ähnelt allerdings einem Ping-Pong-Spiel zweier unterschiedlich starker Spieler. In diesen Komplexen tritt das Eisenzentrum als der mittelstarke Spieler auf, während das Farbstoffmolekül der erfahrene Profi ist. Der Ball – repräsentiert in diesem Bild die angeregten Elektronen – wird schnell und unkontrolliert vom Eisenzentrum weggespielt. Aber der erfahrene Spieler – der Farbstoff – kann ihn gekonnt kontrollieren und ganz langsam zurückspielen. Es kommt ein langer und faszinierender Ballwechsel zustande, bei dem die angeregten Elektronen sich zwischen dem Eisenzentrum und dem Farbstoffmolekül hin und her bewegen. Und das Ergebnis? Durch diese ausgeklügelte Paarung zweier unterschiedlich starker Partner, verlängert sich die Spieldauer – also die Lebenszeit der angeregten Zustände – in den katalytisch relevanten Bereich, was für die Anwendung in der Photokatalyse von entscheidender Bedeutung ist.

Die Zukunft der Photokatalyse ist die Eisenzeit

Die effiziente Weiterleitung der Energie stellt die nächste große Herausforderung in der Photokatalyse dar. Die Eisenkomplexe übertragen die Elektronen, die als Ping-Pong-Ball auf dem Eisenkomplex hin und her springen, an Katalysatoren, die chemische Reaktionen effizient antreiben oder direkt an Moleküle, die chemische Reaktionen eingehen. Die kleinsten Reaktionspartner, die dabei in Betracht kommen, sind die Protonen im Wasser. Protonen sind positiv geladene Wasserstoffatome (H+), die in Verbindung mit den vom Photosensibilisator bereitgestellten Elektronen (e) ein neutrales Wasserstoffatom bilden. Wenn diese Reaktion zweimal abläuft, verbinden sich die erzeugten Wasserstoffatome zu einem Wasserstoffmolekül (2H+ + 2e → H2). Der Eisenkomplex hat nun ein Elektron weniger, das er entweder von anderen Molekülen in der Umgebung oder durch zugeführten elektrischen Strom zurückgewinnen kann: Im zweiten Fall spricht man von Elektro-Photokatalyse.

Gelöster Photosensibilisator in einem Reaktorgefäß zur Erforschung von photokatalytischer Wasserstoffproduktion. © Universität Paderborn/Besim Mazhiqi

Für edelmetallbasierte Photosensibilisatoren ist die Herstellung von elementarem Wasserstoff bereits ausführlich erforscht und es existieren bereits funktionierende Systeme sowohl in der Photo- als auch in der Photoelektrokatalyse. Erste Ergebnisse zur H2-Produktion mit Eisenkomplexen als Photosensibilisatoren sind bereits veröffentlicht, obwohl hier noch erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Neben der Wasserstoffproduktion sind edelmetallhaltige Photokatalysatoren in einer Vielzahl von chemischen Reaktionen, die eine Elektronenübertragung erfordern, etabliert. Die chemischen Reaktionen, die dadurch durchführbar werden, finden Anwendung in der Energiewirtschaft bis hin zur synthetischen Wirkstoffchemie. In all diesen Bereichen könnten edelmetallhaltige Photosensibilisatoren in Zukunft möglicherweise von eisenbasierten Photosensibilisatoren verdrängt werden. Auch wenn sie menschheitsgeschichtlicher Zeit bereits vorbei ist, für die Photokatalyse öffnet sich die Tür zu einer neuen Zeitrechnung: der Eisenzeit.


Philipp Dierks absolvierte sein Chemiestudium von 2013 bis 2018 an der Universität Paderborn. Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse entstanden während seiner Promotion von 2018 bis 2022 an der Universität Paderborn in enger Kooperation mit den Universitäten Mainz und Rostock. Im Anschluss daran widmete er sich von 2022 bis 2023 der Forschung im Bereich Elektrokatalyse am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. Seit 2023 ist Philipp Dierks in der chemischen Industrie tätig und setzt sein Fachwissen für die effiziente Anwendung von Katalysatoren in Klebstoffen ein.

2 Kommentare

  1. Edelmetallbasierte Komplexe haben eine Lebenszeit ihrer angeregten Zustände im Bereich von Millisekunden – dem Millionstel einer Sekunde

    Da sind wohl Mikrosekunden statt Millisekunden gemeint.

  2. Sehr interessant. Um was für Farbe handelt es sich da?

    Die meisten Farbstoffe die ich kenne sind erdölbasiert. Die Herstellung von Farbstoffen aus reinen nachwachsenden Naturprodukten ist aufwändig und teuer.

    Salze aufgrund ihrer kristallartigen Struktur wären vielleicht auch noch ein möglicher Ansatz und ggf. leichter zu beschaffen.

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