Einzelzellanalyse: Technologie der Zukunft

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Ein erwachsener menschlicher Organismus besteht aus circa 37,2 Billionen oder 37.000 Milliarden oder 37.200.000.000.000 Zellen.

Was wäre wenn einige dieser Zellen ein mutiertes Gen tragen würden, welches diese Zellen dazu veranlasst, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt unaufhörliche zu teilen? Genau wäre der Ausgangspunkt eines Krebsgeschwürs.

Wären wir nicht alle daran interessiert, diese tickende Zeitbombe rechtzeitig zu entschärfen? Hierfür müsste man so früh wie möglich wissen, dass man Träger solch mutierter Zellen ist. Nur dann könnten Ärzte vorsorglich und effektiv gegen eine drohende Krebserkrankung vorgehen, das heißt bevor Krebs überhaupt entsteht.

Nehmen wir mal an wir würden nun eine Blutprobe von uns abgeben, mit der Bitte unsere Zellen auf ein bestimmtes mutiertes Gen zu untersuchen. Die heutige Standarddiagnostik würde nichts finden wenn nur wenige der in der Probe enthaltenen Zellen das mutierte Gen tragen. Momentan aktuelle Verfahren analysieren Zellen als einheitliche Masse. Das Ergebnis ist also ein Durchschnittswert, der die Information über ein mutiertes Gen in einigen wenigen Zellen verschleiert (Abbildung 1). Der potentielle Krebs, zum Beispiel, bleibt unerkannt.

Einzellzellanalyse_Abb1x

Um dieses Problem zu lösen muss also jede einzelne Zelle separat betrachtet und analysiert werden.

Eine solche Einzelzellanalyse ist technisch und analytisch aufwendig. Ein entsprechendes Verfahren muss 1.) die einzelnen Zellen aus dem Blut isolieren, 2.) die individuellen Eigenschaften jeder einzelnen Zelle ermitteln, und 3.) die gewonnenen Daten analysieren und integrieren. Außerdem sollten diese Schritte so schnell wie möglich und auf so wenig Raum wie möglich stattfinden. Diese Kriterien treffen momentan am besten auf eine Technologie zu, die als „lab-on-a-chip“ (Labor-auf-einem-Chip) bezeichnet wird.

Im Allgemeinen ist ein solcher Chip 5x7cm groß, und besteht aus einem Kanalsystem. Über diese Schläuche werden Zellen aus den Spritzen in den Chip befördert und im Kanalsystem separiert – je nach Chiptechnology entweder in zellgroße Mulde oder Tröpfchen. Jede Mulde oder jeder Tropfen auf dem Chip fungiert als ein individuelles Minilabor, das es erlaubt die darin vorhandene Zelle einzeln zu analysieren (Abbildung 2).

Einzellzellanalyse_Abb2xx

Je nach Funktionsspektrum des Chips können zahlreiche Eigenschaften der Zelle bestimmt werden, z.B. deren Gene oder Stoffwechselprodukte. Hierbei ist die Datenanalyse sehr aufwendig und komplex, da von vielen verschiedenen Zellen zahlreiche Datenpunkte zur gleichen Zeit erhoben werden.

Letztendlich erlaubt eine solche Einzelzellanalyse aber nicht nur Zellen zu identifizieren, die sonst unerkannt geblieben wären, sondern auch Zellen von Interesse zu isolieren und zu manipulieren: Dies kann beispielsweise bei der Entwicklung von Impfstoffen nützlich sein. So könnte eine Plasmazelle, die Antikörper gegen den Ebola-Virus bildet, gezielt aus dem Blut eines Ebola-Überlebenden isoliert werden und so verändert werden, dass Antikörper in großen Mengen produziert werden. Diese Antikörper könnten dann wiederum einem mit dem Ebola-Virus infizierten Menschen gespritzt werden um diesen zu heilen.

Auch wenn momentan noch aufwendig, kostenintensiv und limitiert im Einsatz, ist diese Technologie ein wegweisender medizinischer Fortschritt mit großem Potential.

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Veröffentlicht von

ImmunoLogisch Verena Brucklacher-Waldert ist promovierte Immunologin und arbeitet an einem Forschungsinstitut für biomedizinische Forschung in Cambridge, UK. Dort erforscht sie vor allem welche Faktoren zur Entwicklung von Autoimmunerkrankungen führen.

6 Kommentare

  1. In den 30μl eines Blutstropfens befinden sich also bereits mehrere Millionen Zellen. Mit nur geringer Wahrscheinlichkeit Tumorzellen im Falle eines metastasierenden Karzinoms, mit hoher Wahrscheinlichkeit fötale Zellen bei Schwangerschaft (fötale DNA liegt aber auch frei im Blut vor), denn mehr als 10 Tumorzellen pro ml Blut sind selbst bei Metastasierung selten, andererseits scheinen 0.0035% bis 0.008% der Zellen im Blut einer Schwangeren vom Fötus zu stammen. Ein Tumorscreening basierend auf Einzelzellanalysen von Blutproben wäre also recht aufwendig und benötigte auch recht viel Blut ( mehrere Milliliter), die Bestimmung von Chromosomenaberrationen eines Fötus dagegen könnte bald einmal im Heimlabor gelingen.

  2. Wegen der Vielzahl unterschiedlicher Immunzellen ist die (System-) Immunologie einer der wichtigsten Anwendungsgebiete der Einzelzellanalyse. Das research paper Microfluidic single-cell analysis for systems immunology, welches mit dem Untertitel Lab on a chip überschrieben ist, stiess deshalb auf besonders reges Interesse. Hier ein paar Sätze aus dem Abstract

    Understanding immunity in the face of complexity and noisy dynamics requires time-dependent analysis of single-cells in a proper context. Microfluidic systems create precisely defined microenvironments by controlling fluidic and surface chemistries, feature sizes, geometries and
    signal input timing, and thus enable quantitative multi-parameter analysis of single cells. Such qualities allow observable dynamic environments approaching in vivo levels of biological complexity.

  3. Toll, man hat also die durchschnittliche Zahl der Zellen eines Erwachsenen auf 100 Milliarden genau berechnet. Angenommen, der Durchschnittserwachsene wiegt 75 Kilo, dann kommen auf 1 Kilo bereits 500 Milliarden Zellen. So gesehen täuscht die Angabe 37,2 Billionen wohl doch eine nicht vorhandene Genauigkeit vor.

    Aber das nur nebenbei, mit „lab-on-a-chip“ (den Begriff kannte ich bislang nicht) scheint sich ja ein Weg anzudeuten, wie die riesigen Zellzahlen bewältigt werden können. Mir kommt da die Fotografie in den Sinn, da hätte man vor 30 Jahren auch nicht gedacht, dass ein „Chip“ mal den SW- oder Farbfilm ersetzten könnte.

    • Ja, ein Lab on a Chip muss nicht grösser sein als ein CDD-Sensor.

      Wie wäre es, alle 37 Billionen Zellen eines Menschen einer Diagnose zu unterziehen – und das nchtinvasiv. 37*N Terabyte (N sind die Daten pro Zelle) and Daten würden dann bei einem Ganzkörpercheck, der alle Zellen überprüft, anfallen.Erstaunlich finde ich eigentlich nur, dass 37 Terabyte schon heute bewältigbar wären.

  4. Das wird nicht mehr lange dauern, bis diese Geräte so leistungsfähig werden, dass das schnell und erschwinglich wird. Das war bei PCR so und auch die Genomsequenzierungsgeschwindigkeiten von heute waren vor 10 Jahren noch pure Utopie.

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