Studien beendet: Spielzeug und Wintergarten für das Geflügel
Tagebücher der Wissenschaft
Als ich 2011 meinen ersten Artikel über das Privathof-Geflügel von Wiesenhof schrieb, war das gesamte Projekt noch unglaublich neu. Im Vorfeld der offiziellen Präsentation wurden zwar einige generelle Untersuchungen angestellt und dabei zum Beispiel das Verhalten der Tiere auf Spielzeug untersucht, “handfeste” Belege wie Studien fehlten aber, da sie gerade erst angelaufen waren. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden schließlich dieses Jahr Anfang Januar an der LMU München vorgestellt.
Cobb Sasso ist eine langsam wachsende Geflügel-Rasse und stellt in Kombination mit einer geringeren Besatzdichte, einem Wintergarten und Spielzeug für die Tiere die Grundlage für das Privathof-Geflügel dar. Für jene, die das gerade zum ersten Mal lesen, zitiere ich mal meine ersten und zweiten Eindrücke.
Los geht es 2011:
So weit, so konventionell. Jetzt war ich aber nicht nur einfach so in einem Geflügelstall, weil das auch mal spannend ist. Animal Welfare oder auch Tierwohl war das Stichwort. Wie lassen sich Verbraucherwünsche, Wirtschaftlichkeit und Lebensmittelrecht so vereinbaren, dass auch das Tierwohl nicht zu kurz kommt? In diesem speziellen Stall fanden sich dafür zum Beispiel Strohwürfel, die von den Küken zum Verstecken oder auch zum Spielen genutzt werden. Daneben entdeckte ich noch mehrere weiße Quader aus Kalk, sogenannte Picksteine, die ebenfalls der Beschäftigung dienen und in früheren Beobachtungen von den Küken begeistert aufgenommen wurden. Jetzt beschäftigen Küken sich nicht nur gern, sondern müssen sich auch mal ausruhen und schlafen, was sie gerne in einer erhöhten Position tun, weshalb es auch Sitzstangen gibt.
Ein Jahr später sah es für mich dann so aus:
Die diesmal deutlich älteren Tiere waren topfit, stritten sich um Picksteine oder zupften an unseren Schutzanzügen. Die Einstreu war total trocken und nicht zu hoch (oder tief, je nach Blickwinkel), Fußballen-Probleme waren hier kein Thema. Auch die Luft war sehr angenehm. Beim Spielzeug gab es dabei einige Neuerungen. Die Heuwürfel waren etwas verschnürt worden und zu den Picksteinen aus Kalk waren noch Quader gekommen, in die Getreidekörner eingearbeitet waren und von den Tieren rausgefummelt werden mussten. Der Kleber war Stärke, wenn ich mich nicht irre. Auch die schon von Beginn an eingeführten Sitzstangen wurden ausreichend gewürdigt.
Die von der LMU München durchgeführten und finanzierten wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigen meine Eindrücke weitgehend. Analysiert wurden dabei die Tiergesundheit, das Stallklima (Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Ammoniak) und das Verhalten der Tiere bzgl. ihrer Akzeptanz der angebotenen Picksteine und Sitzstangen.
Die Tiergesundheit ist hier natürlich besonders interessant. Hier wurden unter anderem das Gewicht, der Ernährungszustand und das Federkleid untersucht. Alles richtig und alles wichtig. Ich interessierte mich allerdings eher für die Fußballengesundheit (1), Fersenhöcker-Veränderungen und potentielle Ganganomalien.
Nach sieben Mastdurchgängen beim Privathof-Geflügel mit Cobb Sasso und sechs Durchgängen mit der konventionellen Mast-Variante Ross 308 (zur Erinnerung: mehr Tiere, schnelleres Wachstum, weder Sitzstangen noch Picksteine oder Heuballen) kam man hier zu dem Ergebnis, dass 87, 29% der Cobb Sasso-Tiere auch kurz vor der Schlachtung noch sehr agil waren, was allerdings auf nur 12,3% der konventionellen Tiere zutraf. Deutlich zu erkennende Ganganomalien wurden bei 0,57% der Cobb Sasso-Tiere beobachtet, während 13,83% Ross 308 davon betroffen waren. Schwerwiegende Beeinträchtigungen konnten in beiden Versuchsreihen kaum beobachtet werden.
Das Verhalten der Tiere wurde mit Überwachungskameras analysiert. Überraschungen gegenüber den eingangs gemachten Beobachtungen oder jenen meiner Besuche gab es auch hier nicht. Strohballen und Picksteine wurden gern zur Beschäftigung genutzt, während die Sitzstangen als Ruheort verwendet wurden.
Unter meinen bisher geschriebenen Artikeln äußerten Leser auch schon mal Unmut, dass die Erwähnung des Privathof-Geflügels hier im Blog schließlich Werbung sei. Vielleicht – allerdings sehe ich in dieser Haltungs-Variante im Hinblick auf einen allgemeinen Standard am meisten Potential und bin da keineswegs alleine. Auch die Holländer sehen das so. Dort ist man allerdings schon einen Schritt weiter und etabliert einen sehr ähnlichen Standard. Ich berichtete auch über John R. Hutchinson und seine Kollegen, die am Geflügel der Zukunft forschen, was sicherlich auch ein spannender Ansatz ist, mehr aber auch noch nicht.
Für mich ist dieses Thema mittlerweile ziemlich klar. Was Ihr bei Fragen zu tun habt, wisst Ihr ja 😉
Anmerkung:
- Die Fußballengesundheit im direkten Vergleich der beiden Rassen ist zwar interessant, wichtig ist aber auch zu ergänzen, dass hier das Management des jeweiligen Landwirtes ein entscheidener Faktor ist. Es gibt Betriebe, da klappt es auch im konventionellen Stall hervorragend und eben solche, wo es noch Luft nach oben gibt.