Gesprächige Zellen im Rampenlicht

Für ihre Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2023 in der Kategorie Biologie veranschaulichte Theresa Rauschendorfer, was sie für ihre Promotion erforscht hat.


Unsere Haut heilt kleine Verletzungen wie einen Schnitt in den Finger meistens schnell. Damit das gelingt, verständigen sich die Hautzellen intensiv untereinander. Doch die Kommunikation zwischen Zellen ist sehr komplex. Um sie zu durchschauen, braucht es neue Methoden und viel Durchhaltevermögen.

Wenn Zellen miteinander kommunizieren, benutzen sie eine chemische Sprache: Ihre Wörter sind Signalmoleküle, die produziert und nach außen abgegeben werden. Andere Zellen in ihrem Umkreis erkennen die Signalmoleküle über sogenannte Rezeptoren. So verstehen sie die ausgesandte Botschaft und reagieren darauf: Abhängig vom Signal fangen sie zum Beispiel an, sich zu teilen oder sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Das ist besonders wichtig, wenn unsere Haut eine Verletzung heilen muss. Oft heilen Wunden schlecht, wenn die Zellen in der Wunde sich nicht richtig verständigen. Deshalb wollen wir die Kommunikation zwischen den Hautzellen im „Normalzustand“ und im verletzten Zustand besser verstehen.

Die Haut ist unser größtes Organ. Wir nehmen mit ihr Berührungen wahr, sie reguliert die Körpertemperatur über das Schwitzen und produziert Vitamin D, wenn wir an die Sonne gehen. Ihre wichtigste Funktion ist aber der Schutz unseres Körpers: Sie baut eine Barriere zwischen dem Körperinneren und der Umwelt auf. So verhindert sie nicht nur den Wasserverlust aus dem Körper, sondern auch den Eintritt von Krankheitserregern und schädlichen Stoffen. Deshalb ist die Haut sofort im Alarm-Modus, wenn die Barriere zum Beispiel durch eine Verletzung oder eine Hautkrankheit durchlässig wird.

Die Hautbarriere wird vor allem durch die äußerste Hautschicht, die Epidermis, gebildet. Sie besteht zum Großteil aus Zellen, die Keratinozyten heißen. Darunter liegt die zweite Schicht, die Dermis. In ihr liegen die Schweißdrüsen und Blutgefäße und aus ihr sprießen unsere Haare. Auch in der Dermis finden sich Zellen, die sogenannten Fibroblasten. Keratinozyten und Fibroblasten kommunizieren besonders intensiv miteinander. Es gibt unglaublich viele verschiedene Signalmoleküle, die zwischen den beiden Zelltypen ausgetauscht werden.

Menschliche Haut unter dem Mikroskop. Die oberste, dunkle Schicht ist die Epidermis mit den Keratinozyten. Die hellere Schicht darunter ist die Dermis mit den eingebetteten Haarfollikeln und Blutgefäßen. Vor allem rechts unten am Bildrand ist auch ein Teil der Fettschicht darunter zu sehen, in der man große, ungefärbte Fettzellen findet. © Theresa Rauschendorfer

In meiner Doktorarbeit konzentrierte ich mich auf die Fibroblasten-Wachstumsfaktoren, kurz FGFs (engl.: fibroblast growth factors). Sie werden von den Fibroblasten ausgesendet und von den Keratinozyten in der äußersten Hautschicht über FGF-Rezeptoren wahrgenommen. In drei verschiedenen Projekten untersuchten wir diesen Signalweg in Zellen und bei Mäusen genauer.

Keratinozyten haben drei verschiedene FGF-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, mit denen sie die unterschiedlichen FGFs von den Fibroblasten erkennen. Im ersten Projekt fragten wir uns, ob alle drei gleich wichtig sind. Dafür entfernten wir in Mäusen die genetische Information für die Bildung jedes einzelnen FGF-Rezeptors allein und in Kombination mit den anderen FGF-Rezeptoren. Danach untersuchten wir die Hautbarriere der Mäuse. Für die Auswertung braucht man keine speziellen Tests, man sieht die Unterschiede mit bloßem Auge. Wenn FGF-Rezeptor 1 und 3 fehlen, sehen das Fell und die Haut der Mäuse ganz normal aus. Wenn aber FGF-Rezeptor 2 fehlt, haben die Mäuse ein Fell, das aussieht wie «ungekämmt». Und wenn FGF-Rezeptor 1 und 2 gleichzeitig ausfallen, verlieren die Mäuse alle ihre Haare. Daraus konnten wir die Hierarchie der FGF-Rezeptoren in Keratinozyten ableiten: FGF-Rezeptor 2 ist am wichtigsten, FGF-Rezeptor 1 ist weniger wichtig, während FGF-Rezeptor 3 zumindest in diesem Zelltyp nicht so wichtig zu sein scheint. Deshalb konzentrierten wir uns für unsere weitere Forschung in Keratinozyten auf FGF-Rezeptor 2.

Als wir die Mäuse ohne FGF-Rezeptoren 1 und 2 im zweiten Projekt genauer untersuchten, entdeckten wir etwas Unerwartetes. Die Mäuse ohne die beiden Rezeptoren sind resistenter gegen Virusinfektionen, obwohl ihre Hautbarriere sehr schwach ist. Das zeigt sich nicht nur auf mikroskopischer Ebene, sondern auch ganz praktisch. Sie verlieren sehr viel Wasser über die Haut. Deshalb trinken sie viel mehr als ihre Geschwister mit FGF-Rezeptoren. Wenn nun Herpesviren auf ihre Haut gelangen, sollten die Viren leichter durch die durchlässige Haut dringen und die Mäuse stärker infizieren. Doch das Gegenteil ist der Fall: Ohne die beiden wichtigsten FGF-Rezeptoren sind die Mäuse resistenter gegen Viren als ihre Geschwister. Bei genauerer Untersuchung fanden wir heraus, dass das FGF-Signal die zelleigene Abwehr gegen alle möglichen Viren untergräbt. Deshalb können sich Zellen ohne FGF-Rezeptoren besser gegen Viren wehren. Medikamente, die den FGF-Signalweg unterbrechen, könnten also gegen unterschiedliche Viruskrankheiten helfen – wie ein Breitband-Antibiotikum gegen Bakterien. 

Allerdings gibt es hier noch ein paar technische Schwierigkeiten. Die Kommunikation zwischen Zellen ist sehr komplex. Von den drei verschiedenen FGF-Rezeptoren erkennt jeder mehrere der insgesamt 23 verschiedenen FGFs; manche werden sehr stark wahrgenommen, andere nur ganz schwach. Sobald ein FGF an einen Rezeptor gebunden hat, wird das Signal über weitere Moleküle in die Zelle hinein getragen. Die Signalwege innerhalb der Zelle verzweigen sich und werden von den Signalen anderer Rezeptoren beeinflusst. Wenn ein bestimmtes FGF auf die Zelle trifft, werden verschiedene dieser Signalwege unterschiedlich stark eingeschaltet. Welche Reaktion in der Zelle nun durch FGF-Rezeptor 2 ausgelöst wurde, lässt sich in diesem Dschungel von Signalwegen kaum herausfinden.

Es wäre also hilfreich, nur einen einzigen Rezeptor einschalten zu können. Dafür probierten wir im dritten Projekt eine Methode aus, die bisher vor allem bei Nervenzellen eingesetzt wurde. Mittels Gentechnik verschmolzen wir die genetische Information für den FGF-Rezeptor 2 mit einem Gen aus Algen. Dieses reagiert auf blaues Licht. Der so erzeugte Licht-Rezeptor wird nicht mehr durch FGFs, sondern von blauem Licht aktiviert. Mit diesem System können wir also den wichtigsten FGF-Rezeptor in Keratinozyten einfach mit dem Lichtschalter einschalten. Für alle anderen Rezeptoren auf der Zelle macht das Licht keinen Unterschied, sie bleiben aus.

Selbst gebaute Lichtkammer für die Zellkultur-Experimente. © Theresa Rauschendorfer

Mit einem Lötkolben und einer Heißklebepistole aus dem Baumarkt bauten wir eine Lichtkammer und programmierten sie so, dass wir die Beleuchtungsdauer im Experiment über mehrere Tage genau kontrollieren konnten. Dann probierten wir den Licht-Rezeptor in einfachen Zellkulturen aus. Und es funktionierte: Die Signalwege in der Zelle wurden wie erwartet eingeschaltet und die beleuchteten Zellen fingen an, sich zu teilen und zu wandern. Also gingen wir einen Schritt weiter. Wir erzeugten Keratinozyten mit Licht-Rezeptor und untersuchten sie in unserer selbstgebauten Lichtkammer. Zuerst schalteten sie wie erwartet die Signalwege in der Zelle an. Doch die Freude war nur von kurzer Dauer: Die Zellen schienen unsere Manipulation schnell zu bemerken und versuchten auf allen möglichen Wegen, den Licht-Rezeptor loszuwerden. Deshalb reagierten sie nicht längerfristig auf das Licht.

Ähnliches passierte auch in den Mäusen mit Licht-Rezeptor, die wir gezüchtet hatten. Die ersten Mäuse entwickelten Haut-Tumoren. Das passt sehr gut mit der vermehrten Zellteilung durch das FGF-Signal zusammen. Außerdem entstanden die Tumoren nur am Rücken der Mäuse, der ja im alltäglichen Mäuse-Leben das meiste Licht abbekommt. Doch in späteren Mäuse-Generationen wurden die Tumoren immer seltener und die Hautzellen reagierten irgendwann überhaupt nicht mehr auf Licht. Auch in den Mäusen hatten die Keratinozyten den Licht-Rezeptor verloren. Unsere Forschungsfrage konnten wir so nicht beantworten.

Maus mit einem Tumor am Rücken. © Theresa Rauschendorfer

Was lernen wir also von meiner Doktorarbeit? Die Kommunikation zwischen Zellen ist sehr komplex, und es braucht neue Methoden wie die Licht-Aktivierung, um sie zu verstehen. Bei der Anwendung dieser neuen Methoden muss man aber viel ausprobieren und darf sich nicht entmutigen lassen, wenn Versuche scheitern. Denn die Signalwege zwischen den Zellen sind immer für eine Überraschung gut – wie auch die Kommunikation zwischen Menschen.


Theresa Rauschendorfer studierte Biomedizin und Molekulare Biologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Universität Bayreuth. Nach einem Praktikum bei Roche entschloss sie sich 2016 zu einer Doktorarbeit am Institut für Molekulare Gesundheitswissenschaften (IMHS) an der ETH Zürich. Ihre Forschung konzentrierte sich unter anderem auf die Anwendung von Optogenetik im FGF-Signalweg in Keratinozyten. Sie schloss die Promotion im Sommer 2021 erfolgreich ab und widmet sich nun der Wissenschaftskommunikation, vor allem im Bereich medizinischer Themen.

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