Die Liaison von Calcium und Phosphat: ein zweischneidiges Schwert?

Für ihre Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2021 in der Kategorie Biologie veranschaulichte Elisabeth Jäger, was sie in ihrer Promotion erforscht hat..


Geht es um Calcium und Phosphat im Körper, denken die meisten an starke Knochen. Aber auch außerhalb des Skeletts, z.B. im Blut, finden sich Calcium und Phosphat als winzige Partikel zusammen. Diese Partikel stellen allerdings für Immunzellen eine Gefahr dar und können Entzündungen auslösen.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was das zugesetzte Phosphat in verschiedenen Lebensmitteln, wie Wurst, Cola und Hafermilch eigentlich für eine Funktion hat? Nein? Bis vor Kurzem war mir nicht mal bewusst, dass Phosphat so intensiv bei der Lebensmittelverarbeitung eingesetzt wird. Aber jetzt weiß ich, dass Phosphat offensichtlich ein ultimativer Zusatz ist, um Fleisch saftiger zu machen, die Farbe von Cola zu erhalten, die Konsistenz von Milchprodukten sämiger zu machen und vor allem um Fertigprodukte zu konservieren.

Bei dem zugesetzten Phosphat handelt es sich meist um anorganisches Phosphat, das heißt, dass dieses nicht an Eiweiße (Proteine) gebunden und somit für den Körper nach einer Mahlzeit im Blut schnell verfügbar ist. Natürlich vorkommendes Phosphat, wie in Fleisch, Getreide, Nüssen und Hülsenfrüchten, ist hingegen an Proteine gebunden und wird vom Körper langsamer und nicht vollständig verwertet. Aber was macht das Phosphat dann im Körper? Phosphat ist ein entscheidender Baustein, um gemeinsam mit Calcium Knochen und Zähne zu festigen und zu stabilisieren. Weiterhin ist Phosphat eine unverzichtbare Komponente unseres Erbmaterials (DNA) und an entscheidenden Prozessen, wie der Signalweiterleitung, innerhalb der Zellen beteiligt. Phosphat kann also als enorm wichtig für die Funktionalität unseres Körpers eingestuft werden.

Befindet sich allerdings zu viel Phosphat in unserem Körper, möglicherweise durch dauerhaften Konsum von Fast Food, kann dies unerwünschte Konsequenzen nach sich ziehen. In diesem Fall verbindet sich Phosphat, so wie es normal in Knochen und Zähnen passiert, ebenso mit Calcium. Allerdings geschieht das Ganze nicht nur dort wo es Strukturen verfestigen soll, sondern auch außerhalb des Skeletts, wo Flexibilität benötigt wird, z.B. in Blutgefäßen. Dies kann schwerwiegende Auswirkungen, wie „Gefäßverkalkung“, auf die Gesundheit haben. Schlauerweise hat der Körper für solche Fälle ein Präventionssystem entwickelt, in dem er bestimmte Proteine in großen Mengen im Blut transportiert. Diese Proteine halten Calcium und Phosphat fest und verhindern damit, dass sich ungewollt Calcium-Phosphat-Kristalle außerhalb des Knochens in den Blutgefäßen formen. Durch diesen Schutzmechanismus bilden sich zwar im Blut oder auch in anderen Körperflüssigkeiten keine Kristalle, trotzdem aber winzige, sogenannte Calciproteinpartikel (60-100 Nanometer groß und somit ungefähr 2000 mal kleiner als eine Nadelspitze), welche mit bloßem Auge nicht gesehen werden können. Dieses Präventionssystem ist großartig und effizient, da die Calciproteinpartikel in bestimmten Mengen keinen Schaden anrichten und in erster Linie die Verkalkung und Versteifung der Blutgefäße verhindert wird. Bei einem Überangebot von Phosphat, handelt es sich hier allerdings um ein zweischneidiges Schwert. Und genau dies habe ich während meiner Promotion genauer untersucht.

Anfangs war mir nicht bewusst, dass ich es in meinem Projekt mit den oben genannten Partikeln zu tun habe, aber so ist das oft in der Forschung. Erst am Ende lichtet sich der Nebel und man beginnt die Zusammenhänge zu verstehen. Der Ausgangspunkt meiner Promotion war die Beobachtung, dass hohe Konzentrationen von Calcium (eine ebenso wichtige Komponente für die Funktionalität des Körpers und der Zellen) ein starkes Gefahrensignal für bestimmte Immunzellen darstellt. Meine Aufgabe war es dann, herauszufinden warum das so ist, warum Calcium einen Alarmmechanismus in diesen Zellen auslöst. Calcium an sich sollte eigentlich keinen Bösewicht verkörpern. Und so kam es dazu, dass ich den eigentlichen Bösewicht in dieser Geschichte enttarnt habe und das war tatsächlich nicht das Calcium, sondern Phosphat. Dieses Phosphat befindet sich in erhöhten Mengen in der Flüssigkeit, in welcher die Zellen im Labor leben und in welcher sie mit Calcium geärgert wurden, dem sogenannten Zellkulturmedium. Das Phosphat im Zellkulturmedium verbindet sich also mit dem dazugegebenen Calcium. Da die schützenden Proteine auch in diesem Medium vorhanden sind, bilden sich aber keine festen und großen Kristalle, sondern nur die bereits genannten Partikel aus Calcium, Phosphat und Proteinen, diese allerdings in sehr großen Mengen. Diese Partikel konnte ich wie bereits erwähnt in dem Zellkulturmedium nicht einfach so sehen. Es benötigte spezielle Mikroskope bzw. Partikelmessgeräte, um diese winzigen Partikel sichtbar zu machen und zu charakterisieren.

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Calciproteinpartikeln. Aus: Jäger, E., Murthy, S., Schmidt, C. et al. Calcium-sensing receptor-mediated NLRP3 inflammasome response to calciprotein particles drives inflammation in rheumatoid arthritis. Nat Commun 11, 4243 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-17749-6

Die Zellen, mit denen ich während meiner Promotion gearbeitet habe, nennen sich Monozyten. Sie befinden sich im Blut und gehören zu unserem Immunsystem. Als Zellen des Immunsystems besitzen sie ein ausgeklügeltes Detektions- und Abwehrsystem. Dieses System erkennt sehr schnell fremdes, ungewohntes Material oder sogar direkt Eindringlinge, wie Bakterien und Viren und schlägt entsprechend Alarm, damit andere Immunzellen zu Hilfe eilen und die Eindringlinge mit bekämpfen können. Dazu gehört auch, dass die Monozyten permanent im Blut herumschwimmende Bestandteile fressen, sogar tote Zellen! Sie sind generell unheimlich hungrig. Der Vorteil ist, dass sie ihre Umgebung, also das Blut, damit immer sauber halten und zusätzlich sehr schnell und effizient erkennen, wenn irgendetwas nicht zu ihrer alltäglichen Nahrung gehört, wie bakterielle Bestandteile oder sogar Harnsäurekristalle, welche bei Gicht entstehen (Abbildung 2, unten). Wenn letzteres der Fall ist, wird wie bereits erwähnt, sofort Alarm geschlagen. Eines der wichtigsten Kommunikationswerkzeuge der Immunzellen sind sogenannte Botenstoffe (Zytokine). Diese werden von der alarmierenden Zelle produziert, aus der Zelle ausgeschüttet und über das Blut verteilt, um so die Nachricht schnell an weitere Immunzellen in der Nähe zu übertragen. Die Immunzellen sind genau dafür wieder mit einem weiteren Detektionssystem (Rezeptoren) ausgestattet. Sie können dadurch die Nachricht empfangen, entschlüsseln, dem Hilferuf der alarmierenden Zelle sofort folgen und damit die Eindringlinge gemeinsam überwältigen. Die gefressenen Bakterien oder auch andere Nahrungsbestandteile und sogar Kristalle können mittels eines speziellen Verdauungssystems (Lysosom, siehe Abbildung 2 in rot) von den Monozyten verdaut werden. Dies hilft zum Beispiel auch, um die gefressenen Bakterien zu töten. Praktisch, oder?

Hungrige Monozyten. Die rote Färbung zeigt die Lysosomen nach Aufnahme von Calciproteinpartikeln (oben) oder Harnsäurekristallen (unten). Die grüne Färbung zeigt den Zellkern mit der DNA. © Elisabeth Jäger. Aus: Jäger, E., Murthy, S., Schmidt, C. et al. Calcium-sensing receptor-mediated NLRP3 inflammasome response to calciprotein particles drives inflammation in rheumatoid arthritis. Nat Commun 11, 4243 (2020). https://doi.org/10.1038/s41467-020-17749-6.

Da die Monozyten generell alles verschlingen was in ihren Schlot passt, machen sie auch vor den Calciproteinpartikeln aus unserem Zellkulturmedium nicht Halt und nehmen diese mit dem Medium in großen Mengen in sich auf. In geringen Mengen können die Calciproteinpartikel von Monozyten problemlos verdaut werden. Die Monozyten haben in unserem Fall allerdings zu viele kleine Steine in ihrem Magen liegen, welche sie nicht schnell wieder loswerden können. Die vielen schlecht verdaulichen Partikel lösen damit ein besonders starkes Alarmsignal aus, das sogenannte Inflammasom wird im Monozyten aktiviert. Ein superpotenter Masterbotenstoff, Interleukin-1β, wird von dem Inflammasom produziert, damit möglichst viele Zellen ganz schnell über die akute Stresssituation (in dem Fall das Vorhandensein von übermäßigen Mengen an Calciproteinpartikeln) informiert werden. Eine Entzündungsreaktion ist damit entstanden (Abbildung 3). Leider kommt in diesem Fall für den Monozyten jegliche Hilfe von anderen Zellen zu spät. Das Signal, welches die Produktion des Masterbotenstoffs ankurbelt, ist in den meisten Fällen auch ein unvermeidliches Selbstzerstörungssignal. Der Monozyt geht also an unseren winzig kleinen Calciproteinpartikeln innerhalb von wenigen Stunden zu Grunde. Der Tod des Monozyten stellt aber gleichzeitig auch ein noch größeres Warn- und Alarmsignal für andere Zellen dar und hat damit doch auch eine positive Seite, da die umgebenden Zellen sich besser auf die Situation vorbereiten können. Der verstorbene Monozyt wird anschließend samt der Calciproteinpartikel durch die Teamarbeit der rekrutierten Monozyten aus dem Blut beseitigt.

Mechanismus der Calcium-Phosphat-induzierten Entzündungsreaktion in Monozyten. Bei Anstieg der Phosphatkonzentration und bei Vorhandensein von Calcium und Serumproteinen bilden sich 60-100 nm große Calciproteinpartikel, welche von Monozyten aufgenommen werden. In zu großen Mengen aktivieren diese Calciproteinpartikel das Inflammasom der Zelle, welches für die Produktion des Masterzytokins Interleukin-1β verantwortlich ist. Die Ausschüttung von Interleukin-1β aus der Zelle löst eine Entzündungsreaktion aus. ©Elisabeth Jäger

Stellen Sie sich jetzt vor, dieser Prozess findet nicht nur in einem Monozyten im Blut statt, sondern in vielen Monozyten, dann können sie sich wahrscheinlich gut ausmalen wie abgehetzt, ausgebrannt und gestresst die Zellen in dieser Situation sind. Normal ist die Konzentration von Calcium und Phosphat im Körper extrem streng überwacht, um genau solche Szenarien zu verhindern. Allerdings hat meist jedes System seine Schwächen, vor allem, wenn es aus dem Gleichgewicht gebracht und Stresssituationen ausgesetzt wird.

Wie genau diese beschriebenen Partikel es schaffen in den Monozyten die Produktion des Masterbotenstoffs zu aktivieren, konnte ich während meiner Promotion nicht vollständig aufklären. Eins ist mir aber jetzt bewusst, zu viel Phosphat in unserem Blut kann Immunzellen ganz schön in Schach halten, Entzündungen auslösen und ist damit wahrscheinlich gar nicht so ungefährlich für den Körper. Die Forschung hierzu steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Calciproteinpartikel sind aber bereits aus der Erforschung verschiedener Erkrankungen bekannt, bei denen eine Fehlregulation von Calcium und Phosphat im Körper zugrunde liegt. Hierzu gehören beispielsweise Nierenerkrankungen, da Nieren entscheidend für die Ausscheidung von überflüssigem Phosphat aus dem Körper sind. Aber auch unerwünschter Knochenabbau, wie bei Rheuma oft üblich, kann lokal zu erhöhten Calcium-Phosphat-Konzentrationen führen und damit den beschriebenen Mechanismus auslösen. Im Bezug zu Phosphat aus hochprozessierten Nahrungsmittel, wie Fast Food, gilt natürlich wie überall die Regel „die Dosis macht das Gift“, aber ab welcher Dosis Phosphat als Gift für den Körper wirkt, muss noch intensiv erforscht werden.


Elisabeth Jäger wurde 1990 in Meissen geboren und schloss 2012 ihren Bachelor of Science in Biologie in Halle-Wittenberg ab. Für ihren Master wechselte Sie nach Leipzig um sich auf Biomedizin/Biochemie zu spezialisieren. Während ihrer Promotion untersuchte Sie an der medizinischen Fakultät, im Department für Rheumatologie den Mechanismus der Calcium-induzierten Inflammasomaktivierung in humanen Monozyten. Als Postdoktorand im Department für Endokrinologie der medizinischen Fakultät beschäftigte Sie sich weiterhin mit Adipositas und dem Mikrobiom. Seit Oktober 2020 studiert Elisabeth als Postdoktorand regulatorische Mechanismen der Inflammasomaktivierung im Department für Pathologie im Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles (USA).

1 Kommentar

  1. Interessant erscheint mir, dass der Phosphatgehalt des Blutes tatsächlich durch die Nahrungsaufnahme beeinflusst wird, dass also der Körper nur unzureichende Mittel besitzt, eine falsche Diät auszugleichen.
    Dies zeigt sich etwa bei der Hyperphosphatämie, deren Therapie nicht nur durch Medikamente, sondern auch durch eine phosphatarme Diät erfolgt.

    Vorschlag: Wie wäre es mit einer Ernährungsblindstudie wo die eine Hälfte eine phosphatarme, die andere Hälfte eine phosphtreiche Ernährung verschrieben bekommt?

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