Gemeinsam können wir mehr

Für ihre Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2023 in der Kategorie Informatik veranschaulichte Tanja Kaiser, was sie für ihre Promotion erforscht hat.


Vögel, Ameisen und Bienen zeigen uns auf eindrucksvolle Weise, wie viel im Team erreicht werden kann. Auch Roboter-Anwendungen können vom Einsatz mehrerer Roboter profitieren. Doch die Realisierung von Multi-Roboter-Systemen ist schwierig. Künstliche Intelligenz kann helfen.

Eine unbekannte Schwarmintelligenz aus den Tiefen des Meeres bedroht in Frank Schätzings Roman „Der Schwarm“ die Menschheit. Schätzings Geschichte wurde zum Weltbestseller; Die Serien-Verfilmung wurde im Frühjahr 2023 erstmals im ZDF ausgestrahlt. Auch in Disneys Animationshit „Baymax – Riesiges Robowabohu“ ist ein Schwarm eine Bedrohung. Im Film versucht der 14-jährige Hiro Hamada zu verhindern, dass der von ihm entwickelte Roboterschwarm als Waffe eingesetzt wird. In Literatur und Film werden Roboterschwärme bisher leider eher negativ dargestellt. Dabei haben Multi-Roboter-Systeme viele Vorteile. Multi-Roboter-Systeme, und Roboterschwärme, können gemeinsam Aufgaben bewältigen, die teils die Fähigkeiten der einzelnen Roboter übersteigen. Roboterschwärme bestehen aus vielen gleichartigen Robotern, sozusagen Klonen, die dezentral organisiert sind. Durch den Einsatz eines Multi-Roboter-Systems können beispielsweise Such- und Rettungseinsätze beschleunigt werden: Gebiete können durch den gleichzeitigen Einsatz mehrerer Roboter schneller abgesucht und Verletzte durch die Zusammenarbeit der Roboter geborgen werden. 

Vier Thymio II Roboter mit Schaufeln aus Lego®. Die Roboter können mit den Schaufeln die Holzwürfel in der Arena verschieben. © Tanja Katharina Kaiser

Roboterschwärme zu realisieren ist eine große Herausforderung: Der Roboterschwarm soll ein bestimmtes Gesamtverhalten haben, wir können aber nur die einzelnen Roboter programmieren. Deshalb haben wir an der Universität zu Lübeck untersucht, wie wir mit Methoden der künstlichen Intelligenz die Realisierung von Roboterschwärmen vereinfachen können. Anstatt das Verhalten der einzelnen Roboter zu programmieren, lassen wir die Roboter ihr Verhalten selbst lernen. Das Besondere an unserem Ansatz ist, dass wir während des Lernprozesses kein bestimmtes Schwarmverhalten belohnen – stattdessen geben wir den Robotern eine Art inneren Antrieb vor. So entsteht eine Art Bibliothek von unterschiedlichen Schwarmverhalten. 

Doch wie genau machen wir das? Die Inspiration für unseren Ansatz reicht bis zu Helmholtz (1821 – 1894) und Platon (428 v. Chr. – 348 v. Chr.) zurück. Die Idee des Bayes’schen Gehirns besagt, dass Lebewesen auf Grundlage eines Weltmodells gegenwärtige und zukünftige Ereignisse vorhersagen und erklären. Ein gutes Weltmodell liefert Vorhersagen über die Welt, die sehr gut mit den tatsächlichen Wahrnehmungen des Lebewesens übereinstimmen. In unserem Lernverfahren lernen Roboter gleichzeitig ein Weltmodell und ein Schwarmverhalten. Dabei belohnen wir nur die möglichst genaue Vorhersage der Umwelt; Das Schwarmverhalten entsteht als Nebenprodukt. Die Belohnung möglichst genauer Vorhersagen ist eine Art innerer Antrieb zu Lernen ohne ein bestimmtes Verhalten als Ziel zu haben. Im Lernprozess können somit zwei verschiedene Dinge passieren: Der Schwarm passt sein Verhalten an das Weltmodell an oder das Weltmodell wird so verändert, dass es zum Schwarmverhalten passt. Lassen wir den Lernprozess mehrmals ablaufen, entstehen unterschiedliche Schwarmverhalten.

Simulierte Roboterschwärme: Die Roboter links haben sich in Linien angeordnet, während die Roboter rechts Gruppen gebildet haben. © Tanja Katharina Kaiser

Um unseren Ansatz zu testen, haben wir zunächst Experimente in einfachen Simulationen durchgeführt. Im Vergleich zu Experimenten mit echten Robotern sind Simulationen schneller und ermöglichen Daten zur Auswertung einfach aufzuzeichnen. In diesen Experimenten sind, wie erhofft, viele unterschiedliche Schwarmverhalten entstanden. Zum Beispiel haben sich die Roboter sich in verschiedenen Mustern, wie Linien, angeordnet oder Gruppen gebildet.

Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse in Simulation haben wir in unserem Schwarmrobotiklabor an der Universität zu Lübeck Experimente mit echten Robotern durchgeführt. Dabei haben wir unseren Schwarm Thymio II Roboter eingesetzt; Der Thymio II ist ein etwa 10 cm x 10 cm großer Roboter, der mit seinen Sensoren andere Roboter und Hindernisse erkennen kann. In einem ersten Experiment haben wir einen Schwarm von zehn Robotern in einem ansonsten leeren Raum Schwarmverhalten lernen lassen. Die Roboter lernten dabei beispielsweise sich über die Arena zu verteilen, was zur Überwachung von Flächen genutzt werden kann. In einem zweiten Experiment haben wir die Roboter mit Schaufeln ausgestattet, mit denen sie in der Arena verteilte Holzwürfeln schieben können. Der Roboterschwarm hat hier gelernt die Holzwürfel an den Rand zu schieben—ein Verhalten, das bei der Vorbereitung von Baugeländen eingesetzt werden könnte. Die Fähigkeiten der Roboter und die Gestaltung der Umgebung beeinflussen die entstehenden Schwarmverhalten.

In Zukunft wollen wir unseren Ansatz in komplexeren Umgebungen testen. Unsere Umwelt verändert sich sehr schnell—Menschen bewegen sich, Gegenstände werden verschoben. All das sind zusätzliche Herausforderungen für die Roboter und den Lernprozess. Aufgrund unserer bisherigen Ergebnisse sind wir zuversichtlich, dass unser Ansatz auch die Herausforderungen unserer realen Welt meistern wird.

Bis Multi-Roboter-Systeme zu einem festen Bestandteil unseres Alltags werden, dürfte noch einige Zeit vergehen. Doch viele Forscher:innen arbeiten daran Zukunftsvisionen Realität werden zu lassen. Beispielsweise erforschen an der Universität Konstanz Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen im Rahmen eines von Bund und Ländern geförderten Exzellenzclusters kollektives Verhalten. Von der interdisziplinären Zusammenarbeit profitieren alle: Ingenieurinnen und Ingenieure können durch die Erkenntnisse der Biologinnen und Biologen Multi-Roboter-Systeme verbessern. Letztere können mithilfe der Roboterschwärme ihre Theorien überprüfen. Wir können uns also auf viele neue Entwicklungen – nicht nur in der Robotik – freuen.


Tanja Katharina Kaiser studierte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart und an der Technischen Universität Berlin. Anschließend promovierte sie auf dem Gebiet der Multi-Roboter-Systeme am Institut für Technische Informatik der Universität zu Lübeck. Es folgten Stationen als Postdoktorandin an der Universität zu Konstanz und an der Technischen Universität Dresden. Seit Oktober 2023 leitet sie das Multi-Robot Systems Satellite Lab des Department Engineering der Technischen Universität Nürnberg.

1 Kommentar

  1. KI und Robotik, der Traum aller Technokraten – Da wäre es kein Wunder, wenn die konfuse KI Mensch eines Tages in einer stumpf-, blöd- und wahnsinnigen Matrix wie aus Hollywood landet, ohne je ihre wirklich-wahrhaftigen Möglichkeiten fusioniert zu erleben!?

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