Arnika gegen Tropenkrankheit

Für ihre Bewerbung um den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2023 in der Kategorie Chemie veranschaulichte Franziska Jürgens, was sie für ihre Promotion erforscht hat.


Für eine weit verbreitete Tropenkrankheit gibt es bisher nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten. Die Rede ist von der kutanen Leishmaniose. Arnikatinktur zeigt vielversprechende Forschungsergebnisse, sodass nun eine erste klinische Studie mit Patienten startet.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft die Leishmaniose als eine „vernachlässigte Tropenkrankheit“ ein. Betroffen sind insbesondere arme Bevölkerungsgruppen, sodass nur geringe Investitionsrenditen mit der Entwicklung von Arzneimitteln erzielt werden können. Daher besteht in der Pharmaindustrie nur wenig Interesse daran. Deswegen habe ich mich in meiner Doktorarbeit mit Forschung zur Bekämpfung der Leishmaniose beschäftigt.

Die Krankheit Leishmaniose ist vor allem in Südamerika, Afrika und Südasien verbreitet. Während etwa eine Milliarde Menschen dem Infektionsrisiko ausgesetzt sind, treten jährlich mehr als eine Million neue Krankheitsfälle auf. Die Erkrankung wird durch Parasiten, sogenannte „Leishmanien“ verursacht, die durch Sandmücken übertragen werden. Besonders den ärmeren Bevölkerungsgruppen fehlen jedoch häufig Mittel zur Mückenstichprophylaxe. Durch den globalen Temperaturanstieg können sich Sandmücken – und damit auch die Krankheit – zunehmend ausbreiten. In den Mittelmeerländern Europas tritt Leishmaniose bereits häufiger auf und sogar in Deutschland wurden schon erste Fälle gemeldet.

Je nachdem, ob überwiegend die Haut, die Schleimhäute oder die inneren Organe betroffen sind, werden drei Formen der Erkrankung unterschieden. Ich habe mich auf die kutane Form konzentriert, bei der sich die Leishmanien in der Haut befinden und diese schädigen. Patienten mit kutaner Leishmaniose leiden unter schlecht heilenden, schmerzhaften offenen Wunden, die oft zu schweren Behinderungen sowie lebenslang entstellenden Narben führen. Die bisherige Standard-Behandlung erfolgt mit Wirkstoffen, die das sehr giftige Element Antimon enthalten und schwerwiegende Nebenwirkungen verursachen. Sie ist außerdem sehr kostspielig und daher für viele Patienten unerschwinglich. Zudem werden die Wirkstoffe zunehmend unwirksam, da sich Resistenzen der Parasiten entwickeln. In meiner Doktorarbeit habe ich deshalb an einer wirksamen, sicheren und erschwinglichen Alternative geforscht. Aus der Arnikapflanze gewonnene Arzneimittel bieten hier ein großes Potenzial.

Aus diesen Blüten der Arnikapflanze wird die Arnikatinktur hergestellt. © Franziska Jürgens

In den Arnikablüten sind sogenannte Sesquiterpenlactone („STL“) enthalten. Diese konnten die Leishmanien bereits in vorherigen Studien in Parasitenkulturen im Labor abtöten. Daher entschieden mein Doktorvater Prof. Dr. Schmidt (Universität Münster) und ich diesen Ansatz weiter zu verfolgen. Finanziell gefördert durch die Wilhelm-Doerenkamp-Stiftung konnten wir zusammen mit Kollegen der Universität Antioquia (Kolumbien) die Wirkung im lebenden Organismus bestätigen: Die Behandlung infizierter Goldhamster mit einer alkoholischen Tinktur aus Arnikablüten führte bei mehr Goldhamstern zur Heilung als die Standard-Behandlung. Bei dieser „topischen Therapie“ wird die Arnikatinktur direkt auf die infizierten Hautstellen auftragen. Dabei tötete die Arnikatinktur nicht nur die Parasiten, sondern förderte zusätzlich die Wundheilung.

Die Wundheilung eines Goldhamsters, der mit Arnikatinktur behandelt wurde (links: vor der Behandlung, Mitte: nach der 60-tägigen Behandlung, rechts: nach weiteren 90 Tagen). © Sara M. Robledo

Diese ersten, vielversprechenden Ergebnisse motivierten dazu, nach einem Weg zu suchen, um auch menschliche Patienten mit kutaner Leishmaniose mit Arnikatinktur behandeln zu können. Hierzu ist es wichtig, die „Pharmakokinetik“, also die Aufnahme, die Verteilung, die Verstoffwechslung und die Ausscheidung der Wirkstoffe im Körper zu kennen. Der Fokus meiner Arbeit lag daher auf detaillierten Untersuchungen zur Aufnahme der STL durch die Haut sowie deren Verstoffwechslung im Körper.

Um die dermale Aufnahme der STL zu untersuchen, habe ich überwiegend mit Hautproben von Minischweinen gearbeitet. Die Haut der Minischweine hat erstaunlicherweise ein der menschlichen Haut sehr ähnliches Aufnahmeverhalten. Dennoch ist es wichtig, die so gewonnenen Ergebnisse anschließend mit Hautproben von Menschen zu bestätigen. Diese Haut stammt von Operationen (z.B. Hautstraffungen) bei denen kleine Hautstücke entfernt und für die Forschung gespendet werden. Für die Experimente habe ich die Hautproben in spezielle Diffusionszellen eingesetzt und auf der Oberseite der Hautproben Arnikatinktur aufgetragen. Die Unterseite der Hautproben war mit einer Flüssigkeit in Kontakt, welche das Blut simuliert. Auf diese Weise konnte ich abschätzen, in welchem Umfang die Substanzen in die Haut aufgenommen werden, durch die Haut hindurch wandern und ins Blut gelangen.

Ich fand heraus, dass die STL nach dem Auftragen umfassend in die Haut aufgenommen werden. Durch die Haut hindurch wanderte jedoch nur ein geringer Anteil der aufgenommenen Substanzen. Wir vermuten, dass die STL mit Hautbestandteilen (Proteinen) reagieren und sich dadurch in der Haut anreichern. Um diese Hypothese zu prüfen, habe ich ein fluoreszierendes STL hergestellt und die Experimente wiederholt. Als wir anschließend die Haut unter dem Mikroskop betrachteten, konnten wir die fluoreszierende Substanz eindeutig in der Haut nachweisen. Die STL reichern sich also besonders in der Haut und somit am Infektionsort an. Optimale Voraussetzungen für eine topische Therapie.

Unter dem Mikroskop sehen wir die Anreicherung des fluoreszierenden STL in der Epidermis (E), insbesondere im Stratum corneum (SC) einer behandelten Haut (links) im Vergleich zu einer unbehandelten Haut (rechts). © Franziska Jürgens

Unser Stoffwechsel verändert fast alle Substanzen, die in den Körper gelangen. Die entstehenden Stoffwechselprodukte können jedoch giftiger als die Ausgangssubstanz sein. Daher ist es wichtig, auch die Stoffwechselprodukte von Wirkstoffen zu untersuchen und hinsichtlich ihrer Gesundheitsgefährdung zu bewerten. Zur Untersuchung der Verstoffwechslung von Arnika-STL habe ich insbesondere mit kleinsten Bruchstücken aus Leberzellen, den sogenannten Lebermikrosomen, gearbeitet. In diesen sind viele am Stoffwechsel beteiligte Enzyme enthalten. Daher eignen sie sich gut für die Simulation des Stoffwechsels im Labor. In meinen Experimenten konnte ich eine schnelle und umfassende Verstoffwechslung beobachten und erstmals eine Vielzahl an Stoffwechselprodukten der untersuchten STL genau charakterisieren. Erfreulicherweise konnten diese als unbedenklich eingestuft werden.

Zuletzt führte das kolumbianische Forscherteam eine Studie mit Ratten durch, um die STL im Blut und in den Ausscheidungen zu untersuchen. Dazu haben die Wissenschaftler den Tieren Arnikatinktur in einer Dosierung aufgetragen, welche zuvor zur Heilung der Goldhamster führte (0,1 mL/cm²). Mit meiner sehr empfindlichen analytischen Methode wäre es möglich gewesen, selbst noch 7 Nanogramm eines STL in einem Milliliter Probenvolumen nachzuweisen. Dies entspricht in etwa der Menge von 2 Stücken Würfelzucker (à 3 g) aufgelöst in der Wassermenge eines 25 m Schwimmbeckens im Freibad (ca. 875 000 L). Innerhalb von 96 h nach dem Auftragen erreichten die STL jedoch keine messbare Konzentration im Blut, im Urin oder im Kot der Ratten. Dies lässt sich dadurch erklären, dass sich die Substanzen in der Haut anreichern und somit nur in geringem Maße ins Blut gelangen. Ein weiterer Grund ist, dass der Stoffwechsel die Substanzen stark abbaut. Bei derart geringen Konzentrationen der STL im Blut, im Urin und im Kot sind keine Nebenwirkungen an inneren Organen und anderen Körperteilen zu erwarten. Gleichermaßen gab es in keiner der durchgeführten Studien des Gesamtprojekts Anzeichen für Toxizität der Arnikatinktur bei topischer Verabreichung. Dies bestätigt nochmals die gute Verträglichkeit von Arnikatinktur, die bereits aus der langjährigen Anwendung zur Behandlung von Verletzungs- und Unfallfolgen bekannt ist.

Nun ist ein guter Behandlungserfolg ohne gravierende Nebenwirkungen sehr wahrscheinlich, wenn die bei Goldhamstern gezeigte Effektivität der Arnika-Behandlung an menschlichen Patienten überprüft wird. Aufgrund dieser sehr vielversprechenden Ergebnisse startet in Kolumbien, einem stark von der kutanen Leishmaniose betroffenem Land, eine erste klinische Studie mit menschlichen Patienten. Dies ist ein toller Erfolg und bringt uns der Möglichkeit, bezahlbare und gut verträgliche Medikamente für betroffene Patienten zu entwickeln, ein großes Stück näher.


Franziska Jürgens studierte Lebensmittelchemie an der Universität Münster. Ihre Promotion führte sie am Institut für Pharmazeutische Biologie durch. Dort beschäftigte sie sich mit Arnika-Inhaltsstoffen mit dem Hintergrund der Anwendung als Arzneimittel zur Behandlung der Tropenkrankheit kutane Leishmaniose. Seit 2023 arbeitet sie als Arbeitsgebietsleitung am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt in Münster und beschäftigt sich seitdem mit der Analytik von Arzneimittelrückständen.

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