Das Herz und Herzkrankheiten in der graeco-islamischen Medizin

BLOG: Indische Medizin im Wandel

Der Forschungsblog
Indische Medizin im Wandel

Wie kam es überhaupt zu dem Thema?

Im Zuge meiner Masterarbeit zu der Ernährungslehre in der graeco-islamischen Medizin zeigte sich schon sehr früh ein großer Einfluss der Ernährung auf die Gesundheit, besonders auf das Herz-Kreislaufsystem. Aus persönlichen Gründen interessiere ich mich eh für diesen Themenbereich und lese gerne darüber. Erkrankungen dieses komplexen Systems sind heute weltweit die häufigste Todesursache. Darüberhinaus faszinieren mich als Pharmakologentochter die empfohlenen und angewandten Heilmittel sehr. Zusammen förderte dies den Wunsch, den Themenkomplex der cardiovasculären Erkrankungen, ihrer Darstellung und Behandlung, zu meinem Promotionsthema zu machen.

Aber wo anfangen?

Noch vor der krankheitsspezifischen Textlektüre war (und ist immer noch) aber die Forschungsrichtung zu definieren: was genau sind Herzkrankheiten überhaupt? Was verstand man zu den verschiedenen Zeiten darunter, was versteht man heute darunter?

Um den Zustand der „Krankheit“ eines Organs beschreiben zu können, muss nicht zunächst die Funktion und Anatomie des „gesunden“ Organs erfasst werden, damit Abweichungen vom Normalzustand überhaupt erst erkannt werden können und ich weiß, wonach ich in den Quellen suchen muss? Meiner Meinung nach schon, und so sind momentan ebendiese Funktionsbeschreibungen und anatomischen Darstellungen mein Thema, wobei ich die Werke chronologisch und quasi geographisch bearbeite, von den griechischen Autoren wie Hippokrates von Kos und Galen von Pergamon über die arabischen und persischen Autoren bis zu Werken aus dem heutigen Pakistan und Indien.

Bis zu den wirklichen „Herzkrankheiten“ und heute geläufigen Heilmitteln dagegen ist es also noch ein weiter, aber spannender Weg.

 

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Gesche Johannknecht, MA, studierte Arabistik bzw. Orientalistik und Romanistik an den Universitäten Göttingen, Vigo (Spanien) und Bochum. Bereits während des Studiums legte sie den Schwerpunkt auf Wissenschaftssystematik und Wissenschaftsgeschichte, insbesondere Medizin, und verfasste ihre Abschlussarbeit zur Diätetik in der graeco-islamischen Medizin. Seit 2012 arbeitet sie an ihrer Dissertation über die Definition, Darstellung und Behandlung von Herzkrankheiten in der Yunani-Medizin.

9 Kommentare

  1. In meinem nächsten Blogbeitrag …

    … will ich ein bißchen ausführlicher auf die Vorstellungen der graeco-islamischen Medizin eingehen. Ist in Arbeit, dauert aber noch ein bißchen, weil ich gerade jede Menge anderes erledigen muß.

    Hier nur in aller Kürze: Das ist die Medizintradition, die sich über mehrere Jahrhunderte hinweg auf der Grundlage der griechischen Medizin in den von Muslimen beherrschten Regionen entwickelt hat, und zwar nicht nur auf arabisch (die Werke, die ich bearbeite, sind auf persisch) – deshalb sprechen wir nicht von “graeco-arabisch” wie sonst üblich.

    Auch in Europa wurden Teile dieser Medizintradition lange Zeit unterrichtet (z.B. Avicennas “Canon”, die lateinische Version des arabischen “Qanun”).

    Hat also wenig mit Esoterik zu tun, aber viel mit Geschichte. 😉

  2. Ach ja

    Gerne mal in meinen ersten Blogbeitrag reinschauen! 🙂 Da wird auch einiges erläutert. Ist sozusagen die “Einleitung” zu diesem Blog.

  3. medizinischer Ernst

    Ja, z.B. als “Unani Medicine” wird die graeco-islamische Medizin in Indien weiterhin betrieben, allerdings unter Einbeziehung vieler Elemente aus der modernen “westlichen” Medizin. Aber WIR machen hier Medizingeschichte und Medizinethnologie. 🙂

    Und die “Unani Medicine” ist eine moderne Version historischer Medizin. Daher “Geschichte, nicht Esoterik”. Mehr zum Thema aus unserer Perspektive demnächst aus dieser Seite…

  4. @Susanne Kurz

    Ich finde, dass das ein tolles Thema ist: Es zeigt, wie sich kulturelle und auch (proto-)wissenschaftliche Traditionen seit jeher gegenseitig durchdrungen und befruchtet haben. Direkt nach seinem Erscheinen 1997 hat mich der “Medicus” von Noah Gordon schwer beeindruckt, vielleicht schreibt Ihr ja auch mal so einen Bestseller! 🙂

  5. Medizinhistorie

    > Aber WIR machen hier Medizingeschichte und Medizinethnologie. 🙂

    Das war die erbetene Ergänzung zu Ihrem Vorhaben, danke.

    Sie können sich aber vielleicht vorstellen, dass Aussagen wie beispielsweise diese – ‘Diese Formen der Behandlung sind also eine “gemeinsame lebendige medizinische Tradition”, deren historische Bedeutung und Wirksamkeit in Europa hingewiesen derzeit gerade erst wiederentdeckt werden. Denkbar ist, dass gerade diese gemeinsamen Medizintraditionen zum einen zur Verbreitung der Unani Medizin in Deutschland beitragen könnten, aber auch ihren Platz im medizinischen Spektrum des Gesundheitstourismus finden können.’ – unter Esoterik-Verdacht geraten könnten.

    MFG + bis demnächst!
    Dr. W

  6. @ Dr. W

    Kommt wohl darauf an, was man unter Esoterik versteht. In dem Zitat geht es ja um Medizin-Tourismus und den Trend, Alternativen zur Schulmedizin zu suchen – was zwar in die Esoterik führen kann, aber nicht muß, und durchaus handfeste Gründe haben kann. Inwiefern die Aussage selbst unter “Esoterik-Verdacht” geraten kann, ist mir nicht recht klar.

  7. @ Dr. W.

    Ergänzend zu den Erläuterungen von Frau Kurz sei noch zu sagen, dass die moderne Behandlung z.B. einer Mitralklappeninsuffizienz kein bisschen vergleichbar ist mit der Behandlung einer Herzkrankheit zu Zeiten von Hippokrates oder Ibn Sina.
    Einfach, weil unter dem Begriff “Herzkrankheit” damals etwas völlig Anderes verstanden und entsprechend behandelt wurde.
    Insofern hat die graeco-islamische Medizin mit Esoterik zunächst gar nichts zu tun, sondern schlicht mit einem “anderen” Medizinkonzept.

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